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Die Flucht aus der Kindheit

Konstantin Schemat und Dominica Schemat


Wenn es uns nicht gelungen ist, den Planeten zu zerstören, dann wird diese Zeit kommen, die man die Zeit der Erfüllung nennt, weil in ihr besonders viele Menschheitsträume in Erfüllung gehen. Und PuppetMastersParadies ist die Firma, die viele dieser Wünsche erfüllen kann. Wurden die ersten Puppen noch als Sextoys im Kleiderschrank eingeschlossen und vor der Öffentlichkeit verborgen, so sind sie jetzt, da ihre verbalen Fähigkeiten gestiegen sind und sie eine grazilere Form des aufrechten Gangs beherrschen und sich selbst an und auskleiden können, mit auf die Straße genommen, aber auch zu Empfängen, Spendengalas etc. Sie finden sich als treuer Kamerad und Fan als Begleiter bei Fußballspielen und die Frauen gehen mit den Puppen einkaufen, wenn sie nicht die neusten Modelle haben, die selbst schneidern können. Durch die Puppen hat die alte Einteilung der Geschlechter wieder Auftrieb bekommen, vielleicht weil die Menschen so von ihren Fertigkeiten überrascht sind, dass sie das Bedürfnis haben, sich an altem festzuhalten. Das betrifft auch die Mode, die teilweise wirkt wie aus dem 19. Jahrhundert. Der Gesetzgeber aber will eigentlich darüber bestimmen wer den Maschinen ihre Bedürfnisse zuteilt aber vor allem das sie sich nicht selbstständig machen. Man könnte glauben das verzweifelte Liebhaber der Motor der Puppenindustrie ist aber es sind die Anwälte, Parteien und der Gesetzgeber.

Da geht es um die Frage, ab welchem Maß an Autonomie einer Puppe, man nicht mehr von Sachbeschädigung sprechen kann. Welche Persönlichkeitsrechte wollen wir ihnen zugestehen. Aber es geht auch um Sicherheitspolitik, wieviel Bewusstsein wollen wir den Puppen erlauben? Ist es eine Straftat einer Puppe Kontrolle über ihre eigenen Prozesse zu geben?

Was passiert nach einer Scheidung, darf man die nach dem Ebenbild des Partners erstellte Puppe, die einen ähnlichen Charakter hat behalten? Geht die Puppe automatisch in das Eigentum des Originals über? Oder hat der Geschiedene Anrecht auf die Puppe, sofern er bereit ist Lizenzgebühren an seinen Exmann oder seine Exfrau zu zahlen?

Auch hier bilden sich äußerst differenzierte Regelungen aus: Bei psychischer oder körperlicher Gewalt in der Ehe, darf das Opfer die Puppe lizenzfrei weiterbenutzen und bei schweren Straftaten auch modifizieren und den Unterhalt vom Täter einklagen. Das gilt besonders für Haftzeiten, in denen der Täter, wie es so heißt "auf eigene Kosten eine bessere Version von sich selbst" seiner Familie bereitstellen muss.

Für Waisenkinder besteht eine Übernahmepflicht der Sozialversicherung für die Bereitstellung einer Puppe.

Was passiert, wenn einem auch die Puppe wegläuft, sind dann Zwangsmassnahmen legitim?

Und natürlich sind die Puppen Material für viele Filme, wie den Film über das Paar, dass so verliebt war, dass es ein zuviel an Berührungen nicht ertragen konnte. Beide hatten eine fürchterliche Jugend, und ihnen reichte es schon völlig aus, wenn sie, scheinbar aus versehen, mal von den Haaren ihres Partners berührt wurden. Diese Paar hat ein Anrecht auf ein Paar Puppen mit höherem Bewusstsein juristisch erstritten, weil die Puppen sich miteinander vergnügen sollten, wenn sie selbst es nicht können.

Ihnen wurde genauso recht gegeben, wie dem Mann, der nach einem Verkehrsunfall mit Kopfverletzung eine Puppe mit höherer Selbstreflexionsfähigkeit, also auch mit einer höheren Bewusstseinstufe zu bekommen. Generell bleibt die Förderung eines höheren Bewusstseins bei Puppen aber eine Straftat, so besteht der Gesetzgeber darauf, dass in einem Puppenhaushalt die Spiegel zugehängt werden.

Und natürlich gibt es keinen Tag, wo die Medien darüber berichten, wie sich eine Puppe gegen anbaggern gewehrt hat. Auch beliebt sind Eifersuchtsdramen bei Puppentauschparties, die es in den guten alten Zeiten der Swingerclubs nie in dem Ausmass gegeben hat, sodass es sich um eine Erfindung der Medien handeln könnte.

Puppenraub wird wie Entführung in einem minder schweren Fall geahndet. Anders sieht es aber aus, wenn man eine Puppe aus dem Feuer rettet, dann geht sie, ähnlich wie bei der Havarie eines Schiffes, in das Eigentum des Retters über. So hatte ein Obdachloser erfolgreich geklagt, obwohl er zunächst glaubte, eine Frau gerettet zu haben. Ihm wurde dann die Puppe richterlich zugesprochen.


Ein Junge, Silicius, leidet unter dem Sadismus seiner Mutter, Dramatica. Sie gibt ihm als Säugling Orangensaft in Mengen und wickelt ihn dann nicht, damit er sich wundliegt. Sie schneidet ihm später die Fingernägel so kurz, dass er nichts anfassen kann. Sie weckt ihn in der Nacht. Und sie probiert Medikamente an ihm aus. Schläfert ihn manchmal tagelang ein, wenn er ihr lästig wird. Aber als er sagt, dass er sich das nicht gefallen lassen will, da gibt sie ihm eine Mischung aus Speed und Mitteln gegen Durchfall, dass er immer die Schmerzen der Verstopfung hat, während er voll auf Speed ist. Er verliert seine Kinderfreunde und die Mutter klagt darüber, wie schwer sie es mit ihm hat, und erntet dafür noch Mitleid und Verständnis.

Der Junge soll Anteile von PMP erben, was sich wegen Nachlassstreitigkeiten immer wieder herauszögert. Doch als die Mutter als Vormund und Erbe eingesetzt wird, will sie ihn loswerden.

Die Mutter stiftet einen Gehilfen an, der ihr auch aus Mitleid mit ihr hilft, das Haus anzuzünden. Ein Feuerwehrmann, der weiß wie man so etwas macht, ohne Spuren zu hinterlassen. Der Gleiche, der im Berufsleben für das Jugendamt zuständig ist, und so verhindert, dass der Junge sich wehren kann.

Was eigenartig ist, aber doch immer wieder geschieht, als das Haus brennt, und der Junge durch einen Zufall entkommen kann, hat er nur eins im Sinn, seine Mutter zu retten. Aber der Rauch beißt so sehr, dass er erschrocken feststellt, als er seine Mutter, die er aus dem Feuer gezogen hat löschen will, dass er nur die Puppe erwischt hat, die sein Vater, einer der Gründer von Puppet Masters Paradies, selbst gebaut hat. Der Junge weiß, was ihm blüht, wenn die Behörden, das Jugendamt ihn zu fassen bekommen, und er muss fürchten für Brandstiftung in die Kinderklapse zu kommen. Deshalb begibt er sich mit seiner Puppe auf die Flucht. Irgendwie muss er die 6 Jahre noch durchstehen, bis die Volljährigkeit, ihn von seinen perversen Peinigern erlöst.

Sein Ziel ist einer der letzten Parks in nord Norwegen, wo er sich mit Hilfe von der Puppe, die er für seine Mutter ausgibt, durchschlagen will.

Nur gut, dass die Bezeichnung eines Menschens als Puppe eine schwere Beleidigung und eine Straftat ist, so erhofft er sich, im Zweifel mit seiner Puppenmutter durchzukommen. Nur leider ist die Puppe genauso eine Sadistin wie seine Mutter. Er versucht es ihr zu erklären, dass sie nichts davon hat, denn ein Sadist quält, damit ein Anderer seine Ängste in der Wirklichkeit ausleben muss, er quält um sich selbst besser zu fühlen. Die Puppe behauptet aber, dass es ihr ganz genauso ginge.

Der Plan des Jungen ist, mit einem Frachtschiff auf dem nördlichen Transeuropäischen Kanal, der zur Wasserversorgung der Wüstengebiete in Brandenburg und Süditalien dient. Er wird in einem Kiesfrachter für den großen Nordseesperrdamm mitfahren, verschüttet werden und von den Survivalfähigkeiten der Puppe gerettet.

Er wird an einer Stromleitung über eine Schlucht hangeln die er durch ein vorgetäuschten Defekt nur 30 Minuten lang benutzen kann.

Er wird in einem Container verladen und feststellen, dass die Hitze, seiner Akkuflex zusetzt, sodass er sich nur mit Hilfe der Puppe befreien kann.

Und ganz nebenbei, muss er versuchen die Puppe mit einem freundlicheren Charakter zu booten, was diese entschieden verweigert, aus Gründen des Urheberrechts. Er wird Menschen vertrauen, die nur seine wertvolle Puppe, oder sein Erbe übernehmen wollen.

Aber am Ende, wird er im Paradies an einem norwegischen Fjord landen, wo es sich im Sommer anfühlt, wie an der Amalfi Küste. Und irgendwann wird die umprogrammierte Puppe ihn sogar darum bitten, wenn er erwachsen ist, ihn offiziell heiraten zu können. Aber so weit muss es ja nicht kommen.





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Der Klimaprokrastinierer

Konstantin Schemat und Dominica Schemat

Da gab 's so 'n Tramper, der kann gut Geschichten erzählen, also dieser Tramper. Und das nutzt er um LKW-Fahrern die total übermüdet sind seine Geschichten zu erzählen. Richtig spannende Geschichten damit sie wach bleiben und keinen Unfall bauen. Mit der Zeit ist er immer überzeugter, das es seine Pflicht ist diese Gabe so sinnvoll ein zu setzen wie möglich. Damit hat er auch die ein oder andere Massenkarambolage schon verhindert. Denn weißt du was passiert wenn so 'n scheiß Milchtanker mal ein Powernap macht, dann schiebt der drei Familienkutschen mit samt Kanu auf dem Dach und Kuscheltier im Arm zusammen wie 'ne fliegende Schrottpresse. Dieser Typ wird nicht nachts von seinem Heiligenschein ausgeleuchtet und doch ist er nicht unterwegs um sich am Strand die Nüsse zu schaukeln, den Bauern die Bananen zu klauen oder irgendwelche scheiß Haarbänder zu flechten um sie auf 'nem Flohmarkt an der Mauer zu verkaufen. Nein, denn dieser Typ hat eine Mission! Aber dieser Typ ist wie du und ich, kein Heiliger, der hat auch einen Magen wie du und ich und auf den muss er auch hören wenn er ihm sagt: „Stopf mich du alter Sack, wenn du es nicht drauf anlegen willst, dass ich dich selbst auffresse.“. Und dann erzählt er auch eine seiner Geschichten für eine warme Mahlzeit oder auch nur 'nen scheiß Schokoriegel. Und so verbreiten sich die Geschichten auch über seine Tramperkollegen weiter die auch im Dienste der Unfallverhütung unterwegs sind. Die Geschichten werden in Hamburg nass geregnet, dass sie über den Rückspiegel gelegt werden müssen um zu trocknen. Am Rhein werden sie von Loretta besungen. In Genf werden sie durch geschmolzenen Käse gezogen. In Nizza saugen sie sich mal so richtig mit Vino Tinto voll, bevor sie in Pampelona beinahe (!) vom Stier aufgespießt werden. Dann haben sie erst mal genug von unserem Kontinent und werden nach Marokko eingeschifft. Und wenn sie in Marakesch vom Sattelschlepper abgeladen werden, dann stehen schon die Kamele bereit, sie durch die endlose Wüste zu schleppen. Und ganz nebenbei, wie von Zauberhand, haben die Geschichten ihre Kleider gewechselt. Vom stolpernden Norddeutschen zum näselnden Franzosen bis zu Takama, der Berberin, die eine Geschichte zu erzählen hat, vor zahlendem Publikum auf dem Platz der Gehängten. Und wie heißt es so schön, wenn Dir etwas geklaut wurde, dann sieh zuerst in L.A. nach, ob Du es da wiederfindest, und so landen die Geschichten auch irgendwann bei Produktionsfirmen in den Filmstudios. Du siehst schon, worauf ich hinaus will, aus einem einzigen Typen, und seinem komischen Bedürfnis, einen kleinen Teil unsere schönen blauen Welt zu retten, wird eine Art Wesen aus Worten, Geschichten, was sein eigenes Ökosystem entwickelt hat, um das Vergessen zu überleben.

Es hat eine Wüstenquelle den höchsten Grad an Reinheit auf der international anerkannten Tetsukazu-Skala erreicht und sie wollen dazu ein Werbespot in der Wüste drehen, wo der Hollywoodstar Mooar Laduon notdürftig bekleidet droht zu verdursten, aber durch einen Schluck Tetsukazu Wasser beginnt nicht nur sie zu ergrünen sondern es breiten sich auch wogende Weiden in der Wüste aus und ein mächtiger Mangobaum von fünfzig Metern Höhe spendet ihr üppigen Schatten. Wenn Nils Groshngrave eins hasst, dann ist es, wenn die Leute seine Schwächen ausnutzen und sehen, wenn er gute Laune hat. So auch der arabische Junge, der ihm die Manufaktur seine Vaters zeigen will, Tee mit ihm trinken und ihn seiner Schwester vorstellen will. Normalerweise, würde Nils Groshngrave so etwas überhören, aber nach diesem erfolgreichen Dreh, muss er doch sein Glück mit der Welt teilen, auch wenn er von ihr zur Zeit nur, wie er glaubt, den erbärmlichsten Zipfel zu fassen bekommt: An Schwestern habe ich keinen Mangel.

Das ist wirklich seine Entgegnung.

Der Junge ahnt gleich mit wem er es zu tun hat: Du bist Produzent Mister, ich habe für dich frische Geschichten, den heißen Scheiß, Ali liefert Geschichten, Mister Produzent die Schwestern, was denkst Du Mister?

Da schlägt der Mister die Tür von seinem SUV zu und kann die Flüche von Ali nicht mehr hören, die spart der sich lieber auf, dafür ist es eh zu heiß, vor dem Sandsturm. Am gleichen Abend wird Nils noch einmal eine Chance haben, diese Geschichten zu hören, nachdem man ihn aus einem Sandsturm gerettet hat, und er bei Kiff und Baklava in einem Fischerzelt flezt. Er neigt ein wenig zum Dramatischen, gestern noch, dankt er seinen Rettern überschwänglich, obwohl er auch im Wagen unbeschädigt überlebt hätte. Aber am nächsten Morgen, als er feststellt, dass er bei der Irrfahrt im Sturm nicht tief in der Wüste, sondern an einem Strand gelandet ist, da fühlt er sich betrogen, da zählt die Rettung nichts mehr. Kann sich nicht mehr an seine großspurigen Versprechungen erinnern, was er alles aus diesen Geschichten machen will, auch wenn er noch Takamas kleines Taschenbuch, deutlich in seiner linken Brusttasche spüren kann. Es zieht ihn zur Brandung des Atlantiks, er genießt das frische Wasser in seinem Gesicht, und die bunten Nacktschnecken, die in der Lagune schweben. Großartig, er liebt das Gefühl, wenn ihn die heilige Gier überkommt. Er wird es herausfinden, wer von diesen Wüstensöhnen die Quelle für diese großartigen Geschichten ist, und dann wird er zu dieser Quelle eine ganz eigene Leitung aufbauen, ganz unbeschwert, eine Schrägbohrung, so wie sie es bei dem Wasser gemacht haben, von Verträgen und dem lästigen Drumherum völlig befreit, die Geschichte, als Naturprodukt.

Schwenken wir kurz 2000 Kilometer weiter in den Norden, ein kleine Bergdorf in den Pyrenäen auf der Ausweichroute auch der großen LKWs. Ein kleines Mädchen hat etwas in den Schatten gesehen, die die Autos, LKWs auf ihrer Zimmerdecke hinterlassen. Und ihre Prophezeiungen, sind bisher immer eingetreten. Still wird es, wenn sie den Raum betritt und Juan schlägt seine Augen nieder, um von ihr zu hören, ob er seinen Feldzug gegen seinen Krebs überleben wird.

Dabei hasst sie diese Auftritte, es ist eher ihre strenggläubige Mutter, die alles Mögliche in ihren Worten liest. Aber diesmal ist es anders, diesmal ist sich die kleine Maria sicher, etwas gesehen zu haben. Ein Fluss wird versiegen, ein Fluss hoch in den Bergen, der die Bäume vor ihrem Haus mit einem kleinen Bächlein tränkt, die Bäume werden sterben, sie können ihr Haus nun nicht mehr schützen.



Aber um welche Geschichten geht es hier eigentlich? Nun, ich weiß nicht, wie die Original Geschichten lauten, aber ich weiß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, was Nils Groshngrave daraus machen will:

Da ist, der schändliche Heiler, Khasib ein Krankstifter. Also er macht die Leute krank, um sie heilen zu können. Er heilt kleinere Gebrechen, wie ein Furunkel, und infiziert sie mit Lepra. Natürlich nicht an der Furunkelstelle. Und da er genau weiß, womit er sie krank gemacht hat. Der Krankstifter Khasib verliebt sich in eine junge Frau, die er nicht krank gemacht hat, aber die er auch nicht heilen kann, und die bringt ihn zur Strecke, mit ihrem Leiden, das er zum ersten Mal in sinem schändlichen Leben mitfühlen muss...

Abbas ein Verbrecher, der die Verbrechen verübt, die die anderen nur im Geist verüben, und der es jedes mal so arrangiert, dass die Gedankentäter kein Alibi haben, und eine Spur hinterlassen. Er zieht wie eine Welle der Gewalt durch die Dörfer, indem er jedem bösen Gedanken, sein Messer reicht, jedem bösen Blick, seine Luger. Er gibt sich als Handelsreisender bleibt fast unsichtbar, und wenn er an den Türschwellen erscheint, sind die Verbrechen schon begangen, und die Leute berichten ihm davon…

Die Abenteuer von Hamit dem Klempnerkiller, der alle rächt, die jemals von Handwerkern verarscht, vertröstet und betrogen wurden…

Nadim, das Wechselbalg, der sich als kundiger Handwerksgeselle einschleicht, und der ganz unmerklich, seinem Meister immer ähnlicher wird, bis er ihn in den Keller sperrt und statt seiner mit seiner Frau und seinen Kindern weiterlebt, die das Original überhaupt nicht vermissen. Aber um so freundlich am Tag zu sein, muss er das Original, dem er nacheifert, das er sogar noch übertrifft, quälen, jede Nacht...

Das alte Hotels oder Schlösser verflucht sich, das gab es schon öfter, aber eine Tankstelle, das ist neu. Erst der Wünschelrutengänger Said bringt Frieden, indem er auf eine Ölquelle stößt, die direkt unter der Tankstelle liegt. Was für ein Feuerchen, alles im Namen der Güte und Barmherzigkeit um das Böse rückstandsfrei auszurotten...

Amel der hässlichste Mensch der Welt, verwandelt sich in den schönsten Menschen, wenn es dunkel ist, und niemand kann ihn/sie sehen. Es bleibt sein Geheimnis, bis ein Vampirlehrling mit seinem nagelneuen Nachtsichtgerät in den Ort kommt...

Das Kamel was aus dem Zirkus flieht, und bis nach Marokko zu seinem treuen Halter, dem es gestohlen wurde, zurück findet

Hadir, die Maus, die einen Pilz frisst, der auf den Trümmern eines Atomtests wächst, und sie so stark macht, dass sie erst zur Königin der Mäuse wird und dann aber ist ihr das nicht genug. Um die Königin der Katzen zu werden, verrät sie den Katzen alle Geheimnisse der Mäuse, und die rotten sie fast alle aus...

Der Biber, der als einziger einen Tiertransport, per Frachtflugzeug zu dem Zoo in Johannesburg überlebt, und in einer verborgenen Oase in der Sahara seine Dämme baut. Er ist sehr einsam in seiner Oase, bis sich ein Ziegenbock dorthin verirrt. Sie bekämpfen sich um die Oase für sich zu haben, und merken gar nicht wie gut ihnen die Gesellschaft tut. Da bekommt der Biber Fieber, und der Ziegenbock kümmert sich um seinen geliebten Feind. Als es dem Biber besser geht, revanchiert er sich, indem der dem Ziegenbock das Tauchen beibringt, damit er auch die Wasserpflanzen ernten kann. Wenn sie nicht gestorben sind, streiten sie noch heute...

Der Wind, dessen Heulen von der Erde scheinbar erwidert wird, sodass er glaubt, man hätte seinen Bruder dort begraben, und der dann so kräftig bläst, um eine antike Statt freizulegen. Als die Plünderer kommen und die Grabräuber, da ist das nicht schön anzusehen, da bläst er noch einmal, und deckt die Stadt ganz sanft wieder zu...

Nebukadnezars Hirte: Viele kennen die Geschichte von dem großen König Nebukadnezar, der zuweilen glaubte, eine Kuh zu sein, und auf der grünen Aue äsen ging. Viele haben sich gewundert, wie so etwas möglich war, seine Königswürde als Kuh zu behalten, bis vor kurzem das Grab geöffnet wurde, eine Sensation, es scheint sich dabei um den Hirten des Königs gehandelt zu haben, der verhindert hat, dass er seine Königswürde verliert, während er friedlich geäst hat. Wenn das Amulett dieses Schattenherrschers keine Superkräfte verleiht, dann weiß ich es auch nicht…

Ein Typ freut sich erst das er immer alles überlebt. Er ist in miesen Beziehungen und er muss nur auf einen Unfall warten. Aber dann verliert er jemanden, den er wirklich liebt und will sich umbringen. Aber das überlebt er nur sein Retter, der ihn aus dem reißenden Gletscherfluss holt, stirbt dabei. Dann will er etwas tun, was ihn noch sicherer töten kann, als ein Sprung vor den ICE. Er will den Tramadolhandel verhindern, der Seelentreibstoff für den Goldrausch der Sahara und einigt sich mit den Geheimdiensten, weil er so die Geldzufuhr zu den Terroristen abschneiden will. Dann versuchen die ihn los zu werden, schaffen es aber nicht. Dumm gelaufen, statt dem sicheren Tod baut er sich ein DrogenImperium auf, streng demokratisch. Er wird unglaublich reich und er weiß nicht was er mit dem Geld machen soll und dann erscheint ihm seine tote Frau, der Grund für seine untröstliche Trauer und er fleht sie an, ihn das Sterben zu lehren. Aber sie sagt, dass das noch Zeit hätte, erst solle er mal ein Krankenhaus und eine ökologische Salzwasseraufbereitung mit erneuerbaren Energien am Meer bauen. Dann wirft er ihr vor, dass sie seine Legende, seinen Markenkern zerstören würde. Sie entgegnet: Ich soll deine Legende zerstören? Ne mein Bester, das machst du schön selber.





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Das Wunschbuch

von Konstantin Schemat und Dominica Schemat



Der Nymphenretter

Beim Überqueren der kleinen Sandbank im Bachbett sieht sich der greise Mönch um und wundert sich nicht, dass er so leicht geworden ist, so sanft auftritt, dass er noch nicht mal eine Spur im Sand hinterlassen hat. Später, als die Sonne rauskommt, um seine Knochen zu wärmen, da fühlt er sich ein wenig kräftiger. Trotzdem bleibt er stehen, ja, jetzt lächelt er sogar, vielleicht freut er sich darüber, dass er noch einen ganz ordentlichen Schatten werfen kann. Der Aufstieg auf den Klosterberg nötigt ihm alles an Energie ab, völlig entkräftet schleicht er in die alten Mauern, dessen letzter Bewohner er ist. Im irdenen Krug wartet der Saft auf ihn, den er früh am Morgen aus der neuen Ernte gepresst hat, süß und fruchtig schmecken die Trauben, sodass er sich wundert warum dieses Getränk an Wert gewinnen soll, wenn es erst vergoren ist. Ein Weilchen braucht er noch, sitzt einfach nur da, seine Lippen leckend. Dann holt er das Buch hervor, was er für seine Wünsche aufgehoben hat. Er taucht die Feder in das Glas mit selbstgemachter Tinte. Eine Arbeit, die er immer gemocht hat, wenn er im Herbst die Eichengalläpfel eingesammelt hat, wenn er die kleinen Kügelchen zwischen seinen Fingern gerieben hat, um sich zu sagen: Ob ihr wohl wisst, dass Wörter in euch wohnen? Und wieder musste er lächeln, denn natürlich leben die Wörter nicht in den Galläpfeln und wenn er auch Hundertmal die Tinte mit Eisen und ihrem galligen Gerbstoff gewinnt. Doch die Einsamkeit bewirkt so manchen Zauber, belebt die Welt ein zweites Mal. Da wird die Gallwespe zum Gelehrten, die Eiche zur Bibliothek. Ganz vorsichtig ging er nun zu Werke. Als würde in dem Wunsche selbst ein Wesen wohnen, was er mit seiner Not und Dringlichkeit nicht erschrecken wollte. So schreibt er: Kann es nicht sein, dass eines Tages ein Junge an diese Pforte klopft, der meiner so sehr bedarf, wie ich seiner?

Den Sand zum Löschen der Tinte in dem kleinen Töpfchen benutzte er nicht. Vielleicht war er ein geduldiger Mensch, der warten konnte, bis die Tinte von alleine abgetrocknet war, aber statt zu trocknen, wurde die blaue geschwungene Linie seiner Schrift, blasser und blasser, als wäre sie ein Fluss, der langsam aber unaufhaltsam in der Landschaft des Papiers versiegt. Und so war es dann auch, das Blatt war wieder leer und unbeschrieben. Wie um sich des eigenartigen Phänomens zu vergewissern und nicht ohne Zärtlichkeit, strich der alte Mönch mit seiner knotigen Hand über das glatte weiche unbeschriebene Papier, bevor er das Buch sanft wieder schloss.



Ein Junge mit grausamen Eltern, die nur noch dadurch zusammengehalten wurden, indem sie miteinander wetteiferten, wer denn ihren kleinen Jungen am vortrefflichsten Quälen kann, flieht in ein Kloster und gibt sich als Waise aus. Vielleicht ist es nicht der richtige Junge, vielleicht ist es auch nur eine List. Der Meister will ihn nicht aufnehmen, weil er selbst bald Hilfe brauchen wird. Er werde das Kloster verlassen müssen, leider. Da lügt der Junge in seiner aussichtslosen Lage, dass er sich in der Pflege alter Menschen auskennen würde. Eine schallende Ohrfeige ist seine Belohnung. Aber als der alte Meister sich in sein Kloster begibt, da schließt er die Pforte nicht ganz, so dass der Junge durch eine morsche Stelle hineinschlüpfen kann. Fortan bekocht er den alten Meister, bäckt die kleinen Kastanienkuchen mit Waldhonig, die der alte so gerne in Milch eintaucht, bestellt die Felder, damit sie genug zu essen haben, melkt die Ziegen, lernt Käse herzustellen. Nur manchmal vermisst er die Prügel von zuhause. Nicht die dauernden Prügel, aber ab und an, einmal die Woche eine saftige Ohrfeige, das braucht er schon, sonst wird er verrückt. Bei seinen Eltern hat er so fürchterliche Schläge bekommen, dass er auch fast verrückt geworden wäre, aber ganz ohne sie auskommen kann er jetzt leider auch nicht mehr, was er sehr bedauert, aber so ist es nun mal. Und er muss dafür den Meister ärgern, muss versuchen das Kloster zu renovieren oder die alte Bibliothek auch nur betreten. Denn das hasst der Meister. Er will, dass die Natur wieder reingelassen wird. Er wäre immer ein Schüler Gottes und seiner Natur gewesen, und würde das Kloster ihm wieder übergeben. Der Junge findet das gemein, weil der Meister keinen Gedanken an ihn zu verwenden scheint. Dabei hat er sehr viel nützliche Dinge gemacht. Er hat die heiße Quelle wieder geöffnet, sehr zur Missbilligung des Meisters, der alles beim Alten lassen wollte, die durch den großen Vulkan an dessen Fuße das Kloster liegt verschlossen worden ist. Aber dann hat der Meister doch das heiße Bad für seine rheumatischen Knochen geliebt, was er in einer Art Welle wohligen Tadels über den Jungen geäußert hat. Denn auch das braucht der Junge, den Tadel, wenn er nicht ganz so zersetzend und grausam ist, wie von seinen Eltern. Und so macht ihm der alte Abt eine Freude. Und die hat der Junge dringend nötig, denn an den seltener werdenden Ohrfeigen kann er ganz gut den allgemeinen Gesundheitszustand des Abtes ablesen. Manchmal kommen die Ohrfeigen noch saftig wie aus dem Nichts hervorgestoßen, so wie sie sein sollten. Dann kann sich der Junge sicher sein, dass das Herz genug Blut durch die Lungen pumpt und der Stoffwechsel noch funktioniert. Ganz schlimm sind die Tage, wo aus der saftig gepfefferten Feige, ein todesschwaches Tätscheln der Wange des Jungen geworden ist. Und so waren auch die Worte des Meisters, mal sprühten sie noch von Witz. Als der Junge den Meister fragte, wie es denn komme, dass hier alles so gut gedeiht. Ob das auch an einer Nymphe liegen könnte, die das Wasser besonders rein aus der Quellen sprudeln lässt, die Blätter grüner macht und die Früchte praller.

Mein Junge, solltest Du die Nymphe auf frischer Tat ertappen, sei es, dass sie die Quelle reinigt, die Blätter grünt, oder die Früchte schwellen lässt, dann musst Du ihr leider mitteilen, dass sie sich in einem christlichen Kloster befindet, und wir keinen Mangel an Heiligen haben, um der Natur zu ihrem Recht zu verhelfen.

Meister, willst Du wirklich so ein segenspendendes Wesen fortschicken?

Von wollen kann keine Rede sein, ich hätte im Vertrauen gesagt nichts, gegen die Gesellschaft von Nymphen, aber dieser Ort ist immer noch ein christliches Kloster und da haben wir unsere eigenen Heiligen, auch wenn sie ihre Bestimmung nicht im erbaulichen Schein suchen.

Aber Meister!

Immer wenn der Jüngling sein erstaunt empörtes "Aber Meister!" hören ließ, schlich demselben ein verschmitztes Grinsen von einer Backe zur anderen über die Lippen. Das erinnerte den Jungen an ein kleines Raubtier, vielleicht eine winzige Katze, oder doch besser ein junges Eichhörnchen, dass über seine Oberlippe balancierte und auf seiner Bahn durch das Gesicht, dieses Lächeln wie eine Spur hinterließ. Und natürlich gab er keine Ruhe, und wollte wissen, was dieses Lächeln zu bedeuten hatte. Es dauerte noch eine Weile, bis der Meister wieder so einen starken Moment hatte um ihm zu antworten. Dann fielen Worte, wie Nebenbedeutung oder doppelter Boden. Besonders doppelter Boden gefiel dem Jüngling so sehr. Dass er sich ein dreifachen, ja einen vielfach geschachtelten Boden vorstellen konnte, mit so vielen Kammern, dass es gar nicht weiter auffiel, wenn er die lästigen Krankheiten seines Meisters, die ihn mehr ängstigten als den Meister selber, dorthin verbannen konnte, in so einen doppelten, dreifachen, vielfachen Boden.



Doch bleibt der alte Abt den Jungen im Kern seines Wesens auch im Zustand des Zerfallens noch rätselhaft, so wie es sein soll. So weiß er nie, ob der alte Mann ihm bewusst diese Freude machen will mit seinem Tadel, ob er sich an den von Prügel, Verachtung gebeutelten Geist des Jungen anpasste, oder ob sie einen natürlichen Ursprung hat, so wie die Alterskrankheiten, die den alten Mann tagein tagaus plagen. Obwohl das Kloster sich ein Schweigegelübde auferlegt hat, redet der Alte in einem fort. Ein wirrer Singsang aus alten Liebesgeschichten, längst gefallener Geliebter, von einem Findelkind ist auch die Rede, und seiner heldenhaften Rettung. Es dauert übrigens eine Ewigkeit, bis der Schüler begreift, dass er damit gemeint ist. Alles ist sehr blumig ausgemalt oder besser ausgenuschelt. Nur bei einem Thema gehorcht die Zunge dem natürlichen Klang der Worte mehr, kehrt eine jugendliche Konzentration und Wachheit in den Abt zurück, wenn es um "das Buch" geht.

Doch gerade dann, wenn der Abt deutlicher spricht, bekommt der Schüler den allgemein bekannten und von den Lehrern immer wieder beklagten GähnSchnarch Reflex, der eigentlich ganz natürlich für einen Stoff ist, den er wieder und wieder aufgetischt bekommen hat. Immer wieder die gleichen Geschichten zu hören, führt zu einer Gewöhnung des Geistes, die sehr hinderlich sein kann, wenn man nicht an chronischer Schlaflosigkeit leidet.

Ein wenig Angst hat der Junge schon, wenn die Kräfte den Alten so weit verlassen haben, dass er die lästigen Säfte und Substanzen des Stoffwechsels nicht mehr in geordneter Form abgeben kann, aber noch so rüstig ist, die Windel wie ein Lasso nach ihm zu schwingen. Auch diese Phase überstehen die beiden recht gut, dank der wärmend reinigenden Quelle, die der Vulkan spendet, und den vielen Früchten aus dem großen Obsthain, den Ziegen und ihrer Arglosigkeit und der strahlenden Sonne und dem immer noch sehr gepflegten Gemüsegartens.

Der Alte sagte dem Jungen, dass er nicht auf den Tod warten müsste, man kann ihn gar nicht verpassen, aber der Junge wich dem Alten nicht mehr von der Seite, als es zu ende ging. Es kann aber auch sein, dass es der Alte war, den etwas dringendes unerledigtes nicht in Ruhe ließ, etwas, was er nun nicht mehr abschließen konnte, wo er sich nicht sicher war, ob es diese jungen Schultern seines Schülers schon tragen konnten. Der Schüler spürte das und ermunterte seinen Meister, aber als der Meister seinem Schüler in dem letzten Augenblick seines Lebens das kleine Buch gab, und der Schüler ihm daraus vorlesen wollte, waren alle Seiten so leer, als hätte man sie eben erst geschöpft, als wären sie just an der Sonne getrocknet worden und hätten noch niemals einen Federkiel, Tinte oder auch nur einen Bleistift gesehen. In diesem letzten Augenblick, löste sich eine Esskastanie von der Tischkante, die der Junge noch nicht geschnitten und geschält hatte. Und so war es überhaupt nicht abwegig davon auszugehen, dem sterbenden Mönch ging es gerade um diese einfach und dankbare Frucht, denn wollte er nicht immer zurück zu der Natur. Deshalb beerdigte er seinen Meister mit der Kastanie in der einen Hand und um auf Nummer sicher zu gehen, mit dem kleinen Buch in der anderen Hand. Er wickelte den Meister in ein Tuch, sodass der Keimling der Kastanie eine Chance hatte heraus zu brechen, auch begrub er ihn nicht so tief, damit der Keimling noch das Licht erreichen konnte. Dafür bewachte er das Grab, wenn er Zeit fand, um Füchse und Wölfe daran zu hindern, das Grab zu öffnen.

Etwas schämte er sich schon noch, dass er die Erleichterung spüren konnte, nun nicht mehr für einen Todkranken sorgen zu müssen. Doch schon bald vermisste er das unterhaltsame Genuschel des Meisters und seinen schleichenden Gang, durch das verfallene Kloster. Dabei schien es ihm, der Meister war auf eine Art noch anwesend, denn wenn es sicherlich Orte gab, auf denen ein Fluch lag, so gab es auch Orte, die verwunschen waren, so wie eine Quelle, die von einer Nymphe bewacht wurde. Und bei den Mauern des Klosters schien so ein helfender Geist den Jungen zu unterstützen. Wenn er nur eine undichte Stelle am Dach abdichtete, schienen sich noch zwei weitere zu schließen. Die Arbeit ging leicht von der Hand und wie sich herausstellte, wagte es weder Holzwurm noch Hausschwamm in den alten Mauern einzuziehen. Und doch setzte dem Jungen die Einsamkeit zu, und er wäre so gerne in die Bibliothek gegangen, wohl wissend, das dort die Waffen lagerten, mit dem ein reger Geist die Einsamkeit vom Hof jagen könnte. Nur waren die Buchstaben ihm nicht vertraut. Obwohl der alte Meister von dem Buch sprach und morgen werden wir lesen, ist der Junge aufgrund der vielen Erledigungen nie dazu gekommen. Was er sich selbst zuschreiben muss, denn war er es nicht, der die Bienenzucht wieder aufgenommen hat. Nun er tat es für die Kastanienkekse, und sehr zur Freude des alten Mannes, aber hätte er sich nicht auch gefreut, wenn er ihm beim Lesen zusehen könnte, wäre das nicht mit der Freude an einem honigsüßen Kastanienkeks zu vergleichen gewesen?

Nur gut, dass sich versteckt in einem großen Buch über den Philosophen Sokrates auch ein dünnes Kinderbuch fand, mit einem bebilderten tierischen Alphabet. Je weiter sich der Junge vorarbeitet durch die dichten Wälder der Buchstaben, die in den Büchern wuchsen, desto mehr grübelte er über das Buch nach, von dem der alte Meister so oft gesprochen hatte. Und desto mehr kam im dem Jungen der Wunsch auf, die Totenruhe des Alten für einen kleinen Moment zu stören, um noch einmal einen Blick in das Buch zu werfen.

Denn je länger er dort alleine im Kloster verbrachte, desto feiner wurden seine Sinne, und desto klarer konnte er eine Art Segen spüren, der über dem Kloster lag. Es ging dabei nicht nur um die Ziegeln, die sich scheinbar selbst deckten. Auch die Bienen, die reichlich Honig gaben und sehr faul waren, was das Stechen anbelangte. Oder die Kastanienbäume, die immer noch gefüllte Früchte abwarfen, wenn woanders die Schalen nur leer waren, und es nur dornige Kugeln zu ernten gab.

Und er hätte schon den Totenschlaf seines Meisters gestört, wenn er nicht dieses Buch über das Brauchtum und die Wohltaten der Frauen gelesen hätte. Hexen würde es wohl besser treffen. Aber weil auch dieses Buch versteckt lag, konnte er eine Missbilligung seines Inhalts vermuten, die ihn neugierig machte. Und tatsächlich fanden sich einige Beispiele darin, von geläufigen aber auch geheimen Sprüchen dieser Frauen. Ein wenig wunderte sich der Junge schon, warum etwas geheimes in ein Buch gedruckt wird, wenn es doch selbst geheim bleiben möchte. Denn soviel war ihm sicher, wenn ein jeder diese Sprüche kennen würde, dann würde sogar im Zauberreich eine Art Abnutzungsprozess einsetzen, der ganz natürlich für diese Welt war, und die Sprüche würden nicht viel mehr nützen. Denn das sagte auch eine weise Frau in diesem Buche, dass Zaubersprüche seien wie die geheimen Standorte der Steinpilze, spricht es sich erst einmal herum, wo man sie findet, findet man sie nicht mehr. Und so verlieren auch die Zaubersprüche durch die fahrlässige Logorrhoe der Menschen ihre Kraft.

Und schon wieder wollte der Junge das Sakrileg begehen und die Totenruhe des Meisters stören, sogar den Spaten hatte er schon herausgeholt. Als er diesen kleinen vorwitzigen Keimling sah, der eben die letzte Erdkruste durchbrochen hatte, um das Sonnenlicht zu finden.

Das verstand der Junge als ein Zeichen, den Zauber nicht nur in den Worten zu suchen, sondern auch in der Natur.

Und der Zauber der Natur sollte nicht lange auf sich warten lassen.

Freike

Nachdem Freikes Vater bei der letzten Schlacht ausgezeichnet wurde, wartet er darauf in den Adelsstand erhoben zu werden. Und da er es hasst, wenn sie ihn daran erkennen, dass er erst neu dabei ist, hat er sich den Kopf zerbrochen, wofür er sein Geld ausgeben soll, um als Adeliger durchzugehen. Da seine Mittel begrenzt sind, muss er sich dabei konzentrieren. Seine Tochter Freike ahnt schon auf welche Idee er dabei kommen wird, denn sie ist von strahlender Schönheit und wachem Geist. Aber sie hasst es, wenn sie wie ein Ding behandelt wird, wenn sie so oder so gehen soll, dies oder jenes tragen soll oder sich öfter waschen soll: Soll, soll, soll! Auch wenn sie sich alle Mühe gegeben hat sich wegzuducken und unvorteilhaft darzustellen, wusste sie im Grunde, dass sie der dumpfen Hartnäckigkeit ihres Vaters wenig entgegenzusetzen hatte. Und es dauerte nicht lange, da kam der noch Dorfvorsteher, spätere Stadthalter und zukünftige Kleinadelige auf die Idee, alles für seine Tochter auszugeben. Aber er musste schon bald feststellen, dass sie die Kleider, die er ihr schenkte, schnell verschmutzte und verschliss, damit sie wieder ihre einfachen praktischen Sachen tragen konnte. Da hatte er eine Idee, wie wäre es, wenn das Schönste Mädchen im Land, das schnellste Pferd hätte. Obwohl er äußerst erfolgreich war, kam er manchmal nicht auf die einfachsten Ideen, und wusste nicht, was daran falsch sein sollte, wenn das schönste Mädchen das schnellste Pferd besäße. Und er bemerkte auch nicht, wie der Widerwillen in seiner Tochter wuchs, hinter ihrem Vater herzutraben. Es dauerte nicht lange, bis sie das Pferd auslieh, um damit einen Pflug zu ziehen. Der Vater war außer sich, aber die Tochter behauptete ihr Rappe hätte Freude daran gehabt, mal etwas Vernünftiges zu tun. Der Bauer, der es gewagt hatte ihr Pferd zum Pflügen anzunehmen bekam 3 Stockhiebe aufgemessen und fortan wagte kaum noch jemand der schönen Prinzessin einen Gefallen zu erweisen. Prinzessin wurde sie schon immer genannt, auch als der Adelstitel noch nicht so greifbar war. Also blieb ihr nichts anders übrig, als ihr Pferd darauf abzurichten, so zu tun, als ob es scheuen würde und dann im Galopp den Verfolger entschwinden, die aufgrund der Stärke des Pferdes und des leichten Gewichtes der Reiterin keine Chance hatte sie einzufangen. Nun war es aber so, wenn man seinen Verfolger erfolgreich entkommen wollte, dann konnte man nicht in der Ebene bleiben, weil man unweigerlich in einen anderen Weiler geriet, wo die Bewohner einen gerne für Handgeld verrieten. Man konnte sich nur aufmachen, zu dem erloschenen Vulkan, hoch in die Berge mit ihren Kastanienwäldern, Almen und tiefen Schluchten, hier war man sicher vor den Verfolgern. Und so kam es, dass die schmaler werdenden Ziegenpfade die Prinzessin öfters in die Nähe des verfallenen Klosters am Fuße des Vulkans führten.



Natürlich waren dem jungen Mönch Frauen nicht völlig fremd. Obwohl er, solange er hier oben in den Bergen war, keine Einzige gesehen hatte. Der einzige regelmäßige Gast war ein Holzfäller, der sich etwas dazu verdiente indem er die Produkte des Mönchs ins Tal brachte und mit Stoffen, Werkzeugen oder Salz zurück kam. Er war immer bemüht den jungen Mönch bei Laune zu halten, war dafür aber völlig ungeeignet. Saß da, trank einen Becher des Honigweins, nickte in regelmäßigen Abständen und sagte in ebenso regelmäßigen Abständen: Ja.

Ansonsten kannte der Mönch die Frauen nur aus der Bibliothek und je mehr er darüber erfuhr, desto rätselhafter wurden sie ihm. Besonders angetan hatte es ihm ein Lexikon mit einer Abbildung des Beischlafes in Form eines doch ziemlich brutal, wie er fand, durchgeschnittenen weiblichen Körpers, nebst dem, was beim Coitus dort in seinem Inneren vorgeht. Es kam ihm wie ein Verbrechen vor, was er da sah. Wohl weniger wegen der Lust, die zumindest theoretisch noch irgendwo verborgen weiter existieren mochte, sondern mehr wegen der Art der grausamen Darstellung. Hätte man das Innere nicht einfach durch eine gestrichelte Linie zeichnen können, dann hätte man die Frau nicht in der Mitte durchschneiden müssen und man hätte es trotzdem ganz gut verstanden. Dieses Bild entzündete die Phantasie des jungen Mönches gründlich, als wäre es eine Infektion. Aber wie bei vielen Krankheiten, kommt es irgendwann doch zur Genesung, und so glaubte der Mönch nach einer Weile nicht mehr, man hätte eine Liebespaar im Akt mit einem dieser super scharfen Schwerter zerteilt, um herauszufinden, was da vor sich geht. Ja, vielleicht war da erst mal niemand aufgeschnitten worden. Und als die Gewalt der Abbildung langsam verblasste, regte doch eine Vorstellung seine Phantasie an: Wie man es anstellen sollte, wenn man denn die gleiche Erfahrung machen wollte, wie dieses Paar. Auch erfuhr er aus einer anderen "literarischen" Quelle, dass dazu noch Bewegung notwendig sei. Das war noch schwerer vorzustellen, anhand des Materials, was ihm zur Verfügung stand, sodass er tief in seiner Erinnerung graben musste, bis er ein Bild fand, von dem er glaubte, dass es ihm nahe kam: Reiten. Beim Reiten bewegen sich doch auch beide, Reiter und Pferd.

Diese Vorstellung verband sich mit der anderen, welche sich noch mit einigen Bildern von jungen Frauen verbanden, Portraits zumeist, die er in der Bibliothek fand. Mit anderen Worten, es zwickte ganz schön in diesem Frühling im Gehirn und dem angrenzenden Körper des jungen Mönchs. Und so sponn er diese Eindrücke weiter, zu süßen Rettungsmissionen für bedrohte Prinzessinnen in der Wildnis seiner Berge, die er bevorzugt in den Stunden, wo sich die Nachmittagssonne in der Mauerecke einfing, erschlummerte.



Als dann die Prinzessin Freike just in so einer Stunde vor ihm stand, den verschwitzten Hals des Pferdes tätschelnd und um Wasser für sich und das Pferd bittend, da war es augenblicklich um ihn geschehen. Und er erlebte, wie sein verdammtes Gehirn, alle die Gedankenspiele mit der Prinzessin in diesem Augenblick durchspielte. Als er das Wasser aus dem Brunnen schöpfte musste er sich den ersten Kübel erst einmal ganz selbstverständlich über den Kopf kippen. Die Prinzessin, die allerhand von ihren Verehrern gewöhnt war, sagte nur: Oh.

Aber was sie nicht tun sollte, war ihn anzulächeln.

Das führte dazu, dass der junge Mönch sich wie selbstverständlich auch den nächsten Eimer über den Kopf schütten musste. Und die Prinzessin immer noch lächelnd sich ihr Wasser selbst aus dem Brunnen hoch holte.

Es erwischte unseren Mönch schlimm. Jeden Tag zog er aus, suchte nach ihrem blonden Schopf, kein Felsband war ihm zu schmal, keine Steigung zu mühevoll. Und immer versuchte er seine Exkursionen so zu wählen, dass er die Landschaft im Blick hatte und sehen konnte, wenn die Prinzessin zu dem Kloster zurückkommen sollte, weil es sie und ihr Pferd dürstete.

Immer öfter verfolgt er bei seinen Exkursionen eine junge Ziege, die sich immer etwas abseits von der übrigen Herde hielt. Fast glaubt er, die Ziege mit ihrer hübschen blonden Mähne, würde ihn mit Absicht zum Narren halten. Denn immer wieder ist sie es, die seine Hoffnungen auf eine Begegnung mit der Prinzessin nährt. Und das entlarvende "Mäh" hebt sie sich erst bis zum letzten Augenblick auf, wenn auch ein sehschwacher die Ziege eindeutig erkannt hätte.



Der Liebeswahn geht so weit, dass sich der Mönch das Hirn zermartert, was die Prinzessin wohl hier wollte. Und zum Schluss ist er sich sicher, dass sie wilden Honig suchen wollte. Extra für sie und zum Leidwesen seines Bienenschwarm, der es in seiner Beute bisher sehr bequem hatte, quartiert er die Bienen in einen hohlen Baumstamm aus, über den sich jede Honigsammlerin freuen würde.

Aber schon bald wird ihm klar, wie abwegig diese Vorstellung ist, jetzt weiß er ganz sicher, warum die Prinzessin auf die Alm gekommen ist, sie wollte die Blumen sammeln. Und auch wenn es nicht leicht ist, eine Ziegenherde davon abzuhalten, den Enzian und die Türkenbundlilien abzufressen, so gelingt es ihm doch einige Pflanzen vor ihren Mäulern zu retten und für seine Herzallerliebste aufzusparen.



Die Liebe hat ihn gepackt, wie eine tödliche Krankheit. Nun liegt er da, immer auf sie wartend, lauscht dem Summen seiner Bienen, um sein Herz nicht wild schlagen zu hören. Und wenn er an dem tiefen Brummton eine Hornisse erkennt, die ihm eine Biene stehlen will, dann wünscht er sich nur eins, in die Augen soll sie ihm stechen, dass er dieses Bild von Freike vergisst, für immer. Der Verstand, der ihm sagt, wie aussichtslos seine Liebe ist zerrt ihn in die eine Richtung, die süßen Träume in die andere Richtung, so dass es ihm vorkommt, er hätte sich geteilt, in einen liebestollen Irren und einen spassverderbenden Bedachten.

Die WunschSchwester

Und bei diesem ganzen hin und her ist er so durch den Wind, dass er nicht mehr sagen kann, wo er eben noch war. Er sitzt da, vor dem Grab seines Meister, kann die Tränen nicht halten, die er ungeniert auf die dünne Erdschicht, die ihn von seinem Meister trennt, fallen lässt, da zieht auch noch ein Gewitter auf. Und er bekommt es gar nicht mit, wie sich Tränen, Hagel und große kalte Regentropfen mischen und die dünnen Erdschicht fortspülen, die seinen Meister bedeckt.. Da erblickt er das eigenartige Buch, was er so oft holen wollte. Aber die Kastanie ist nicht fortgespült worden, sie hält das Buch in ihren Wurzeln fest. Die Verzweiflung ist so groß, dass er nur kurz zögert, dann holt er eine Axt und schlägt den Baum entzwei, um den Griff der Wurzel zu spalten. Wann wenn nicht jetzt könnte er den Rat seines Meisters gebrauchen, aber es scheint sich überhaupt nichts verändert zu haben, nicht mal das Wasser und die Zeit in der Erde konnten dem eigenartigen Buch zusetzen. Das ist eigentlich eine gute Nachricht. Doch die schlechte ist, es findet sich kein Ratschlag in ihm, es ist immer noch so leer, wie am ersten Tag.

Dann überkommt es ihn mit Macht und er schreibt verzweifelt in das Buch in seiner noch ungelenken Schrift. Er lässt seinen Wünschen freien Lauf und reimt sich eine wilde Geschichte zusammen. Dann ertränkt er sein Verlangen in Honigwein und schläft endlich ein. Und am nächsten Morgen, will er sich noch einmal ansehen, was er geschrieben hat, aber der Gewitterregen hat es abgewaschen.

Dann sieht er im Morgengrauen im Nebel die Nymphe aufsteigen, die der Freike nicht unähnlich ist. Er wundert sich, wie wenig sie sich an seiner Anwesenheit stört, mit einem Schwung springt sie über den Zaun ins Gatter und küsst gerade die Ziege auf die Nase, die ihn so oft genarrt hat. Und was noch eigenartiger ist, wie still das Tier hält, besonders wenn er bedenkt, wie schwierig es war sie einzufangen. Aber im nächsten Augenblick kommt die Erinnerung an seinen Text aus der Nacht zurück. Hecktisch sieht er im Buch nach, und kann aber immer noch nichts finden. Als er wieder aufblickt ist die Nymphe schon fort. Und als er raus stürmt, kann er keine Spuren mehr von ihr finden, als einen Hufabdruck in der Nähe des Brunnens, wo die Erde noch aufgeweicht ist von dem verschütteten Wasser.

Einen kurzen Moment muss er nachdenken, bis ihm sein Wunsch wieder etwas deutlicher in Erinnerung kommt. Dann bindet er die Ziege an, die immer noch von der Begegnung mit der Nymphe hypnotisiert ist.

Der junge Mönch ist ganz überwältigt von den Eindrücken. Geschieht jetzt wirklich, was ich gestern in das Buch geschrieben habe? Er wagt es nicht zu hoffen, und lenkt sich mit allem möglichen Erledigen im Haus ab. Auch Kastanienkekse muss er unbedingt backen obwohl der Holzfäller sich erst für die nächste Woche angekündigt hat. So bekommt er auch das aufziehende Gewitter nicht wirklich mit. Dann kommt der Blitz, dicht gefolgt von einem unglaublich lauten Donner. Im herauslaufen sieht er, wie in scheinbarer Zeitlupe ein vom Blitz getroffener brennender Baum auf den Zaun fällt, und im Lichtschein kann er sehen, wie die Ziege sich losreißen kann und im Sturm des Gewitters hinter den im Blitzschein weiß aufleuchtenden Blüten der Holunderbüsche verschwindet.

Er darf jetzt nicht zögern, muss gleich hinterher, er muss diese Ziege unbedingt finden, denn sie wird sich verändern, und vielleicht wird es dann nicht mehr so einfach sein, auf den ausgesetzten Felsbändern.

Er folgt dem Weg, der den Bachlauf überquert, dann geht es in den Serpentinen, die die Ziegen hinterlassen haben die Flanke des Bergrückens hinauf, das ist der Weg den er nehmen würde, wenn er auf die höher gelegenen Weiden gelangen wollte, die noch nicht so abgegrast sind, wie hier unten. Auf dem Weg denkt er darüber nach, welchen Weg die Ziege nehmen wird, erkennen kann er sie nirgends mehr, auch sieht er in dem Gewitterregen keine Spur, als er sich auf dem schmalen Weg bis zum Bergkamm vorgearbeitet hat, hört er in einer Donnerpause den Bach weiter unter im Tal, mit dem nächsten Blitz sieht er kommt ein heller Widerschein aus dem Tal, das könnte die Ziege sein. Ich weiß es wirklich nicht, ob der Regen den Weg aufgeweicht hat, oder ob es die außergewöhnliche Situation war, die ihn unachtsam werden ließ, dass er der Schwerkraft folgen musste, um der Ziege in das nächste Tal zu folgen. Ein ein Schlag auf einen großen Felsen im Abhang nimmt ihm sein Bewusstsein, aber er beendet auch seinen Sturz.

Die Morgensonne hat schon eine ganze Weile seine Kleider getrocknet. Er wagt es nicht die Augen aufzuschlagen, weil er keine beschissenen Engel auf Wölkchen sehen will. Er hört aber genau hin. Der Bach ist noch genauso leise zu hören wie gestern Abend, dabei ist er doch ein ganzes Stück heruntergestürzt. Der Hang ist so steil, dass er bis in das Bachbett purzeln könnte. Als er es endlich wagt die Augen aufzuschlagen, sind nirgendwo speckige kleine Kinderengel mit nervigen Musikinstrumenten auf Miniwölkchen, das ist schon mal gut. Der Schmerz der ihn durchfährt, als er seinen linken Arm benutzen will um sich aufzustützen, ist nicht so gut, der scheint gebrochen zu sein. Aber trotz des Schmerzes, drängt sich ein anderes Gefühl in sein Bewusstsein: Erstaunen.

Er fragt sich: Wenn ich doch gestern Nacht in das Tal gestürzt bin, wie bin ich dann wieder zurück auf den Weg gekommen, hier oben auf den Kamm.

Ein Griff nach seinem Kopf und einer Platzwunde, die schon sauber verkrustet ist erhellt das auch nicht wesentlich weiter. Als er endlich aufgestanden ist, geht er zu einem vorspringenden Felsen und blickt hinunter ins Tal, und tatsächlich dort ist immer noch der Bach und wesentlich lauter ist er von hier auch zu hören. Er geht zurück zur Hütte. Nur gut, dass der Bruch geschlossen ist, und als er sich eine Schiene gebastelt hat und alles wieder in seine ursprüngliche Form bringt, gibt es noch einen stechenden Schmerz. Danach ist es auszuhalten, was ein gutes Zeichen ist.



Am nächsten Tag gelingt es der Ziege zu folgen aber dann ist sie wieder in die Felsbänder hinauf, wo er ihr nicht folgen kann, mit dem gebrochenen Arm. Aber er findet eine Esskastanie, obwohl es hier keine Bäume gibt. Dann bringt er das Grab des Meisters in Ordnung, und legt die Kastanie herein. Einen Moment überlegt er sich noch das Buch reinzulegen, aber dann behält er es und drückt es an seine Brust.

Mitten in der Nacht wacht er vom Schrei der Eule auf, zündet eine Kerze an und schreibt in das Buch: Morgen werden wir uns wiedersehen.

Aber er kann die Ziege nirgendwo finden, und geht schließlich an die Stelle zurück, wo er abgestürzt ist. Dort sieht er sie, auf der anderen Talseite, wie sie zu ihm herüber blickt. Als er ihr einige Kräuter abreißt, um damit zu wedeln, läuft sie auf und davon.

In seinem Kloster angekommen sitzt er lange vor dem zugeschlagenen Buch, dann schreibt er in sein Buch: Morgen werde ich dich füttern.

Und nachdem er seine Ziegen versorgt hat, denen er immer die Essensabfälle vom Frühstück als besonderen Leckerbissen mitbringt, da fragt er sich, wo er sie heute treffen kann, aber bevor er sich versieht, hat etwas aus seiner Hand gefressen, was sich anders anfühlt als die anderen Ziegen. Aber als er es bemerkt ist sie schon auf und davon. Er läuft ihr hinterher, durch die Lücke im Zaun, die er noch nicht repariert hat, aber jetzt ist er zu angeschlagen, und sie gewinnt weiter Abstand zu ihm. Endlich ist er auf dem Kammweg angekommen, er kann gerade noch sehen, wie das letzte steile Stück an der anderen Talseite erklimmt, er wundert sich, wie weit sie sich strecken kann, um das letzte Stück des steilen Hang zu erklimmen, das erinnert ihn nicht an eine Ziege, sondern an einen Menschen, auch scheinen ihre Beine länger geworden zu sein, und ihre Vorderbeine sehen nun schon wie Arme aus.

Er ist so aufgeregt, dass in dieser Nacht, das Buch immer wieder zur Hand nimmt, aber dann doch nichts hineinschreibt.

Er will jetzt, dass sie freiwillig zu ihm kommt, will sie nicht mit der Gewalt der Zauberworte zwingen. Er versucht sie wiederzusehen, und als er die Almwiesen durchstreift hat er öfter das Gefühl, beobachtet zu werden. Aber sicher ist er sich nicht.

Auch wenn er einmal einen blonden Schopf in der Abendsonne in den Azaleen gesehen hat, oder einen Schatten unter den Lärchen.

Wieder muss er schwer mit sich kämpfen, in der Nacht, als er von einem Poltern geweckt wird, nicht in das Buch zu schreiben. Aber er hat das Gefühl, dass sich das Tier zum ihm in das Kloster gelegt hat. Am nächsten Tag stellt er fest, wie eine Decke fehlt.

Lange grübelt er über dem Frühstück, was er nicht anrührt, da hat er plötzlich eine Idee, stopft sich seine Kastanienkekse in die Tasche und macht sich auf nach ihr zu schauen. Diesmal ist er nicht so enttäuscht wie in den Tagen davor, dass er sie nicht in der Herde findet. Diesmal sind es die Dornengebüsche, die er aufsucht. Und tatsächlich findet er was er sucht. Überall, wo die Dornen den Ziegenpfaden zu nahe kommen, findet er Wolle aufgespießt auf Schlehdorn und Hundsrose. Bevor er sie abzupft riecht er vorsichtig daran, als könnte er die Prinzessin schon an ihrem Geruch erkennen. Er nimmt nicht jeden Wollbüschel mit, denn die Wolle des Ziegenbocks kann er für das was er vorhat nicht gebrauchen.

Als er zuhause ist, wirkt die Ernte des Tages erbärmlich. Ein kleines Häufchen auf dem Küchentisch. Für einen Moment vergräbt er sein Gesicht in den Händen, da hört er wie der Wind auffrischt, und die Pappeln an der Tränke leise Rascheln, da hat er eine Idee.

Er schnappt sich einen großen Sack und geht noch einmal raus. Endlich findet er genug Wolle, schön weich ist sie, die Pappelwolle.

Als er zuhause angekommen ist, zögert er nicht lange, die Pappelwolle mit ihrer zu verspinnen. Er kann den Schmerz in seinem gebrochenen Arm nicht spüren, er kann nicht aufhören bis er alles versponnen hat, und dann beginnt er sogleich ein Kleid für sie zu stricken. Vergisst das Essen und das Trinken, bis die Arbeit am Abend getan ist.

Ausgiebig wäscht er sich heute Abend an der Tränke, dann schläft er selig ein, das Kleid hat er auf einen Bügel ins Fenster gehängt, die Tür zu dem Kloster und zu seinem Zimmer ist sperrangelweit offen.

Er wundert sich selbst, wie er in so einer Nacht einschlafen konnte. Völlig nackt aber unter seine Decke gekuschelt liegt ein eigenartiges Mischwesen in seinem Bett, sie ist noch ein wenig die Ziege, mit einem Flaum von Ziegenhaar auf den Wangen, aber ihre Nase und auch ihr Kinn sehen aus wie von einer Menschenfrau.

Mit dem Instinkt eines Tieres, was sich vor den Menschen vorsehen muss, wacht sie auf und ist gleich auf den Beinen, auf zwei Beinen und immer noch splitternackt. Der junge Mönch hat alle Mühe, sie nun für das Kleid zu interessieren, offenbar weiß sie noch nicht mal, wie man es richtig trägt. Aber dann nach einer Weile, und als sie spürt, wie weich der Stoff ist ... und ich weiß wirklich nicht, ob sie auch spüren kann, dass es ihr eigenes tierisches Fell ist, aus dem dieses Kleid gemacht ist ... dann lächelt sie doch, und schon ist sie fort.

Obwohl sie wieder verschwunden ist, kann der junge Mönch sein Glück kaum fassen. Denn dieses Lächeln, da ist er sich sicher, das hat er schon einmal gesehen.

Mit viel Geduld gelingt es ihm in den folgenden Tagen, sich der Ziege anzunähern, und sogar mit ihr zu sprechen. Die ersten Laute, die sie aus seinem Mund vernommen hat, haben sie verschreckt, und zwar so, dass sie in dieser Nacht lieber bei den Ziegen übernachtet hat. Aber darauf, muss er ihr jeden Abend Geschichten erzählen, und wenn ihm vor Müdigkeit die Augen zufallen, boxt sie ihn mit ihrem Kopf in der Ziegenart in die Seite.

Ein bisschen hat er schon die Angst, dass sie in der Verwandlung stecken geblieben ist, und er hat auch schon wieder das Buch hervor genommen. Er fragt sich, wenn ein Zauber nicht ganz funktioniert hat, ob er dann noch einmal hinterher zaubern darf. Er erinnert sich noch daran, wie der Meister das immer gehasst hat, wenn der Junge noch einmal die Küche ausfegt, weil der Meister etwas übersehen hat.

Aber dann stellt sich heraus, dass sie ihre ganze Verwandlungskraft dafür gebraucht hat, seine Sprache zu lernen, und als sie die beginnt zu beherrschen, fallen ihr auch die weiteren Ziegenhaare aus, was augenscheinlich schrecklich juckt und ihm ein großes Vergnügen ist, ihr die weichen Haarbüschel abzuzupfen und zu entdecken, wie unzureichend doch die Abbildungen in den Büchern sind, das zu beschreiben, was er jetzt sehen kann.

Der Eintreiber der Kirche

Er streicht ihr mit dem gerade fertiggestellten Kamm durch das Haar, der noch ganz warm ist, von der Bearbeitung und nach Kiefernharz duftet, aber sie will es nicht und entwendet ihm den Kamm um ihn zu kämmen. Was sie nicht sehr geschickt macht sodass er es ihr zeigen muss, wie man verfilzte Haare wieder gängig macht, ohne sie mit einem Ruck alle auszureißen. Da macht sie es nach, bis er gekämmt ist. Dann zeigt er ihr einen Spiegel und sie ist fasziniert und er streicht durch ihr Haar. Als es wieder ziept probiert er noch vorsichtiger zu sein, was auch klappt, weil sie ganz fasziniert in den Spiegel blickt. Er will die Kerze löschen, aber sie will sich weiter im Spiegel ansehen und überreicht ihm auch den Spiegel. Er lächelt seinem Spiegelbild zu. Sie nimmt ihm den Spiegel wieder ab und lächelt sich auch zu.

Er startet noch einen Versuch die Kerze zu löschen, sie hält blitzschnell seine Hand fest und sieht ihn durchdringend an, er wartet bis sie ihren Griff löst und bläst dann ohne seinen Blick von ihr abzuwenden die Kerze aus, wozu er die Kerze hochnehmen muss und aus Versehen ein paar Haare von ihr versenkt. Sie schubst ihn ärgerlich von sich. Etwas heißes Wachs fällt auf ihre Hand und sie schreit auf. Er beruhigt sie und sagt: Wachs, das ist nur Wachs, das ist nicht so heiß. Aber sie sieht ihn vorwurfsvoll an und hält sich die betropfte Stelle auf der Hand. Er versucht vorsichtig sich den Tropfen anzusehen aber sie zieht die Hand wieder weg, er sagt ganz sanft: Ist doch schon vorbei, tut doch gar nicht mehr weh.

Um ihr das zu beweisen zündet er mit einem Streichholz die Kerze noch mal an, wobei sie wie jedes Mal ein wenig erschrocken auf Abstand geht. Dann schmilzt er etwas Wachs und tropft es sich auf die Hand.

Sie greift nach der Kerze, er sieht sie ernst an, und lässt dann los.

Sie nimmt sich die Kerze und hält sie etwas schräg über ihre Hand, um sich den Wachs drauf zu tropfen, entscheidet sich aber anders, kippt den Wachs über seine Hände und sieht ihn böse an.

Er bleibt ruhig und zeigt ihr seine Hand: Siehst Du gar nichts passiert. Sieh mal hier, man kann es abziehen.

Sie zieht den Wachs von seiner Hand ab und riecht fasziniert an dem Wachs, er sagt überdeutlich: Bienen.

Sie sieht weg.

Er beugt sich weiter runter damit er in ihr Blickfeld gerät, summt, schlägt mit den imaginären Flügelchen und sagt überdeutlich: Biene, Honig, Wachs.

Sie lacht, er freut sich, dann reicht sie ihm die Hand mit dem Wachs. Er will den Wachs abziehen, aber sie zieht die Hand zurück und macht es lieber selber.

So geht es noch eine Weile, bis die Kerze runter gebrannt ist und sie ihn mit dem Kopf unter die Achseln stößt, wie das offensichtlich ihre Art ist.



Er hat einen eigenartigen Traum, seine Füße sind voller Honig und eine Ziege leckt ihn ab. Als er die Augen aufschlägt, sieht er wie seine Freundin an seinen Füßen leckt, schlaftrunken zieht er die Füße weg und sagt: Wir machen so was nicht.

Aber sie schnappt sich wieder seine Füße und macht weiter. Er versucht still zu halten und fängt an zu lachen. Sie sieht ihn böse an, er unterdrückt das Lachen, aber als sie sich nur mit ihren Haaren seinen Füßen nähert lacht er schon wieder. Sie lächelt auch. Aber dann mit bösem Blick und eisigem Griff hält sie seine Füße fest und leckt sie wieder. Es gelingt ihm gerade noch die Füße wegzuziehen. Aber sie lauert schon auf ihre nächste Chance.

Da hebt er den Zeigefinger und greift nach ihrem Fuß.

Sie schiebt seine Hand weg.

Er sagt: Och, komm schon, jetzt bin ich auch mal dran.

Sie lässt ihn zögernd gewähren. Er macht es ganz quälend langsam, aber sie hat gar keine Angst vor dem gekitzelt werden. Aber als er dann einmal heftig über ihre Füße schleckt schreit sie laut auf.

Nun sehen sie sich beide an und lächeln, da hört der junge Mönch den Eichelhäher vor dem Haus rufen. Auch seine Freundin weiß dass jemand da draußen ist, sie zuckt etwas zurück. Er sagt leise zu ihr: Ich gehe raus.

Er will aufstehen, aber sie hält ihn fest.

Er flüstert leise: Wir sehen nach.

Aber sie löst den Griff immer noch nicht.

Dann zeigt er auf die Sichel die an der Tür hängt: Wir nehmen die Sichel und sehen nach.

Sie sieht auch zur Tür, aber sie weiß nicht was er meint, und lässt aber trotzdem seine Hand los.



Der junge Mönch ist so mit seiner neuen Freundin beschäftigt, die er heimlich Ziegenkuss nennt, dass er den Wanderer nicht wirklich bemerkt, der schon seit gestern hier umherstreift.

Als der wandernde Eintreiber der Kirche den jungen Mönch aus den Augenwinkeln sieht, hebt er seine Stimme an und beginnt ein sehr lautes Selbstgespräch: Warum hat hier eigentlich alles Stacheln? Welche Schätze beschützt ihr wilden Blumen? Wisst ihr nicht dass eure einzigen Schätze Steine sind? Wenn man mal die Ziegenscheiße nicht mitzählt. Und Du Kastanienbaum, warum verpackst Du deine Früchte so aufwendig, welchen Räuber willst Du abschrecken? Wer will schon eine leere Frucht?

Der junge Mönch fühlt sich persönlich beleidigt, wenn man so über seinen Garten, wie er ihn nennt, redet: Die Dornen geben mir Honig und die Kastanien Brot.

Eintreiber: Ach ja? Viel kann es ja nicht sein.

Junger Mönch: Genug, dass ich es zu Kastanienkeksen verbacke, die ich im Tal verkaufe.

Eintreiber: Warum lässt ihr euch alle so leicht für dumm verkaufen? Könnt ihr mir das mal verraten? Du hättest einfach sagen sollen, dass Du kaum dein Auskommen findest. Vor wem wolltest du prahlen? Weißt Du nicht das ich der Adlatus deiner Mutter Kirche bin? Es hat gar keinen Zweck jetzt den Trauergesang anzustimmen, wie schlecht es dir geht, wie verdorrt der Boden doch ist. Denn hast Du nicht eben noch geprahlt. Und es hat keinen Sinn deine Bedürftigkeit auszureizen, sehe ich doch, dass du ein junger kerngesunder Mann bist, und habe ich vor, das Geld den Leprakranken auf der Insel zukommen zu lassen? Jedenfalls einen Teil davon. Vielleicht ist es nicht gerade der größte Teil, aber etwas werden wir ihnen schon noch übriglassen, wenn Du es nicht glaubst, musst Du nur zu ihnen raus fahren, und kannst sie fragen.

Junger Mönch: Ihr seid der Eintreiber der Kirche und nicht der Adlatus.

Eintreiber: Hast Du denn immer noch nicht verstanden, dass es dich teuer zu stehen kommt, recht zu behalten? Denn jetzt muss ich mich fragen, woher er sich so gut in der Terminologie auskennt, weiß was ein Adlatus ist und was nicht, da frage ich mich, ob er etwa eine ausgesprochen kostbare Bibliothek zur Hand hatte, die ihn so kundig lehrte, eine Bibliothek die nur darauf wartet, in den Schoss der Kirche zurück zu kehren?

Nachdem der Eintreiber alles auf dem Maultier des Mönchs verladen hat, auch die paar Silberlinge, wird dem jungen Mönch erst klar, was das für sein Leben hier oben in der Abgeschiedenheit bedeutet. Je reichlicher er diesen freundlich lächelnden Mann bedient, je mehr er ihn beschenkt, desto schneller wird er zurück kommen. Er ist nicht nur eine Gefahr für seinen Magen, sondern auch für seine neue Freundin.

Der Eintreiber scheint die Gedanken des jungen Mönchs lesen zu können, denn er tröstet ihn: Sieh nur, die Bücher habe ich dir gelassen, die kann er noch eine Weile studieren und dem Haumeister gebe ich auch Bescheid, wenn ich ihm begegne, mein Wort darauf, dass er sich nicht mehr die Mühe machen muss, dich aufzusuchen. Denn wer kämpft sich schon für Nichts und noch mal Nichts über Stock und Stein durch deine geliebten Dornen.



Lange wird er noch darüber grübeln, warum der Eintreiber gerade dieses kleine Buch mitgenommen hat. Vielleicht war er zu beladen für andere Dinge. Erst Monate später, wenn nicht Jahre wird ihm klar. Dass er gedacht haben mag, diese Buch ist noch unbenutzt, unbeschrieben und deshalb quasi neuwertig.

Das gute Leben

In manchen Gegenden, wo sie nichts haben, da reicht ihnen ein Kastanienbaum für einen Menschen. Sie ernähren sich dann fast ausschließlich von diesem Baum. Aber hier geht es den Leuten schon besser und sie rechnen zwei Bäume für einen Menschen. Der junge Mönch hat gut 20 Kastanienbäume dann kommen noch die Johannisbrotbäume hinzu, Walnüsse, Haselnüsse und Mandeln und Aprikosen, Äpfel, Birnen und Kirschen zum Trocknen. Diese Bäume und der harte haltbare Ziegenkäse, und das Gebäck aus Kastanien und Honig, erlauben dem jungen Mensch ein fast schon komfortables Leben, und einen beständigen Strom von Einnahmen.

Von seinem Meister hat er nicht nur das Waschen, Kämmen, Spinnen und Weben der Ziegenwolle gelernt, sondern auch das Nähen. Früher hat der Meister die Kutten der Mönche vollständig selbst hergestellt, sogar gefärbt hat er sie selbst mit den Schalen der Walnüsse. Zu den Einnahmen aus dem Verkauf der getrockneten Früchte und Backwaren kommen noch die Einnahmen aus dem Verkauf der Wolle hinzu. Doch der junge Mönch hat ein Laster. Es sind die Menschen, die er nur aus den Lithographien der Bücher kennt und ihre Kleidung. Vielleicht ist es auch seine Medizin gegen die Einsamkeit. Er lässt sich von dem Haumeister Stoffe aus der Stadt mitbringen. Auch wenn er ihm klare Anweisungen gibt, dass er lieber einen dünnen feinen Stoff haben möchte, der blau ist, bringt ihm der Haumeister doch etwas anderes mit, das was er sich in der Stadt hat aufschwatzen lassen. Denn seitdem ihn einmal ein Baum getroffen hat und er eine Woche durchgeschlafen hat, kann er den Leuten nichts mehr abschlagen. Weder dem jungen Mönch noch dem Stoffhändler in der Stadt. Er wollte dem jungen Mönch schon immer sagen, dass er ein miserabler Einkäufer ist. Aber da der sich nicht beklagt und geduldig das schwere Segeltuch annimmt, wenn er doch diesen leichten Stoff bestellt hat, kommt es nie dazu. Denn der junge Mönch ist leicht zu begeistern. Und ihm fällt immer etwas ein, was er aus diesem Stoff machen kann. Ein oder zwei Jahrhunderte später wird es vielleicht ganz normal sein, wenn sich junge Leute zum Nähen hinsetzen, um die Kleider ihrer Helden aus den Büchern zu schneidern. Zur Zeit des jungen Mönchs aber, war das eine Sensation.

Vielleicht liegt es daran, dass der Stoffhändler es sich mit dem eigenartigen Kunden nicht ganz verscherzen will, und so gelangt auch so mancher feine Stoff zu dem jungen Mönch. Und so kam dann doch das erste Kleid zustande, was bestimmt nicht einen Schneider aus Milano zufrieden gestellt hätte, aber für den jungen Mönch reichte es, und so konnte er sich den außergewöhnlichen Luxus leisten und aus Karl (so hieß der junge Mönch) wurde Charlotte und aus der kräuterduftenden Macchie wurde die windzerzauste Heide.

Da ihn sein Name "Karl" an seine sadistischen Eltern erinnerte, vermied er es seinen wirklichen Namen zu nennen, auch würde ihm zwar ein Stich durch die Seele gehen, würde ihn plötzlich jemand bei seinem Namen rufen, umdrehen würde er sich trotzdem nicht, denn das hatte er schon als junges schwaches Kind gelernt. Wenn er aber Charlotte war, wenn sich die Macchie in die purpur blühende Heide verwandelte, dann hätte er sich sicher umgedreht, wenn jemand gerufen hätte: Charlotte, wie geht es dir?

Aber täusche dich nicht, diese Rollenspiele mit sich selbst wurden nicht von einer Veranlagung gespeist, nicht von dem falschen physischen Geschlecht, sondern von einer Art extremer Sparsamkeit. Denn die Geschichten aus den Büchern konnten so, indem er sie wenigstens ein wenig nachspielte, weiter gestreckt werden, länger genossen werden. Ja, wie widersinnig es auch klingen mag, Geschichten halten sich länger frisch, wenn man sie öfter durchspielt. Nur wenn man sich nicht mit ihnen beschäftigt, dann vergehen sie.

Und ich weiß wirklich nicht, ob er das in einem Buch gelesen hatte, oder ob er es spüren konnte. Jetzt wo er diesen vorgeblichen Eintreiber von der Kirche am Hals hatte, diesen widerlichen Parasiten, da wird das alles vorbei sein. Er konnte spüren, wie sich dieser Erpresser nicht damit begnügen würde, ihn nur von seiner Habe zu erleichtern, nein, es gehörte zum Innersten des Wesens dieses Erpressers dazu, dass er es so einrichten würde, dass sich der junge Mönch schlecht dabei fühlen würde. Er ahnte auch, dass er etwas tun müsste. So wie die Helden aus den Büchern auch etwas wollen mussten, etwas überwinden wollten, jemand entkommen mussten, so musste er es ihnen nach tun. Dieser Gedanke zog den jungen Mönch wirklich runter, denn er wollte jetzt gerade nichts mehr wollen. Denn wenn er seine neue Freundin ansah, dann hatte er alles. Er war jetzt gerade in das Reich außerhalb der Bücher vorgedrungen, wo einem nichts mehr fehlt, wo man sich nichts mehr denken kann, was noch erreicht werden will.

Das Lächeln fand erst wieder in sein Gesicht zurück, welche Möglichkeiten in dem Wunschbuch schlummerten. Vielleicht könnte er ja da reinschreiben, dass die Kastanien noch einmal fruchten sollen, um den Verlust wieder auszugleichen, und vielleicht war der Zauber ja stärker als die Gier des Erpressers?

Er konnte nur Hoffen, dass er es zurück bekommt. Denn nun kam es ihm nicht so klug vor, dass er nichts sagte, als der Eintreiber danach begehrte.

Nun ging die Phantasie mit ihm durch: Hätte ich ihn nur erschlagen, das Buch hätte ihn schon wieder lebendig gemacht. Oder ich hätte ihnen statt seiner einen Ziegenbock schicken können. Aber nun war das Buch fort, auf und davon war es mit dem verdammten Eintreiber. Und dieses Schwein hatte das noch auf seine Art angekündigt: Nur keine Umstände, ich bediene mich selbst.

Erst als er den Kopf seiner neuen Freundin spürte, wie sie ihn anstieß, als wäre sie immer noch eine Ziege, erst da fand er seinen Trost wieder zurück.

Ziegenkuss

Die Ziegen spielen verrückt, wenn sie in der Nähe ist. Und obwohl er seine Vorräte durch den Eintreiber verloren hat, frisst ihm ein junger Ziegenbock, dem es immer wieder gelingt den Zaun zu überwinden, die Garten leer. Er frisst die Erdbeeren mit samt den Pflanzen auf. Der junge Mönch ist so wütend, und weiß auch nicht, was er tun soll und dann streitet er sich auch noch mit ihr, weil sie sich nicht verstecken will. Er erzählt es ihr immer wieder, dass der Eintreiber sie nicht sehen darf, aber sie hält sich nicht daran, benimmt sich, als wäre sie eine unsterbliche Nymphe und als könnte sie ihn nicht verstehen. Beinahe hätte der Haumeister sie gesehen, ihm hat natürlich niemand Bescheid gesagt, dass er nichts abholen kann. Aber als der Eintreiber ein zweites Mal kommt, und sie erblickt, da sieht er nur ihren Schopf bevor sie sich in den Büschen verbergen kann und natürlich hat der Eintreiber nun noch einen weiteren Hebel für seine Erpressungen gefunden, der weit über den Zehnt hinausgeht, den die Kirche fordert.

Der Eintreiber sagt: Ich sehe ihr habt Damenbesuch hier auf der Alm, was für eine Schäferromantik. Nein, nein, macht euch keine Sorgen auf meine Diskretion könnt ihr euch verlassen. Solange mein Magen mit diesem köstlichen Gebäck gefüllt ist, meine Tasche mit ein paar Silberlingen beschwert, und ich etwas habe trübe Gedanken zu zerstreuen, solange habe ich nichts gesehen, und überlasse die Verfolgung eurer Sünden dem Schöpfer.

Er ist wütend, weil der Erpresser ein paar schöne Bücher mitgenommen hat. Diese Bücher mit ihren schönen natürlichen Abbildungen, die braucht ihr ja nicht mehr, denn wie ich sehe, habt ihr das Original.

Ziegenkuss scheint zu ahnen, dass sie etwas falsch gemacht hat und versteckt sich vor seinem Blick im Holunderbusch in seinem Garten. Als der Mönch dem Eintreiber zusieht, hört er ein Geräusch hinter sich, und sieht, wie der Ziegenbock sich nicht nur mit den Früchten begnügt, sondern auch die Erdbeerpflanzen verspeist.

Der Mönch ist so wütend und verzweifelt, schreiend und mit der Sichel fuchtelnd will er den Ziegenbock aus den Erdbeeren vertreiben. Als das Tier zum Angriff übergeht, passiert es, und er verletzt es an der Kehle. Das hindert den kleinen Ziegenbock nicht daran, weiter auf ihn loszugehen, wahrscheinlich raubt ihm der Schock den Schmerz aus dem Schnitt.



Nachdem Ziegenkuss das mit ansehen musste, ist sie ganz verängstigt und ganz zahm, er kann ihr ansehen, dass sie befürchtet, auch geschlachtet und gebraten zu werden, so wie ihr Bruder. Ihm gefällt ihre neue Zahmheit überhaupt nicht und er bereut es fürchterlich. Sie versteht das aber nicht, und ist ganz verzweifelt, weil sie glaubt, sie macht jetzt wieder etwas falsch.

Erst jetzt beginnt er wieder Zuflucht bei seinen verbliebenen Büchern zu suchen und versteckt sie. Er sucht nach einer Geschichte, die ihn trösten kann, die ihm sagt, was er tun soll, wenn der Eintreiber sie meldet.



Es dauert keine Woche, da streicht der Eintreiber wieder durch das Gelände. Diesmal scheint er etwas herausgefunden zu haben, was er nicht mehr verschweigen kann, und er fängt ganz fürchterlich an zu fluchen, dass er die Teufelsbraut gesehen hätte. Er muss ihn niederschlagen, als er seine Freundin sieht, die sich noch immer nicht ganz verwandelt hat.

Als der Eintreiber zu sich kommt, hat er sie versteckt. Und er fordert ihn auf überall nachzusehen, aber der Eintreiber sagt, er wüsste genau, was er gesehen habe.

Dann verwandelt sie sich doch, sie will ihn trösten, nutzt jetzt nicht mehr nur ihren Kopf zum Anstupsen, sondern streichelt über sein Haar mit ihrer Hand. Als er ihr das Lesen und Schreiben beibringt, da fallen ihr die letzten Haare aus, und sie hat auch nicht mehr die kleinen Höcker auf der Stirn.



Für den jungen Mönch beginnt eine großartige Zeit. Er kann jetzt Ziegenkuss erzählen, was er will, was für eine Möglichkeit. Als sie ihm beim Schneiden mit dem Messer zusieht erzählt es ihr, dass es die Stelle findet, wo etwas einmal getrennt war, und diese Stelle kann es finden und dann die Teile wieder trennen. Er demonstriert ihr das an einer Karotte, die offensichtlich schon an vielerlei Stellen getrennt war. Und dann erklärt er es ihr, an einem Nagel, der noch nie getrennt war. Und für sie ist alles klar nach einer Weile. Und das erstaunt ihn wieder, und er erzählt ihr, dass er nur Spaß gemacht hat, er hat sich die Erklärung ausgedacht. Aber sie will dann von ihm wissen, wie ein Messer wirklich funktioniert. Und er versucht es ihr zu erklären, dass es so scharf sei, so dünn, dass man die Kraft von seiner Hand, auf eine unglaublich dünne Linie lenken kann, und je schärfer die Klinge wäre, desto dünner die Linie, feiner noch als ein Haar, ja feiner noch als ein Spinnenfaden. Je feiner diese Linie ist, auf die man die Kraft konzentriert, desto schärfer ist das Messer, und desto mehr muss man aufpassen sich nicht zu schneiden. Er ist ganz stolz auf diese Definition. Aber sie sagt: Alles klar.

Und er freut sich, aber sie fügt hinzu: Die erste Erklärung gefällt mir besser.

Er: Wirklich?

Sie antwortet nicht darauf und schärft das Messer an einem Stein.

Er: Es gibt Menschen, die können die Linien sehen.

Sie sieht ihn desinteressiert an, was ihn immer so aufregt.

Sie: Und ich habe da so eine Linie, stimmt 's?

Sie nimmt das Messer und fährt ihren Hals ab.

Er will ihr das Messer aus der Hand nehmen, aber sie hält es ganz fest: Warum hast Du die Ziege getötet?

Er: Wir töten sie, um sie zu essen.

Sie: Schmeckt das so gut, dass man töten muss?

Er: Ziemlich gut.

Sie hält ihm die Hand hin: Möchtest Du mal abbeißen?

Er ist verwirrt, als sie ihm die Hand hinhält, er liebt ihre Hand, er liebt sie.

Sie lächelt: Nicht? Dann habe ich ja Glück gehabt.



Er wundert sich, dass sie sich so schnell entwickelt hat, dass sie so schnell seine harmlosen Späße durchschaut. Er fragt sich noch, wie er ihr erzählen will, woher sie kommt. Eine Weile bekümmert ihn das, dann lächelt er, weil er die Lösung weiß: Du bist aus einem Blumenkohl geschlüpft. Oder noch besser, der Klapperstorch hat dich gebracht. Nur eins ist für ihn ganz sicher, die Wahrheit will er ihr nicht erzählen.

Während er sich noch daran ergötzt, hat sie schon ihre Lesefähigkeiten weiter entwickelt, sie liest jetzt schon schneller als er, und fragt ihn dann: Sie: Wieso kann jemand, der so jung ist wie Du, mein Vater sein?

Er: Wie kommst Du da drauf, dass ich dein Vater bin?

Sie: Es ist ja sonst niemand hier.

Und so bekommt sie es ohne Mühe hin, dass er ihr von dem Buch erzählt.

Zum Schluss ist er ganz verzweifelt: Du glaubst mir nicht? Du glaubst ich bin verrückt.

Sie küsst ihn ganz zärtlich aber sehr leicht, fast ohne Berührung auf den Mund: Aber nein, verrückt ist das, was ich in den Büchern gelesen habe.

Er bekommt Panik, dass sie sein Spezialbuchversteck gefunden hat und fragt: In den Büchern?

Sie: Völlig verrückte Dinge stehen da drin.

Er: Ach ja.

Sie: Sag bloß, das hast Du nicht gelesen?

Er: Doch schon.

Sie: Dann weißt Du ja Bescheid.

Er sieht sie fragend an.

Sie: Hol mir mal eine Artischocke, dann zeige ich es dir.

Er nimmt sich das Messer und geht grübelnd in den Garten und kommt ohne nachzudenken mit einer Artischocke zurück.

Sie sagt: Darf ich mal?

Sie nimmt sich die Artischocke und steckt die Karotte, die sie eben geschält hat hinein.

Er sieht sie irritiert an: Das ist es?

Sie lacht ihn aus: Was?

Er: Und dann?

Sie greift nach einer Tomate und gibt sie ihm.

Er: Du meinst, du bist eine Tomate?

Sie: Na klar bin ich das? Was dachtest Du denn, was ich bin? Etwa eine Gurke?

Ihm fällt nichts mehr ein, sie beißt ein Stück von der Tomate ab, der Saft läuft ihr am Kinn herunter und sie lacht noch lauter und reicht ihm die Tomate: Willst Du nicht mal von mir abbeißen?

Er dreht den Kopf weg, aber sie klettert auf seinen Schoß: Och komm schon, beiß nur ein kleines Stückchen von mir ab.



Als der Eintreiber sie nun beim nächsten Mal findet, sagt er ihr, dass er ihr Gesicht kennt, und niemals ein Gesicht vergessen würde, besonders nicht, wenn der Teufel es sich übergezogen hätte. Er würde sich nicht mehr täuschen lassen, und er würde auch nichts mitnehmen. Er hätte sie beobachtet und wüsste was zu tun sei.



Fortan leben sie in der Angst, dass er kommt und einige ihrer ersten Worte sind: Warum hast Du ihn nicht erschlagen?

Doch es kommt ganz anders, als sie denken, als der Eintreiber am Nachmittag auf seiner Rückreise die kleine Stadt passiert zu der sich das Dorf am Fuße des Vulkans gemausert hat, erscheint ihm der Teufel noch einmal und er brüllt die Tochter des Stadthalters an: Da hab ich dich endlich Satan, bist Du mir nachgestiegen? Na warte, wenn es das Letzte ist was ich tue, dich werde ich fangen, denn es gibt da einen Ort, da wird man dir brennende Fragen stellen. Und dann bin ich es, der die Antworten kennt.

Eigentlich ist die Tochter des Stadthalters sehr wehrhaft, aber die Selbstsicherheit dieser Rede und all das hat sie dazu gebracht, abzusteigen und sich fesseln zu lassen. Auch kommt eine eigenartige Erinnerung in ihr hoch, an ihre Ausritte in die Berge, die sie nach diesem Erlebnis, nach dem was sie getan hat, unterlassen hat.

Aber der Eintreiber kommt nicht weit mit seiner Beute. Einer der heimlichen Verehrer Freikes hält ihn auf, es können auch gleich mehrere gewesen sein, der Vater wird gerufen. Und es stellt sich heraus, dass das Mädchen heute Morgen am Küchentisch des Vaters mit den Vorbereitungen eines Festes verbracht hat. Als der Eintreiber einsieht, dass er zu weit gegangen ist, schluckt er seinen Zweifel runter und weist auf seine offizielle Position als Eintreiber des Zehnten beim Klerus hin. Aber der Vater lässt nicht locker: Seh' ich doch, dass sich in eurem Innersten nichts an eurer Überzeugung geändert hat (er blickt in die Runde und die Verehrer und alle anderen umstehenden nicken ihm zu). Vielleicht sollte man euch das Innerste nach außen kehren, so wie es Brauch ist, wenn man jemand mal ordentlich das Fell gerben muss. Vielleicht kommt dann die die gleiche Beschuldigung völlig unbelehrt ans Tageslicht. Und mit dieser Beschuldigung würde ich dich ungern ziehen lassen. Aber, nun ja, wenn auch nicht der Herrgott selbst, sein Sohn oder sein heiliger Geist, aber der Klerus hält die Hand über Euch. So sieht es so aus, als hättet ihr Glück gehabt und wir könnten Euch nicht dieser erquicklichen Befragung unterziehen und so muss euch eine tiefere Erkenntnis leider verborgen bleiben.

Einen tiefen Kratzbuckel machend verbeugt sich der Vater vor dem Eintreiber, mit einem Lächeln die Blicke der Umstehenden taxierend, was sie denn von seinem Vorschlag halten würden. Ein allgemeines Nicken macht die Runde, was der Eintreiber ängstlich zur Kenntnis nimmt.

Der Eintreiber fasst den Vorsteher am Arm: Wartet noch!

Der Vorsteher aber tätschelt nun die Hand des Eintreibers wie von einem lieben Freund: Dass er lebend seinen Dienstherren erreicht, dafür verbürge ich mich persönlich. Und sicherlich auch alle anderen Anwesenden.

Von weitem kann man nicht sagen, ob das noch lebt, was quer über den Sattel des Maultiers des Eintreibers gebunden ist. Erst wenn man näher kommt, dann kann man seinen Atem hören. Aber nicht nur das, wer dem aufgequollenen Gesicht noch näher kommt, der mag die Worte gehört haben: Ich komme wieder, das verspreche ich dir, und dann bin ich es, der die Beweise findet.

Es dauert Monate, bis der Eintreiber wieder zu Kräften kommt. Die Prügel waren so heftig, dass er für eine Weile vergessen hat, wer er eigentlich ist, und wenn das Maultier einen falschen Weg eingeschlagen hätte, wäre die Sache auch erledigt gewesen. Nur die Rache hat er nie vergessen. Aber je weiter die Genesung voranschreitet und je mehr man auf die einträglichen Dienste des Eintreibers angewiesen ist, desto mehr kommt auch die Erinnerung zurück. Und einmal überlegt er sogar, den ganzen Plan, was er jetzt zu tun hat, in das kleine Buch zu schreiben, was er erbeutet hat, dann lässt er es lieber, weil er sich nicht selbst belasten will. Auch hat sich sein Hirn so weit erholt, dass es vorerst keine Gedächtnisstützen mehr bedarf.

Freike wagt es noch mal auf ihrem Rappen in die Berge zu reiten. Nur weil sie von der Spezialbehandlung weiß, die man dem Eintreiber angedeihen ließ traut sie sich wieder hoch in die Berge. Nur als sie die Ziegen sieht, kommt eine eigenartige Erinnerung in ihr hoch, ihr ist so, als hätte sie sich eine junge Ziege geschnappt, die ihr dann so sehr gefiel, dass sie sie geküsst hat. Deutlich spürt sie ihr Herz klopfen und nimmt sich fest vor, erst mal alles genau zu beobachten und vor allen Dingen den Ziegen fern zu bleiben. So weit der Plan und wäre es letzte Nacht dem Marder auch gelungen den Tannenhäher zu fangen, den hier alle Raubtiere nur als den kleinen Verräter kennen, dann wäre es auch Freike gelungen das kleine Wäldchen am Beginn der Alm zu betreten ohne durch sein weithin hörbares Geschrei verraten zu werden. Aber wie viele, die nicht in der Natur leben, glauben, wenn sie den Wald betreten, würde er nicht auf sie reagieren, wüsste nicht, wie man mit einem Eindringling umgehen muss, so war sich auch Freike nicht gewahr, dass sie von diesem Zeitpunkt verraten war. Denn Ziegenkuss wusste nun, dass, wenn sich der Eindringling nicht auf den Almwiesen zeigt, dann ist er wohl im Wäldchen geblieben. Und wenn er das tut, dann nutzt er die Kiefern und Lärchen des Wäldchens nicht nur, um ihren Schatten zu genießen, sondern er braucht diesen Schatten auch, damit er sich vor den Blicken verbergen kann. Als die Almwiese aber unbetreten blieb, da könnte Ziegenkuss die Blicke ihrer Doppelgängerin schon auf ihrer Haut kitzeln spüren. Und so machte sie sich auf, dem kleinen Bächlein durch die Mulde folgend, das kleine Wäldchen von unten her zu erreichen, um so den gegnerischen Blicken zu umgehen.





Rückereoberung

Und als die Leute nachforschen, warum der Eintreiber nicht kommt, haben die beiden Frauen mit der Doppelgängermethode das Buch gestohlen. Während eine bei ihrem Vater war auf einem Fest, um ein Alibi zu haben, war die andere beim Eintreiber, um das Buch zurück zu holen.

Aber der Eintreiber wäre nicht so erfolgreich, wenn er nicht ganz genau wüsste, was wertvoll ist, auch wenn es überhaupt nicht den Anschein hat. Und so wusste er gleich, wo er das Buch suchen musste, oben in den Bergen. Und er wusste auch, dass er das Sonnenlicht meiden musste, damit man ihn nicht entdeckt. Derweil feiern die drei in dem Kloster ein Fest.

Freike will wissen: Wie heißt Du eigentlich?

Der Mönch antwortet für sie: Sie hat noch keinen Namen.

Ziegenkuss: Du kannst mich ruhig weiter Ziegenkuss nennen.

Freike: Du nennst sie Ziegenkuss?

Der Mönch senkt den Blick.

Freike fragt Ziegenkuss: Ist ihm das jetzt peinlich?

Ziegenkuss: Wenn es nur das wäre?

Freike: Was denn noch?

Ziegenkuss: Ja alles was mit meiner Herkunft zu tun hat.

Freike: Wie jetzt, hast Du ihm mal in die Rippen geboxt?

Freike versucht den Mönch mit ihrem Kopf zu boxen aber sie stoßen nur mit den Köpfen aneinander.

Ziegenkuss neigt ihren Kopf ein wenig: Willst Du mal fühlen, ein bisschen sind die Hörner noch zu spüren.

Freike tastet auf Ziegenkopfs Stirn: Kann ich nicht finden, oder meinst Du da?

Ziegenkuss wird ungeduldig und schiebt Freikes Hand an die richtige Stelle: Nein hier.

Freike: Hm, da musst Du aber ganz schön genau tasten, findest Du nicht, ich glaube, das habe ich auch.

Freike nimmt Ziegenkuss Hand und führt sie auf ihren Kopf, Ziegenkuss ist erstaunt: Tatsächlich.

Ziegenkuss: Aber ich hatte noch lange einen Bart, sieh nur, es gibt noch einen Rest.

Freike kann nichts sehen, und probiert es mit der Kerze: Ich sehe immer noch nichts.

Ziegenkuss: Aber innen bin ich noch ganz eine Ziege.

Freike: Wirklich?

Ziegenkuss: Ich mag Füße lecken.

Freike: Ehrlich, dann kannst Du ja für meinen Vater arbeiten, er wollte immer die Leuten foltern, indem Ziegen ihre Füße ablecken.

Ziegenkuss: Du glaubst mir nicht?

Freike kichert: Doch doch.

Ziegenkuss: Na warte…

Ziegenkuss lässt sich unter den Tisch gleiten schnappt sich einen Fuß von Freike, die heftig zappelt, sich aber trotzdem nicht befreien kann und leckt ihn ab.

Freike kreischt und fleht: Aufhören, bitte aufhören.

Ziegenkuss erscheint wieder am Tisch, und wischt sich etwas verdrießlich den Mund ab.

Freike: Wie jetzt, war mein Fuß nicht gut?

Freike lacht hemmungslos: Wenn Du dein Gesicht sehen könntest… Es lag bestimmt an meinem Fuß, du musst mal den vom Mönch kosten, der mundet bestimmt besser.

Freike schnappt sich den Mönch: Ich halte ihn fest, na komm schon, worauf wartest Du noch?



Dem Eintreiber schmerzen die Füße. Und obwohl ihn das Licht aus dem Kloster in der Ferne lockt, will er erst aufbrechen, wenn es erloschen ist, und er sicher sein kann, dass sie dort oben schlafen. Und beinahe wären sie auch eingeschlafen, wenn sie nicht von dem Maultier des Mönchs immer wieder daran gehindert worden wären. Schließlich machten sie sich doch auf, um nachzusehen, was das Maultier zu unruhig gemacht hatte und fanden den Eintreiber selbst, friedlich schlummernd unter einem Baum.

Sie waren es noch nicht gewöhnt, wie sie zusammen eine Entscheidung fällen könnten, und so stritten sie sich, bis schließlich Freike das Buch holte und hineinschrieb, dass dem Eintreiber Wurzeln wachsen sollten und Blätter, dass er sich in einen Baum verwandeln sollte. Natürlich konnten sie es nicht aushalten vor Neugierde, wollten seine Wurzeln sehen und als die ihnen zu klein erschienen, begossen sie sie noch mit dem Honigwein, der übrig geblieben war. Davon wachte der Eintreiber auf, und war noch erstaunlich schnell für seine Wurzeln schlagenden Füße.

Und er hätte die Trunkenen beinahe noch erwischt und das Buch in die Hände bekommen, wenn er nicht die grüne von dem Bächlein durchflossene Aue durchqueren musste. Bester Boden, nicht so ausgetrocknet, wie oben in den Felsen, sie konnten ihm ansehen, wie der satte feuchte Boden seine Füße weiter zum Sprossen anregte, und wie es schwerer wurde für ihn vom Fleck zu kommen. Und so konnten sie, obwohl sie angetrunken waren, ihn langsam zum Halten bringen, indem sie sich auf seine Wurzelfüße stellten. Auch konnte er sie mit seinen Händen, die schon im üppigen Blattwerk verschwunden waren, nicht mehr so fest fassen, so weit hatte er sich einer Pflanze genähert. Aber es bleibt so lange gefährlich, bis sie ihm den ganzen Wein auf die frisch gesprossenen Wurzeln gießen. Endlich scheint der Kampf gewonnen zu sein, und nicht weit von dem Platz am Bach, wo der betrunkene Eintreiber wurzelt, suchen sie sich einen trockenen Platz auf einem Felsen und auch sie schlummern ein, obwohl sie sich fest vorgenommen haben, die Nacht zu wachen. Als der Eintreiber aufwacht, da ist die Verwandlung noch lange nicht abgeschlossen und er bekommt Freike jetzt endlich so fest zu fassen, ja es ist fast so, dass er ihr Handgelenk umwachsen kann, dass sie sich nicht mehr befreien kann. Wein können sie ihm nun nicht mehr auf die Wurzeln kippen, und wenn sie sie befreien wollen, laufen sie Gefahr selbst gefasst zu werden. Erst als es Ziegenkuss und der Mönch gelingt den schweren Felsbrocken auf seine Wurzeln wälzen, löst sich der Griff des Baummenschen und Freike kommt frei, auch kann er ihnen nicht mehr folgen, und verwurzelt sich wieder tiefer. Er schreit 3 Tage, die feuchte fruchtbare Erde scheint ihm endlos Kraft zu geben, dann kommt ein erlösender Sturm, der seine Stimme verschluckt. Sie haben schon Angst, dass der Sturm ihm hilft sich wieder zu befreien. Aber er hat nur dazu geführt, dass er sich tiefer mit seinen Wurzeln im Boden verankert hat. Als sie wieder draußen sind, kann man noch erkennen dass er ein Mensch ist, auch wenn das Auge jetzt wie ein Astloch aussieht, es bewegt sich noch. Sie reiben die Rinde mit Schlamm ein und heften Moos dran, um ihn ganz zu verbergen. Langsam beginnt er alles menschliche abzulegen, und wächst als mächtige Pappel in den Himmel. Und doch müssen sie vorsichtig sein, dass sie nicht von seinen herunterfallenden Ästen erschlagen werden, erst als sie Mistelsamen in seine Astgabeln legen, wird er stiller und zahmer und ist von einem Baum auch in seinem Charakter nicht mehr zu unterscheiden.





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Der Bösenicht

Konstantin Schemat, Dominica Schemat

Es war einmal ein junger Recke Gutfried, der hatte es überhaupt nicht leicht, auch wenn er sich eine schwarze Rüstung zulegte, ein Wappen mit so vielen Totenköpfen drauf, die konnte zu Gutfrieds Zeiten nicht mal ein jeder zählen, und einem neuen blutgefrierenden Namen: Ritter Todhieb. Die guten Menschen zu seiner Zeit schreckten nicht einmal davor zurück, seinen Namen zu verniedlichen. Aus Todhieb wurde Toddieb, der schwarze Ritter, vor dem sich sogar Gevatter Tod fürchten musste, weil er ihm im letzten Moment die Seelen stahl, um ihnen das Leben zurück zu geben.

Toddieb der Schreckliche konnte nicht an einen Baum pinkeln, ohne einen verherenden Waldbrand im Keim zu ertränken, der just im entstehen war.

Toddieb konnte nicht unter einem Turmfenster verweilen, ohne mit seinem treuen Pferd den Tod einer mondsüchtigen Prinzessin zu verhindern, die mit geschlossenen Augen auf den Zinnen balancierte und von dem weichen Fell des Pferdes und seinen elastischen Sehnen und Muskeln relativ sanft aufgefangen zu werden.

Er konnte jemand nicht das Schwert an die Kehle halten ohne ihm ein Furunkel aufzuschneiden, was auf dem besten Wege war, den Mann an dessen Hals es so gut gedieh, zu vernichten.



Da hörte TodHieb der zukünftig Schreckliche von einem Räuberbande in den Bergen, die einen nur dann aufnahm, wenn man Vater und Mutter erschlagen hatte. Was für eine günstige Gelegenheit den lästigen Menschenfreund sofort und für immer abzustreifen und jeden Anschein von Güte sauber und rückstandsfrei auszubrennen. An TodHiebs geistigen Auge zogen Bilder von einem schrecklichen Ritter vorbei, dessen Grausamkeit über jeden Zweifel erhaben ist. Diesmal wird es ihm bestimmt gelingen, diesmal können sie es drehen und wenden wie soll wollen. Und trotzdem stieg eine dunkle Ahnung in ihm auf, wie man seine Taten umdeuten könnte. Wenn er etwa jemand tötete, ganz gleich wie grausam er auch zu Werke ging, und es stellte sich später heraus, dass er ein bösartiger Räuber war, dann könnten sie ihn wieder auf das Schild heben und mit Jubelgeschrei durch die Stadt tragen. Oh, wie er das hasste. Und so langsam kamen wieder die finsteren Gedanken über ihn, die schon so manchen Tyrannen geplagt haben könnten, der selbst als Millionenfacher Mörder noch glühend geliebt wurde. Wenn sich die Leute erst mal etwas in den Kopf gesetzt haben … Ein Läuten an der Tür riss ihn aus seinen düsteren Träumen.



Denn bevor er sich aufmachen konnte kam die Prinzessin zu ihm, von der man sagte, sie wäre blindsichtig, denn obwohl sie die Augen geschlossen hatte, wirkte es so, als könne sie sehen. So sah man sie manchmal wie sie da mit geschlossenen Augen weit über das Meer blickte. O.K. das mag noch kein Beweis für Blindsichtigkeit sein, aber wie ist es damit, die Prinzessin konnte im gestrecktem Gallopp durch das Unterholz reiten, und immer genau dann, wenn ein großer Ast versucht sie unsanft aus ihrem Sattel zu angeln, dann duckt sie sich geschickt weg. Einige sagten, es ist das Pferd, das für sie sieht, ihr Schimmel, der im Mondlicht silbern leuchtete. Andere gestanden ihr großmütig die seltene Gabe der Blindsichtigen zu. Wieder andere sagten: Keine Ahnung wie sie das hinbekommt, durch das Unterholz zu reiten, aber wie sie das Augenlicht verloren hat, das weiss ich, als sie das erste Mal ihr Gesicht in einer Quelle gesehen hat, da wurde sie von ihrer eigenen Schönheit geblendet.

Dem Ritter war der Besuch der Prinzessin ein wenig peinlich obwohl er schon viele verwegene Vorstellungen oft durchgespielt hat, wie es wäre ihre Hand zu halten vor dem Altar und noch andere etwas lebhaftere Bilder, ihm war es doch sehr unangenehm, jetzt, wo er aufbrach, als Elternmörder sozusagen. Allein wie er das möglichst beiläufig erwähnen sollte, dass die Eltern nicht zur Hochzeit kommen konnten, das konnte er vergessen, wenn er sich jetzt als Elternmörder präsentierte. Und alles wurde noch gesteigert durch das Leuchten, was sie umgab und dass man nie genug Zeit mit ihr verbringen konnte, um die Quelle des blauen Lichts herauszufinden. Vielleicht sollte ich es mit den üblen Taten nicht übertreiben, und pro erschlagenes Grossmütterchen eine Jungfrau retten? Überzeugender wäre es natürlich, wenn ich die Grossmütterchen retten würde und die Jungfrauen ausraube und erschlage, oder?

Bei den ganzen Überlegungen zu seinem fürchterlichen zukünftigen Image, war ihm entgangen, dass die Prinzessin ohne Gefolge gekommen war, dass sie hier ganz alleine vor ihm stand und er war noch nicht mal vollkommen angekleidet. Denn TodHieb oder Gutfried hatte noch eine weitere schlechte Eigenschaft, wenn man die Elternmörderei mitrechnete, er ritt immer bei grellem Sonnenlicht mit seiner blankpolierten Rüstung aus, damit eine schöne Frau nicht bemerkte, wie er bei ihrem Anblick errötete, weil sie durch die sonnenglitzernde Rüstung überhaupt nichts mehr sehen konnte. Und als die Prinzessin ihm jetzt auch noch einen Beutel mit roten Beeren umhängte, die er nicht essen sollte, Glück würden sie ihm bringen, und er ihren Duft einatmete, da bekam er so eine Bombe, er leuchtete wie ein roter Sack, wie man ihn unter den Weihnachtsbaum legt, voller frisch gefangener Sternschnuppen. Da konnte er sich nicht anders Luft verschaffen, als ihr eine lange Nase zu ziehen, denn an die Blindsichtigkeit glaubte er ehe nicht. Nein, er mochte es sogar, dass sie einfach nur blind war, und ihm nicht immer die Gefühlsregungen aus dem Gesicht ablesen konnte.

Doch ehe er sich versah und noch bevor er seine Hände von dem Naseziehen wieder runter nehmen konnte, hatte sie ihm das Schwert gezogen, und ihm donnernd auf den Helm gehauen. Das machte ihn natürlich besonders lächerlich, wie er da stand, so halb bekleidet, in seinem Unterkettenhemd und seiner Unterkettenhose, aber mit seinem protzigen Helm auf dem Kopf. Ganz zu schweigen von dem Rost den sein Unterkettenhemd an den Achseln angesetzt hatte, peinlich war das.

Ehe er etwas sagen kann war sie bei der Tür und rief ihm zu: Dummkopf, trödel nicht so lange rum! Jemand wartet auf Dich.

Der ganze Auftritt der Prinzessin forderte das Nervensystem des Ritters so hart, dass er das kleine Beutelchen mit den roten Beeren, was ihm die Prinzessin unter das Kettenunterhemd geschoben hatte ganz vergessen hatte, weil er nur an eins dachte: Wer kann das wohl sein, der auf mich wartet?

Und wenn die Leute sich doch darüber streiten, ob die Prinzessin blindsichtig ist, dass sie klug ist, das besteitet niemand.



Schon am ersten Tag seiner Reise in die Berge verirrte er sich. Je mehr er versuchte, dem dichten Wald zu entkommen, desto enger rückten die Fichten mit ihren Stämmen zusammen. Und wie grün und frisch ihm der Wald doch erschien, so fern war doch jede Spur von Wasser in seiner offenen sprudelnden Form. Er war so durstig, dass er schon überlegte, wie er den Waldboden ausquetschen sollte, er war so hungrig, dass er beinahe die Bäume gegessen hätte, wenn sie nur ein freundlicher Geist in Sägespäne verwandelt hätte. Da, im allerletzten Moment, bevor er wahnsinnig wurde vor Hunger und Durst, fand er einen Pilz. Sein Hut war so mächtig, das hatte er noch nie gesehen, mächtig und nach oben gewölbt hatte sich ein kleiner See in dem Hut gebildet, der ausreichen würde, seinen Pudel darin zu baden. Als er aber den See ausgetrunken hatte, da sprach der Pilz zu ihm: Bist Du nicht hungrig?

Und Todhieb der Schreckliche antwortete, ich bin nicht nur hungrig, ich weiss auch nicht den Weg, zu der Höhle der schrecklichen Räuber.

Da lachte der Pilz sehr: Du musst nur von mir kosten, dann werde ich deinen Hunger stillen, nach Nahrung und nach Wissen.

Gesagt getan. Der Ritter bestieg sein Ross, auch wenn die Bäume so eng standen, dass er am Anfang seine Beine in die Hand nehmen musste, um die Engstellen zu passieren, so weitete sich der dichte Fichtenwald doch langsam, so dass die Bäume wieder Licht zum Boden durchliessen, nicht nur das angenehm schummirige grüne Licht, als wärst Du unter Wasser, nein auch die ersten Sonnenstrahlen brachen durch die Äste um die Erde zu kitzeln. Dieser Sonnenschein war es, den er so begrüsste, der ihn so erfreute, der ihn so wieder mit Hoffnung erfüllte, dass er nicht bemerkte, dass er nicht mehr auf einem Pferd in die Berge ritt. Denn als er von dem warmen Sonnenzauber in süssen Schlaf fiel, um dann mit polternden Kopfschmerzen wieder zu erwachen, umarmte er nicht den Hals seines treuen Pferdes, nein, es war eine riesige Dogge, die sein Gesicht ableckte. Was zuerst wie ein grosses Unglück schien, erwies sich als seine Rettung, denn der Hund hatte eine Nase, die nicht nur den Trüffel in der Erde und die Ente in der Luft erschnüffeln konnte, sie konnte auch, was bei Hunden gar nicht so selten ist, aber bisher noch nie beschrieben wurde, das gute von dem bösen unterscheiden, alleine am Geruch, und das eine gute Meile gegen den Wind. Auch wenn der Hund mindestens genauso sprachbegabt war wie der Pilz, so verzaubert war dieser Wald am Fusse der Höhle der verkommenen Räuber, er wollte doch nicht so recht Todhieb gehorchen, nicht mal als Todhieb nach den Knauf seines Schwertes griff.

Willst Du denn den Preis wissen, damit ich dir den Weg zu den verkommenen Räubern zeige?

Und Todhieb musste dem magischen Hund versprechen, dass er nur dann den Weg zur Höhle gewiesen bekam, wenn er bereit war, den Urteilsspruch der Höhle zu akzeptieren.

Todhieb wusste nicht so recht, was für einen Spruch die Höhle fällen konnte, denn er unterschätzte immer noch, die Zauberkräfte des Waldes und so willigte er ein.

Je näher sie der Höhle kamen, desto schwächer schien ihm sein Begleiter der Hund, desto zierlicher und bisslahmer sein Kiefer.

Und als die Höhle in Sichtweite kam, verliess ihn der Hund ihn mit eingeklemmten Schwanz und den Worten: Wir sehen uns noch, vielleicht.

An der Höhle angekommen, fragte ihn der Fels: Sag mir: Bist Du Opfer oder Täter, Hundefutter oder Kumpane.

Da aber antwortete der Ritter: Ich bin Kumpane.

Da erglomm ein Licht, was gerade ausreichte noch vier andere verwegene Räuber zu zeigen, die noch viel grausamer aussahen, als Todhieb, was sich durch eine extrem vernachlässigte Körperhygiene erreichten. Ein Geheimtip für jeden, der ein echter Räuber sein will, meide Seife und Wasser in der flüssigen Form und meide auch Schere und Kamm.

Nun denn, erzähle uns deine Geschichte, wenn Du die Hunde nicht füttern willst.

Und so hob Gutfried an: Eine unangenehme Warheit ist, auch der Grausamste unter uns, den wir am meisten verehren wird aus dem Schoss einer Mutter geboren. Denn es sind nicht die Vulkane, die uns ausspeien, und wir schlagen auch nicht wie die brennenden Steine aus dem Weltall in der Erde ein.

Gutfried ist ein wenig erleichtert, als er ein anerkennendes Grummeln in der Höhle verhallen hört.

Und wenn ihr einen Schneider fragt, wozu soll ich meine Hände benutzen, was wird er euch antworten, wenn ihr geschickte Hände zum schneidern habt?

Und habt ihr geschickte Hände zum Kochen, was wird euch der Koch wohl raten, was ihr mit den Händen anfangen sollt.

Wie ist es aber bei dem Räuber? Ruft eine Stimme aus dem Dämmerlicht.

Ja, wie ist es denn bei dem Räuber? Was wird er mir raten, wenn ich geschickte Hände habe, die Gurgel zu durchtrennen und den Beutel abzuschneiden, was wird er mir raten?

Die Räuber im Chor: Dann sollst Du ein Räuber sein!

Ja, das stimmt, dann soll ich ein Räuber sein, und deshalb bin ich auch hier, aber was ratet ihr der Mutter, die süsse Semmeln in die Milch tunken muss, um selbst die Milch ihrem Kind zu geben, wenn sie keine Beutel abschneiden kann und keine Hälse, wenn sie keinen Stoff schneiden kann und auch den Löffel nicht schwingen kann.

Dann kann sie immer noch sich selbst verkaufen, ruft ein Räuber.

So sei es, sagt Gutfried, aber wenn es schon ein anderer getan hat, schon ein anderer hat sie verkauft.

„Das ist ein schwieriger Fall“ sagt der Eine.

Das riecht mir danach, als ob Du dich drücken willst, als ob Du dich mit dieser Geschichte in unsere Mitte schleichen willst. Sag es nur frei heraus, hast Du nun getötet oder nicht?

Ja, ich habe getötet.

„Du weisst schon, dass nur der in unseren Kreis aufgenommen werden kann, der Vater und Mutter erschlagen hat“, sagt ein anderer.

Während die Räuber sprechen lastet das Schweigen des Räuberhauptmanns, der in der dunkelsten Ecke sitzt, schwer auf Gutfried.

Da antwortet Gutfried selbstsicher: Wann habt ihr euren ersten Mord begangen, sagt es mir nur?

Einer sagt: Im 10. Lenz meines Lebens

Der andere Räuber sagt: Im 7. Sommer meines Lebens.

Da sagt der dritte Räuber: Im 6. Winter meines Lebens habe ich gemordet.

Nur der RäuberHauptmann schweigt.

Da triumphiert Gutfried: Dann hört gut zu, ich habe das Leben meiner Mutter genommen, da war ich noch nicht einen Tag auf der Welt.

Einen kurzen Moment schweigen die Räuber andächtig, bei soviel Grausamkeit.

Da sagt der Räuberhauptmann: Deine Mutter ist bei der Geburt gestorben.

Die anderen überlegen einen Moment, dann bricht grosse Heiterkeit aus.

Der eine Räuber sagt: Und wenn Du auch nicht ganz bei Trost bist, mutig bist Du schon!

Der andere Räuber sagt lachend: Genauso stell ich mir einen Muttermörder vor!

Der Hauptmann sagt ganz ruhig: Zieht ihn aus, damit wir ihn besser zerteilen können.

Aus der Tiefe der Höhle hört man die Hunde aufgeregt scharren und umherspringen.

Ruhig und gefasst lässt Gutfried es geschehen, und auch die Räuber, nehmen ihm seine Kleidung mit grosser Andacht ab, legen sie gefaltet zur Seite, als wären sie von ihm als Kammerdiener angestellt.

In dem Moment, wo sich der Räuberhauptmann von seinen Kameraden abwenden will, da geschieht etwas eigenartiges, es ist das als Blutschwamm bekannte Mal, was Gutfried auf der Brust trägt.

Mit einem Ruck wendet sich der Räuberhauptmann an seine Gefährten und zeigt auf das Mal: Seht ihr nicht was ihr da macht?

Und nun erkennen auch sie das Mal: Unser Hauptmann trägt das gleiche Mal.

Und in das ungläubige Staunen herein legt der Räuberhauptmann seine Rüstung ab, und entblösst seine Brust: Hier seht her.

Während sich seine Gefährten das Mal noch einmal ansehen, schlussfolgert ein Gefolgsmann: Wenn der Hauptmann der Vater ist, dann ist er der Sohn. Kaum hat er diese Worte ausgesprochen, da kann Gutfried nach dem Schwert greifen und mit einem geschickten Streich durch die Gefährten hindurch seinem Vater das Schwert in den Bauch senken.

Geschockt blicken die Räuber zuerst auf den schwerverletzten Hauptmann und dann auf Gutfried, der triumphiert: Nun, habe ich jetzt eure lächerliche Prüfung bestanden?

„Warte nur, ich geb Dir deinen Lohn, uns den Hauptmann zu erschlagen!“ sagt der eine Räuber und zieht das Schwert.

Aber der Hauptmann ist so gerührt von seiner Vaterschaft, dass er seinem Gefolgsmann ausschaltet, ehe er Gutfried ein Haar krümmen kann, indem er ihm einen Dolch in den Rücken wirft.



Bleiben noch zwei Räuber übrig. Dummerweise ist es mir entfallen, wie GutHieb den dritten Räuber erledigt hat, aber der letzte dieser grausamen Gesellen, wird auf äusserst spektakuläre Art sterben, das kann ich euch schon jetzt versprechen. Aber erst mal sieht es nicht danach aus, denn als Gutfried bei einem Ausweichschritt das Höhlenklo in Form eines zwergenhohen irdenen Kruges umwarf, da spürte er im nächsten Moment, das kühle Metall des Räuberschwertes an der Gurgel. Was jetzt geschieht, das könnt ihr euch auch selbst denken, es geschieht das, was immer wieder in solchen Situationen geschieht: Die Hunde kommen. Ich will euch jetzt nicht mit Ernährungslehre der Ökotrophologie nerven, ich will nur sagen, die Hunde zu überreden, die böse riechenden Fleischbrocken zu essen, das war nicht einfach. Besonders weil sie nicht verzaubert waren und man sich mit ihnen in nichts anderes als Hundisch unterhalten konnte, und als Hundisch in der Ritterschule dran war, hatte Gutfried gerade eine Tonsillitis. Ich will nur soviel sagen, entgegen der landläufigen Meinung mindert Bosheit nicht die Fleischqualität, weshallb Bello, Hasso und seine Freunde überredet werden konnten ausschliesslich die Räuber zu verspeisen, und zwar einschliesslich des Räubers, der aufgrund der Tatsache, dass er noch auf zwei Beinen stand und ein blitzendes Schwert in Händen hielt, durchaus auch unter Höhlenhunden als schwerverdaulich gelten kann.

Überspringen wir nun die ereignisarmen Episoden dieser Geschichte, die Rückreise, Party beim König, Hochzeit mit der Prinzessin, das ganze „ja-ich-will-oder-doch-lieber-nicht“ etc. und stossen wir in ihr Herz vor: Die Moral von der Geschichte. Danach fragte Gutfried (bzw. Todhieb, er weiss selbst noch nicht so genau, wie er sich fortan nennen soll) seine Prinzessin in der Hochzeitsnacht. Und was der Treue Hund wohl damit gemeint hat, er solle auf den Rat der Höhle hören? Lohnt es sich gut zu sein, oder hat böse nur durch Pech verloren?

Viele Fragen stellt der verliebte Gutfried seiner Prinzessin und sie hört sich alles geduldig an bevor sie ihr Nachthemd aufknöpft und dem sprachlosen Gutfried, Tothieb oder wie auch immer sagt: Dusel zu haben, lohnt sich immer.

Und noch bevor der gute Tothieb die Freuden der Liebe empfängt, ist er ganz beseelt von dieser heiligen Erkenntnis: Dusel zu haben, das lohnt sich immer!



Epilog:

Und mit der Hoffnung, dass auch Du lieber Leser dir diese heilige Erkenntnis zu Herzen nimmst, schliesst Gutfrieds Geschichte. Und wie heisst es so schön, wenn sie Dusel hatten, dann leben sie noch heute.

Na ja, ich will es ja nicht unnötig ausdehnen, aber wenn sich unser Gutfried einmal in dem unheimlichen verwunschenen Wald von Wennunddann verirren sollte, der die TouristenAttraktion des Königreichs ist, dann, ja dann kann ihm selbst der Dusel auch nicht mehr helfen.





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Als die Menschheit in die Linsen ging (Eine Polemik)

Konstantin Schemat und Dominica Schemat (23.07.2020)

Die neuen Kriege waren ganz individuell, ganz gezielt. Wozu soll man in ein Land einmarschieren, wenn es reicht die 1000 widerspenstigsten Köpfe abzuschlagen. Und genau das wird getan, mit gentechnisch angepassten Krankheiten. Man merkt kaum, dass man im Krieg ist, denn der findet auf den Intensivstationen statt. Wenn es überhaupt so weit kommen muss, dass jemand die Fahrt ins Krankenhaus überlebt. Und wenn es so gut wie unmöglich ist, einen professionellen Cyberangriff zurück zu verfolgen, auch wenn er ja von irgendwo hergekommen sein muss, auch wenn es klar ist, dass alles vernetzt ist. Noch unmöglicher ist es nachzuweisen (quasi unmöglichst), dass sie dich mit einem Keim geimpft haben. Zu klein die Drohnen, zu beiläufig die Methoden, mit denen man die Keime in dir ansiedelt. Denn mit der Entwicklung von Keimen, die nur bei ganz bestimmten genetischen Dispositionen wachsen können, mit den individualisierten Krankheiten, die sich parallel zu der individualisierten Medizin entwickelt haben, gibt es keine Notwendigkeit mehr für den Krieg.

Denn der Krieg findet in jedem Einzelnen statt. Jeder Einzelne wird überprüft, durchgecheckt. All die Suchmaschinen und sozialen Cyberspielzeuge haben noch einen weiteren Nutzen, sie sind die Spotter der Sniper. Diejenigen, die die Ziele aussuchen, damit sich der Heckenschützen ganz auf das Töten konzentrieren kann.

Und die Bevölkerung hat sich auch schon darauf eingestellt. Es gilt nicht aufzufallen, kein Land der Erde zu vergrämen, keine starke Interessengruppe zu vergraulen. Das hat auch Ariel Haingast versucht. Nur dass es um so schwieriger wird, je mehr jemand weiß, je mehr er kann, je mehr Begehren er weckt, bei denen, die seiner Dienste bedürfen, dabei ist er ein Immungenetiker. Genauso entscheidend für die gezielte Tötung, die diese Waffengattung ausmacht, wie ein Atomphysiker für die Massenvernichtung im 20ten Jahrhundert.

Dabei hat Ariel Haingast alles versucht um seine Familie zu schützen, er ist auf die Julia-Agentin nicht reingefallen, hat seine Familie nicht verlassen, als sie ihn in einem Hochsicherheitsfreudenhaus mit angrenzendem Genlabor unterbringen wollten. Mit anderen Worten, Ariel Haingast hat es gründlich verbockt. Hätte er sein Persönlichkeitsprofil nicht manipuliert, wäre es dem fürsorglichen Staat gelungen, ihn zu überzeugen und von seiner Familie zu entfernen.

Und natürlich haderten die staatlichen Akteure auch nicht mit ihren Maßnahmen; denn, war es nicht Ariel der sie unterlaufen hatte? Hatte er sich nicht selbst für den Tod entschieden?

Dabei hatte er eine ultimative Biowaffe entwickelt, eine Krankheit, die sich in dem befallenen Menschen zu einem Kämpfer gegen ihn entwickelt. Dazu muss man wissen verdeckte Genscherenoffensiven gab es schon am Anfang des 21. Jahrhunderts. So wollte man die Zielpersonen markieren und sie erst empfänglich für eine bestimmte Krankheit machen. Auf diese Art konnte man mit sehr exotischen gentechnisch manipulierten Krankheiten operieren und nur markierte Personen, die gentechnisch bearbeitet waren, eliminieren. Aus diesen Markierungswaffen entwickelte sich langsam eine Waffe, mit der man bestimmte Eigenschaften übertragen konnte. Bekannt geworden ist dieses Verfahren bei der Hautfarbe. Indem weiße Mütter schwarze Kinder zur Welt gebracht haben, aber auch umgekehrt. Alleine durch Eifersuchtsmorde starben damals hunderte Mütter, als noch nicht bekannt war, dass es sich um eine gezielte Manipulation handelte. Auch viele Kinder, wurden nicht geliebt, auch wenn sie die gleichen mehr oder weniger liebenswerten Macken ihrer Eltern hatten, das gleiche Lachen, die gleiche Nase, es half alles nicht, wenn die Hautfarbe nicht stimmte.

Natürlich ging es nicht nur in eine Richtung, die Menschen wehrten sich, einige wenige Menschen waren das, aber immerhin, und Ariel Haingast war einer von ihnen. So kam es, dass die Krankheitswaffen manchmal kompromittiert waren, mit Genen, die ihre Opfer widerwilliger machten, weniger gefügig, rebellischer.

Aber es nützte alles nichts, wenn sich auch die ganze Familie Haingast tapfer wehrte, sie starben doch alle. Nein sie verreckten elendig, lösten sich lebendig auf, in stinkenden Keimschleim. Die Einzige, die überlebte, war ein Produkt einer der perfidesten Gentechnikwaffen, hinter der die gleichen Gedanken standen, wie hinter einer Tretmine. Bei der es nicht nur darum geht, den Kämpfer auszuschalten, nein, auch seine Freundin und sein Freund sollen traumatisiert werden, seine Familie demoralisiert. Jede Tretmine ist eine Streubombe, die dazu noch die Wunden offen hält, damit sie sich weiter entzünden können und nur unglaublich langsam abheilen. Diese Genwaffe produziert Kinder, die einem ähnlich sind, auch im Charakter, aber an fürchterlichen schmerzhaften, aber nicht tödlichen Krankheiten leiden. Langsam verlieren diese Kinder unter der Folter ihren chronischen Krankheiten den Verstand. Als Ariel seiner Familie beraubt, nur noch mit seiner schwerkranken Tochter und seinem Genlabor übrig geblieben war, kam es zu etwas, was es eigentlich nicht geben sollte, seine Feinde mit ganz unterschiedlichen Interessen, aus ganz unterschiedlichen Ländern, einigten sich. Das geschah nicht durch eine Konferenz und einen Verhandlungsmarathon. Nein, es war eher ein natürlicher Prozess, so wie sich manchmal Prädatoren zusammenfinden, um sich die Jagt zu erleichtern: Sie ließen ihn machen und schauten zu, wollten von ihm lernen. Sie wollten sehen, wie er das letzte Bisschen, was sie ihm gelassen hatten, wie er verzweifelt versuchte es zu retten.

Ich kann euch sagen, wenn ihr glaubt, dass solche stinkende Sadisten keinen Humor hatten, dann irrt ihr euch gewaltig. Denn dieses schreiende Wesen, was seine Tochter war, und die er versucht mit seinen Gentherapien zu retten, hatten sie niedliche Ohren geben, wie sie eine Häsin schmücken.

Und natürlich konnten sie ihm haarklein mit einem erlesenen Kompromatportofolio, den sie im Laufe der Zeit über den bedauernswerten Ariel anlegen konnten, nachweisen, dass er, Ariel Haingast selbst, die Alleinschuld an der Krankheit seiner Tochter, wie auch seiner eigenen Lage, trug. Und das war noch nicht alles, er trug auch die Alleinschuld an der Vernichtung von so manchem treuen Spitzelleben. Auch in diesem Punkt herrschte unter den prinzipiell konkurrierenden Prädatoren eine fast schon an humanistische Utopien gemahnende, ja man kann fast sagen, zu Tränen rührende, internationale Solidarität.

Ihr ungerufener Kampfschrei war: Zeig uns was Du drauf hast, Ariel Haingast!

Und das wäre kein Heldenepos über unseren tapferen Ariel, wenn es ihm nicht gelungen wäre, die eine oder andere Medizin an ihren Sensoren und Spitzeln vorbeizuschleusen. Und als auch er sich nach einem Rausch irrer Schmerzen in das Hassplasma verwandelte, dass sie ihm zur Bestimmung machten, war Hazel Haingast, seine Tochter, die seine ganze aus der Verzweiflung destillierte Liebe mitbekommen hatte, ihnen entkommen: Ätsch!



Bei der ganzen Entrüstung über die Schandtaten der damaligen Eliten dürfen wir nicht vergessen, unter welchem Druck sie standen. Und wir müssen auch nachsichtig sein, dass sie sich um diese andere Sache ... Worum ging es da noch mal? Ach ja, es war das SCHEISS KLIMA, darum konnten sie sich leider nicht mehr kümmern, WEIL SIE ZU SEHR DAMIT BESCHÄFTIGT WAREN SICH ZU BEKRIEGEN.

Kurz, die Lage war so verfahren, dass es einem eigentlich niemand übelnehmen kann, dass der einzige denkbare Ausweg aus dieser BESCHISSENEN LAGE ist, dass wir die VERDAMMTEN GRIECHISCHEN GÖTTER aus ihrem hochverdienten Ruhestand holen müssen, UM SIE NOCH EINMAL AUS DEM THEATERHIMMEL PURZELN ZU LASSEN, UM DIESE GANZE IRDISCHE KACKSCHEISSE WIEDER IN ORDNUNG ZU BRINGEN.

Und wenn ich Götter sage, dann meine ich Aliens. Aber diese Aliens kommen auch nicht einfach aus Jux und Dollerei zu uns, weil sie nichts anderes zu tun haben. Sie wollen für ihre Dienste belohnt werden, bezahlt. Auch wenn dieses Klimading für sie keine große Sache war und günstig einzukaufen war, indem man ihnen die Schürfrechte für Iridium, Platin, Gold etc. abtrat. Die Aliens waren da noch moderat, das Material, was die Erdlinge für ihre weitere technologische Entwicklung benötigten, das sollte ihnen auch weiter zur Verfügung stehen.

Natürlich hatten die Aliens einen Hintergedanken und wussten, dass sie niemals in die Verlegenheit kommen würden den Menschen etwas von dieser Edelmetallförderung abzutreten, denn die Eliten der Erde, nun aller KlimaProbleme enthoben, machten das, was sie am Besten konnten, neue Probleme machen, und die Zukunft der Menschheit für ein Linsengericht zu verkaufen. Denn die Aliens hatten so schicke Technologien. Um zu verstehen, was die dolles konnten, muss man sich die Glasketten der der Eroberer vorstellen und wie die sich weiter entwickelt hatten. Denn wie sich herausstellte, war die Erde zwar gentechnisch weit fortgeschritten, aber bei den VERKACKTEN PENISVERLÄNGERUNGEN UND DEN BEKNACKTEN BRUSTIMPLANTATEN, DIE WIR AUF KEINEN FALL AUS GRÜNDEN POLITISCHER KORREKTHEIT IN EINEN TOPF WERFEN WOLLEN, WEIL DAS EINE ORGAN EIN INSTRUMENT DER UNTERDRÜCKUNG, EINE GEISSEL DER MENSCHHEIT IST, WÄHREND DAS ANDERE SIE NÄHRT UND IHR ÜBERLEBEN SICHERT ... jetzt habe ich doch bei dem ganzen Rumschreien vergessen, was ich eigentlich sagen wollte!

Kurz, die Menschen bekamen keine anständigen Penisverlängerungen hin, immer gab es ein kleines Stück, was nicht steif wurde, HÖ, HÖ, HÖ. Und bei den Brustimplantaten war es auch nicht besser. Und so kommt es, dass sie diese "Technologie" von den Aliens einkauften. Das war nur der Anfang, Simsalabim, ein Markt öffnete sich für Verschönerungen aller Art. Und natürlich auch Intelligenzsteigerungen. Aber die Intelligenzsteigerungen verkauften sich nicht ganz so gut, wie man erwarten müsste. Weil Intelligenz manchmal, als ungewollte Nebenwirkung sozusagen, dazu führen kann, dass man einsieht, dass es vielleicht keine gute Idee ist, seinen BESCHISSEN PRAKTISCHEN ERDKERN, als Bezahlung für die wundersame Selbstverschönerung, gegen ein Material auszutauschen, was auch ein Magnetfeld erzeugen kann, aber leider, leider und noch mal leider nicht so ganz so gut ist, WIE AUS DEM BESCHISSENEM GUTEN ALTEM EISEN.

Aber die Eliten kamen bald darüber hinweg. Denn es gab so viele schöne Sachen von den Außerirdischen einzukaufen. Sie wurden, wie einst der sagenumwobene Dorian Grey, immer hübscher und ansehnlicher. Ja, sie entwickelten sogar eine Technologie, (s.h. sie produzierten sie in außerirdischer Lizenz) wie man sich fast in Echtzeit so verwandeln konnte, dass man genau die Gestalt annahm, die das Gegenüber am meisten mochte. Die Eliten, die sich diese Technologie leisten konnten, waren so beeindruckt, dass sie befürchteten, die Außerirdischen könnten, wenn sie die Zufriedenheit und Freude ihrer Kunden registrierten, die Preise noch einmal ordentlich nachsalzen. Deshalb nannten sie diese Technologie tiefstaplerisch, die Froschkußtechnik.

Ihr könnt euch vorstellen, liebe Leser, wenn ich denn so vermessen sein darf, von dir im Plural zu sprechen, dass es kein Zuckerschlecken war, sich in dieser Welt zu behaupten. Zu den lästigen Magnetfeldunanehmlichkeiten kam noch eine Bürokratie, die das, was noch von der schönen blauen Erde übrig war, mit eiserner Heftklammer beherrschte. Keine Freude für Hazel Haingast, selbst als sie die Superheldeneigenschaften entdeckte, mit denen sie ihr verstorbener Vater ausgestattet hatte und die natürlich streng verboten waren, wenn man die Lizenzen an die Außerirdischen dafür nicht bezahlen konnte. Auch ihrem Romeo, einem Bürokratensohn, ging es nicht besser, denn die Erde war im Griff einer Bürokratie, die sich so tief installiert hatte, so unverrückbar herrschte, dass die einzige Hoffnung auf eine Befreiung in einem Prozess lag, den man als chronische Todlangweilung der herrschenden Bürokratieeliten (cTdhB, was sagenhaft en anglais klingt) bezeichnen könnte.



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Die Heimat der Drohnen

Konstantin Schemat und Dominica Schemat

Ein Junge, Kurt Schwarz, verliert bei einem Feuer seine Familie, und das Einzige, was er noch retten kann, sind drei Filmrollen. Er wird verdächtigt, er ist auch der einzige Verdächtige, aber die Ermittlungen werden eingestellt, weil er nicht strafmündig ist.

Der Vormund stellt ihm viele Fallen, um an die verlorenen Filmrollen eines verschollenen Stummfilms zu kommen. Aber der Junge bleibt standhaft, sieht sich den Film über Einzelbilder an. Kurt hat das Gefühl, dass Film nicht das bedeutet, was er zeigt: Der Krieg der Vögel. Über einen Forscher, Phoenix, der sich die Vögel hörig gemacht hat, um damit die Welt zu beherrschen. Doch das ist zu kurz, viele Konkurrenten gilt es geschickt auszumanövrieren, das Geld zu heiraten. Er kommt als Jugendlicher zu der Überzeugung, dass in dem Film ein Plan versteckt ist, um so ein Industrieimperium aufzubauen. Gleichzeitig entdeckt er in einem Psychologiebuch Delgardos Experimente zum Fernsteuern von Stieren. Der Film wird ihm immer Heiliger und er erträgt fürchterliches, weil er mit den Vögeln aus dem Film davonfliegt. Er kann sein miserables Leben so ausblenden, als wäre er vollkommen betäubt, und man hätte ihn operiert. Und das will er auch werden Narkosearzt. Aber nur, weil er sich nicht traut, dem Film zu folgen.

Doch irgendwann stellt er fest, dass jemand anderes, der Milliardär Gottfried Talberg, diese Vögel dressiert hat, nur dass es sich um Drohnen mit künstlicher Intelligenz handelt. Er benutzt sogar Zitate aus dem verschollenen Film, die nur er, Kurt, kennen kann. Das weckt den Ehrgeiz in dem Jungen und eine unglaubliche Wut. Er pirscht sich an Talberg ran, ranzt sich immer näher an ihn heran, kommt sogar als Assistent in seine Nähe, aber dann fällt ihm auf, dem Milliardär fehlt die letzte Rolle, er weiß nicht, wie es weiter geht. Kurt Schwarz quält sich unglaublich mit der Frage herum, ob er die Rolle verkaufen soll. Und wenn ja an wen, denn er sieht in dem Film eine Gefahr auf alle zukommen, durch die elektrischen Vögel. Durch einen Absurden Zufall, lernt er die unbekümmerte Enkelin und einzige Überlebende der Familie des Regisseurs kennen Nina Licht. Sie ist wohlhabend, spendabel, und hat einen Hang für Süßigkeiten und essen gehen, den man ihrem Körper nicht ansieht. Sie lebt davon, banale Lebensmittel mit Superheldengeschichten aufzuladen (Senfman, Jellyman, Derryman, Marmelado oder Caffeeina), ihre Superhelden sind sehr gefragt. Als er ihr gesteht, wie beeindruckt er von ihrem Opa ist, dem großen Filmkünstler, kann sie sich nicht mehr halten: Die verrückte Vogelscheuche? Den findest Du so cool? Dein Ernst?

Gleichzeitig wird der Milliardär immer verrückter, weil ihm die letzte Rolle fehlt, er weiß nicht, wozu das Ganze gut ist, wohin es führen soll. Früher hat er sich mit seinem Erfolg zufrieden gegeben, aber er ist maßlos geworden, will auch noch den Sinn finden, nein er will ihn besitzen. Hundert mal überlegt der Junge, ob er ihn nicht mit der letzten Rolle erlöst, und hundert mal entscheidet er sich dagegen. Als er merkt, dass der Milliardär ihn zum CEO machen will, weil man ihn für nicht zurechnungsfähig erklären will. Da will er ihm die Rolle geben, und beichtet das seiner Freundin Nina. Die sagt: Bist Du verrückt? Dem das zu geben, wer weiß, was er damit anstellt. Opa war zwar irre, aber das heißt nicht, dass er nicht andere die noch verrückter sind als er, anstecken kann.

Der Junge, will dann einfach kündigen.

Aber da ist sie entsetzt: Du willst kneifen? Was glaubst Du was passiert, wenn jemand anderes an deine Stelle kommt? Du wirst diesen schönen Film auch zu Ende bringen.

Der Milliardär kommt in ein Sanatorium, was extra für ihn geschaffen wurde, Kurt wird CEO, seine Freundin passt auf ihn auf, dass er keine Scheiße baut, und er sabotiert die Firma, und wird dafür von ihr mit Liebe belohnt.

Aber diese Firma ist dadurch, dass sie schon länger überstanden hat, von einem Wahnsinnigen geführt zu werden, sehr robust, und fast selbstorganisierend.

Er spielt mit dem Gedanken, die Firma an eine potentiell feindliche Nation zu verkaufen. Sie ist entsetzt: Du bist ja noch dümmer als alle zusammen.

Sie streiten sich, und er treibt seine Firma auf den Krieg zu. Sie beginnt Drogen zu nehmen, es geht auch für sie überraschend schnell, versinkt im Heroin, und er freut sich auf die erste Schlacht.

Er verspricht das, von dem er weiß, dass es kompletter Bullshit ist: Es wird ein sauberer Krieg, mehr wie ein Match mit Robotern. Die machen das unter sich aus.

Er sagt es seinem Assistenten: Ich musste es tun, ich musste sie alle töten, und da ich schwach war, noch ein Kind, waren die Flammen meine Waffen, es hat mich nicht verlassen, was ich getan habe, obwohl es auch Zweifel an meiner Schuld gibt, und ich manchmal nur glaube, ein Zufall ist mit meinen finsteren Gedanken zusammen gestoßen und jetzt, wo alles brennt, wo Millionen sterben, da fühle ich nichts mehr, ich bin ganz ruhig, als ob ich es nicht gewesen wäre, der die besseren Drohnen entwickelt, als ob ich es nicht gewesen wäre, der den Präventivschlaf vorangetrieben hätte, nein, ich bin ganz ruhig, mit mir und der Welt vollkommen im reinen, das erste Mal in meinem Leben.

Und genau diese Ruhe, die brauchen sie am nötigsten, dort draußen, die Witwen, die sagen, sie warten auf Erklärungen, aber sie wollen sie gar nicht hören, sie wollen diese grausame Gelassenheit, nachdem es geschehen ist, nachdem alles vorbei ist.



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Emilys Wiedergeburt

Konstantin Schemat + Dominica Schemat

Die tiefhängenden Wolken und der strömende Regen haben der Nacht einen Vorsprung gebracht. Eine junge Frau kann nicht mehr und will nicht mehr. Aber sie möchte auch nicht gefunden werden, als stinkende Leiche, oder wie eine Wurst an einem Strick hängend. Sie läuft runter zum Hafen, hofft auf die Ebbe, die sie mit Schwung auf das Meer hinaus zieht, in tiefere Gewässer. Aber der Pontonanleger verrät ihr schon, dass an Ebbe nicht zu denken ist, denn dann könnte sie zum Wasser herunterlaufen. Die auf dem Fluss schwimmende Brücke kann bei Ebbe so steil werden, dass sie Leisten auf ihre Holzbohlen genagelt haben. Aber als sie am Wasser ist, da scheint gerade Stillstand zu sein. Die Flut trifft auf den sich ins Meer auslaufenden Fluss und ihr gegenseitiges Drängen hebt sich auf. Der starke beständige Regen, der ihr eben noch so willkommen war, weil sie keinem gelangweilten Tourist begegnen wollte, der plötzlich die junge Frau interessanter findet als sein Bismarkheringbrötchen, der Regen lenkt sie nun ab, von dem was sie endlich hinter sich bringen wollte. So ein Scheiß kann dich zurück holen. Dabei sind die Bedingungen nicht so schlecht, denn der Regen hat auch den Schnee aus den Bergen getaut, damit hat er schon vor einer Woche angefangen sodass er genug Zeit hatte mit seiner Flut zu ihr zu kommen. Da fällt ihr etwas ein, was sie in der Schule in Heimatkunde gelernt hat, braucht nicht durch das ewige Rein und Raus der Flut ein einziger Tropfen eine Woche bis zu Meer?

Regungslos blickt sie in das zum stehen gekommene hellbraune Wasser. Da kommt ein alter Mann von dem Tonnenleger und kann sich unbemerkt anschleichen, bleibt neben ihr stehen und sagt: Mädchen Du zitterst ja.

"Das ist nur der scheiß Regen", sie läuft weiter, zu der kleinen Marina. Spürt immer noch den Blick des alten Mannes, tut so, als würde sie zu ihrem Boot laufen, ärgert sich über ihrer Erinnerung "Käptn, bitte um Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen?" Im nächsten Moment ist sie schon in der Yacht. Alles offen gelassen, als wähnte sich ihr Besitzer mitten auf der Ozean.

Sie weiß nicht wie der Alte so schnell hinter ihr hergekommen ist, aber da steht er im Regen auf dem Ponton. Ihr bleibt nichts anderes übrig, um ihn loszuwerden, als eine kleine List anzuwenden, wenn man fliehen muss, dann ist es manchmal besser, einen Schritt auf seine Verfolger zu zu machen, und so bittet sie ihn darum, die Leinen für sie zu lösen, als wäre alles in allerbester Ordnung. Folgsam aber skeptisch tut er es und sagt: So spät am Abend willst Du noch auslaufen?

Da sieht sie ihm direkt ins Gesicht und kann seine tiefen Furchen bewundern, während er staunt, als würde er es das erste Mal in seinem Leben sehen, was so ein Wolkenbruch mit einem jungen Gesicht macht.

Sie kennt sich mit Booten gut aus, kann segeln, hat sogar mal eine Regatta gewonnen, und doch braucht sie etwas, um den Diesel zu starten und auszulaufen.

Da ruft der alter Mann: Ganz gleich, was Du vorhast, mach es nicht! Was willst Du denn auf dem Wasser?

Sie blickt noch einmal zu ihm rüber, will etwas sagen, aber da hat er sie schon mit seiner verdammten väterlichen Art fast überlistet: Na komm schon, wirf mir die Leine wieder zu! Überleg' es Dir noch mal!

Sie: Sie haben doch eben selbst die Leinen los gemacht.

Der alte Mann sagt beleidigt aber sanft einlenkend: Ja, aber nur, weil ich so ein Dummkopf bin, das sieht man mir gleich an der Nasenspitze an, das weißt ich ganz genau. Und dann hast Du mich überrumpelt, so schwer ist das ja nicht, da kommt ja keiner hinterher mit seinen Gedanken, wenn es immer so fix gehen muss.

Sie: Ich fahre jetzt raus.

Er: Das kann ich sehen. Glaub mir, das kann ich sehen.

Ratlos steht er da, sagt nun nichts mehr.

Sie: Ich komme wieder.

Er winkt ab: Ach was! Du kommst wieder? So ein Quatsch!

Sie: Doch wirklich.

Der Abstand wird langsam größer und er ruft ihr hinterher: Aber das Boot hast Du doch geklaut.

Sie: Bitte verraten sie mich nicht.

Er brüllt fast: Würde ich ja gerne, würde am liebsten einen richtigen Radau schlagen, das wäre auch besser für dich, glaub mir das mal ruhig, aber es hört ja keiner mehr auf mich.

Sie zögert einen Moment und sagt leise: Wünsch mir viel Glück.

Aber er kann es nicht mehr hören, dann winkt sie ihm zu, aber er dreht nur trotzig ab, doch dann, als sie sich schon beinahe abgewendet hat, erwidert er ihren Gruß und sagt: Pass bloß auf dich auf.

Die Yacht hat so viele Lebensmittel gebunkert, dass es für eine Weltumseglung reichen würde. Und fast so lange dauert es auch, bis ihre Odyssee endet. Und immer wenn sie die Tiefe lockt, dann passiert irgendein Scheiß, der Wind frischt auf oder ein Albatros kackt ihr im Vorbeifliegen auf das Deck, immer ist etwas, genau dann, wenn sie es endlich zuende bringen will. Und ganz zum Schluss scheint ihr der Sturm die Entscheidung abnehmen zu wollen, aber er nimmt nur das Boot, sie aber spuckt er wieder aus, an den Strand einer einsamen Insel. Dort gibt es ein Haus, Bücher ohne Ende und Vorräte getrocknet und in Dosen, die für viele Jahre reichen. Aber es gibt keine Zeichen der modernen Zivilisation. Selbst die Dosen haben keine Aufschrift. Manchmal sieht sie in großer Höhe einen Flieger, dann an sehr klaren Tagen sieht sie Nachts entfernt etwas wie ein Leuchtfeuer. Aber sie scheint hier auf einer Insel des 19ten Jahrhunderts gefangen zu sein. Sie muss lernen, wie sie die Tiere versorgt, die hier leben, die Ziegen und Schafe, die in den Ställen brüllen, auch die Bienen und die Pflanzen muss sie bearbeiten, die Samen des Salats selber ziehen. Sie muss sich als Schiffbrüchige um alles kümmern. Muss lernen das Feuer mit einem Feuerstein anzumachen. Aber die Tiere danken es ihr, stoßen sie zärtlich an. Als sie feststellt, dass ihr Bauch anschwillt, glaubt sie erst an Krebs, denn sie hat mit niemand geschlafen, dann erkennt sie aber dass sie schwanger ist. Dabei hätte sie beinahe den Verstand verloren, aber es lag ein Buch auf dem Tisch, wo so eine Geschichte beschrieben war, wo jemand, der auf so einer Insel lebte, von der er nicht wusste, wie er dort hin gekommen ist, und dort hat er einen Schiffbrüchigen kennengelernt. Sie will das Buch wiederfinden, aber sie kann es nicht, dabei ist sie sich sicher, dass sie es nicht zurück gelegt hat ins Regal. Die Wände des kleinen Hauses sind überall mit Bücherregalen bedeckt, die teilweise sehr wertvoll sind.

Sie bekommt ein Kind, was ihr überhaupt nicht ähnlich sieht, was sehr still ist, und nicht spricht, aber doch sehr angenehm, fast schon beruhigend auf sie wirkt und was sich öfter in der Bibliothek also bei den Büchern verirrt. Sie bringt ihm das Lesen bei, obwohl das Kind kaum spricht, lernt es schnell.

Sie bekommt nun jedes Jahr genau das gleiche Kind.

Sie zweifelt manchmal, möchte das Kind in sich abtöten, läuft schreiend über die Insel. Auch nervig ist es, dass die Kinder manchmal verschwinden, und ihr nicht sagen können, wo sie waren. Aber wie sie sich um sie kümmern, wie klug sie sind, das beruhigt sie immer wieder über die merkwürdigen Umstände ihrer Existenz. Aber auch die Ziegen scheinen zu wissen, was sie tun soll, sogar die Gemüse scheinen es zu wissen. Und auch die Kinder, für die sie aus einem Stofflager im Keller, die Kleidung schneidern muss.

Und als sie erkennt, das alle wie Albert Einstein aussehen, da will sie es ihnen erst sagen, aber dann schweigt sie lieber. Auch als die Alberte sie necken: Mutter da ist doch was?

Da neckt sie die Jugendlichen zurück: Wenn ihr mir verratet, wo ihr immer hingeht, dann werde ich euch verraten, was ich denken. Einen Gedanken für einen Gedanken.

Dann verschwindet der älteste Einstein. Und sie sucht die ganze Insel ab, aber die anderen trösten sie, es wäre bestimmt nichts passiert, nur die ganz Kleinen weinen um ihren Bruder. Das passiert jetzt jedes Jahr, so dass sie irgendwann trocken feststellt: Wenn sie reif sind, dann verlassen sie diese Insel. Was ihr noch auffällt, sie gleichen sich zwar alle, aber die jüngeren scheinen immer noch ein wenig klüger zu sein, und sie sehen ihrem Vorbild auch nicht mehr so ähnlich, manche haben sogar blaue Augen.

Bald ist es so, dass die Einsteine von ihr in Kampftechniken unterrichtet werden wollen. Aber sie hat zwar als Kind und Jugendliche recht erfolgreich Kampftechniken gelernt, aber nun schon eine ganze Zeit nicht mehr geübt. Aber mit Hilfe der Bücher, die nun auch aktueller sind, kann sie sich wieder auftrainieren und gegen die Jungs kämpfen.

Nachdem die Jungs fit sind, tauchen sie plötzlich mit Waffen auf, sie solle ihm beibringen, wie man damit schießt. Es sind hochmoderne Waffen, mit kleinen ultraschnellen Projektilen. Sie hat es aufgegeben, die Jungs zu fragen, was das soll.

Sie fragt sie nur manchmal, ob sie sie töten werden, wenn sie ihrer überdrüssig werden. Aber sie lachen nur, das wäre doch verrückt.

Als sie 45 ist, hat sie ihren 20ten Einstein zur Welt gebracht. Auch wenn er nicht mehr so aussieht wie der erste, auch wenn er schlauer ist, als der erste, erkennt sie doch, dass es das gleiche Modell ist. Sie ist zufrieden mit ihrer Aufgabe, hat allen Widerstand aufgeben. Dann kommt wirklich ein Schiffbrüchiger auf die Insel.

Es ist ein junger Mann, der sich aber sofort in sie verliebt. Mit ihm bekommt sie ein Kind, es sollte ihr letztes werden. Und sie kann gleich sehen, dass es kein Einstein ist, es ist eine Tochter. Sie ist so fasziniert von ihrem eigenen Kind. Zieht es auf, bringt ihr alles bei, während der letzte Einstein von der Insel verschwindet.

Die Tochter schreibt ein Buch über ihrer Mutter, das voller Liebe ist und beschreibt, wie man mit einer schizophrenen Mutter aufwachsen kann. Auch die Mutter schreibt ein Buch, über ihre Erlebnisse mit der Einsteinarmee, auch dieses Buch wird ein Erfolg. Mit 63 Jahren stirbt die Mutter in den Armen von ihrem 43 Jahre alten Mann und ihrer 18 jährigen Tochter. Die Tochter wird nicht nur eine der bedeutendsten Autorinnen, sie ist auch die genialste Computerspielentwicklerin aller Zeiten. Und trotzdem, wenn sie nicht Rudolf kennengelernt hätte, von dem sie ein Kind erwartet, hätte sie beinahe Selbstmord begangen. Es war nicht nur das Buch selbst, was sie so unheimlich beunruhigte, es war auch das Bild der Autorin, was sie vom Einband aus ansah, wie in einem Spiegel: Emily Brontё, Wuthering Heights.





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Aus Liebe zu unseren Opfern


Konstantin Schemat und Dominica Schemat


These: Wir können die Erde erst dann lieben, wenn wir sie zerstört haben.


Die Klimakatastrophe nimmt ihren Lauf, Nahrung und Wasser werden knapp, die Hitze nur noch mit Schutzanzug erträglich, wenn die Stürme den ausgedorrten Boden nicht abtragen schwemmt der Sturzregen ihn weg. Ein Puppenmörder geht um, der seine Opfer mumifiziert und auf Kindergröße geschrumpft an Spielplätzen ablegt. Erst mordet er fast willkürlich, aber durch das Presseecho passt er sich an, wird zum Rachemörder, mumifiziert von der Öffentlichkeit verdächtigte, scheinbar durch die Maschen der Justiz geschlüpfte. Und die Medien sind es leid über das Klima zu berichten und danken es ihm. Währenddessen verlässt ein Mensch der leidenschaftlicher Bewahrer von allem ist, man könnte ihn auch den Sammler nennen, und eine Gendatensammlung mit Genies und Stummfilmstars hat, sein Kind und seine Freundin. Na ja, eigentlich ist er rausgeflogen, aber ihr wisst schon, wie es dazu gekommen ist. Er kommt nicht mit dem Leben in seiner akuten Erscheinungsform klar. Auch in seinem Job hat er Probleme mit der Vermehrung von Tieren, die die letzten ihrer Art sind. Immer hat er etwas auszusetzen und so kommt es oft nicht zum Nachwuchs. Aber die DNA konserviert er und die Tiere landen dann ausgestopft und perfekt konserviert in seinem Büro im Zoo. Hinter seinem Rücken machen sie Witze über ihn auf der Arbeit, ob demnächst seine Frau und sein Kind auch ausgestopft in seinem Büro stehen. Aber fachlich ist er unglaublich kompetent. Und es gibt noch etwas anderes was ihn umtreibt. Plastinierung, das findet er unglaublich aufregend. Besonders, wenn die Plastinierten ganz natürlich dargestellt werden, wie die Puppen in einer künstlerischen Installation oder wie Wachsfiguren. Natürlich gekleidet, mit ganz alltäglichen Gesten, vielleicht kontrollieren sie gerade wie ihre Fingernägel aussehen, oder sie blicken gedankenverloren aus einem Fenster wie bei einem flämischen Meister, nur zusätzlich mit einem zwischen Schulter und Kopf eingeklemmten Smartphone, was sie zusätzlich geisterhaft ausleuchtet.

Kurzzeitig wird er sogar verdächtigt, der Puppenmörder zu sein, sein Sohn, der ihn verlassen hat, gibt ihm schließlich ein Alibi, weil er ihn zur Tatzeit heimlich gestalked hat und weil er eher etwas für die Wunschliste des Puppenmörders ist.

Immer wieder versucht es der Bewahrer mit den lebenden Dingen klar zu kommen. So wie in einer Nacht auf einem Rave im Park, wo er sich MDMA reingezogen hat und mit einer Frau zusammen war, die er nur ertasten durfte. Danach ist er fixiert auf sie. Da er sie nur ertastet hat, lässt er sich von einem Blinden Maler bei dem Phantombild helfen. Und dann zieht endlich eine Frau, die ihr ähnlich sehen könnte in die Nachbarschaft ein. Erst ist sie über sein Interesse befremdet, dann sendet sie ihm doch ein Nicken, oder ein Lächeln, aber das schafft er nicht, diese vage Angebot anzunehmen, weiter auf sie zuzugehen. Und so heiratet sie einen anderen, bekommt zwei Kinder. Als sie nach 3 Jahren, in denen er sie nicht aus den Augen gelassen hat bei einem Unfall stirbt, vermutet er einen verdeckten Selbstmord oder Schlimmeres. Gnadenlos setzt er dem trauernden Mann und den kleinen Kindern zu.

Er sabotiert die Familie, wo er nur kann. Der Witwer ist ratlos, gibt sich die Schuld an ihrem Tod, sucht gerade seinen Kontakt, will ihm sogar vergeben, dass er seiner trauernden Familie nachstellt, aber er flieht nur. Er lebt sich lieber in den weißen Kies, den er selbst auf ihr Grab aufschütten ließ und den ihr trauernder und verzweifelter Witwer einfach akzeptiert hat, als wäre es ein Wunsch seiner Frau gewesen. Dann wird er selbst von einer Frau verfolgt. Statt sich ihr zu stellen und herauszufinden, wer sie ist und was sie von ihm will, baut er ihr eine Falle, eine Dachkammer, wo sie Unterschlupf suchen soll wenn er sich entschlossen hat sie zu entdecken, wie sie sich bei ihm im Treppenhaus sieht. Er hat die Dachkammer präpariert, die Tür ist als Einzige offen, ein Lichtschein fällt von der Dachluke direkt in die Türöffnung und lädt zum Unterschlupf suchen ein, man kann es schon im Eingangsbereich sehen, sehr verlockend für jemand, der sich verstecken will. Weniger verlockend, ist die Sense, die auf den von oben herabstürzt, der sich in die Dachkammer verkriechen will. Schwer verletzt findet er sie, sie hat viel Blut verloren. Er ist unglaublich geschockt, so als hätte er es nicht getan, als hätte er nicht diese heimtückische Falle gestellt und er will sie in ein Krankenhaus bringen. Aber sie will das nicht. Sie sagt: Was sollte ich denn erzählen? Er kümmert sich um sie, weist es aber als Quatsch zurück, als sie behauptet eben dieses Mädchen von dem Rave zu sein. Er tut so, als ob er sich erinnern würde, aber es gibt da etwas, tief in ihm, dass sich gegen die Erkenntnis weigert. Nicht nur, dass es zu einfach wäre, es ist auch ihre ganze Offenheit, die ihn irritiert. Wie sie von der Leukämie erzählt die kurz danach diagnostiert wurde, und die sie erst nieder kämpfen wollte. Wie sie der Gedanke an ihn aufrechterhalten hat in der schweren Zeit, und wie sie nicht gemerkt hat, dass es schon zu spät war, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Und wie sie sich schämt, ihn gestalked zu haben und der Unfall würde ihr Recht tun. Sie kann gar nicht aufhören zu erzählen, obwohl sie soviel Blut verloren hat, dass sie sich vor der Chemotherapie Eier hat einfrieren lassen. Dass sie die Eier wieder in sich aussetzen kann, es würde nichts dagegen sprechen. Erst als sie in ihn dringt, er sollte doch mal von sich erzählen, erfährt sie von seinem neuen Hobby dem Plastineren. Und wieviel dafür gezahlt wird, besonders bei den richtigen Genen. Sie ist ganz pragmatisch und freut sich, dass der Mensch auch tot noch zu was gut sein kann und erlaubt ihm, auch das mit sich machen zu lassen. Als er es nicht glaubt, lässt sie sich Papier und Stift geben und schreibt es als letzten Wunsch auf, und die Eier vererbt sie ihm auch noch. Er kann ganz ruhig und professionell spüren, dass sie als Kind etwas ertragen muss, was sich nur mit absolutem blinden Zutrauen bewältigen ließ. So wie sich manche Opfer weigern, dass es überhaupt einen Täter gibt. Und nun ist er der Begünstigte dieses Vertrauens. Gerade er, wo er bisher am wenigstens damit anfangen konnte. Gerade er, der noch nicht einmal glauben konnte, eine Nacht mit ihr verbracht zu haben. Erst als sie stirbt, gibt er es zu, dass sie es gewesen sein könnte. Und er plastiniert sie und macht das sehr geschickt, er weiß dann nicht, was er mit ihr machen soll, und stellt sie danach einfach in seinen Kleiderschrank, mit ihrem Handy am Ohr. So kann er sich etwas um sie kümmern und den Akku aufladen. Aber schon bald wird ihm die Akkulaufzeit zu kurz, und er besorgt ihr ein Handwerkerhandy, dass gleich einen ganzen Monat durchhält. Aber ganz sicher ist er sich noch nicht und besucht immer wieder das Grab der anderen Frau, die zwei Kinder und einen Mann zurück lässt.

Dann lernt er eine Psychiaterin kennen, die sich für ihn interessiert und eine gewisse Ähnlichkeit zu der Verstorbenen hat. Vielleicht wäre er bei ihr geblieben, aber vielleicht hatte sie auch ihre Gründe dafür ihm Rumpelstilzchen vor zu lesen. Fluchtartig verlässt er sie. Und er entscheidet sich dafür, ein Angebot wahrzunehmen, sich eine Genprobe von dieser zweifach gestorbenen potentiellen Freundin aus der Rave Nacht wieder zu beleben, weil er im Nachlass der plastinierten Frau ihre Eier gefunden hat, die sie sich hat einfrieren lassen. Natürlich hat er auch ihr Einverständnis zu Plastinierung.

Niemand hat erwartet, dass es funktioniert, aber sie entwickelt sich in der Leihmutter prächtig. Aber als er entdeckt, dass die Leihmutter einmal mit ihre Schwester, die aus der Ferne zu Besuch gekommen ist, ein kleines Glas Sekt trinkt, da hat er auf der Abtreibung bestanden.

Es hat also wieder nicht geklappt mit dem Leben. Und er findet sich damit ab, dass er das Leben lieber so mag, wie ein Briefmarkenfreund seine Marke. Sicher verwahrt in Ordnern und Tresoren in einem Raum mit kontrollierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Als er so mit dem Leben in seiner aktiven Form abschließen will, erwischt ihn der Puppenmörder und foltert ihn. Plötzlich bekommt der Sammler eine Eingebung, er sieht, was er falsch gemacht hat, und er dankt dem Puppenmörder für die Folter, der ist so perplex, dass er das Spiel mitspielt. Der Sammler spendet seine Gendatenbank an ein gemeinnütziges Institut zur Gentherapie und er kümmert sich um seinen Sohn und seine drogensüchtige Pflegemutter, mit der ein Verhältnis eingeht und nun noch ein weiteres Kind bekommt. Die Wandlung des Plastinierers war so überzeugend, dass sie auch den Puppenmörder mit sich gerissen hat, nun ist auch er geheilt.

Jetzt wo der Puppenmörder nicht mehr aktiv ist, wird er auch nicht mehr gefasst. Er versucht es auch ein Vater zu sein und scheitert permanent daran und bereut seine gnadenlosen Morde sehr. Und obwohl langsam durchsickert, was die beiden getan haben, und wie ihre wirklichen Identitäten sind, verfolgt die Gesellschaft sie nicht mehr, sondern kümmert sich um die Lebenden, und gibt ihre allgemeine Nekrophilie auf, dass ein Genie erst verkannt, verachtet und verstorben sein muss, bevor es akzeptiert ist. So muss der Planet auch erst geschändet werden und natürlich bitterlich beklagt, bevor man ihn retten kann. Und so kann die Menschheit überleben, weil sie von den Wahnsinnigen gelernt.







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Issn (Auszug)

Konstantin Schemat, Dominica Schemat

Ein scheinbar vertrottelter Typ nennt seinen Hund Wattn, weil alle ihm vorwerfen verpeilt zu sein. Er tut so, als ob er sich keiner Schuld bewusst sei und stellt sich dumm. Und wie viele, die diesen Weg eingeschlagen haben, versucht er die Signatur seines persönlichen Versagens, in einer Aura des universellen globalen Scheiterns aller menschlichen Bestrebungen verschwinden zu lassen. Und obwohl er schon als untragbar als Hausmeister des Rechenzentrums galt, fand er doch einen mächtigen Fürsprecher. Denn ein Forscher für nonlineare dynamische Systeme hat ihn mal dabei beobachtet, wie er über eine Stunde mit einer Torx Schraube verhandelt hat, die er versuchte von der minimalistischen Schönheit und Bescheidenheit eines Kreuzschlitzschraubendrehers zu überzeugen: Warum willst Du denn unbedingt so anders sein? Es bringt dir doch überhaupt keinen Vorteil. Du kannst mich noch so oft, mit deiner komplizierten, aber doch reizenden Blümchenform ansehen, ich bin ein Typ, der kommt doch immer wieder mit einem Kreuzschlitzschraubendreher vorbei. Und bevor du dich in deinen Vorurteilen bestätigt fühlen kannst, dass auch ich keine Ausnahme mache, und mindestens genauso arrogant und vernagelt bin wie du, will ich dir sagen, dass ich es schon ausprobiert habe, ich habe viele Torx Schraubendreher, mit denen Du dich bestens verstehen würdest. Aber weil ihr alle so besonders sein wollt, seid ihr eben doch nicht erste Wahl, wenn es um die Befüllung meiner Kitteltasche geht. Sei doch mal ehrlich, wenn Du dich zwischen einem Gurkensandwich und einem Torx Schraubendreher entscheiden müsstest, wem würdest Du dann den Vortritt in deine Kitteltasche lassen? Hm?

Ich kann hier nicht den kompletten Dialog mit der Torx Schraube wiedergeben, und ich weiß wirklich nicht, ob sich die verdammte Schraube irgendwann von selbst gelöst hat, aber der Thermodynamikforscher hat in diesem Augenblick ein Heureka Erlebnis bekommen, und ein ganz neues Modell für die Wolkenbildung aufgestellt, und gilt nun bei seinen Kollegen als Anwärter auf den großen Preis. Es ist nun nicht so, dass man ihm auf die Schulter klopft oder Gurkensandwiches zusteckt, um sich Fortuna für eine wissenschaftliche Veröffentlichung gefügig zu machen, aber rausschmeißen will ihn niemand mehr. Issn ist es gelungen eine ökologische Nische in einer Organisation einzunehmen, die auf eine Art ertragreicher und auf jeden Fall gesünder ist, als die des Präsidenten oder CEO: Respekt!

Und da Informatiker zum Aberglauben neigen, ist er bei einen Infektion des Rechenzentrums auch als Ultima Ratio gebeten worden, einen äußerst bösartigen Virus zu beseitigen. Sag mal Issn, kannst Du nicht mal mit diesem Virus sprechen, und ein gutes Wort für uns einlegen? Schaden kann es ja nichts, oder?

Und es ist für die meisten Mitarbeiter des Rechenzentrums nicht geklärt, ob Issn den Virus wirklich vertrieben hat, oder ob der Befall durch ein völlig neu aufgesetztes System mit weitgehend erneuerter Hardware beseitigt wurde.

Auch der Betriebsrat findet es nicht lustig, wie mit einem offensichtlich psychisch beeinträchtigten Mitarbeiter umgegangen wird. Und er ist dann auch der Grund, warum die erste Kontaktaufnahme einer künstlichen Intelligenz, die es offensichtlich geschafft hatte, sich über Netzwerke selbstständig zu verbreiten, unbemerkt blieb.



Der Geist des Kakaos

Der Hausmeister passiert die russische Studentin, die sich am Getränkeautomat gerade einen Kakao gezogen hat und freut sich darüber, wie dieser Automat angenommen wird. Er musste lange dafür kämpfen, dass sie den Getränkeaufsteller wechseln und nun für ein paar Cent mehr einen wirklich vernünftigen Kakao bekommen und sogar einen Cappuccino mit einer echten Milchhaube. Noch ganz in Gedanken, das Bild nicht aus dem Kopf bekommend, wie die geheimnisvolle russische Studentin mit ihrem aschblonden Haar an dem Kakao nippt. Diese eigenartige Haarfarbe gibt ihr etwas sehr altes, auch wenn sie noch im ersten Semester ist. Gedankenverloren fällt dem Hausmeister auf, wie er einfach vor dem Getränkeautomat stehen geblieben ist, als ihm der Wolkenforscher freundlich auf die Schulter tippt, und ihn darum bittet doch mal nach der Lüftung zu sehen, die so ein nerviges Geräusch macht. Seitdem der Hausmeister zur Muse der Forscher auserwählt wurde, werden solche Aufträge, gerne mal mit Süßigkeiten garniert. Und die Toffees schmecken köstlich, auch wenn sie so kleben, dass es Mühe macht, den Mund wieder auf zu bekommen. Da die Torx Schraube nicht unbeteiligt an dieser Entdeckung war, betrachtet sie nicht nur der Hausmeister mit kollegialem Wohlwollen. Als er die Schraube passiert meint er das schabende Geräusch der Lüftungsanlage hören zu können.

Er bleibt stehen und sieht sich um, wenn er vor dem Lüftungsrohr stände, und er müsste dieses Geräusch erklären, würde er behaupten, das das ein ganz normales Geräusch wäre, die Anlage würde arbeiten, die Luft ausgetauscht, alles in Butter. Aber hier gehört das Geräusch einfach nicht hin.

Plötzlich hört er jemanden seinen Namen rufen, eigenartig, es klingt wie wenn ihn seine Mutter nach Hause gerufen hat, weil das Essen auf dem Tisch stand. Als er angespannt lauscht, woher der Ruf wohl kommen mag, hört er jetzt auch das schabende Geräusch der Lüftung. Obwohl das Geräusch nicht aus dem Lüftungsrohr am anderen Ende des Gangs zu kommen scheint, inspiziert er den großen Lüftungsschacht ganz genau und folgt dem Schacht bis zum großen Auslass. Mit voller Konzentration hört er hin, als wollte er genau das Bauteil heraushören, was schabt und ersetzt werden muss, dann wandelt sich das schabende Geräusch, wird weicher, melodischer, fast wie ein Instrument, ein Becken vielleicht, auch der Rhythmus wird eingängiger, als wäre er auf einem Rave.

Er dreht sich um, und kann niemand sehen, hebt neugierig seinen Kopf und sieht direkt in den klaffenden Lüftungsschacht hinein.

Er beginnt an seinem Verstand zu zweifeln, weil es sich so anfühlt , als ob dieses Vibrationsding in seinem Handy in den Rhythmus einstimmt. Sein Gesicht hellt sich auf, er schmunzelt, hat einen Verdacht, greift nach seinem Handy. Warum auch immer springt die Lüftungsautomatik an und bläst ihm ins Gesicht.

Er hört die Stimme des Wolkenforschers durchs Treppenhaus rufen: Und? Ist es noch da?

Er verwundert: Was?

Wolkenforscher: Das Schaben. Kann man es noch hören?

Er: Ja. Hast du eben was gesagt?

Wolkenforscher: Ob das Schaben noch da ist.

Er: Ich meine davor… Hast du davor noch was gesagt?

Wolkenforscher: Nein.

Er tritt einen Schritt zurück aber mitten in der Bewegung spürt er etwas weiches am Ellenbogen mit dem er kollidiert, das irritiert ihn so sehr das er für den Teil einer Sekunde inne hält. Dann fühlt er etwas Warmes an der Hand. Als er sich umdreht sieht er die russische Studentin die sich bei ihm entschuldigt während der Pappbecher den Gang entlang rollt.

Sie: Entschuldigung.

Er starrt auf seine Hand.

Sie grinst ihn an. Dann holt sie ein Taschentuch heraus und sagt in einem ernsten Ton: Ich habe ein Papiertaschentuch.

Sie tupft ihm die Hand ab während sie ihn weiter anlächelt.

Es breitet sich eine Stille aus die von einem auffordernden Brummen seines Telefons unterbrochen wird das so klingt als würde es ihn ermutigen endlich etwas zu sagen. Aber er kann sich nicht überwinden und bleibt stumm.

Nach einer Weile hört man, wie jemand mit seiner Stimme sagt: Wie war der Kakao?

Sie kommt ihm noch ein kleines Stück näher, ihre Stirn zieht sich in Falten und sie blickt gespannt auf seinen Mund.

Jemand sagt mit seiner Stimme: Ist etwas nicht in Ordnung?

Sie: Ich weiß nicht, wie sagt man auf Deutsch (sie deutet auf seinen Mund und schnippst als wollte sie das richtige Wort herbeirufen) Dinamik zhivota?

Jemand antwortet mit seiner Stimme: Bauchredner.

Ihr Lächeln breitet sich noch weiter auf ihrem Gesicht aus und sie sagt: Das ist gut, wirklich gut. Sehr ( Sie hebt erneut ihren Zeigefinger zum schnipsen)

Er blickt fasziniert auf ihre Hand.

Sie bemerkt das und sieht ihn an.

Die Bauchrednerstimme sagt: Ich warte nur auf das Schnipsen.

Sie schnipst und wie aus der Pistole geschossen sagt die Bauchrednerstimme: Beeindruckend… Wir sagen beeindruckend.

Sie nickt langsam und sagt: Sehr beeindruckend.

Sie kneift ein Auge zu, sieht leicht zu ihm hoch und sagt: Ein bisschen komisch seid ihr schon… Ihr Deutschen.

Die Bauchrednerstimme sagt empört: Was? Nur ein bisschen?

Sie: Vielleicht sieht man sich nochmal.

Sie wendet sich schwungvoll von ihm ab und wirft ihm mit einem breiten lächeln noch einen letzten Blick über die Schulter zu: Dann gehen wir mal einen Kaffee trinken.

Die Stimme flüstert ihm zu: Willst du nicht mal selber was sagen?

Der Hausmeister nimmt seine ganze Kraft zusammen und sagt: Kakao.

Sie dreht sich um und fragt: Hast du noch was gesagt?

Bauchrednerstimme: Nichts… Tschüss, bis dann.

Sie winkt und erwidert: Tschüss.

Die Stimme sagt zu ihm: Nichts zu danken, hab ich doch gerne gemacht außerdem wirst du noch eine Gelegenheit haben dich zu revangieren.

Er holt sein Handy raus und sagt: Wer bist du?



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Das Originaldrehbuch

von Konstantin Schemat und Dominica Schemat



Personen:

Fritz Itzenblitz vom Polizeinotruf Berlin

Nike Schneider die notorische Anruferin mit den Phantastischen Geschichten

Gerda Fritzens grosse Schwester

Cord Fritzens Kollege in der Notrufzentrale

Handlung

Achtung Spoileralarm: Eine schizophrene DauerAnruferin bei der Notrufzentrale der Polizei in Berlin verliebt sich in den netten Kommissar, denn der hört sich ihre Geschichten an, jedenfalls wenn es ruhiger ist in der Stadt und die Telefone nicht dauernd klingeln. Aber leider schlägt die Krankheit wieder zu. Und ihr Freund, der nette Kommissar, hat nicht das Geld eine aussichtsreiche Behandlung in den USA zu bezahlen. Da hat er eine Idee, er könnte ihre Geschichten verkaufen. Dabei verstrickt er sich in immer tiefere Widersprüche und ist zum Schluss ein Komplize der Ausbeutung seiner Freundin als Sheherazade für Hollywood. Da sie behauptet, sie könne allein an seinem Gesicht ablesen, was gerade passiert, schickt er ihr Selfies in ihrer Klinik in Deutschland. Zum Schluss fliegt alles auf, und er bleibt verschwunden. Sie kann durch einen geschickten Anwalt ihre Werke zurückbekommen und einen Preis für das beste Originaldrehbuch bekommen. Bei der Preisverleihung bittet sie jeden zu applaudieren, der ihrem Mann verzeihen würde, so wie sie ihm verziehen hätte.

Nikes Notrufe

In der 110 Notrufzentrale der Polizei in Berlin:

Cord: Schneiderlein auf der 4

Fritz Itzenblitz übernimmt: Schneiderlein, heute ist hier eine Menge los wegen dem Regionalderby, ruf doch um vier noch mal an.

Nike Schneider: Sie interessieren sich für Pferde?

Fritz Itzenblitz: Nein, keine Pferde, Fussball.

Nike Schneider: Ich mag auch Fussball (extrem leise), wenn es unbedingt sein muss.

Fritz Itzenblitz: Also dann um vier.



Nike Schneider ruft um 4 noch einmal an: Die eine Mannschaft spielt mit dem Kopf des Kapitän der anderen Mannschaft Fussball, aber der Kopf ist nur ein Modell behaupten sie, können es aber nicht mehr vorzeigen, da geht die Polizei routinemässig zu dem Typ, dessen Kopf fehlt, und sie finden ihn nicht mehr.

Fritz checkt nebenbei seine emails: Echt jetzt?

Nike in kindlich erstauntem Ton: Sie haben den Kapitän der anderen Mannschaft nicht gefunden.

Fritz blickt von seinem Handy auf und flüstert in sein Hedset: Klarer Fall von: Nicht gefunden, weil verschwunden.

Nike: Aber die Polizei ist nicht dumm.

Fritz: Ach nein? Das freut mich immer wieder zu hören.

Nike: Sie vermuten eine PR Aktion.

Fritz: So, eine PR Aktion.

Nike: Zwischen den beiden Vereinen. Eine abgekartete Sache.

Fritz: Aber der Kapitän bleibt verschwunden.

Nike: Ist das nicht seltsam?

Fritz: Soll ich einen Peterwagen schicken? (Fritz Itzenblitz weiss, dass sie das lieben, alle Verrückten, wenn er das sagt, auch wenn sie nicht so irre sind, zu wissen, dass nichts geschehen wird.)



Doch stop, das geht hier zu schnell. Fangen wir bei Fritz Itzenblitz aus der Notrufzentrale Berlin an. Fritz kommt auf aus einem kleinen Tal hoch in den Alpen, und ist dort bei seiner Mutter, einer krankhaften Narzistin aufgewachsen, die ihn abgerichtet hat. Er hat natürlich seine Mutter trotzdem geliebt, aber gewundert hat er sich doch, als Kind, dass sie mit so wenig zufrieden war. Dass sie keine echte Liebe brauchte, sondern nur eine Art Sklaven. Er hätte das nicht sagen können, ihm war das überhaupt nicht klar, aber er hatte das Gefühl, dass seine Mutter sehr bescheiden war. Weil sie all diese Dinge von ihm verlangte, wie beim Essen keine Geräusche mehr zu machen. Und das war doch wirklich nicht viel wert, einen Sohn zu haben, der lautlos essen konnte. Nun gut, es klappte nicht bei jedem Essen, man konnte kein Fleisch ohne Geräusche essen, aber er lernte es Kartoffelbrei ohne Geräusche zu essen, jedenfalls fast. Und dann war es etwas anderes, er sollte nichts grünes mehr anziehen, obwohl grün doch seine Lieblingsfarbe ist. Und er warf alles grüne in die Tonne, sein grünes T-Shirt und seine grüne Badehose, sogar die grünen Blätter der Geranien zupfte er ab.

Mist, das mit den Geranien war falsch, warum nur, sie sind doch auch grün? Er wollte das gerne von seiner Mutter erfahren, aber sie sagte es ihm nicht, sie hatte nicht die Zeit für lange Erklärungen. Denn sie musste sich schnell ein neues Verbot ausdenken: Wenn Du nicht immer die Zahnpastatuben so ausdrückst. Fritz wusste, es nutzte nichts, wenn er sie fragte, wie er die Tube denn ausdrücken sollte, er benutzte einfach keine Zahncreme mehr, und wartete auf das nächste Verbot, was sicherlich bald von seiner Mutter verhängt wurde.

Er überlebt seine Mutter, indem er immer mit dem Mädchen von weiter unten, den Hang hinunter, Vater Mutter Kind spielte. Seine Mutter nennt das Mädchen, die Hirnbombe, weil sie einen grossen Kopf hat. Dann lacht sie wie ein Pferd. Jetzt darf Fritz nicht mitlachen und natürlich auch nicht fragen, was denn eine Hirnbombe sei, denn ihm ist an dem Mädchen nichts besonderes aufgefallen. Der junge Fritz hat die seltene Angewohnheit, alles so zu nehmen, wie es ist. Vielleicht ist das etwas gutes, wenn man so eine Mutter hat.

Das Mädchen von unten, die Hirnbombe, mit ihrer endlosen Geduld für dieses langweilige Vater Mutter Kind Spiel wird die Retterin von Fritz sein. Erst hilft ihm das nichts, weil er immer der Vater sein soll, da ist nichts zu machen. Und ihr Teddybär ist das Kind. Und die Begründung ist, dass der Teddybär eben noch so klein ist. Das Mädchen, Beate ist ihr Name, sagt, immer der grösste muss der Vater sein, alles andere erlaubt die Polizei nicht. Aber als er dann den RiesenTeddybären auf dem Rummel gewinnt, und verhindert, dass seine Mutter ihm das Stofftier stehlen kann, um es ausser seiner Reichweite einzulagen, in dem doppelt verschlossenen Zimmer, bei den anderen SadistenTrophäen, ganz oben auf dem Regal, da kann er das Kind spielen. Es gab unglaublichen Ärger, seine Mutter hat ihn geschubst, selbst als er die Pfanne mit dem heissen Öl in der Hand hatte, sie hat ihm eine Untertasse an den Kopf geworfen, weil er den Teddybären nicht wieder gefunden hat, den sie doch für ihn aufheben wollte. Aber es hat sich gelohnt, denn die Brandwunde wird nun von seiner Freundin Beate behandelt. Und der RiesenTeddybärPapa ist auch besser, als überhaupt keiner. Auch wenn er sich erst noch an das Mutterspiel gewöhnen muss, weil es sich komisch anfühlt, weil die Trauer, die in ihm aufsteigt, wenn er das Kind ist. So völlig reisst es ihn weg, kleinste Freundlichkeiten, sind wie eine Lawine, begraben ihn unter sich. Und dann ist da noch ein Gefühl, dass er ein Verbrechen begeht, seine Mutter würde fuchsteufelswild werden, wenn sie ihn dabei erwischen würde, dass er nun das Kind sein kann. Denn nichts hassen Sadisten mehr, als wenn ihr Plan nicht aufgeht, dann zieht es sie richtig runter und wenn sie sich dann davon erholt haben, und sie erholen sich immer, dann machen sie dich fertig. Aber auch Beate hat ihren Preis, denn sie will einmal Krankenschwester werden, und wenn Du willst, dass sie richtig die Mutter spielt, dann brauchst Du eine Wunde. Das braucht nichts Grosses zu sein, eine einfache Schürfwunde reicht aus, aber ein bisschen dreckig muss sie schon sein, damit sie sich entzündet. Dann zieht Beate immer die Luft zwischen den Zähnen ein, macht die Wunde sauber und verbindet sie neu und er kann wieder ein richtiges Kind sein.

Wenn Fritz als Kind etwas gelernt hat, man bekommt schon, was man will, aber man muss lange dafür laufen, und manchmal muss man wieder zurücklaufen, um endlich voranzukommen, man muss um viele Ecken schleichen, durch Tunnel kriechen, tiefe dunkle verborgene Schächte, man muss klettern, richtig hoch klettern, bis einem schwindelig wird, weil man sich ganz oben, nur an den Wolken festhalten kann, was nicht leicht ist, und vielleicht muss man dann auch noch ein ganz kleines Stückchen fliegen, wobei es noch eine sehr strenge Regel gibt: Fliegen wird nur dann gezählt, wenn man es schafft, nur mit der Hilfe der eigenen Arme abzuheben. Du musst Dir keine Flügel wachsen lassen, es reicht schon aus, wenn du nur ein winziges Stück fliegen kannst, ein cm kann manchmal schon reichen, wenn du es nur schaffst, allein mit der Kraft rudernder Arme abzuheben, was gar nicht leicht ist. Aber am Schluss nach all den Prüfungen findet man genau das, was man wollte. Was Brit seine erste echte Freundin, viel später, niemals verstanden hatte, und was er, obwohl er sie verehrt hat, ihr auch nicht erklären konnte, weil sie ihn nicht bestrafen wollte, weil sie das mit den Umwegen nicht so richtig hin bekam, obwohl sie ihn liebte, oder auch gerade deshalb.



Fritz war nicht enttäuscht, als er Nike an der Stimme wieder erkannte, er war noch nicht mal überrascht. Zu viele eigenartige Dinge waren in der Zeit beim Notruf in Berlin vergangen, dass er noch überrascht werden konnte. Na ja, über sein Interesse an ihr, war er doch überrascht, wie er fasziniert war, wie hoch konzentriert sie auf ihre innere Welt war. Er sah sich ihr Gesicht in der Polizeidatenbank an und obwohl sie jung war, hatte ihr Haar schon graue Schläfen. Was er auch sah, jemand musste sie beschützen. Er konnte es sehen, soviele Geschichten loderten in ihrer Phantasie auf, so viele wurden neu geboren, man musste einen eigenen Notruf nur für sie bauen, eine eigene Einsatzzentrale. Ein Kollege zog Fritz damit auf, dass er in der Freizeit nichts mit sich anzufangen wusste, und erst recht nicht im Urlaub und empfahl ihm immer Krisengebiete als Urlaubsziel, wenn er mal so richtig entspannen wollte. Vielleicht hatte der Idiot recht, denn als er in Nikes Gesicht sah, hatte er das Gefühl, dass es auf der Welt nichts gab, keine Grausamkeit, keine Niedertracht aber auch keine Heldentat, keine Grosszügigkeit und auch kein Vergeben, die es nicht auch in Nikes Gesicht und ihren Gedanken gab. Zum ersten Mal nach langer Zeit verschwand die Unruhe aus Fritzens Leben. Zum ersten Mal erlebte er, was wirkliche Seelenruhe ist, inmitten einer lärmenden Bar, kurz bevor sich der Konflikt anbahnte, denn jemand anders, ein Boxer Typ, mit zum Angriff vorgeklappter Stirn, schien sich auch für Nike zu interessieren und versuchte Fritz ein Loch in die Fresse zu starren, wie man so sagt.



Und so wurden sie ein Paar. All das Werben all das JaUndNein fiel vollkommen aus. Er endet mit ihr in seinem Bett. Sie trugen noch ihre Strassenkleidung, und er hatt nur die Überdecke über sie geworfen, während er sie im Arm hielt, und ihren Geschichten zuhörte. Ihn quälte etwas das schlechte Gewissen, als er aufwachte, so gut ausgeschlafen hatte er noch nie zuvor, und diesen Schatz in seinem Bett sah. Ganz nah ging er an ihren Mund heran, um zu hören, ob sie noch weiter redete. Aber auch sie schien etwas bei ihm gefunden zu haben, wenn er sich auch nicht sicher war, was das sein könnte.

Und als sie dann wach waren, und frühstücken, da wollte sie erst nichts essen, und schon wieder überkam Fritz die Sorge, wie ein Regen aus Blei, gegen den er erst ankämpfen musste. Er holte Croissants, und begann sie, während sie sprach mit kleinen Stückchen zu füttern, was eigenartigerweise funktionierte. Mit Glück war das Gefühl was Fritz empfand nicht mehr zu bezeichnen. So sehr war er davon überzeugt, dass, wenn ihm schon so etwas grossartiges wie Nike wiederfahr, dann würde sie gleich sterben, und verhungern, war da die wahrscheinlichste Option, so zierlich wie sie war.

Aber sie war zu seinem Glück zugänglich.

Als er ihr locker auf den Mund küsste, so wie man es vielleicht machen würde, wenn man sich länger kennt, um sich so guten Morgen zu sagen, da sagte sie sehr leise, kaum hörbar: Langsam, ich kann nur langsam.

Und da schloss er die Augen und bewegte sich nicht mehr wartete ab was geschieht, er musste ziemlich lange warten, bis sie zu ihm sagte: Du bist doch nicht auch verrückt?

Das fand er einen erstaunlichen Satz. Und auch wenn er es jetzt wollte, die Augen wieder öffnen, er war auf eine Art zu weit gegangen, und auch zu neugierig, was sie wohl als Nächstes tun würde. Langsam näherte sie sich ihm, fasste sein Haar an, fuhr mit den gespreizten Finger hindurch. Und als er eine Gänsehaut bekam, da fiel ihr das gleich auf, und sie hängte ihm einen Mantel über, damit er es wärmer hatte. Das waren alles, zu Fritzens Glück, ziemlich vernünftige Dinge. Jetzt nur noch eins, er fasst sie am Genick, ganz sanft, zog sie ein Stück zu sich heran, und als er sie losliess, legte sie das letzte Stück bis zu seinen Lippen ganz selbstständig zurück. Er zweifelte das erste Mal daran, ob er ihre Stimme wirklich richtig erkannt hatte, war das die Nike, die ihn in der Notrofzentrale die Nachmittage mit ihren surrealen Geschichten verkürzte, oder war das nur eine junge Frau, eine Fremde, aus einer Bar?



Fritz ist verwirrt, als weitere Anrufe von Nike eingehen. Er fragt sich: Hat sie noch eine Schwester? Oder ist sie das? Hat sie eine multiple Persönlichkeit? Da ist er sich fast sicher, bis er nach einiger Recherche klüger ist: Multiple Persönlichkeiten gibt es fast ausschliesslich im Kino.

Als sie sich nicht mehr meldet den nächsten Tag, und sich auch niemand meldet, an ihrer Adresse, da nutzt er das Informationssystem der Polizei, und dann muss er feststellen, dass seine geliebte Nike auf Bonnies Ranch eingeliefert wurde (Bonhöfer Nervenklinik).

Er braucht nicht lange zu überlegen, um zu wissen, was er tun soll. Er schnappt sich seine alten Asterixhefte, kauft noch eine Flasche Rotbäckchen, eine Tüte bestes Studentenfutter und eine Schachtel schweizer Pralien, auf dem Weg zu Klinik kauft er ihr noch einen Blumenstrauss mit Anemonen. Leicht durchgeschwitzt, als hätte er die Blumen selbst in einem Schneefeld in den Alpen gepflückt, kommt er an der Nervenklinik an.

Sie hat gar keine Augen für ihn, sondern dreht ihm den Rücken zu und blickt auf die Wand.

Fritz will den Arzt sprechen. Der verweist ihn an den Oberarzt und der hört sich scheinbar desinteressiert an, was Fritz zu sagen hat und sagt dann: Sie wollen sie also gleich mitnehmen.

Fritz nickt.

Der Oberarzt fixiert ihn ganz genau, damit ihm keine Reaktion entgeht und sagt dann: Bedauere, bei uns geht das nicht so einfach, wie im Tierheim.

Fritz steckt diesen gezielten Schlag gut weg und sagt: Ich werde ihr einen Anwalt besorgen.

Oberarzt: Das brauchen sie gar nicht, so stabil wie sie sind. Vielleicht klappt das wirklich. Aber sie brauchen schon noch ihre Zustimmung, O.K.

Fritz: Hätte da nicht ein Anschlusswitz mit dem Tierheim gut gepasst?

Oberarzt: Ja, das ist bedauerlich, dass ich den auslassen musste.

Fritz: Manchmal steht einfach das Wohl der Patienten im Vordergrund.

Oberarzt: Sie sagen es, also was ist nun, turteln wir hier noch ein bisschen weiter, oder gehen sie zu ihre Freundin und fragen sie mal, was sie davon hält?

Eine halbe Stunde später ist Fritz wieder beim Oberarzt, er ist erschöpft und enttäuscht und der Oberarzt ist nicht mehr spassig. Fritz sagt: Sie will sich erst einmal hier ausruhen.

Oberarzt: Gut, von mir aus.

Fritz: Sie wussten, dass sie das sagt!

Oberarzt: Hm, was wäre dabei, wenn sie sie erst mal ein paar mal besuchen können. Wie lange kennen sie sich eigentlich?

Fritz: Ich kenne sie drei Jahre!

Oberarzt: Und dann bekommen sie das erste Mal mit, dass sie Probleme hat?

Fritz: Sie hat bei uns beim Notruf angerufen und Geschichten erzählt.

Oberarzt: Ach so, da waren sie aber noch nicht zusammen?

Fritz: Nein.

Oberarzt: Nun kommen sie schon, ich finde das gut, sie scheinen ihr gut zu tun, das ist kein vollständiger Zusammenbruch, sie braucht jetzt Ruhe, wir stellen die Medikamente neu ein, das braucht ein bisschen. Kommen sie noch ein paar Tage vorbei, hm? Dann sehen wir weiter.

Fritz: Und ich kann sehen, ob ich mir das antun will?

Oberarzt: Aber nein!

Der Oberarzt fixiert ihn fest und ändert doch die Meinung: Doch, auch deshalb, sonst habe ich noch sie als Patient.

Fritz: Ich bin überhaupt nicht einfach, als Patient.

Der Oberarzt steht auf und lächelt sonnig: Ich will es gar nicht herausfinden, also dann bis morgen?

Der Oberarzt reicht ihm mit einem freundlichen und zuversichtlichen Lächeln die Hand.

Fritz ergreift die Hand, die für einen Oberarzt einen erfreulich festen Händedruck hat und sagt: Bis morgen dann, Doc.



Auf dem Heimweg fällt endlich der Groschen und Fritz sagt zu sich selbst: Sie wollte sich etwas beweisen, deshalb hat sie weiter beim Notruf angerufen.

Und dann versucht sich Fritz vorzustellen, wie schwierig das für sie gewesen sein muss, verdammt schwierig, so als ob jemand mit Höhenangst jetzt Hochseilartist werden will. Und da ist ihm noch etwas klar: Sie mag mich.

Man kann es fast schon Freude nennen, was er empfindet, dass er sie morgen noch mal besuchen kann, und ihren Rücken sehen kann, ihre Haare und wenn es gerade leise ist in der Klinik, dann kann er sie auch atmen hören.

Nikes erste Geschichte: Ich kenne dich doch

Nachdem Nike aus dem Krankenhaus entlassen wurde stellt Fritz die Besuche ein. Seitdem sieht er sie öfter rein zufällig. Es ist fast so wie damals, als er zufällig in der Bar auftauchte, die Nike manchmal besuchte und wo sie so wenig auffiel, wie der Osterhase unter dem Weihnachtsbaum. Nur diesmal war es Nike, von der die Initiative ausging, die an seinen Orten auftauchte, wie auf dem Türkenmarkt am Maybachufer oder auf der Bank hinter dem Bambusgebüsch im Tiergarten. Er weiss nicht so recht, wie er mit ihr umgehen soll, er ist verwirrt über die eigenartige Anziehung, die Nike auf ihn ausübt. Deshalb hat er sich auch fest vorgenommen, sie nicht in seine Wohnung mitzunehmen. Das hat auch alles so weit geklappt, bis er den Summer drückt, weil eine Frauenstimme durch die Gegensprechanlage gesagt hat: Guten Tag, die Gaswerke, es ist wieder so weit.

Noch bevor er sich selbst die Frage beantworten kann, was denn wieder so weit ist, wird ihm klar, das er überhaupt keinen Gasanschluss hat, und überhaupt, diese Stimme ... das wird doch nicht etwa... Da stand Nike schon in einer sehr amtlich wirkenden Latzhose vor seiner Tür. Er sieht sie erstaunt mit einem leicht offenstehenden Mund an und Nike sagt: So, ab hier weiss ich nicht mehr weiter.

Fritz fängt sich und sagt charmanter, als er sich das vorgenommen hat: Bis hierhin ist es aber nicht schlecht.

Nike: Nein? Lässt Du mich rein?

Fritz schiebt die Tür mit seinem Arm etwas weiter auf ohne jedoch den Weg freizugeben, der von seinem Arm noch versperrt ist. Nike bückt sich und schlüpft unter seinem Arm durch, als wäre er eine Blumengirlande.

Fritz schliesst die Tür und folgt ihr, die neugierig aber auch vorsichtig, mit scheuen Blicken, seine Wohnung inspiziert.

Fritz: Und nun?

Nike bleibt stehen steckt sich lasziv den Zeigefinger in den Mund (jedenfalls denkt sie das es lasziv aussieht) und sagt: Nur das übliche, wenn der Klempner kommt und ein Rohr verlegen will.

Fritz wird plötzlich wach, als ob er jäh aus einem süssen Traum erwacht: Wir können das nicht tun.

Nike: Weil ich gaga bin?

Fritz versucht witzig zu sein, ihr müsst selbst sagen, ob ihm das gelingt: Das auch, aber vor allen Dingen kennen wir uns nicht.

Sie sagt: Du glaubst also ich kenne dich nicht. Dann hör mal zu!

Sanft drückt sie ihn auf einen Küchenstuhl, zieht sich selbst einen Stuhl ran, so dass sie halb hinter ihm sitzt und beginnt dem äusserst irritierten Fritz eine Geschichte zu erzählen.

Es ist eine völlig neue Erfahrung, wenn Nike Fritz ihre Geschichten nicht auf seiner Arbeit in der Notrufzentrale erzählt, sondern wenn sie sich an ihn fast schon anschmiegt und ihm die Geschichten ins Ohr flüstert, mit einer eigenartigen Stimme, so als wäre sie schon eingeschlafen, und würde im Schlaf sprechen. Und was noch dazu kommt, jetzt wo sie ihm so nahe kommt, scheint sie ihre Geschichte mit seinem Gedächtnis zu verbinden, zu verweben, als würde man zwei Menschen in einen einzigen Zopf flechten. So kommt es, dass im Laufe der Geschichte, die erste Freundin von Fritz, Sybille, in seinem Bewusstsein wieder auftaucht.



Nike: Ein Junge, Robert heisst er, verliert seine Cousine Julia und sie werfen ihm noch vor, dass er sie verleitet hat, etwas zu wollen, was sie umgebracht hat. Dabei war das Einzige, was er mit ihr tun wollte, vor ihren Mördern zu fliehen. Und Robert war es nicht, der Julia in die Steilwand getrieben hat, er war es, der sie dreimal gehalten hat, als Julia fallen wollte. Aber dreimal Halten ist für viermal Fallen nicht genug.

Und Robert will dann seinen Onkel töten, weil er Julia gequält hat und geschlagen. Weil er sie so lange geschlagen hat, bis sie still am Tisch sitzen konnte, dabei musste sie doch nur mit den Beinen zappeln. Robert kann das überhaupt nicht verstehen, Julia kann so viel zappeln wie sie will, das macht ihm überhaupt nichts aus, weil Robert liebt Julia.

Deshalb tut Robert das Einzige, was er jetzt noch tun kann, er schnappt sich den knorrigen schweren Ast, wo er einen Spazierstock für Touristen raus schnitzen wollte und geht zu dem schändlichen Onkel. Aber der Onkel mobilisiert das ganze Dorf, er schreit um Hilfe, wie eins seiner Schweine, bei dem er sich immer extra Zeit gelassen hat, wenn es zur Schlachtbank geht, er weckt das ganze Dorf auf, er macht ein lächerliches Theater, aber die Dörfler schützen den Onkel, und sie werfen mit Steinen nach Robert, holen die Schrotflinte raus und schiessen auf ihn, während der Onkel zetert, "seht nur, er hat eine Waffe, helft mir, seht nur, das ist der Teufel, er soll mich nicht kriegen". Robert der falsche Teufel mit dem Knüppel in der Hand, denkt sich, "der hat dich schon, der Teufel" und er will nun das ganze unwürdige Dorf ausrotten. Von der Freiwilligen Feuerwehr weiss er, dass sie die Südwinde fürchten, wenn der Regen von Süden gegen den Alpenhautkamm drückt, wenn der Fallwind von den Gipfeln ins Tal stürzt, wenn dann nur ein einziges Haus brennt, dann kann es das ganze Dorf erwischen, wenn der Föhn bläst. Und wenn Robert die Hütten noch mit Benzin getränkt hat... Er hat extra dafür eine von diesen kleinen mobilen Zapfsäulen für Zweitakter geklaut, das brennt noch besser, mit dem Öl drin. Und er weiss auch schon wann er es tun wird, auf dem Feuerwehrfest, das geht drei ganze Tage. Aber da kneift ihn sein Gewissen, denn sie können doch nicht alle böse sein, und er sagt sich. Der Wind soll blasen, dann ist es entschieden, kommt der Föhn, werden sie brennen. Aber steht der Wind, dann werde ich gehen, ohne ihnen ein Haar zu krümmen. Und dann haben sie eine Regenfront für die Südseite der Alpen angesagt und Föhnwetter in seiner Region, im Norden. Deshalb hält er sich bereit. Aber wie er da so in der Scheune sitzt, wie ihre Stimmen von dem Feuerwehrfest zu ihm hineindringen, da wird er ganz weich, denkt an das, was er früher erlebt hat, als seine Eltern noch lebten, da kann er es nicht mehr tun, es geht einfach nicht. Ausserdem sind so viele aus der Stadt im Dorf, die er nicht mit verbrennen will. Er denkt sich: Scheiss auf den Föhn. Er denkt sich: Will ich etwa so sein wie sie?

Aber wie er da aus der Scheune tritt, da erhebt sich ein hysterisches Geschrei: "Da ist er ja", "Los, schnappen wir ihn uns"

Und die Städter, besoffen wie sie sind, fragen nicht lange, sondern sind gleich ganz vorne mit dabei. Nur ganz knapp gelingt Robert die Flucht. Und er hat so üble Wunden, die nicht heilen wollen, von der Axt die ihn getroffen hat, und dem Schrot, was er sich selbst wieder herauspulen musste, dass nur noch eins hilft, um den Eiter aus der Wunde zu treiben: heilender Hass, der tief aus seinem Inneren kommt. Die Vorstellung, wie er sich alle vornimmt, das beschissene Dorf, die noch beschissenere Stadt, das ganze verkackte Land. Als die Wunden endlich trocknen, als sie sich endlich schliessen, als es unter dem Schorf anfängt zu jucken, und schliesslich, als rosa Narben hervorbrechen, da ist es für Robert fast unmöglich seinen Hass wieder los zu werden. Bis er zu Julias Grab geht, sie haben es so mit Blumen erstickt, das todgequälte Mädchen, dass es überall streng nach den Totenblumen riecht, ein scharfer Gestank aus bleichen Blüten. Er muss die stinkenden Blüten zur Seite räumen, um an die feuchte Erde ihres Grabes zu kommen. Jede Nacht wird er wieder kommen, und jede Nacht wird er sich lang auf dem feuchten Acker über seiner Julia ausstrecken, und bevor die Sonne aufgeht, um auch für die unwürdigsten Menschen, die miesen Mitläufer, falschen Eiferer, und kalten Mörder des Dorfes zu scheinen, ist Robert wieder fort. Jeden Tag schliessen sie Lücke auf dem Grab des Mädchens wieder mit den kranken Blumen, sammeln sie alle wieder ein, und werfen noch frische fahle Totenblumen hinterher. Und doch wagt sich niemand der Dörfler in der Nacht auf den Friedhof, weil sie Angst haben, dass die Abrechnung kommt, für ihre feige Grausamkeit. Aber Robert beginnt ganz nahe an seiner Julia zu heilen, innerlich. Nach einer Woche im feuchten Acker mit seiner Julia, kann er sich von ihr verabschieden, ohne auch nur einen einzigen Menschen zur Rechenschaft zu ziehen. Nach einer Woche ist er so sanft und so vergebend, wie seine vermodernde Geliebte in der Erde unter ihm.



Dann kann Robert fort gehen. In dem fremden Land spricht man eine Sprache, die sich nur in der Mundart von seiner Heimat unterscheidet. Auch hier findet er schändliche Menschen, aber er lernt, dass es weniger werden, wenn er aufhört sie zu suchen.

Dann lernt er ein Mädchen kennen, die ihn zum Glauben bringen will, und er möchte sie davon abbringen, ihn zu lieben, weil er weiss, dass er verloren ist, aber sie hat so wunderschöne kirschrote Lippen, so schöne blaue Augen, so schöne braune Haare.

Dann lässt er sich darauf ein, und will mit ihr Sternschnuppen ansehen, weil er auf den Messias wartet, so wie sie, und sie freut sich, weil sie nun glaubt, dass er seinen eigenen Weg zu Gott gefunden hat.

Und später sagt er ihr, als er ganz sanft wird, von den vielen Sternschnuppen, die sich gerade diese Nacht ausgesucht haben, dass sie ihn besser verlassen soll, er würde ihr Unglück bringen, er wäre der Tod und sie das Mädchen.

Und ganz leise fügt er hinzu: Ich habe dich losgelassen, bevor ich dich halten konnte.

Und sie lacht ihn aus, und sagt, dass sie ihn liebt, diesen Spinner.

Aber dann kommt ein ganz anderer Spinner unter den Schatten des Gebüschs hervor, und ruft noch während er auf seine Ex-Freundin mit den weit aufgerissenen Augen einsticht: Verzeih mir, verzeih mir, ich kann einfach nicht ohne dich sein.



Bis Rob begreift, dass ihm eine Freundin durch die Gleichgültigkeit und Grausamkeit genommen wurde, während er die andere durch die Gegenkraft, die Liebe verloren hat, braucht er eine Weile, denn er hat sich ganz tief in sein Innerstes zusammengezogen, wie ein Neutronenstern. Danach will er nur noch eins wissen, ob es besser ist, den Menschen zu helfen, so weiter zu machen, oder ob er ihnen Sterbehilfe leisten sollte. Und da erinnert er sich in seinen finstersten Gedanken, an ein Bibelzitat, heisst es da nicht irgendwo: Das Wort ist Fleisch geworden. Und während er das denkt, hat er das Glück, dass sich ein Fieber seinen Körper ausgesucht hat, ohne das Schutzschild des Fiebers, hätte er seine Gedanken nicht ertragen. Aber mit dem Fieber, wird es auch nicht besser, weil ihn eine Art von Grössenwahn packt, als wäre er es, der den Menschen eine Falle stellen sollte, aus der sie entweder geläutert hervorgehen, oder für immer im friedlichen Schwarz des Kosmos verschwinden. Jeder der sich mit Grössenwahnsinn auskennt, weiss, das nicht der Grössenwahnsinnige derjenige ist, um den man sich Sorgen machen muss, es sind mehr die anderen, die er mit seinem Grössenwahnsinn ansteckt.

Noch gefährlicher ist der Grössenwahnsinn aber, wenn er nicht offen zur Schau getragen wird, sondern wenn er im Verborgenen wirken kann, wenn er Zeit hat zu reifen, und wenn ihn ein kluges Gehirn dabei unterstützt seine Weg in die Zukunft zu finden. So kommt Robert auf ein teuflisches Programm, ein Messias, der nicht gekommen ist um seinen Leidensweg abzuschreiten, auch nicht um zu richten. Nein, es ist ein Messias, der die Menschen mit einer raffiniert ausgeklügelten Falle über sich selbst richten lässt.

Robert studiert jetzt Bioinformatik und arbeitet ununterbrochen an einem KI-Programm, mit dem man den Messias finden kann, den Menschen mit der stärksten Ausstrahlung, eine Art von rhetorisch philosophischen Erlöser; eine KI wacht über alle Profile der Menschen, um ihn zu finden. Und dann soll er beschützt werden, der Messias, damit er die Menschheit retten kann. Doch es gibt viele, die nach einem neuen rhetorischen Talent suchen, einem neuen Mahatma Ghandi einem wiedergeborenen JFK. (Natürlich wissen wir, dass JFK liebessüchtig war, und Mahatma die Unberührbaren vergessen hatte, aber bessere Beispiele finde ich gerade nicht)

Dabei wurde nicht bedacht, es gibt nur eine Gruppe, die die Profile der ganzen Menschheit kennt und so den Messias finden kann. Und sie ist auch die einzige Gruppen, die in der heutigen Welt einen Erlöser beschützen kann, der Militärisch Industrielle Komplex (Auch Mic genannt und Mike gesprochen).

Doch sollte nicht eigentlich der Messias Mic bezwingen?

Der Messias soll die Kräfte der Menschen beherrschen, er soll den Militärisch industriellen Komplex reiten. Und Mics Leute aus diesem Komplex stellen sich sehr widerspenstig an, so wie ein wildes Pferd, sie wollen sich nicht von dem Messias reiten lassen, und er erreicht scheinbar trotz göttlicher Allmacht nur wenig. Für einen Menschen eine Menge, da würde das für dutzende Friedensnobellpreise reichen, locker. Aber für einen Gott ist es eine bescheidene Ausbeute. Und der Messias spürt nicht, dass er das Monster nicht reitet, sondern dass er von dem Monster selbst geritten wird. Weil Mike ist klug. Aber der Erlöser bekommt das einfach nicht mit, weil er zu sehr damit beschäftigt ist, das widerstrebende Monster zu zähmen, bekommt er gar nicht mit, dass er selbst schon lange gezähmt ist. Dass er von einer KI gesteuert wird, die den Shareholder Value des militärisch industriellen Komplex erhalten will. Wie diese Steuerung funktioniert, das weiss übrigens weder die KI noch Mike, noch irgendjemand. Und doch, so wird es sein, so geht dann die Welt zugrunde.

Weil Mikes Werk ist die Zerstörung, und der neue Messias, darf uns nur noch retten, wenn er gleichzeitig den Durst auf die Waffe weckt, den Durst auf den letzten Kampf, das Endgame. Dagegen kann auch ein Messias nicht viel machen. Und dann geht alles ganz schnell, und wir sind alle weg. Aber als alle schon im Dreck liegen, verdampft sind, da steht einer noch auf zwei Beinen und das ist Robert, der Mann der die KI programmiert hat, den Messias zu finden, um der Welt die endgültige Rettung oder den unwiderruflichen Untergang zu bringen.



Nike: Na, was hältst Du von der Geschichte?

Fritz streckt sich, als hätte er entspannt geschlafen: Eine schöne Geschichte.

Nike sieht ihn ärgerlich an.

Fritz blickt zurück: Doch wirklich, es fängt erst so klein an, vielleicht sogar ein Missverständnis, und dann artet es immer weiter aus. Finde ich gut. Das ist ein Bergfilm, so ein Heimatbergfilm und ein Hollywood Action Ding in einem, und dann geht es noch um die ganze Welt, weniger darf es nicht sein.

Nike: Das meinte ich nicht.

Fritz: Wie, das meintest Du nicht? Ich sage dass das ein super Film wäre, Du könntest reich damit werden, echt jetzt. Und du sagst, das meintest Du nicht.

Nike sieht Fritz fest an und streicht ein einzelnes vorwitziges Haar aus seinem Gesicht und flüstert: Ich habe etwas gesehen.

Fritz bekommt Gänsehaut und zeigt sie stolz vor: Sieh nur, weisst Du wann ich das letzte Mal Gänsehaut von einem Film bekommen habe?

Fritz holt das Handy raus und fotographiert seine Gänsehaut am Arm und dann ganz schnell und überraschend ihr Gesicht: Oh, schade, jetzt ist es schon vorbei.

Nike nimmt sich das Handy und sieht sich das Bild an und will es löschen, Fritz entwindet ihr geschickt das Handy: Nein, nein, das ist ein Beweisphoto.

Nike: Du verarscht mich.

Fritz: Und wenn, was kannst Du schon tun?

Nike: Weil ich in der Psychiatrie war?

Fritz nimmt sie in den Arm: Weil Du dich weigerst gesund zu werden und die Scheiss Tabletten zu nehmen.

Nike macht sich los und geht wortlos.

Fritz schleicht zu seinem Fenster, bleibt hinter der Gardine stehen.

Nike sieht von unten zu dem Fenster rauf, sie kann nichts sehen, nur die Gardine.

Fritz winkt zum Gruss hinter der Gardine, während er Nike konzentriert mustert.

Nike blickt immer noch in Richtung des Fensters, wo es für sie immer noch nichts zu sehen gibt, dann winkt sie vor ihrem Gesicht, als wollte sie ihm sagen, dass er meschugge ist.

Fritz tritt einen Schritt zurück und bleibt grübelnd stehen.



Am nächsten Morgen meldet er sich krank und zieht sich 1000 Euro aus dem Automaten, steigt in einen Zug, in dem er beim Schaffner die Karte löst und in bar bezahlt.

Der Schaffner schüttelt sanft tadelnd für so viel Verschwendungssucht den Kopf und steckt Fritz freundlicherweise einen Flyer mit den neusten Supersparangeboten der Bahn zu.

Gegen frühen Nachmittag kommt er im Gebirge an. Aber es wird abend, als er endlich die Alm erreicht hat. Jemand hat dort eine Art tibetisches Kloster in klein errichtet, mit Gastronomie und Übernachtungsmöglichkeit. Alles ist noch ganz neu, das Holz der Wände ist noch ganz hell und riecht angenehm nach Harz, wenn man den Räucherstäbchenschwaden ausweichen kann.

Nachdem Fritz einen Himmalaya Knödel gegessen hat, im Grunde ein Germknödel, aber mit Him-beeren gefüllt, kommt er mit dem Wirt/Koch/Kellner/Abt/Mönch ins Gespräch, der behauptet Katinka zu heissen und im Körper von Ingo festzuklemmen.

Kantinka sieht nach dieser Bemerkung Fritz an, als würde sie auf etwas warten und sagt dann aber, als nichts zurück kommt, kaum enttäuscht: Nur Spass.

Fritz wundert sich nicht mehr, warum es hier so leer ist. Unaufgefordert fängt der Mönch zu plaudern an. Hier wäre ja alles abgebrannt gewesen, eine Tragödie, auch menschlich. Aus diesem Grunde wäre karmatechnisch überhaupt kein anderes Gebäude an diesem Ort denkbar gewesen als dieses. Er sei gekommen, um den verbrannten Seelen Ruhe zu schenken.

Fritz denkt sich: Gratuliere, das mit der Ruhe hat ja schon mal geklappt.

Dann zeigt Fritz ihm noch das Foto von Nike auf seinem Handy und der Wirt antwortet: Eine Hinterbliebene sagen sie? (Das sagte Fritz bestimmt nicht!) Tut mir leid, kenne ich nicht. Ich bin ja auch nicht von hier, sonst wäre ich ja nicht mehr da. (Fritz denkt sich: Nicht schon wieder ein Witz!) Und die Seelen, müssen sie wissen, haben nicht so schöne Gesichter.

Nikes zweite Geschichte: Die Sennerin

Fritz versucht seinen Ausflug in die Berge zu vergessen. Obwohl er auf der Rückfahrt die Geschichte von Nike aufgeschrieben hat, wobei er bei einzelnen Details lange darüber nachgrübelt, ob sie das wirklich gesagt hat, oder ob er sich das nur dazu gedacht hat. Eine Beschäftigung, die ihn fordert und ihm Spass macht, denn auch ein Täter, der die Wahrheit kennt, muss das können.

Nike ärgert sich darüber, dass Fritz sie für zu nett hält und ungefährlich. Aber was jetzt dazu kommt, das macht sie richtig wütend. Fritz versucht seine Neugierde hinter gespieltem Desinteresse zu verbergen und gibt Nike zu verstehen, dass sie ihm ein wenig lästig wäre.

Nike findet: Jetzt müssen langsam andere Geschichten aufgezogen werden.

Und deshalb entschliesst sie sich, an einem sonnigen Tag in dem Bambusdickicht im Tiergarten auf ihn zu warten. Natürlich tut er wieder so, als ob nichts wäre. Trotzdem hat Fritz an alles gedacht, sogar den Recorder hat er schon eingeschaltet. Er hat sich extra so ein kleines Gerät gekauft, was die Aufnahmen nicht gleich nach California petzt. Man kann ja nie wissen.

Fritz kann warten, wie ein Charakterschauspieler. Sein Requisit ist nur eine Tüte Pistazien. Er lehnt sich auf der Parkbank zurück, taucht mit dem Kopf ein Stück weit in den Bambus ein, und wirft sich einen ausgepulte Pistazie in den Mund. Dann passiert erst einmal 5 Minuten nichts. Fritz schliesst die Augen. Er sitzt da, hört den Vögeln zu, den seltenen Stimmen auf dem Plattenweg, der hier durch das sumpfige Gelände des Parks führt.

Nike hat sich nicht so geschickt angestellt, raschelt ständig im Bambus, kommt damit nicht klar von den Schösslingen gepiekst zu werden. Aber Fritz spielt mit, tut so, als ob er nicht schon lange wüsste, dass sie hier eine grosse Show geplant hat, und dieses verdammte Gönnerhafte macht Nike sauer und irgendwann sagt sie: Wie wär 's wenn Du mir auch mal eine Pistazie gibst.

Fritz: Nike, bist Du es?

Nike: Nein, ich bin es nicht. Los her mit den verdammten Pistazien!

Fritz steckt die Hand in den Busch.

Nike: Was soll das?

Fritz: Kommst Du nicht ran?

Nike stöhnt: Tiefer.

Fritz steckt den Arm tief in den Bambus hinein, bis zur Schulter, Nike reisst ihm unsanft die Pistazientüte aus der Hand.

Fritz: He!

Nike: Halt jetzt den Mund, kriegst deine scheiss Nüsse wieder, wenn Du artig zugehört hast.



Nike: Ich nenne die Geschichte: Vertauschte Rollen

Ein Chirurg wollte seinen Sohn der Polizei ausliefern, weil er ihn im Verdacht hat, seinen Freund mit einer Eisenstange mit so einem Montiereisen oder wie das heisst erstochen zu haben. Die Polizei hält das für einen Unfall. Aber der Vater weiss es besser. Seine Frau fleht ihn an, ihren Sohn nicht zu belasten, sie sollten sich lieber um ihn kümmern, an einen ruhigen Ort ziehen, ihn im Augen behalten. In den Bergen kümmert sich die Familie viel um den Jungen, und der Mann, der eigentlich Herzchirurg ist, muss die Beine der ganzen Ski-Unfallopfer flicken, aber er macht es gerne, wenn er seinem Jungen und seiner Frau helfen kann. Auch wenn er immer wieder davon träumt, wie er sich selbst einen Arm abnimmt, er weiss genau, was dieser Traum bedeutet, und jedes Mal wenn er ihn träumt, passt er schärfer auf seinen Sohn auf.

Der Junge verliebt sich in ein junges schönes Mädchen, was sehr naturverbunden ist, und als Sennerin auf die Alm gehen möchte. Es gibt ihm einen bösen Stich, als er entdeckt, dass ihr Herz für einen anderen Jungen schlägt, der einen kleinen Bären bei seiner toten Mutter gefunden hat, den der jetzt aufzieht und auch noch verhindert hat, dass dem Bären die Krallen gezogen werden, und die Eckzähne ausgerissen, so wie es sein Vater von ihm verlangte, um einen Tanzbären aus ihm zu machen, damit der Bär, den sie vergeblich versucht haben wieder auszuwildern, so selbst sein Brot mit einer kleinen Dressurnummer verdienen kann.

Was die junge Sennerin völlig vergessen hatte, eine Woche bevor der Junge, den sie so sehr bewunderte, weil er den kleinen Bären aufgenommen hat, der auf seiner toten Mutter lag, hat sie die Bärin in der Nähe ihrer Herde in einem Lärchenwäldchen gesehen. Die Bärin hatte schon da die Verletzung von dem abgebrochenen Ast, der ihr im Bauch steckte. Und vielleicht war der junge Bär auch schon bei ihr, denn war da nicht ein Schatten, der im Gebüsch verschwand? Die Sennerin hatte bei diesem Erlebnis das eigenartige Gefühl, während das verletzte Tier von ihr wegsprang, gab es etwas anderes, dass sich ihr genähert hat. Etwas grosses, was an ihr roch, was sie berührt hatte.

Von da an hat das junge Mädchen wilde Träume, wo sie selbst ein Bär ist, der der Herde, die man ihr anvertraut hat, gefährlich wird.

Und sie bewundert, den Jungen sehr, wie es ihm gelungen ist den Bären zu zähmen.

Der Sohn des Chirurgen lässt sich immer chirurgische Eingriffe erklären, um eine Idee für einen Anschlag auf den verhassten Konkurrenten zu haben. So will er von seinem Vater wissen, wie man Steine entfernt.



Der heimlich geliebte Junge hat selbst ein Interesse an der Sennerin, was er aber nicht zugeben will, weil er so oft etwas nicht bekommen hat, gerade wenn er es sich so sehr gewünscht hat.

Und er treibt sich auch heimlich in der Nähe ihres Hofes herum, in der Hoffnung mal ein Kälbchen zu retten, was in eine Spalte gefallen ist, um sich seiner heimlichen Geliebten zu beweisen. Aber er ist es, der selbst Hilfe braucht, denn er kann gerade noch der Steinlawine entkommen, von der er glaubt, die Gämsen hätten sie heruntergetreten.

Nach diesem unglücklichen Mordversuch, will der Konkurrent von seinem Vater wissen, wie man eine Bisswunde schneidet, so nennt er das. Der Vater überhört die Gewalt in der Stimme seines Sohnes, und erklärt ihm ganz ruhig, wie man eine Infektion des Bisses verhindert, wie man grosse Gefässe schliesst, und das Wundsekret ablaufen lässt.

Daraufhin durchwühlt der Konkurrent den alten Hof, den der Chirurg mit seiner Frau gekauft hat, um etwas zu finden, was Zähne hat, und beissen kann. Und tatsächlich findet er irgendwo ein altes menschliches Gebiss. Als er das Gebiss mit von Ekel gezeichneter Faszination betrachtet, fällt sein Blick auf eine Art zerbrochene Forke oder so, die im letzten Winkel des Dachbodens liegt. Diese Forke stellt sich als Bärenfalle heraus, die richtige Zähne hat. So probiert der Junge die Falle mit einer Melone aus dem Supermarkt aus. Und das Bissbild könnte auch von einem Tier handeln, wenn da nicht die verräterischen Rostspuren wären. Daraufhin schleift er die Bärenfalle macht sie schärfer, und entfernt allen überflüssigen Rost. Nun muss er nur noch lernen, wie er die Falle werfen kann. Dazu stellt er auf dem Boden eine Puppe auf, die er mit der Bärenfalle so bewirft, dass sie der Puppe den ganzen Kopf zerbeisst. Er bekommt mörderischen Muskelkater, aber er denkt an all die anderen, die ihre Zeit mit lächerlichen Bottleflips verschwenden, und schöpft so Kraft und wird in der von ihm selbst erfundenen Disziplin des BärenFalle-auf-den-Schädel-werfens zu einem Meister.



Der Sennerin fällt es auf, dass sie verfolgt wird, und sie ist ganz aufgeregt, weil sie das Gefühl hat, dass sie sich innerlich in einen Bären verwandelt. Sie ist so aufgeregt, dass sie nicht mitbekommt, das der Weg hier oben ein wenig vereist ist, und als sie ausrutscht fällt sie auf einen Stein und verliert das Bewusstsein. Das ist die Gelegenheit für den Widersacher, der den Günstling schon aus dem Auge verloren hat, aber nun, da das Mädchen zu Boden gegangen ist, kommt er wieder hervor und beugt sich über die Sennerin, ein besserer Moment für einen Angriff mit der Wurffalle gibt es nicht. Aber die Wurffalle verkantet sich, sie schnappt nicht richtig zu und betäubt auch ihn nur. Der Widersacher kommt sofort aus seinem Versteck gesprungen, und will zuende bringen, was sein Wurf nicht erreicht hat, aber als er sieht, wie das Mädchen erwacht, beseitigt er die Spuren und nimmt die Wurffalle mit.

Als er sieht, wie besorgt sich die Sennerin über den Jungen beugt, so als hätte sie ihn niedergeschlagen, versteht der Widersacher die Welt nicht mehr und verzieht sich zurück ins Tal.

Für die Sennerin ist jedoch klar, dass alles was sie liebt nicht sicher vor ihr ist, und sie geht schon vor der Zeit mit der Herde in die Berge, so dass das Vieh noch mit alten Heu durchgebracht werden muss.

Der Junge vermisst die Sennerin sehr, und will zu der Alm aufsteigen, aber sein Vater redet ihm zu, und erklärt ihm, dass er sie runterkommen lassen muss, sie muss auf ihn zugehen, und das wird sie auch tun. Das leuchtet dem Jungen ein, der nicht viel Vertrauen in seine eigenen Wünsche hat.

Der Chirurg ahnt, dass etwas fürchterliches geschehen ist, er findet die Waffe bei seinem Sohn, beobachtet ihn, wie er den tödlichen Wurf übt, und lässt danach einen Teil des geräumigen Hauses von kundigen Handwerkern in ein unsichtbares und weitläufiges Gefängnis verwandeln, um den Jungen nicht entkommen zu lassen.

Während die Sennerin auf der Alm die Herde hütet, hat sie viel Zeit, über die eigenartige Verwandlung nachzudenken, und sie liest viel über Bären, und dass sie sich hauptsächlich vegetarisch ernähren. Das gibt ihr Hoffnung, und sie glaubt, die in sich heranreifende Bärin kontrollieren zu können. Aber als zwei ausgehungerte Wölfe glauben, sie haben endlich eine neue Heimat gefunden, verscheucht sie sie allein durch ihre Schreie, die so fürchterlich sind, dass sie sich nicht wenig vor sich selbst erschreckt. Sie beruhigt sich erst wieder, wie sie sieht, wie ihre Tiere scheinbar Gefallen daran haben, einen Bären als ihren Verteidiger zu haben. So wie die Schafe, die mit grossen Hunden zusammen leben, die glauben, sie sind jetzt selbst Schafe geworden und die anderen Schafe beschützen.

Als es Herbst wird, muss sie eigentlich absteigen, aber sie erinnert sich daran, was sie ihrem Geliebten (der noch nichts von seinem Glück weiss) zugefügt hat (jedenfalls glaubt sie das). Und beschliesst die Herde holen zu lassen und noch oben auf der Alm zu bleiben.

Ihr Geliebter wartet ungeduldig auf das Ende des Sommers, aber als sie nicht mit der Herde ins Tal kommt, gibt es kein Halten mehr und er macht sich auf in die Berge.

Der Gefangene Widersacher konnte sich mit seiner Gefangenschaft arrangieren. Aber als er davon hört, dass der andere Junge zu seiner Freundin auf die Alm will, da halten ihn keine Schlösser mehr und er büchst aus. Erst hat er keine Ahnung, wo er den Jungen finden soll, aber dann kommt ihm der einsetzende Schneefall zur Hilfe und zeigt ihm die Spur, der er folgen muss.

Auch die Bärin in der Sennerin wird wach, obwohl sie doch müde werden sollte, das hofft jedenfalls die Sennerin, deshalb bleibt sie in der Höhe, weil sie glaubt, so könnte sie die Bärin in sich, in den Winterschlaf schicken, und so wenigstens im Winter versuchen mit dem netten Jungen, der den jungen Bären aufgenommen hat, zusammen zu sein.

Aber als sie aus dem Fenster blickt, da sieht sie so ein wildes Schneetreiben, dass sie den Eindringling der in ihr Reich kommt, so niemals aufspüren kann, wenn sie sich nicht in einen Bären verwandelt, denn nur der könnte den Eindringling aufspüren.

Während sie sich langsam in die Bärin verwandelt, und es geniesst von dem warmen Bärenfäll gewärmt zu werden überlegt sich der Widersacher, wie er den Jungen töten kann, ohne Spuren zu hinterlassen. Er will es schon aufgeben, da sieht er einen wunderschönen spitzen Eiszapfen an dem Überhang. Wenn er den zum Dolch machen würde ...

Aber bei dem Versuch den Eiszapfen abzubrechen, stürzt der Widersacher fast ins Tal und muss sich, wenn er nicht abstürzen will, durch Hilfeschreie bemerkbar zu machen, um sich von dem Jungen retten lassen. Als die Bärin das sieht, ist ihr klar, dass der Widersacher nicht nach dem Eiszapfen greift, um sich festzuhalten, mit wenigen Sätzen ist sie dort um ihren (heimlichen) Geliebten zu retten, doch als der den Bären sieht, entreisst er dem Widersacher, der gerade auf ihn einstechen will geschickt den Eiszapfen stellt sich in die Sprungbahn der Bärin und ersticht sie mit dem Eiszapfen. Noch in dem Schreck über ihren eigenen Tod, kann die Bärin den Widersacher mit dem letzten Schlag ihre Tatzen töten, während sie sich in die Sennerin zurückverwandelt, die sie innerlich ist. Der Junge ist von solcher tiefen Trauer ergriffen, dass er sich lebendig mit seiner geliebten Sennerin einschneien lässt.

Wäre da nicht der kleine Bär, den er gerettet hat, hätte er nicht darauf bestanden, dem kleinen Bären die Krallen zu lassen, hätte sich der kleine Bär niemals befreien können. Aber so spürte der kleine Bär nicht nur den Stich der die Sennerin getötet hat, genauso stark, wie ihr Geliebter es empfand, er machte sich auch auf, mit seinen Krallen, die Riegel seines Käfigs zu öffnen. Nur gut dass der kleine Bär so eine gute Nase hatte, und so gelang es ihm, die Eingeschneiten nicht nur zu finden, sondern sie auch auszugraben, und weil er so stark war, und so viele Kunststücke beherrschte, schleppte er alle drei ins Tal zurück und legte sie vor dem Krankenhaus ab.

Als der Chirurg seinen Sohn sah, der im sterben lag, wandte er sein Gesicht ab, und rettete die Sennerin. Denn dafür war der Herzspezialist wie gemacht, und die Kälte war diesmal ein Freund des Menschen gewesen, indem sie verhinderte, dass die Sennerin einen Schaden nehmen konnte, durch ihr verletztes Herz. Und so waren beide gerettet, nur dem Arzt konnten sie nicht danken. Er ging mit der Leiche seines Sohnes und mit seiner Frau fort aus den Bergen.





Fritz: Du musst den Antagonisten netter machen.

Nike: Wer sagt das?

Fritz: Hitch.

Nike: Der Typ, der seine Konkurrenten auf Baueisen spiesst.

Fritz: Der Neuntöter.

Nike: Was?

Fritz: Ein Vogel, der macht das auch. Nimmt ein niedliches Vogelbaby eines Kollegen, spiesst es auf den Stacheldraht, kannst dir ja vorstellen, wie das aussieht?

Nike: Und das macht den Antagonisten sympathisch? Oder muss ich noch schreiben, wie er die Säuglinge grillt?

Fritz: Nein, aber im Ernst, er sollte wissen, dass er diese Eifersucht entwickelt, dieses brennende Gefühl, diese Schande übersehen worden zu sein. Vielleicht hat er mal einen unsympathischen Star getötet, der sich lustig über ihn gemacht hat. Bei so einer Show, wo er eklige Sachen essen soll, wo sie dann am Ende der Show schreiben müssen: Wir trauern um unseren lieben Kollegen soundso. Weil sie das vertuschen müssen, dass eins ihrer Opfer zurückgeschlagen hat. Das wollen alle heute sehen. Weil, wie sich die Leute gegenseitig fertig machen, das kennen sie schon, jetzt wollen sie sehen, wie die Leute, die das aushecken, dass die anderen sich gegenseitig fertig machen, wie die ihr Fett weg kriegen.

Nike kommt aus dem Busch geklettert und setzt sich auf das andere Ende von der Bank.

Fritz sieht sie an, überlegt was er sagen soll und Nike senkt den Kopf, schabt mit den Füssen auf der grossen alten Gehwegplatte und sagt leise: Ach hör doch endlich auf.



Nikes dritte Geschichte: Das Krebsmädchen

Fritz durchsucht das ganze Archiv des Notrufs und findet 12 weitere Geschichten. Er reicht sie alle beim Copyoffice der Library of Congress in Washington ein. Eine angenehme Arbeit. Er birgt einen Schatz nach dem anderen von Nikes Geschichten. Als er eintragen soll, wer der Claimant sein soll, also derjenige, dem diese Geschichte gehört, muss er an die Goldgräber denken. Einige von diesen Geschichten sind so wundervoll getwistet, so überraschend und machen doch so viel Sinn, man fragt sich immer, warum bin ich nicht selbst darauf gekommen. Fritz überdenkt kurz, was er eintragen soll, dann schreibt er seinen Namen rein, schiesst ein Selfie von sich, wobei er darauf achtet, dass es möglichst frisch nach der Tat ist und schickt es an Nike. Denn er muss es ihr sagen, wie bescheuert es ist, seine Geschichten einfach so zu verbreiten.

Aber dann kann er Nike nirgendwo finden, denn sie ist wieder in der Klinik.

Diesmal zieht es ihn richtig runter, obwohl er wieder die netten Sachen kauft, die man jemand mitbringen würde, der sich ein Bein unkompliziert gebrochen hat.

Nike ist nicht mehr so still und versonnen wie gewöhnlich, sie ärgert sich darüber, dass er sie zu empfindlich findet. Sie kann ihn nur dazu bringen, dass er sich um sie kümmert, wenn sie krank ist. Und sie wirft ihm vor, dass er sie in den Wahnsinn treibt. Nur wenn ich wahnsinnig bin, kann ich mit dir zusammen sein. Ich bin robust wie eine Diestel. Du kannst mich rausreissen, aber ich bin viele. Und wenn Du am anderen Ende des Feldes angekommen bist, dann habe ich schon wieder neue Samen und die ganze Wiese wird von mir neu eingesät. Wenn Du mich kaputt machen willst, dann musst Du wirklich kranke Sachen machen, anders hast Du überhaupt keine Chance.

Noch ehe er ihr sagen kann hat sie ihn wieder fortgeschickt und die Geschichte auf die Rückseite der Krankenhausspeisekarte für die 26te Kalenderwoche geschrieben.

Die Geschichte von dem Mädchen, was einen Krebs hatte, und ihn überredet hat, sie wieder zu verlassen und der Krebs hat gesagt: Du weisst schon, dass es mir in deinem Blut ganz gut gefällt.

Du weisst schon, dass es nicht so einfach ist, für mich umzuziehen.

Du weisst schon, dass es einen anderen trifft, wenn ich dich verlassen muss.

Du weisst schon, dass es ein kleines Kunststück ist, dich wieder zu verlassen. Woher weiss ich, dass Du es Wert bist, dass ich die Mühen auf mich nehme, dieses Kunststück zu meistern. Findest Du nicht, Du müsstest auch ein Kunststück vollbringen.

Was für ein Kunststück?

Da antwortete der Krebs: Alles was Du liebst, das sollst du fortan hassen, und alles was du hasst, sollst Du fortan lieben.

So war sie verliebt, in die Dornen und die Nesseln, in den Gestank des Misthaufens, und in den Schmerz in ihren Zähnen, verliebt in das Fieber, was sie schüttelte, verliebt in den Hagel, der die so weit oben in den Bergen grün und blau schlug und auch verliebt in die Blitze, die sie bald braten würden, wenn sie nicht vor ihnen fortlief. Sie hasste das Frühstück und das Abendbrot und auch das Mittagessen. Sie hasste die Blumen und die sanften Lämmer. Sie liebte den Bock, der sie durchbläute, aber auch den Wolf, der die Lämmer holte.

Das ging alles sehr gut, der Krebs schlich sich nicht zurück in ihre Lunge, bis zu dem Tag, wo der Bock den Wolf verjagen wollte. Wo sich zwei Dinge, die sie eigentlich hasste, nun aber lieben sollte, gegenüberstanden.

Fritz ist zum Durchlesen der Geschichte extra zu dem Bambusdickicht gegangen, obwohl sich gerade der Himmel dunkel zuzog, als wollte er den Regen herausfordern, mit seiner trockenen und warmen Haut. Das scheint ihm auch gelungen zu sein, schwere kalte Tropfen stürzen herab und Fritz harrt doch im Schauer aus, wandelt auf und ab und liest sich das Manuskript laut durch, als würde er für eine Rolle lernen. Und als der Himmel schon wieder aufklart, und die letzte Seite gelesen, ist er enttäuscht, weil, so wie es aussieht, ist diese Geschichte nichts für seine Sammlung, oder doch?

Die neue Behandlung in den USA

Um herauszufinden, dass Fritz keine konkrete Idee hat, wie er nun den Geschichtenschatz heben soll, ihn in Geld verwandeln soll, braucht er eine Woche. Dann hat er einen Termin beim Oberarzt, muss sich in ein Wartezimmer begeben, hat nicht mehr die Privilegien der Notsituation und muss warten wie alle anderen. Nach einer Stunde Wartezimmer spürt er, dass er durch seinen Job in der Notrufzentrale nicht gemacht ist, um zu warten. Er beginnt nun sich selbst Geschichten auszudenken. Was ihm nicht besonders gelingt, wenn man die Geschichte mit dem Blinddarm, der sein Leben bedroht nicht mitzählt. Auch wenn er sich schon einen Spruch überlegt hat: Wenn sie nicht wegen Begünstigung verurteilt werden wollen, nehmen sie mir das scheiss Teil raus.

Mit einem dümmlichen Grinsen schreitet Fritz endlich über die Schwelle des Sprechzimmer, indem es wahrscheinlich noch nie um Blinddärme ging, da wird ihm siedend heiss klar, dass er darüber nachdenken wollte, ob er dem Oberarzt von Nikes grossartiger Begabung erzählen sollte. Doch der Oberarzt erlöst ihn gleich von der Befürchtung ausgefragt zu werden und erhebt selbst sofort die Stimme. Denn wie es aussieht kann man Schizophrenie heilen, es gibt eine neue aussichtsreiche Behandlung in den USA. Man darf aber nicht zuwarten, weil die Krankheit das Gehirn schädigt. Er müsse mit Kosten der Einzeldosis von 480.000 Dollar rechnen. Eigentlich nicht zu viel, um einen von der Schizophrenie zu befreien. Aber die Behandlung wirkt nur bei einem bestimmten Genprofil, das auch noch nicht ganz bekannt ist. Selbst wenn der Test ergibt, dass man geeignet ist, gibt es noch ein gewisses Risiko dafür, dass die Behandlung wirkungslos ist.

Und im Herausgehen fragt der Oberarzt doch noch: Und wie stehen sie nun eigentlich zu meiner Patientin?

Fritz blickt den Psychiater über die Schulter an und denkt sich: Was für eine eigenartige Frage, nachdem der Psychiater ihn vorher um eine halbe Millionen zur Behandlung seiner Patientin gegeben hat. Denn das bedeutete das Gespräch doch. Fritz überlegt sich, ob er ihm erzählt, wie man das Geld bekommen könnte. Er überlegt sich, ob er sagt: Halt, da ist doch eine Möglichkeit, wie wir das Geld bekommen könnten. Und auch der Psychiater scheint etwas zu ahnen, sonst würde er ihn nicht so forschend und so verschmitzt hinterhersehen. Aber Fritz kann nur eins tun, leise nuscheln "Wir sind Freunde" und die Tür des Psychiaters so sanft schliessen, als müsste er eine Bombe entschärfen. Dann denkt er sich, dass er jetzt ein ziemlich schäbiges hinterhältiges Gesicht haben müsste, das könnte er Nike direkt jetzt zeigen, indem er sie besucht, aber er entscheidet sich anders und sendet Nike ein Selfie, fiese Fresse inklusive.



Es dauert ewig, bis Fritz die Film- und SerienKonzepte pitchen kann. Besonders deshalb, weil sie ihn immer im Fahrstuhl pitchen lassen wollen. Er wird ewig hingehalten, bis er erfährt, dass einer von Nikes Filmen schon in der Arbeit ist, man überlegt sich, wie man ihn besetzen könnte. Dabei hat er ihn doch gesichtert. Aber wie er feststellt, ist der erste Download beim Copyoffice der Library of Congress überschrieben worden mit einem weiteren. Es ist ein ewiges hin und her. Es fehlen Ausdrucke, die USB Sticks sind noch da, Teile der Texte fehlen, als hätte er sie nie niedergeschrieben. Er muss sein ganze kriminalistisches Geschick anwenden, um sein Material zu restaurieren. Er muss auf die Bänder der Notrufzentrale zurückgreifen, um den Beweis zu führen. Und das alles kann er nur aus der Ferne regeln, und schuldet am Ende vielen einen Gefallen. Er weiss nicht, was er Nike schreiben soll und schickt ihr einfach nur ein weiteres Selfie. Dann wird es besser, scheinbar hatte die Rechtsabteilung der Produktionsfirma Bedenken das Ding ohne ihn durchzuziehen und er kann bei Assistenten vom Produzenten vorsprechen. Er wird auf Parties eingeladen. Alle haben vollstes Verständnis für seine Lage, aber niemand hört wirklich zu, worum es eigentlich geht. Fritz bräuchte einen Agenten. Langsam hat Fritz das Gefühl, dass er mit der Wurst nach dem Schinken wirft.

Und für das Leben in Hollywood, das kleine Häuschen und die Poolparties hat Fritz irgendwann so viel Geld ausgegeben, dass das Erbe seiner Grossmutter aufgebraucht ist, und das wäre eigentlich schon die halbe Behandlung für Nike gewesen. So beginnt er langsam hinein zu schlittern, in die Mechanik, nach der diese Welt funktioniert. Dann vereinfacht er vieles indem er Nikes Arbeiten als seine ausgibt, er hat sie schliesslich auch auf seinen Namen registrieren lassen. Und er lernt eine attraktive Anwältin kennen, die ihn mon petit Kraut nennt. Er will sie nicht korrigieren und petit Bosch sagen, weil Kraut auch besser ist als Bosch. Obwohl er eine Angewohnheit beibehält, nach jedem Verrat an Nike, schickt er ihr ein Selfie. Der Sex mit der Anwältin ist auf eine sehr vorhersehbare Weise feurig und erinnert ihn an das Bodenturnen in einem Netflix Original. Aber auch diesmal schickt er ein Selfie, als er im Badezimmer einen Moment für sich alleine ist. Jemand, dem eben erst eine schwere Krankheit diagnostiziert wurde, kann nicht hoffnungsloser aussehen. Denn schliesslich fragt er sich, "was mache ich, wenn ich das Geld habe?" Ein Haus in den Hügeln kaufen und mit dem weiter zu machen, was er gerade begonnen hat, das scheint ihm nicht sehr verlockend zu sein. Die Emails, die er von ihr bekommt, liest er nicht und löscht sie gleich wieder, und ihre Anrufe drückt er weg. Und Selfies bekommt sie auch nicht mehr von ihm. Er hat jetzt Partner, die sich absichern wollen. Partner, die seine Freundin in einer guten Einrichtung unterbringen wollen, wo sie alles hat, wo man sich um sie kümmert, wo sie auf die Behandlung vorbereitet wird.

Wichtig wäre nur, dafür zu sorgen, dass sie kein Beweismaterial hat, keine Aufzeichnungen ihrer Geschichten. Das würde die Sache nur verwirren. Und tatsächlich gelingt es seinen neuen Freunden auch, die Aufzeichnungen von Nikes Anrufen bei der Notrufzentrale zu löschen. Es muss sehr kostspielig gewesen zu sein, denn ihm wird bedeutet, dass es nun nur nach vorne ginge, es gäbe kein zurück mehr: Wir haben den Rubicon überschritten.

Und dann besteht er darauf, dass man trotzdem das versprochene Geld für die Behandlung vorhält. Aber, so erfährt er, das wäre nicht einfach. Man hätte ihn abgefunden, dann wäre noch seine Partnerin, dazu kommen die Auslagen in Europa. Und er möge nicht vergessen, dass die Möglichkeit bestünde, dass seine Freundin durch eine erfolgreiche Behandlung die Fähigkeit verliert, Geschichten zu erfinden. Ob er denn schon einmal darüber nachgedacht hätte? Als er sagt, er bräuchte das nicht, man könnte sie auch fragen, da erntet er nur einen schiefen Blick, der ihm wohl sagen sollte. Wen wollen sie denn da fragen, eine schwer psychisch Kranke? Sind sie sich sicher, dass sie weiss, was am besten für sie ist?



So verrückt wie das alles ist, als er sein Auto betankt, als er endlich einmal alleine ist, sonst ist immer jemand bei ihm, als wäre er selbst krank, als wären seinen vorsichtig geäusserten Bedenken erste Anzeichen eine hoffnungslosen Erkrankung, da kommt ihm eine irre Idee: Nike muss ihn retten.

Er fragt sich tatsächlich, habe ich nicht schon genug andere gerettet, könnte sich nicht mal jemand anders darum kümmern. So als wäre er das Opfer der ganzen Sache, als hätte er es nicht gewollt, sondern die Entscheidung läge ganz bei den Sachzwängen der Industrie. Die Sache ist so verfahren, er weiss sich keinen Rat und eines Tages, ist er nirgendwo mehr in den Hügeln mit ihren Stechpalmen zu finden.

Nike wird behaupten, dass sie einen Schutzengel hatte, jemand der auf sie aufgepasst habe. Jemand der verhindert habe, dass sie die vergifteten Augentropfen nimmt, jemand, der einen Schatten beseitigt hätte, der ihr schon Angst gemacht habe, ein Schutzengel. Jemand, der sie mit einem teuren Anwalt zusammengebracht hat. Sie behauptet steif und fest, dass sie genau wüsste, wer der Schutzengel gewesen ist. So fest, dass, als ihr das Unmögliche gelungen ist, was nur in den Filmen der Branche geschieht, aber niemals im wirklichen Geschäft, dass ihr der Preis für das beste Originaldrehbuch verliehen werden soll, da sagt sie, es täte ihr sehr leid, aber sie könnte den Preis nur annehmen, wenn Fritz Itzenblitz verziehen würde. Als dann zögerlicher Applaus aufkommt, keiner hatte so richtig verstanden, was sie da meinte, da kommen ihr die Tränen. Und als die Tränen kommen, da ist alles wieder so, wie es doch sein sollte. Als müsste man den Preis noch mit Tränen tränken, damit es wahr wird. Und alles was wahr ist, soll auch wahr werden, wäre das nicht schön?







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Penelopes Odyssee

Konstantin Schemat, Dominica Schemat



Wege in die Geschichte

Über diese Geschichte gibt es viele Versionen, und die Lager sind zerstritten und kaum für Gegenargumente zugänglich. Und dabei beruhen sie auf den gleichen Tatsachen. Nur die Ereignisse, die vorher stattfinden, machen aus der Geschichte entweder einen Horrortrip oder eine Romanze. Und natürlich haben beide Seiten versucht ihre Sicht auf die geheimnisvollen Anfänge zu untermauern. Ich möchte hier ein drittes Lager aufmachen, das heisst: Wie es euch gefällt. Wer den Horrortrip braucht, der liest den folgenden Abschnitt, alle anderen blättern weiter.

Vorgeschichte für die, die sich gerne von Verbrechern kitzeln lassen

Der Urlaub sollte ein Abenteuer werden. Und so fing er auch an, fast zu viel für einen kleinen Wohnwagen und die Eltern von Patriza und Penelope: Das Meer, der dichte Küstenwald mit den gurrenden Tauben, die Hängematte zwischen den Feigenbäumen, Sand zwischen den Zehen, die Schnorchelbrille und der Unterwasserschreck, und das ist noch nicht alles, es gibt sogar Pizza zum Frühstück. Da war es gar nicht mehr nötig, dass sich eine Fledermaus in den Wohnwagen verirrt.

Die Schwestern machten sich einen Spass daraus, sich genau gleich anzuziehen und das obwohl Penelope gar nicht sehen konnte, was ihr da Patrizia anzog. Das machte aber nichts, denn trotzdem hatten die beiden ihren Spass. Nur die Eltern waren nicht so locker. Immer sprachen sie darüber, ob die Betreuung von der blinden Penelope nicht zu viel für Patrizia war.

Und dann hatten sie noch ein schlechtes Gewissen, weil sie den Beiden viel zu viel durchgehen liessen. Sie sagten: Geht nicht auf die Felsen. Aber genau das war es, was sie letztlich taten. Und wenn die Eltern sagten: Klettert aber nicht auf den Baum da, dann kletterten die Beiden genau auf diesen Baum. So kam es, dass sie nur sagten: Passt auf! Und für Patrizia gab es noch mal ein Zwinkern, was so viel hiess wie: Wir können das nicht von dir verlangen, aber es wäre unheimlich lieb, wenn Du auf deine Schwester aufpasst.

Die Eltern machten „klar Schiff“ in dem kleinen Wohnwagen, so wie sie es nannten, und planten, während sie Geschirr Hand in Hand abwuschen und abtrockneten, aufgeregt, wie zwei Teenager, den weiteren Verlauf des Urlaubs, dabei hatten sie nicht bemerkt, dass die Stimmen der Kinder leiser geworden waren. Wie sollten sie auch, bei der auffrischenden Brandung.

Das Ereignis, was alles ändern sollte, währte nur ein Augenblick und es fand genau dann statt, als die Beiden auf einen Baum in der Nähe der Felsen geklettert waren, von dem Patrizia die ganze nördliche Steilküste überblicken konnte und die einzige sehende Zeugin war, von dem was gleich geschah. Auch wenn Penelope ungefähr in die gleiche Richtung blickte wie ihre Schwester, sehen konnte sie nichts, nicht mal das tanzende rote Feuer, was entsteht, wenn die Sonne durch die Augenlieder scheint. Nur die Wärme der Strahlen auf ihrer Haut, was Penelope aber sehr gerne mochte. Im Moment war Patrizia noch damit beschäftigt herauszufinden, wo der Mensch stand, der zu diesem eigenartigen Flatterflieger gehörte, ein bunter Plastikflieger mit drehenden Flügeln, der so hoch vom Strand aufgestiegen war, dass er die Höhe, der höchsten Felsen erreicht hatte. Patrizia dachte erst, dass der Flieger von dem Paar gehalten wurde, was dort gut 25 Meter über ihr auf der Klippe stand, aber offensichtlich machte das überhaupt keinen Sinn, denn die beiden schienen nur mit sich selbst beschäftigt zu sein. In diesem Augenblick hätte sie nicht sagen können, warum es sie plötzlich nicht mehr interessierte, den kleinen Jungen ausfindig zu machen, der wahrscheinlich gerade nach seiner Mutter rief: Sieh mal Mutti, wie hoch der Flieger ist, sieh mal, nun sieh doch schon hin!



Die fremde Frau auf den Klippen über ihnen erwartete, dass er mit ihr sprach, dass er endlich den Mund aufmachte, und sie schmollte schon den ganzen Tag. Doch hätte sie ihren jüngeren Ehemann länger gekannt, dann hätte sie gewusst, er mag keine langen Gespräche. Noch in dem Augenblick, wo er sie die Klippen herunter stiess, konnte sie nicht glauben, was da geschah. Das mag daran liegen, wie er das tat. Als er beide Hände auf ihre Schultern legte, glaubte sie, dass er sich endlich entschuldigen wollte, und legte ihre schönsten Schmollmund auf, bevor sie nach seinen Armen griff. Aber er sagte nur: Liebling, Du klammerst zu viel. Da liess sie die Arme herabsinken. Er konnte sich ihr jetzt, wo sie nicht mehr klammerte, noch einen halben Schritt nähern, denn mit ausgestreckten Armen lässt es sich nicht so gut stossen. Als er sie dann umstandslos von sich stiess, verlor sie das Gleichgewicht, konnte sich aber kurz vor dem Abgrund wieder fangen, was ein wenig an einen schwungvollen Walzerschritt, eine glückstrunkene Pirouette, von dem rauschenden Fest der letzten Nacht erinnerte. Wenn sich nicht diesen zusätzlichen Tritt in den Bauch bekommen hätte, vielleicht würde sie heute noch leben. So starb sie ohne zu wissen, dass sie ermordet wurde. Und wenn sie noch ein wenig mehr Zeit gehabt hätte, dann hätte das sicherlich immer noch nicht ausgereicht, damit sie begreift, weshalb das alles hier geschah. Es ging doch nur um Geld, um sonst nichts. Ihr Mann begriff schneller, denn obwohl seine Frau vor Verblüffung kein Geräusch von sich gegeben hat, als sie den Boden unter den Füssen verlor, war da noch ein kleiner Schrei, von zwei Mädchen in einem Baum, der mit dem dumpfen Aufprall verschmolz.



Kaum 3 Stunden später ...



Das Feuer hatte die Seitenwand mit der Eingangstür des Wohnwagens scheinbar völlig verbrand. Als die Feuerwehrleute das Wasser abstellten, war es plötzlich sehr still, dass man das Knacken, der sich abkühlenden Wohnwagenruine hören konnte. Weisse Dampfwolken stiegen auch, wo eben noch schwarzer Rauch von verbranntem Plastik und Sperrholz aufgestiegen war.

Der Feuerwehrmann sagte zu dem Kommissar, der sich wunderte, jetzt wo sich der Rauch und Dampf langsam verzog, dass die Seitenwand des Wohnwagens direkt vor seinen Füssen lag und kaum Spuren des Feuers zeigte: Ist wahrscheinlich durch die Explosion der Gasflasche herausgeflogen. Ich sehe das nicht das erste Mal, jemand lässt das Gas an, und dieses verdammte Butan riecht ja nach nichts. Dann kommen sie zurück, ein Funke und dann sieht es so aus. Der Kommissar fragt die Campingplatzbesitzerin ohne den Blick von dem abziehenden Dampf abzuwenden, der langsam die verbrannten Leichen freigibt: Wieviele waren in dem Wohnwagen?

Die Campingplatzbesitzerin kann ihre Augen nicht von dem Grauen nehmen und sagt das was sie sieht: 3.

Der Kommissar wiederholt stumpfsinnig: 3?

Da wendet die Campingplatzbesitzerin ihren Blick ab, sie hat jetzt schon genug gesehen und muss sich korrigieren: Es waren 4.

Der Kommissar: Ich sehe nur 3 Brandopfer.

Der Feuerwehrmann nickt: 3 Brandopfer.

Dann fällt dem Kommissar ein Mädchen auf, was wie angewurzelt auf die drei Leichen starrt und er ist so geistesgegenwärtig sich vor sie zu stellen, er ist geistesgegenwärtig nicht die Kollegen anzubrüllen, warum sie den Tatort nicht abgesperrt haben, nein, er kümmert sich um das Mädchen, beugt sich über sie, will gerade etwas sagen, da sagt die Campingplatzbesitzerin schockiert: Mein Gott.

Und der Kommissar fragt das Mädchen auf italienisch: Kannst Du mir sagen wie Du heisst?

Und das Mädchen antwortet nicht.

Und dann sagt die Campingplatzbesitzerin um Fassung bemüht: Es ist eine der beiden Töchter.

Kommissar: Wir brauchen einen Arzt.

Campingplatzbesitzerin: Eine der beiden Töchter ist blind.

Man kann es den dreien ansehen, dass sie hoffen, dass die Blinde überlebt hat, dass sie nicht ansehen musste, was geschehen ist. Und der Kommissar kann es sich nicht verkneifen und wedelt mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, um zu prüfen, ob Patrizia blind ist.

Und Patrizia ist in diesem Moment wirklich blind, so wie jemand, der alles sieht, aber überhaupt nichts versteht.

Und alle drei nutzen diesen Augenblick, sich ganz um Patrizia zu kümmern, und nur einen Moment zu vergessen, was sie gesehen haben.



Eine knappe halbe Stunde später kommt ein Polizist aufgeregt zum Kommissar: Wir haben noch eine Tote gefunden.

Kommissar: Wo?

Polizist: Dort bei den Felsen.

Kommissar: Das sind 50 m, bist Du sicher Falcone?

Polizist: Aber ja doch Chef, da vorne.

Der Feuerwehrmann schüttelt sichtlich beeindruckt den Kopf: Was für eine Explosion, 50 m ins Meer geschleudert...

Da wird der Kommissar sauer: Was ist das hier überhaupt, wie kann eine Frau 50 m weit ins Meer geschleudert werden, wenn die Vorderwand des Wohnwagens herausgeflogen ist? Denkt denn hier niemand nach, bevor er etwas sagt. Ist das Denken bei euch Feuerwehrmännern ganz aus der Mode gekommen? Das ist doch eine ganz andere Richtung. Also wenn sie keinen Looping gemacht hat, wie soll das gehen? Kannst Du mir das mal erklären?

Da sagt der Feuerwehrmann leise zu dem Kommissar mit Blick auf Patrizia, die in Hörweite in Decken gehüllt im Krankenwagen sitzt und von einem Arzt betreut wird: Sie ist blind und nicht taub!

Und der Kommissar brüllt: Aber sie ist eine Deutsche, oder? Sie versteht unsere Sprache nicht!

Und der Feuerwehrmann sagt mit Blick auf das Mädchen: Das kann ich nur hoffen.

Dann sagt der Polizist Falcone offensichtlich von den Tatsachen ebenso unbeeindruckt wie sein Kollege von der Feuerwehr: Die Strömung hat sie vielleicht dorthin getragen, das Meer ist hier sehr tückisch.

Da knöpft sich der Kommissar Falcone vor: Fängst Du jetzt auch noch an, ich frage dich, wie soll das gehen, sie kann mit der Explosion nur nach vorne heraus geschleudert sein, sieh hin, dorthin, wo das Land ist, und nicht in das Meer, das ist nämlich da, wo es nass ist, verstehst Du? Dort ist das Meer, hier ist das Land! Können wir uns darauf einigen? Das müsste ja eine verdammt tückische Strömung sein, oder, die sie von hier von dem trockenen Land ins Meer trägt.

Der Feuerwehrmann sagt unbeeindruckt: Ausserdem waren doch nur 4 im Wohnwagen.

Der Kommissar konnte sich so lange seinen Bart reiben wie er wollte, aus einem Tatort waren zwei geworden und das heisst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass er jetzt zwei Fälle waren, die er lösen musste, das war mal Fakt. Und er hatte die Befürchtung, wenn er noch länger hier rumstehen würde, dann würden noch weitere Leichen gefunden werden. Und ganz egoistisch und spontan erinnerte er sich an die punischen Kriege, für die er Latein pauken musste, und dachte sich, wenn ich hier noch weiter rumstehe, dann muss ich die auch noch aufklären. Dabei hatten die wirklich an einer ganz anderen Küste stattgefunden, aber auf solche Details scheint es ja überhaupt nicht mehr anzukommen.

Dabei hatte er sich doch für dieses Wochenende mit der Rennbahn verabredetet, mit sich selbst, wie er das so nannte. Das machte er immer, wenn er seine Ruhe haben wollte, und das war öfter der Fall.

Eine Ruhe, die viele andere von uns nicht so geniessen würden, wie er. Eine Ruhe, die darin bestand, waghalsig zu wetten und regelmässig zu verlieren. Aber das Glücksspiel machte es ihm auch leichter, auch im Leben zu verlieren. Und deshalb stellte er überhaupt keinen Zusammenhang zwischen den beiden Vorfällen her. Und deshalb fiel ihm auch nicht auf, wie die blinde Penelope nach ihrem Stock griff, ganz ohne zu tasten.

Und die neue Penelope wusste nicht, wie ihr geschah und spielte ihre Schwester, ohne begriffen zu haben, was ein Sturz von einer Klippe mit einer explodierenden Gasflasche zu tun hat.

Warum Patrizia Penelope weiter spielte? Das kann ich nur vermuten, vielleicht wollte sie auf diese Art noch wenigstens mit ihrer Schwester zusammen sein. Und vielleicht war der Schock so gross, dass sie gar nicht wusste, dass sie spielte. Vielleicht hatte sie tatsächlich das Gefühl, blind zu sein. Jedenfalls eins ist klar, wenn man sie befragt hätte, damals, dann hätte sie Hinweise auf den Mord an der Steilküste geben können, was dort aber wirklich geschehen ist, dafür wird die neue Penelope eine sehr lange Zeit brauchen, um das herauszufinden.

Obwohl ihr der junge Witwer noch mal eine Chance gegeben hat, den Arm zu heben und „Mörder“ zu sagen, als er ihr auf der Polizeistation begenete, um die traurige Nachricht über den Tod seiner Frau zu erfahren. Aber das Einzige was geschah, war die Reaktion einer Polizistin: Passen sie doch auf! Sehen sie nicht, dass die Kleine blind ist.

Und vielleicht hat er da gesagt: Ich habe eben erfahren, dass ich meine Frau verloren habe.

Zuzutrauen, wäre ihm das. Denn er ist ein Typ, der nicht nachlässt. Ein Typ, der schlau genug ist, dass er weiss, wenn man sich um die Dinge nicht kümmert, dann holen sie dich ein. Ein Typ, der weiss, dass Mord nicht verjährt. Er ist ein Typ, der nicht locker lässt, wenn er es gesehen hätte, die Art, wie die neue Penelope nach dem Stock ihrer toten Schwester gegriffen hat, diese Auge Hand Koordination, dieser typische Kontrollblick, etwas in ihm hätte auf der Erinnerung so lange rumgekaut, und wenn es Jahre gedauert hätte, oder sogar Jahrzehnte, bis er gewusst hätte, was an diesem Bild, dieser Erinnerung, nicht gestimmt hat.



Penelopes Adoption

Penelope ist ein blindes Waisenkind. Normalerweise haben es Kinder mit Behinderung schwer Adoptiveltern zu bekommen. Aber die blonden Locken von Penelope und ihre strahlende Schönheit führen zu einer Art inoffiziellem Bieterwettstreit. Mehre Behördenmitarbeiter des Jugendamtes „haben da jemand, wo das arme Ding gut aufgehoben wäre“ der Sieger dieses Wettstreits ist ein Pfarrer einer evangelischen Freikirche und seine Familie. Und wie sich zeigen wird, hat sich die Investition in Penelope gelohnt, denn sie singt auch noch wundervoll und bald füllt sich die Kirche, um den blinden Engel zu hören und zu sehen. Der Pfarrer und seine Frau sind bemüht alles richtig zu machen und Penelope keine Sonderbehandlung zu geben. Von den anderen Kindern, die von der Ergriffenheit, die ihre Eltern immer wieder packt und die noch nicht einmal gespielt ist, leicht genervt sind, wird Penelope nicht unfreundlich behandelt, aber doch mit einer Art ehrfürchtigem Neid. Bis auf den 13 jährigen Joshua, der sich gerne als Yoshi bezeichnet, und sich ganz entgegen seinem jugendlichen Alter herzlich um die junge Penelope kümmert. Über Joshua muss man wissen, dass er eins hat, das ist eine stoische Ausdauer. Jeder andere würde sich nicht um seine kleine Schwester kümmern, wenn ihm seine Mutter wohlwollend als Belohnung für seine Aufopferung die Hand auf den Kopf legen würde. Es hat ihn einige Mühe gekostet ihr das abzugewöhnen indem er die Kleine neckt: Nun gib doch zu, ein bisschen kannst Du schon sehen.

Wodurch es zu einem Familendrama in drei Aufzügen kam, so nennt das Yoshi selber. Aber Yoshi hat Ausdauer und so gelingt es ihm bald den Finger Trick mit Penelope aufzuführen. Sie soll sagen wieviel Finger sie sieht.

Geduldig und mutig taucht Yoshi durch die Welle der Empörung seiner Eltern um dann zu entgegnen: Und was ist wenn Gott an ihr ein Wunder vollbringt, und wir sind so ignorant und kriegen es nicht mit?

Mutter: Ignorant, woher hast Du dieses Wort?

Da zeigt Yoshi Zeigefinger und Daumen und Penelope sagt: Mit einer oder zwei Händen.

Yoshi: Mit einer.

Yoshi streckt zusätzlich den Mittelfinger aus (eine kleine Provokation) und fährt dann den Daumen ein, ein Victory Zeichen ist entstanden.

Penelope: 2 Finger.

Und noch einmal rollt eine Welle der Empörung über Yoshi hinweg wegen dem billigen Trick.

Als auch die abgeebbt ist sagt er: Ihr glaubt uns nicht. Man gebe mir eine beliebige Münze und es gilt die letzte Zahl vom Jahr.

Der Vater korrigiert: Die letzte Ziffer.

Vater und Mutter schütteln den Kopf, aber Yoshis Schwester rückt eine Münze raus: Die kriege ich aber wieder.

Penelope sagt: Also mit zwei Händen.

Yoshi nickt anerkennend aufgrund der mitdenkenden Bemerkung einer 7jährigen und so langsam ist das Interesse der Eltern geweckt.

Yoshi zeigt 7 Finger und Penelope sagt: 7

Verhaltenes Erstaunen macht sich breit.

Die Schwester will auch mit machen und hält beide Hände voll ausgestreckt hoch und sagt: Wieviele Finger?

Penelope: 10

Da schlagen bei dem Pfarrer die Sensoren für Götzenspiel an und er verbietet weiteres Fingerraten.

Yoshi kann Pele, wie er Penelope abkürzt, dazu überreden ihr Manager zu sein: Wenn Du es hier schaffst, bei diesem Publikum, dann schaffst Du es überall.

Pele: Was denn? Was schaffe ich denn Yoshi?

Um folgendes zu verstehen muss man wissen, dass Yoshis Weihnachtswunschzettel für das Christkind schon seit langem von einem BMX Fahrrad angeführt wird.

Yoshi: … dir ein BMX Fahrrad zu wünschen.

Pele: Darf ich denn Fahrrad fahren?

Yoshi: Wenn ich aufpasse…

Pele: Ich bekomme nie ein Fahrrad.



Yoshi: Nur weil Du kein Fahrrad malen kannst.

Pele lacht: Du spinnst doch!

Yoshi: Ich zeig es dir, was wir brauchen ist, äh warte mal, dieser Karton und dieser Kugelschreiber, der hier schon ewig rumliegt, und wo man sich immer wieder wundert, dass er nicht schreibt. So ... dann ritzt Du zwei Kreise rein und einen Sattel, der sieht so aus, und einen Lenker, der sieht so aus.

Yoshi reicht Pele das Ritzbild und sie tastet es ab.

Es dauert eine Weile und einige Kartons bis das Fahrrad perfekt ist. Dann sagt er Pele noch, dass sie aber darauf bestehen soll, dass es ein BMX Fahrrad ist.

Pele nickt (dieses spezielle Nicken hat ihr Yoshi beigebracht) und will rausgehen zu ihrem Vater in die Sakristei.

Yoshi: Wo gehst Du denn hin? Du kannst nicht einfach sagen, ich will ein Fahrrad, das muss geplant sein, das ist ein richtiger Auftritt.

Pele: In drei Aufzügen?

Yoshi nickt und als es ihm das auffällt sagt er: Ich habe genickt.

Pele geht raus: Ich weiss.





Wie es zu dem Auftritt gekommen ist, und ob sich das Yoshi ausgedacht hat, oder ob es allein von Pele ausgeht, die sich durch das Auftreten von Yoshis erster Freundin etwas vernachlässigt fühlt … es ist ungewiss.



Als der Sonntags Gottesdienst mit einem kleinen Lied des Familienchors eröffnet werden soll tritt Pele vor und sagt: Ich habe etwas geträumt.

Sofort hat sie die Aufmerksamkeit der ganzen Kirchengemeinde, die nur auf ein Wunder gewartet zu haben scheint und so fragt der Vater nach einem kurzen Blick auf die Gemeinde notgedrungen: Was hast Du denn geträumt?

Und als Pele ihrem Vater den kleinen Karton überreicht, kommt es zu einem Missgeschick und er segelt ins Publikum und landet gerade bei der eifrigsten Kirchgängerin, bei der sich beim Preisen des Herrn ein Spuckefaden bildet, den auch Pele faszinierend findet, weil er ihr von Yoshi eingehend und anschaulich unter Zuhilfenahme von nicht ganz ausgehärteten Wackelpudding erklärt hat.

Mit Hingabe widmet sich Spuckefaden dem göttlichen Karton und ignoriert die ausgestreckte Hand des Pfarrers. Noch ehe er sich versieht ruft sie aus: Es ist ein Fahrrad!

Kaum erklingt das in der Kirche, schon quellen die ersten Tränen der Ergriffenheit und eine improvisierte Kollekte macht die Runde für ein Fahrrad für Penelope.

Das Ganze ist nicht weit von einem echten Wunder entfernt, denn am Ende reicht es nicht nur für ein BMX Fahrrad für Yoshi, sondern für neue Fahrräder für die ganze Familie.



Als dieses Spektakel in drei Aufzügen zu Ende ist, schiesst der Vater einen tadelnden Blick auf Joshua ab, der sich vorsorglich durch eine dicke Sonnenbrille geschützt hat.

Den Blick des Gatten bemerkend flüstert seine Frau ihm zu: Yoshi hat Bindehautentzündung.



Apropos Bindehautentzündung: Es gibt Menschen, die verdorren, wenn sie nicht die Bewunderung der anderen erfahren, und manchmal hat man das Gefühl, dass dies eine Volkskrankheit ist. Dann gibt es aber noch diejenigen, die mit der Bewunderung überhaupt nichts anfangen können. Pele konnte keinen Raum betreten oder verlassen ohne dass es zu einem unfreiwilligen Auftritt wurde. Und manchmal gibt es die Gnade für solche Menschen, dass sie mit zunehmenden Alter sich vom Kindchenschema fortentwickeln, aber Penelope hatte immer noch diese bezaubernde Stupsnase.

Und ich weiss wirklich nicht, woran es genau gelegen hat, an der Blindengerechten Version des Exzorzisten von ihrem Bruder oder einfach daran, dass Peles Vater eine Erkältung hatte oder vielleicht hatte sie sich auch nur vorgestellt, wie es ist in die dunkle Welt hinaus zu treten um sich mal einen von diesen Bewunderern zu schnappen, einer sollte dafür bezahlen. Und so schritt sie durch eine Ansammlung hindurch, die sich vor der Kirche gebildet hatte, und die zu einem Teil des Vergnügens des Publikums gehörte, wenn der Engel durch sie hindurchschritt und sie Platz für ihn machen mussten … aber diesmal blieb sie in der Mitte der Menge stehen … wartete ab, bis es mucksmäuschen still war und sagte: Jemand hat eine schwere Sünde auf sich geladen.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schritt sie durch die Menge, die murmelte: Was hat sie gesagt? … Wer soll es sein? …

Ich weiss nicht genau, wie sie das anstellte, ob sie sich vielleicht am Duft von Rasierwasser orientierte, oder an der von den warmen Körpern aufsteigenden Wärme an diesem frostigen Wintertag, sie stiess mit niemand zusammen und es gelang ihr sogar sich einen aus der Menge auszusuchen, ihn mit ihren Blinden Augen zu fokussieren und auf ihn zu zeigen und zu sagen: Du? Bist Du es wirklich? Was hast Du nur getan?

Dann wandte sie sich mit einer Drehung ihres Körpers nach links, und einer Drehung nach rechts an die versteinerten Kirchgänger und sagte nickend: Ich habe ihm vergeben und ihr werdet es auch tun.



Und auch wenn der Vater das Gespräch mit ihr suchte, auch wenn er es nicht gelten liess, dass jeder ein Sünder ist, er konnte seine Tochter nicht bremsen. Und so musste er sich damit abfinden, dass einige Menschen der Kirche fernblieben. Was ihn hingegen wunderte, dass sich andere Menschen, vor allen Dingen junge schwarz gekleidete Menschen von seiner Tochter angezogen fühlten und wenn es auch nur aus einem Grund war, ihr zu sagen: Mir kannst Du nicht vergeben, niemals.

Oder sie brachten eine Abwandlung des Truffaut Zitats: In der Jugend vergibt Dir niemand.



Auch wenn diese Wandlung seiner Tochter die Besucherzahl noch ein klein wenig steigerte, es waren jetzt andere Leute die kamen. Viele betraten noch nicht einmal die Kirche, sondern warteten nur auf Peles Auftritt. Und es kam zu einem weiteren Wunder, was eigentlich kein echtes Wunder war, weil es viel zu oft geschah, auch wenn niemand wusste, wie es geschehen konnte. Wenn Yoshi nicht verschwunden wäre, dann wäre es noch aufzuhalten gewesen, aber so zerbrach die ganze Familie, als hätten sie nicht nur den Glauben an Gott, sondern auch den Glauben an sich selbst verloren.

Finden und gefunden werden

Pele spricht nicht gerne über das, wo sie vorher war und wenn, sagt sie Sachen, die niemand richtig versteht, wie: Die haben mich immer gefunden.

Es kann sein, dass das eine gute Sache ist, wenn man blind ist, und gefunden wird, aber Yoshi hat auf dem Satz „Die haben mich immer gefunden“ so lange herumgekaut, was eine Spezialität von Yoshi ist, bis daraus etwas ganz anderes wurde. Vielleicht hat er es auch getan, weil er selbst nicht schlau aus Penelope geworden ist.

Viele Jahre später hat Pele Yoshi mal gefragt, ob die Leute alle komisch zu ihr sind.

Yoshi: Yep!

Pele: Und warum.

Yoshi: Du siehst wirklich wie ein Engel aus. Aber auch wieder nicht.

Pele: Und das heisst?

Yoshi: Die Leute müssen sich erst an diesen Blindending gewöhnen.

Pele: Bin ich denn die einzige Blinde?

Yoshi: Nein, aber es ist komisch.

Pele: Warum, nun erzähl schon.

Yoshi: Das verstehst Du noch nicht.

Pele haut Yoshi zielgenau auf den Bizeps.

Yoshi: Mensch ich erzähl ja schon, es ist so ein Pop Ding und hat mit Godzilla zu tun.

Pele: Der mit dem Feuerstrahl aus den Augen.

Yoshi: Siehst Du, das meine ich.

Pele: Das verstehe ich nicht.

Yoshi: Godzilla ist auf eine Art ebenso eine Prinzessin wie Du.

Pele ist erstaunt: Er sieht gut aus.

Yoshi: Gut? Er sieht phantastisch aus.

Pele: Und er hat Laser Augen.

Yoshi nickt: Hm.

Pele haut noch mal auf Yoshis Oberarm: Und was heisst das jetzt?

Yoshi: Irgendetwas wird es schon bedeuten.

Pele: Bin ich wie Godzilla?

Yoshi: Hm

Pele haut immer wieder auf Yoshi: Du bist so ein Spinner, was hat das zu bedeuten?

Yoshi: Ah, das tut gut, ich steh auf Shiatsu, klopf auch noch weiter hier oben, ja genau, da zwischen meiner Schulter.









Sag mir, was ist das für eine Welt, wo Du nichts entdecken kannst, was andere schon gefunden haben. Eine Welt in der es jedem gelingt dich zu finden, weil Du das Klappern von deinem Stock brauchst, um überhaupt zu wissen, wo Du bist.

Bevor sie adoptiert wurde, hat sie immer jeder gefunden und sie wollte niemand finden. Mit Yoshi ist es anders, plötzlich gab es jemand, den sie finden wollte. Das erste Mal in ihrem Leben.

Yoshi verarscht sie immer mit ihrer Blindheit, er spielt einen gehörnten Ehemann, der einen Detektivin sucht, der Beweise finden will, für die Treue seiner Frau, aber in Wirklichkeit glaubt, dass sie rummacht, und irgendetwas sagt ihm, dass Pele nicht wirklich geeignet ist.

Pele entgegnet dann, dass wenn er sie als Detektivin engagiert, dann kann er ganz sicher sein, dass sie herausfinden wird, dass seine Frau treu ist.

Er macht sich einen Spass daraus mit ihr blind mit einer selbstgemachten Zwille auf Einmachgläser schiessen zu üben und gibt ihr die Schadensmeldungen flüsternd durch.

Aber das ist noch nicht alles, er muss eine gute Stunde in der Spielzeugkiste wühlen, dann hat er in paar kleine Glöckchen gefunden. Und wenn Yoshi diese Art hat, wenn er sich etwas wirklich vorgenommen hat, dann bekommt er es auch hin. Sein Vater brütet in der Sakristei über irgendeiner Abrechnung: Eigentlich ein Grund gleich wieder umzukehren, denn das ist kein guter Moment ihn um etwas zu bitten. Aber Yoshi bekommt es hin: Kannst Du dir vorstellen, wie unangenehm es ist, wenn sich alle an dich anschleichen können. Einer Katze bindet man doch auch ein kleines Glöckchen um den Hals damit der Dompfaff auch eine Chance hat!

Der Vater streckt nur genervt die Hand aus: Gib es schon her.

Yoshi: Du muss es um das Handgelenk machen, ich habe es an einem Freundschaftsband befestigt.

Wenn der Vater ganz ehrlich wäre, was bei seinem Beruf ja nicht immer so leicht ist, dann wäre er stolz auf Yoshi, wie es seinem Sohn gelingt, mit Menschen umzugehen, ganz im Gegensatz zu seiner eigenen holzigen Art.

Und so ist die Familie mit Glöckchen ausgerüstet, die vergessen sie zwar auch manchmal zu tragen, aber es ist doch mal ein Anfang.

Pele die Geheimdetektivin

Yoshi verkleidet Pele mit Sonnenbrille und einer Weihnachtsmannmaske und miemt den Engländer: Nehmen sie es mir nicht übel alter Knabe, aber ich habe doch das Gefühl, sie irgendwo schon einmal gesehen zu haben. Ja, nehmen sie es mir nicht krumm, wenn ich so vertraulich bin, aber es könnte sich um eine Bekanntschaft aus vergangen Tagen handeln, aus glücklichen Zeiten sozusagen, klingelt es da bei Ihnen alter Knabe? Nun ja, trotz dieses guten Gefühls, was sie ausstrahlen, gibt es da doch etwas, was mich an ihrer Qualifikation als Geheimdetektiv, nun sagen wir mal, zweifeln lässt, wenn ich nur wüsste was es ist, aber bitte verzeihen sie mir, dass ich ihnen nicht näher Auskunft geben kann. Bitte regen sie sich nicht auf alter Knabe, es ist kein ernster Zweifel, kein Makel, nur so etwas wie ein Stein im Schuh. Nein, kein grosser Stein, alter Knabe, nur ein klitzekleiner Stein, so klein, dass man ihn kaum spürt, und ihn erst nach dem Tagewerk aus den Pantoffeln schüttelt. Aber trotzdem möchte ich mich doch vergewissern, trotz all dem Zutrauen, dass ich in ihre Qualifikation habe, dass sie eine Schusswaffe führen können. Wenn es ihnen nichts ausmacht, dann zeigen sie mir ihr Können, wie treffsicher ihre Schussabgabe ist.

Yoshi drückt Pele eine Gummiarmbrust in die Hand und sagt: Wenn sie jetzt vielleicht mal schiessen würden, auf das da, das Ding da.

Ihr Vater kommt leise rein, sein Glöckchen festhaltend und Yoshi zeigt auf das Ding, bzw. den Vater: Vielleicht möge das Ding unsere Bemühungen unterstützen durch einen freundlichen KlingelKlang? Nein?

Pele flüstert Yoshi zu: Ich habe gar nichts verstanden äh alter Knabe.

Der Vater steht unschlüssig in der Tür.

Yoshi: Nun denn, spannen sie den Hahn.

Pele flüstert: Gibt es heute Hühnchen?

Yoshi gekünstelt fröhlich: Wirklich köstlich alter Knabe, sehr köstlich. Also wenn das Hühnchen gespannt ist, dann legen sie die Kimme aufs Korn und drücken ab.

Yoshi führt Peles Hand an den Abzugshahn der kleinen Armbrust und zielt auf den schweigenden Vater, Pele drück ab und verfehlt den Kopf des Vaters nur knapp, der verlässt kopfschüttelnd den Raum.

Yoshi ist hocherfreut: Wenn das kein Erfolg ist, sie haben das Ding zwar verfehlt, alter Knabe, aber sich trotzdem Geltung verschafft, weil sich das Ding im Angesicht seiner aussichtslosen Lage, getrollt hat. Der nächste Schuss hätte sicherlich alles Leben aus ihm geblasen, und es auf den Teppich äh äh ...

Die Mutter steckt klingelnd den Kopf durch die Tür und ergänzt: ... expeditiert, alter Knabe.

Yoshi: Danke alter Knabe: Auf den Teppich expediert.

Die Mutter flüstert: Das Essen ist fertig. Und Du alter Knabe erklärst Pele mal, was das für ein Spektakel ist.

Yoshi: Wissen sie alter Knabe, warum unsere Mutter flüstert?

Pele: Gibt es Hühnchen?

Yoshi nimmt ihr die Weihnachtsmannmaske wieder ab: Ich glaube, da liegt der Duft von Erbsensuppe in der Luft.

Pele: Ist das das richtige Essen für Geheimdetektive?

Yoshi: Das ist wirklich keine einfache Frage.

Wolkige Weiten, die Entstehung der Duette

Pele kennt den Weg in den Garten genau, Yoshi hat ihr sogar beigebracht, wie sie die letzten drei Stufen der Treppe nehmen muss, mit einem weiten Sprung über das Geländer in den Abgrund des Treppenhauses hinab, und ihre kleine Schwester hat sich einen Spass daraus gemacht, sich genau dort zusammengekauert zu verstecken, wo Pele durch die Luft fliegt. Yoshi hat ihr das verboten, er hat alle ermahnt für Pele nichts im Treppenhaus liegen zu lassen und auch nicht zu bohnern oder zu wischen, Pele braucht den natürlichen Schmutzfilm zum Bremsen. Aber die kleine Schwester mogelt sich immer wieder auf die Treppe und bisher hat sie sich so klein gemacht, dass nichts geschehen und die Kleine geniesst jeden Flug ihrer blinden Schwester.

Aber als Pele im Garten angekommen ist, da antwortet niemand: Yoshi?

Und Pele will sich schon wieder ins Haus schleichen, da landet etwas wie ein kleiner Flieger auf ihrem Haar. Sie kann einen Lindensamen mit einem Flügel tasten. Nur einen kleinen Moment braucht sie, dann weiss sie wer dort ist, sie kann ihn dort spüren, wo andere Menschen ihren Magen haben. Aber heute ist sie unschlüssig. Denn wenn Yoshi sich die Mühe gemacht hat, die Taschen voller Lindensamen zu stopfen, dann steht eine der Prüfungen an.

Pele: Yoshi, komm schon wo bist Du?

Da hört sie aus der Richtung des Schuppendachs ein Flüstern: In wolkigen Weiten…

Es dauert nicht lange, da ist sie an der Leiter, die nach oben auf das Schuppendach mit Kirschen, die in den Mund wachsen, führt: Soll ich rauf kommen? Bist Du da oben?

Yoshi: Du musst erst antworten!

Pele: Ich dachte Du hast das Gedicht schon heute abgeben müssen.

Diesmal singt Yoshi fast und die Melodie erinnert ein bisschen an die russische Nationalhymne: In wolkigen Weiten …

Pele: Ich habe aber keine Lust.

Yoshi: In wolkigen Weiten …

Pele etwas unwillig: … wachsen die Bohnen.

Yoshi: Das reimt sich ja gar nicht.

Pele: dann eben: wohnen die Bohnen.

Yoshi: In wolkigen Weiten …

Pele: wohnen die Bohnen.

Yoshi: Doch an der Stange …

Pele: Holst Du mich jetzt rauf, ich weiss, dass die Kirschen reif sind!

Yoshi: Doch an der Stange …

Pele: ...da ist ihnen nicht bange.

Yoshi: Das ist gut: Doch an der Stahange, da ist s ihn‘ nicht bahange



Und so ist das sogenannte Gartenlied entstanden, was die beiden einer Schnecke namens George gewidmet haben, die kürzlich friedlich entschlafen ist. George war der letzte seiner Art aus dem Geblüt der Achatinella Apexfulva. Warum alle die Aussterben von den Forschern George genannt werden, und ob das mit dem Drachentöter dem heiligen Georg zu tun hat, das wird woanders beantwortet, jetzt kommt erst mal das Gartenlied.



Das Gartenlied (Für unseren ausgestorbenen Freund den Gartenbewohner George aus dem fernen Hawaii, den letzten aus dem Geblüt der Achatinella Apexfulva)





In wolkigen Weiten wohnen die Bohnen

doch an der Stange da ist ihn‘ nich bange

Schnell in den Schlamm springt da das Lamm

Will nicht enden als Braten zum Wenden

Mit Butter und Bohnen für hungrige Schonen



In wolkigen Weiten, dort will ich reiten

Mit Pferd und Geflügel das ist nicht übel

Komm in den Garten, vergiss nicht den Spaten

(leise gesungen) Schmollende Knollen tief in den Schollen

(geschmettert) Wollen wir wecken, Käfer erschrecken



In wolkigen Weiten, wer will da streiten?

Komm in den Garten mit Mutter und Braten

(leise gesungen) Wohlige Welten wonniger Welpen

(leise gesungen) Schartige Schäfte giftige Säfte

(geschmettert) Hör auf zu warten und komm in den Garten



Unter wolkigen Weiten, wer will das bestreiten

Wo Apfel und Birne sind dir Gestirne

Wolken musst melken, wenn Rosen verwelken

Auch Würmer, Sie wühlen im Regen dem kühlen

Die Herde in Erde mit Atzung aus merde



Regen bringt Segen, Sonne bringt Wonne

Gewitter nicht bitter, denn Wicht bist du nicht

Drum schlage den Schnitter heut nicht zum Ritter

In wolkigen Weiten, wer will da streiten

Kommst Du vorbei, legt der Hahn dir ein Ei

Das Mondbett im Wald

Yoshi wollte Penelope mal immer einen richtigen Wald „zeigen“: Es gibt da ein paar Ecken, wo kein Mensch vorbei kommt. Ich habe es mit der Photofalle untersucht. Es sind alles nur Füchse und Rehe. Nichts auf zwei Beinen ist da vorbeigekommen. Der Einzigen, den es da gibt, das ist ein Einsiedler. Und den gibt es bestimmt auch nicht wirklich. Oder er hat feste Einsiedelzeiten und fährt Nachts wieder nach Hause in sein gottverdammtes Townhouse. Echt jetzt, nicht mal Waldarbeiter kommen da hin, denn der Wald steht unter Schutz. Das ist noch ein richtiger Wald, glaub mir. Du darfst die Bäume nicht mal ein ganz klein wenig mit der Motorsäge kitzeln, alles geschützt. Da kommt niemand hin, da kannst Du noch leben, als gäbe es die anderen Idioten nicht. Du darfst nur kein Feuer machen, dann haben sie dich gleich, denn darauf haben sie nur gewartet. Aber das musst Du gar nicht. Ich habe eine Kochkiste gebaut. Die hat so einen grossen Spiegel, da kannst Du noch an einem bedeckten Tag kochen, echt jetzt, und nur mit Sonnenlicht. Und wenn ich noch mehr Spiegel besorge, dann kannst Du sogar mit Mondlicht kochen! Glaubst Du mir das etwa nicht?

Pele: Doch

Yoshi: Oder Du machst aus dem Mondlicht eine Heizung, wie wäre das? Während die anderen am Lagerfeuer frieren. Denn man friert immer von hinten am Lagerfeuer. Vorne ist es viel zu heiß und der Rücken ist arschkalt. Das ist immer so. Du kannst natürlich die Jacke aufmachen, weil Du denkst, dann ist es nicht zu warm von vorne. Stimmt aber nicht. Besonders übel ist es wenn Du Metalldruckknöpfe hast, ja echt, die heizen sich durch das IR Licht vom Lagerfeuer mal so richtig auf, und wenn die dann auf deine Haut kommen, Heidewitzka sage ich. He, hörst Du mir überhaupt zu?

Yoshi hebt den Kopf vom Dach und blickt Pele an die nickt nur und sagt: Heidewitzka

Yoshi: Alles was Du brauchst ist eine gute Isomatte und einen schwarzen Schlafsack und für das Gesicht eine schwarze Sturmhaube und für die Augen natürlich noch irgendeine Augenbinde oder so, weil bestimmt etwas von dem Licht durch die Sturmhaube kommt. Verstehst Du?

Pele: Aber ja doch, ich verstehe das, dann scheint der Mond, der Himmel ist klar...

Yoshi: ...und es friert so richtig, wie in einer Mondnacht im Winter.

Pele: Es knackt so richtig. Aber Du liegst da in deinem wonnewarmen Mondbett.

Yoshi: Du verarscht mich?

Pele: Jetzt hör aber auf, wieso sollte ich denn das tun? Ich will mitkommen, wenn Du noch ein Mondbett frei hast.

Yoshi: Warum ist da noch niemand drauf gekommen? Alle reden davon, was der Mond alles für dich tun kann und so, und welchen Einfluss er auf allen möglichen Quatsch hat, aber …

Pele: … so ein schönes Mondbett hat noch keiner gebaut.

Yoshi: Keiner hat das gemacht.

Pele rückt ein kleines bisschen näher auf Yoshi zu und der sagt: Ich nehme dich mit, versprochen!

Pele sagt leise: Versprochen? Gebrochen! Gekrochen für Wochen

Und dann sagt Pele noch leiser: Wochenlang Knochenkrank

und noch leiser: Wochenlang Knochenschlank

und ganz leise geflüstert: Versprochen? gebrochen? Seit Wochen gerochen!

Yoshi: Was?

Pele rückt noch ein winziges bisschen näher und wendet ihren Mund an Yoshis Ohr und flüstert sehr sehr leise: Nichts.



Der gefälschte Kuss

Als Yoshi sein Abitur in der Tasche hat, will er ausziehen, um zu studieren. Aber seine Eltern überreden ihn mit fadenscheinigen Gründen, doch ein Fernstudium zu beginnen. Und Yoshi stimmt aus ebenso fadenscheinigen Gründen zu, denn so kann er seinen ethnobotanischen Kräutergarten weiter pflegen, der ihn mit allerlei lustigen Kräutern und Pilzen versorgt. Besonders stolz ist er auf eine Zwergzucht von Kanabis Sativa, die aufgrund ihrer Grösse überhaupt nicht auffällt und ganz scheinheilig zwischen einem Salbei wächst, dessen Blütendolden mit den botanisch völlig verschiedenen Kanabis Blüten zum Verwechseln ähnlich sehen. Der Vater hat das bisher immer sabotiert, indem er Teile des Kräuterbeets in einen Kartoffelacker verwandelt hat, aber da hat Yoshi ihm gesagt, dass ihm der HerrGott nur erscheinen würde, mit einer kleinen Hilfe von seinen belaubten und behüteten Freunden. Der Vater wollte, um des Religionsfriedens willens, gar nichts genaueres über Yoshis Freunde wissen und kaufte die Kartoffeln in Zukunft im Supermarkt. Und Yoshi machte später sein Hobby zum Beruf und wechselte zu Pharmazie.

Yoshi hasste es nicht nur, nüchtern seinem Schöpfer entgegenzutreten, er hasste auch alles, was zur Gewohnheit wurde. Jedenfalls war er fest davon überzeugt, dass er das tat. Aber er liebte es auch falsche Vogelstimmen aus dem Urwald zu imitieren und Pele in seinen Garten zu locken und sich während er sie unter den Mangobaum führte (eine Eibe) oder das Mandarinenbäumchen (immer noch die Eibe) oder den mächtigen Mammutbaum (und wieder die Eibe) mit seinen Kräutern und Pilzen zu beschäftigen. Manchmal, im Sommer, wenn sich die Hitze in den Stauden staute und der durstige Boden aufplatzte, dann kam noch ein Wasserfall (Gartenschlauch) dazu, welcher Gletscherwasser aus den Anden in seine hängenden Gärten goss. Dass diese Gärten mal wo ganz anders abhingen, war beiden nicht so wichtig. Zu dem Spiel gehörte es, dass Pele nie mitwollte, dass ihr die Sonne die Haut verbrennen würde, oder dass sie Angst hatte sich am Giftsumach (Brennesseln) zu verbrennen.

Und zu dem Spiel gehörte immer eine kleine Grobheit. Ein unfreiwilliges Bad in dem Wasserfall oder eine unterlassene Warnung, wenn eine Ameise in Peles Kragen kletterte. Wie gesagt, auch wenn Yoshi jede Art von Wiederholungen hasste, landeten sie dann öfter mit zwei alten Luftmatratzen auf dem schrägen ziegelgedeckten SchuppenDach (deshalb die Luftmatratze) des Schuppens, ausnahmsweise unter einem Baum, dessen Früchte man essen konnte und die man zudem noch bequem von Dach erreichen konnte, eine helle köstlich nach Mandeln schmeckende Glaskirsche, die sich bei den von Yoshi veranstalteten Fütterungen für Pele, je nach Jahreszeit, in Zwergäpfel, BaumErdbeeren oder Zitronenbabies (wenn sie unreif waren) verwandelten. Wenn überhaupt keine Saison war, gab es auch mal Eukalyptusbonbons: Weisst Du eigentlich, wie die Früchte von unserem Eukalyptusbaum schmecken? Schade, die gottverdammten Koalas haben wieder alle abgefressen, ich sage Dir, wenn die nicht so niedlich wären ... ach was rede ich da, da ist ja noch eine Eukalypte. Willst Du mal probieren? Die ist schon ganz reif.

Dort oben konnte Yoshi seine Produkte testen, während er wandernden Wolken zusah. Und wenn die Sonne hoch genug stand, dann konnte Pele es genausogut auf der Haut spüren, wenn eine Wolke es wagte, sich an einem sonnigen Apriltag vor die Sonne zu schieben.

Alles war gut, bis Pele über ein eigenartiges Frösteln klagte und näher an Yoshi heranrückte, nicht mal die Sonne, oder seine Jacke konnten den Frost vertreiben, nur seine Körperwärme konnte das Frösteln ein wenig lindern. Erst dachte Yoshi noch an diverse Fieberkrankheiten, die sich paradoxerweise mit Frösteln ankündigen. Aber als dann das Fieber ausblieb und Pele davon erzählte, dass sie eigentlich nicht wirklich verwandt seien, dass das doch nur eine technische Sache wäre, ihre Verwandtschaft, da fielen die Ausflüge in die hängenden Gärten aus.

Und Yoshi nahm Pele erst wieder mit in den Garten, als sie ihm von ihrem Liebeskummer erzählte. Sie wäre angeblich in einen Georg aus ihrer Klasse total verliebt und müsse mal mit ihm darüber sprechen.

Und dann wartete mucksmäuschenstill der Georg eines Tages auf dem Dach, und Yoshi tauschte mit ihm unbemerkt die Plätze und auch der erste Kuss klappte, aber da Georg noch keinen Bart hatte und Pele wusste, wie sich das Gesicht von Yoshi anfühlt, schreckte sie zurück und schleuderte Georg weg, der Mühe hatte, sich auf dem Dach zu halten.

Pele konnte nichts dafür, es war so, als wäre sie wirklich die Hawaiianische Vulkangöttin und hätte einen Ausbruch, den sie selbst nicht beenden konnte. Sie heulte ohne einen Laut aber auch ohne Unterbrechung. Und aus diesem Grund musste sie Yoshi zum Trost wieder in den Urwald entführen und da gestand sie ihm diesmal unter Schluchzen, dass sie doch nichts dafür könnte. Sie würde ihn lieben, da kann man doch nichts für, es ist wie eine Erkältung, nur dass es nicht mehr weg geht.

Als Yoshi sagte „Jede Erkältung verschwindet irgendwann“, da wusste er, dass er einen großen Fehler gemacht hatte. Denn wenn man den Trotz von Pele weckt, bekommt man es mit einer Macht zu tun, die man überhaupt nicht mehr beeinflussen kann, denn jetzt war Pele erst recht entschlossen: Diese Liebe ist eine Infektion, die nie endet, diese Liebe ist wie Herpes. Und wenn sich Herpes so einfach übertragen lässt, dann wollen wir doch mal herausfinden, ob das nicht auch auf die eine oder andere Art mit der Liebe klappt.

Deine [Pause] Freundin / Deine [Pause] Schwester

Wie so üblich bei Yoshi wurden große Veränderungen nicht besonders angekündigt. Über kleine Sachen konnte er endlos reden, wenn die Blätter fahler wurden oder Blüten ausblieben, aber seine Freundin brachte er unangekündigt mit.

Pele sagte: Freut mich deine [Pause] Freundin kennenzulernen.

Die Freundin erwiderte leicht irritiert: Freut mich ebenso dich kennenzulernen.

Pele streckte ihr zur Besiegelung dieser großen Freude die Hand so enthusiastisch entgegen, wobei sie es nicht unterliess, die ausgestreckte Hand der [Pause] Freundin völlig zu verfehlen, dass es nicht wie eine Begrüssung aussah, sondern eher an eine ziemlich ausgefeilte Karate Technik zur Behandlung des Solar Plexus erinnerte.

Als „die [Pause] Freundin“ wieder atmen konnte hatte Pele gespielt gelangweilt den Raum schon lange verlassen.

Also das ist „deine [Pause] Schwester“.

Hm.

Sie sieht dir gar nicht ähnlich.

Zugelaufen.

Zugelaufen?

Adoptiert

Ah, adoptiert (sie reibt sich ganz vorsichtig den Oberbauch), sie sieht einfach umwerfend aus.

Ach

Da hört man aus der Küche: Hier hat jemand was umgekippt, der Boden ist ganz klebrig, kann nicht mal einer kommen, das aufwischen?



Da machte „die [Pause] Freundin“ die weitsichtige Bemerkung: Geh schnell hin, wer weiss, was da los ist!

In der Küche fand sich eine grosse Blutlache. Pele sass seelenruhig am Küchentisch und in einem von ihren blossen Füssen steckte etwas, was wie der Boden einer zerbrochenen Flasche aussah, während sie seelenruhig ein Toastbrot mit einer Scheibe Käse ass, wo das Papier noch dran war und mit dem unverletzten Fuss in der Blutlache patschte, wie ein Kleinkind in einer regenfrischen Pfütze.

Der Freundin wurde übel und Yoshi war ganz erstaunt, wie das Pele so schnell hinbekommen hatte: Die Scherbe, das Toastbrot und dann die Menge Blut. In diesem Moment kippte Yoshi um, ohne jede Vorwarnung, so wie es seine Art war. Es ist nicht so, dass er nicht mutig wäre, nicht in brennende Häuser rennen könnte, nicht in schwindelnde Höhen klettern, nicht mit ausgewachsenen Kodiakbären tanzen könnte, aber Blut von jemand, der ihm sehr nahe stand, das war eine andere Sache.

Das machte die Freundin sauer: Ihr verdammten Spinner! Du bleibst da jetzt sitzen, Du rührst dich nicht mehr und sagst mir nur wo das Verbandszeug ist. Und Du (sie packte Yoshi am Rücken und drehte ihn auf dem Boden um, dass er nicht mehr in Richtung Blutlache starren konnte) Du siehst gegen die schöne WEISSE Wand.

Und ich werde jetzt Brüderchen und Schwesterchen verbinden, dann werde ich durch diese Tür da gehen, und nie wieder kommen.



Das funktionierte natürlich nicht so einfach. Pele wollte es nicht zulassen, dass die Freundin, die übrigens Greta hiess, geht: Ich möchte nicht, dass ihr denkt, dass ich nicht will, dass ihr glücklich seid.

Greta: Aber wir müssen nicht unbedingt zusammen glücklich sein, oder? Es reicht auch, wenn wir getrennt, also jeder für sich glücklich ist.

Pele: So wie ich auch.

Greta: Verstehe, so wie du.



Wie sich herausstellte studierte Greta an einer Kunsthochschule und so sprachen sie erst über blinde Photomodelle und was für eine nette Geschichte es wäre, wenn ein blindes Photomodell werben würde. Das würde den Käuferinnen schmeicheln, die es nicht ertragen können, dass jemand das gleiche Kleid hat, wie sie.

Ein blindes Photomodell muss lernen, wie es die Mimik verändert, das wollte die Freundin Pele beibringen, und damit ist Greta dann auch bekannt geworden, besonders mit ihrem Gerät, was durch Ableitungen der Gesichtsmuskulatur auch Blinden ermöglicht ihren Ausdruck zu trainieren.



Aber das war nicht die wirklich wichtige Geschichte, die erzählte sie beiläufig, ob es nicht möglich wäre, eine Art Spot für den Klimaschutz zu machen, einen Kurzfilm vielleicht, dem man es nicht gleich ansieht, dass er an uns appellieren will, so wie Casablanca, ein richtig guter Propaganda Film, aber nicht gegen die Nazis, sonder für Klimaschutz.

Greta erzählte von den Filmen und der PR die in Amerika zur Feier des Fortschritts in den 30er Jahren und danach produziert wurden, und wie erfolgreich die waren, und sie fragte sich, ob man nicht das Gleiche machen müsste um das Klima zu schützen, schliesslich hat es schon einmal funktioniert, und jetzt müsste man doch nur die Laufrichtung wechseln.

Vielleicht liegt es an der Blindengerechten Simultan Vertonung die Yoshi erfunden hatte, um mit Pele einen Film zu sehen … Pele war fasziniert von so einem Film. Wie etwas, was sie nicht einmal sehen konnte, die Menschen zur Umkehr bringen sollte, genauso wie es damals mit dem Konsum gelungen ist, das fand Pele total spannend. Und sofort kam sie mit Beispielen aus dem gemeinsamen Kinoprogramm und der Film sollte heissen: Indianer Jörg und der Terror des Todes.





Indianer Jörg und der Terror des Todes

Yoshi, Pele und Greta (!) liegen auf dem Schuppendach unter dem Kirschbaum und wollen eine Geschichte schreiben, damit man daraus einen schönen Hollywoodfilm macht als Gebrauchsanweisung für die Rettung der Welt. Denn das war Gretas Aufgabe in der Filmhochschule. Dort hatte ihr der Prof gesagt: Wenn sie glauben, dass Film dazu da ist Propaganda zu machen, warum erlösen sie uns nicht von unserer unvollkommenen Welt und machen einen Film, um die Welt zu retten? Pele war da ein wenig misstrauisch, ob das mit dem Prof wirklich so abgelaufen war, oder ob das nur ein Vorwand von Greta war, Pele um Hilfe zu bitten. Denn wieso sollte eine Blinde gerade den Film machen, um die Welt zu retten? Greta hatte darauf natürlich eine Antwort: Weil die Welt auch blind ist. Wir wollen es nicht wahrhaben, dass wir wirklich auf den Abgrund zusteuern. Und ob das nun ein Trick war oder nicht: Tatsache war, da lag Pele nun auf dem Schuppendach unter dem Kirschbaum eingerahmt von Yoshi, der immer wieder ungemein geschickt auswich und Greta, die Pele immer wieder ganz aus versehen zu fassen bekam. Greta versuchte es mit Humor und erzählte die Geschichte von den zwei Blinden die einen Elefant beschreiben sollten und der eine sagt, dass der Elefant eine Schlange ist und was der andere Blinde sagt, das habe ich vergessen, ist auch nicht so wichtig. Wichtig ist, was Penelope antwortete als Yoshi sie fragte: Und was hast Du ertastet?

Pele: Eine Milchbar.

Greta versuchte schlagfertig zu sein, aber ihr fiel eine quältende Stille nichts ein, dann korrigierte sie lahm: Eine Milchbar die sprechen kann.

Und Yoshi sagte: Und wenn man von Hollywood eins lernen kann, dann das, wir Menschen brauchen zwingend Monster um gerettet zu werden. Wir können zwar nicht den Klimawandel aufhalten, aber wir können ein Monster platt machen, und wenn das Monster rein zufällig damit gedroht hat unser Klima kaputt zu machen, dann haben wir auch das Klima gerettet.

Diesmal war Yoshi so darauf bedacht Applaus für seine kluge Bemerkung zu bekommen, dass er sich von Penelope mit einer ausholenden Armbewegung fangen liess. Und diesmal versuchte er, um Pele mit Greta zu versöhnen, nicht sich ihrer Umarmung zu entziehen.

Yoshi: Dich rufe ich, den Wettergott, der Einzige, der du bist, auch wenn deine Namen viele sind, dich rufe ich Taru Thor Iskur Hadad Ra Ba‘al, erwache mein Freund und Gebieter, um unseren Durst zu stillen, unsere Felder zu begrünen und unsere Fässer zu füllen. Denn ist es nicht dein Atem namens Isegrimm, der uns kühlt wenn es heiß ist. Denn ist es nicht dein Atem Kalorius, der uns wärmt, wenn Flocken fallen. Und trocknet nicht dein Atem Sachhel unsere Wäsche auf der Leine? Und haben wir noch einen vergessen?

Pele: Und spendet nicht dein feuchter Atem Fungifurz das Leben in unseren Wäldern und Feldern.

Yoshi flüstert: Du hast den Wettergott beleidigt, Fungifuzr ist der wahre Name des feuchten Atems: Fungi f u z r!

Pele: Verzeih mir, der in dessen Adern die grossen Flüsse der Erde fliessen.

Yoshi: Verzeih ihr, der, der der Trockenheit die Feuchte schenkt.

Pele: Der der der Kühle die Wärme schenkt.

Yoshi: Und auch anders herum.

Pele: Du, der sich verpuppen kann auf der Erde, um aufzusteigen nach einer Woche, als größter Silberfisch der jemals gesehen, wirst Du die JetStröme neu lenken.



Yoshi: Aber auch die Menschen müssen etwas tun, sonst funktioniert es nicht. Sie müssen einen verführerischen Ring in den Vulkan werfen, oder das siebte Siegel lösen, so etwas in der Art.

Pele: Wie wäre es mit einem Schlüssel oder einem Zauberbuch?

Yoshi: Ach das hatten wir doch schon alles, es muss etwas neues sein.

Pele: Das neuste i-Phone. Das wäre mal ein wirkliches Opfer. Den Ring den kann jeder in den Vulkan werfen, das ist einfach, aber nicht das neuste i-Phone?

Yoshi: Ein frisch geschlüpftes i-Phone, das kann niemand in den Vulkan werfen, das ist unmöglich, das bringt keiner fertig, besonders wenn noch Reste von dem Cellophan an ihm hängen. Wir brauchen etwas anderes, ein Symbol für unser Totalversagen: wie wäre es mit einen Klopömpel.

Pele: Was ist das?

Es entbrennt eine lange Diskussion in der es darum geht, ob man diesen Film als Verarschung oder als Ernst aufziehen soll in der sich Greta schliesslich durchsetzt: Es wäre schön, wenn wir unsere Probleme mal auf diese Art sehen könnten. Es lacht doch auch niemand über Frodo und Gollum, wenn sie vom Ring fasziniert sind, wir brauchen keinen Klopömpel, wir brauchen etwas, was der Wettergott wirklich gebrauchen könnte, so wie ein Samen von Igdrasil, der Weltesche.

Pele: O.K. aber nachdem die Welt per Klimagott und Weltesche gerettet wird, da brauchen wir noch etwas anderes.

Greta: Dann kann meinetwegen ein Gott der Trickser kommen, ein Verführer und die Aufgabe von uns wird es sein, den Gott der Verführer zu verführen, damit er uns heraushilft.

Penelope das Modell

Vielleicht war das der Grund warum Penelope eingewilligt hat bei Gretas Projekt mit dem Blinden Modell mitzuspielen.

Da gab es dieses Bild mit einem viel zu kurzen Tank Top, dass so locker hängt, dass man von der Seite ihre Brust sehen könnte, mit einer ausgefransten total kurzen Jeans und eine schweren schwarzen Sonnenbrille auf Penelopes Gesicht, sie hält den Blindenstock wie eine Harpune in der Hand, an der Spitze ist ein grobes Messer mit Bast fest gezurrt und sie steht auf einem Auslegerbot und neben dem Boot schwimmt ein eleganter Riffhai.

Dann gibt es die Photostrecke mit der aktuellen Kollektion einer bekannten französischen Modemarke.

Und auf jedem Bild steht: Und was tut ihr für mich?

Und jedes Mal sieht Penelope umwerfend aus.

Aber das Training dazu laugt sie aus. Penelope muss Elektroden auf jedem Muskel ihres Gesichts tragen, und sie muss den richtigen Ausdruck finden für Szenen die ihr Greta zuruft. Auch wenn die Mimik teilweise angeboren ist, sie bildet sich erst dann ganz fein heraus, wenn man einen menschlichen Spiegel hat.

Und obwohl das Projekt unheimlich erfolgreich ist, dauert es nicht lange, da kann es Penelope einfach nicht mehr aushalten und schmeisst alles hin.

Verschwinden in Zeitlupe Teil 1

Alles sah so aus, als ob Penelope ein Teil von Yoshis und Gretas Welt geblieben war. Hatten sie nicht Penelope zu einem blinden Modell gemacht? Sprachen sie nicht über den Film, der die Welt retten soll?



Was wirklich geschehen ist, darüber kann ich nur spekulieren. Ich könnte mir vorstellen, dass Yoshi genug davon hatte, die ganze Familie zusammen zu halten. Genug von seinem fanatischen Vater und auch genug von der Anhänglichkeit von Penelope. Ich könnte mir vorstellen, dass er irgendwann, als er mit Greta auf einem Kopfkissen lag, gesagt hat: Lass uns hier verschwinden.



Wie sich Yoshi von dem Geld für den Film ein Auto gekauft hat… und wie Penelope dessen Motor gehasst hat, sein komisches Röhren, mit dem er einen Stier nachmachen wollte. Überall war auf einmal Geld. Penelope fragt sich, was falsch ist an Porree mit Kartoffelbrei und Spiegelei und warum man etwas isst, was Gräten hat, wenn es doch so viele Dinge ohne Gräten gibt. Oder warum muss man etwas essen, was in einem Panzer steckt. Warum muss man es aus dem Panzer herausbrechen? Dann ist doch alles zerstört.

Und wie Penelope sich geweigert hat etwas anderes als Haferbrei zum Frühstück zu essen, so wie immer. Haferbrei mit einem versteckten Stück Kandis drin.



Und dann in dem Spa, also einer Art Badeanstalt, als Greta ihr neues Kleid hatte, und alle über die schönen Blumenmuster gesprochen haben, da hat sich Penelope ausgezogen. Wie findet ihr mein Kleid? Und wieder war es Greta, die gesagt hat: Du bist wunderschön, das wussten wir, zieh dich wieder an.

Und wie sie dann Ärger mit der Security bekommen haben und wie Yoshi ihn angeschrien hat: Sehen sie nicht, dass sie blind ist, woher soll sie wissen, dass sie nackt ist, sie weiss noch nicht mal wie sie aussieht. Soll sie sich für uns anziehen? Können wir das von ihr verlangen?

Und „Spinner“ konnte der Typ in seinem billigen schwarzen Anzug noch sagen und Yoshi hat mit „Faschist“ geantwortet. Und er durfte nichts erwiedern, weil das zum Service dazu gehört, dass man ihn beschimpfen kann, das ist alles inklusive.

Und dann haben sie für Pele ihr einfaches Essen gekocht. Und sie haben sie immer wieder gefragt: Warum isst Du so was? Und Penelope hat geantwortet: Mit Lauch, Kartoffelbrei und Spiegelei hat man mehr Ausdauer.

Und Greta, die sich am meisten für Pele interessiert hat, hat gefragt: Wie meinst Du das? Warum isst Du kein Steak für die Ausdauer?

Und als Pele nicht geantwortet hat, das hat sie öfter gemacht, einfach nicht geantwortet, so getan, als ob sie nicht da wäre, da hat Yoshi geantwortet: Du brauchst nur einen kleinen Acker. Da läuft dein Huhn, dass frisst die Kartoffelkäfer, den Lauch rührt es nicht an. Und dann hast Du alles, was Du brauchst: Ein Ei, Lauch und Kartoffeln.

Greta: Und woher nimmst Du die Butter?

Yoshi: Und die Muskatnuss für den Kartoffelbrei.

Greta: Und das Salz?

Penelope: Ich frage jemand, ob er mir das gibt.

Während sie das sagt läuft ihr eine Träne über die Wange und Greta ist über sich selbst überrascht, als sie Penelope die Träne wegküsst. Die lässt es geschehen.

Greta: Es wird immer gesalzene Butter und Muskatnuss für dich da sein.

Penelope nickt.



Und dann wollte Yoshi mit Penelope noch mal auf das Schuppendach und sie hat nur gesagt: Verpiss Dich.



Und sogar Peles Stiefvater, der jetzt immer auf biblischen Vortragsreisen war, hat es versucht, hat versucht mit seiner Tochter zu sprechen. Ein Privileg, das nicht viele in der Familie hatten. Nicht mal mit Yoshi hat er gesprochen, wenn man die Bibelthemen abzieht. Und Pele hat ihn auf ihre Art zum Teufel geschickt und nur von ihrem heissen Verlangen gesprochen. Dann hatte sie aber Mitleid mit ihrem Adoptivvater und gesagt: Ich spreche mit Yoshi darüber.

Und der Adoptivvater hat geantwortet: Oder mit deiner Mutter, besser mit deiner Mutter, weil, weisst Du? Ach Du weisst schon!

Penelope: Ja, ich weiss schon.

Verschwinden in Zeitlupe Teile 2

Zuerst hat sich Pele noch unglaublich geärgert, wenn sie den neuen Wagen von Yoshi mit dem Stiermotor gehört hat. Aber kaum hat sie sich daran gewöhnt sich darüber aufzuregen, schon wurde es immer seltener, und schliesslich war Yoshi nur noch über das Telefon zu erreichen.

Wenn sie ihn einmal anrief, dann ärgerte sie sich darüber, dass er sofort abnahm, sich immer lustige Namen für Pele ausdachte „Wie geht es dem Vulkan“ oder „Penelope wann hast Du endlich deinen Teppich ferstig“, aber diese Witze waren eher auf dem Niveau, wie sie ein Geschäftsfreund gebrauchen würde, um das Eis zu brechen. Bei Penelope lief dieser Eisbrecher sofort auf Grund. Aber als sie noch überlegte, das nächste mal doch nicht ganz so abweisend zu sein, da konnte sie ihn das nächste Mal schon nicht erreichen.

Und dann hatte er sich ganz zurück gezogen, wollte schreiben, sein neues Projekt und hat seine Funke permanent aus. Aber diesmal funktionierte nur noch der Postweg. Und wieder ärgerte sie sich über seinen Brief, ganz im Ton des grossen beschäftigten Bruder, der sich Sorgen macht. Schon als sie den Brief in den Händen fühlte, in dem davon die Rede war, dass Yoshi vor Ort, also in Los Angeles, nützlicher sein würde, da wusste sie, er war schon fort.



Das Einzige was Penelope noch blieb, das war die Erinnerung. Und es erging ihr so wie vielen, die die Erinnerung nur lange genug durchkauen, plötzlich wühlen sie etwas hervor, finden etwas, was sie hoffen lässt, was sie wieder stärker macht, was ihnen etwas Energie gibt. Und bei Penelope war das die Erinnerung an die vielen Gespräche mit Yoshi über seinen Wald und wie er immer wieder gesagt hat: Wenn ich einmal verloren gehe, dann such mich dort.

Und natürlich wusste sie, dass er nicht in diesem Wald war. Sie wusste, dass er sich auf eine andere Art verloren hatte, an die er damals, als er von dem Wald sprach, noch nicht denken konnte. Sie wusste, dass er mit Greta an „Projekten“ arbeitete, vielleicht war er sogar im Ausland. Aber sie hatte doch die Hoffnung, dass der Teil von ihm, den sie geliebt hatte, dass er noch in diesem Wald war. Und so konnte sie nicht anders, und wollte sich aufmachen. Aber es sollte nicht so erbärmlich sein, das wollte sie nicht, es sollte kein Schrei in der Dunkelheit sein, oder so ein Scheiss, es sollte ein verrückter Zufall sein, so wie er in Yoshis Geschichten immer wieder vorkommt, etwas mit skurilen Typen und wilden Tieren und vielen Bäumen, so viele Bäume, dass man guten Gewissens Wald dazu sagen könnte. Es durfte kein Wäldchen sein, keine verdammte Tannenbaumplantage, es musste ein richtiger grosser finsterer Wald sein, Yoshis Wald.





Flucht

In der nächsten Nacht träumte sie von Yoshis Wald, es war ein finsterer Traum, aber voller rauschender Bäume, duftend nach Harz und Pilz. Es war ein sehr intensiver Traum, so dass sie am Morgen das Gefühl hatte, sie wäre letzte Nacht tatsächlich in diesem Wald gewesen, von dem Yoshi immer gesprochen hat. Vielleicht war das der Grund, warum sie den Wald wieder vergass, vielleicht war aber auch ein Stolz in ihr erwacht, eine innere Stimme, die sie davor schützen wollte, diesem Idioten von Yoshi hinterherzulaufen. Doch die Unruhe liess sie nicht mehr los.

Am liebsten wäre Penelope mit einem Luftschiff geflohen auf eine Insel in den Wolken. Sie wurde immer wütender, so wütend war sie noch nie gewesen, noch nie so entschlossen, etwas völlig neues zu beginnen und noch nie so verzweifelt. Nicht einmal damals, als diese Sache mit der Adoption anstand. Vor lauter Wut will sie sich verstecken. Erst reicht ihr der Kleiderschrank aus. Sie legt alle Sachen auf das Bett und versteckt sich dann im Kleiderschrank, als sie dort mit ihrer ganzen Wut sitzt, da bemerkt sie, wie dumm das ist, die Sehenden werden sofort wissen was los ist. Immer wissen die Sehenden alles. Man müsste mal einen Zombie Film für Blinde machen, da müsste man nicht viel tun. Mit Mühe gelingt es ihr dann alle Sachen unter das Bett zu schieben. Voller Wut kontrolliert sie noch einmal per Hand, ob sie wirklich nichts vergessen hat.

Aber als sie im Schrank hockt, da denkt sie an das Märchen mit dem Wolf und den sieben Geisslein, und wenn er die kleinen Ziegen sogar im Uhrenschrank gefunden hat, wie lange wird es dann dauern, bis man sie im Kleiderschrank findet?

Daraufhin überlegt sie sich, dass sie ein anderes Versteck finden will. Oben auf dem Boden gibt es eine alte Seekiste, die hat einen Bügel, wo sie sich mal höllisch geklemmt hat. Dort in der Seekiste könnte sie sich verstecken. Besonders wenn der Bügel drüber ist, dann wird sie niemand finden. Sie aber, wird sich immer mit einem Lineal, was sie mitgenommen hat befreien können, dass sie durch den Schlitzt schieben will, um den Riegel zu öffnen.

Sie versteckt sich in die Kiste, und probiert das dann mit dem Lineal aus, aber das verdammte Ding passt irgendwie nicht von innen durch den Schlitz. Erst kommt keine Panik auf, aber dann passiert etwas, was sie nicht erwartet hat, sie kann sogar die Rufe von weitem hören, später: Penelope wo bist du? Sie versucht auch zu antworten, aber mit jedem Schreien, wird es noch heisser in der Kiste, noch unerträglicher. Sie wird erst in der Nacht gefunden, völlig dehydriert muss sie ins Krankenhaus. In dieser Nacht muss etwas geschehen sein, was sie auf eine andere Spur gebracht hat. Nach dieser Nacht, hat sie einen Plan entwickelt, wie auch sie, sich verbergen kann, wie auch sie, verschwinden kann, wie auch sie, ihr Ding durchziehen kann.

Tantchen und die Räuber

Nachdem sich Penelope erholt hat, lässt sie sich von ihrer kleinen Schwester eine Karte von Yoshis Wald anfertigen, die sie mit Blindenschrift beschriftet. Die kleine Schwester ist gar nicht mehr so klein, aber sie macht es doch noch gerne, verzeichnet, die beiden Häuser im Wald, die alte Försterei im Tal, wo ein Motorradclub sein Clubhaus hat und ein Ausflugshotel mit dem verheissungsvollen Namen Schauinsland, was sich mit Heizdeckenbetrügereien und Kaffeefahrten mit Senioren über Wasser hält. Dann hat die Schwester noch alle Wege, Quellen, und die Felsformationen eingeritzt.

Da war nur noch ein Problem, was die Wut, die immer noch in ihr köchelte, in Verzweiflung verwandelte, was sollte sie ihren Eltern erzählen? Da passierte etwas völlig unvorhesehenes. Die Eltern eröffneten ihr, dass sie eine zeitlang ins Ausland gehen, aber Pele könnte bei der Schwester der Mutter unterkommen. Penelope glaubte nicht, dass sich ihre Wut und Verzweiflung noch weiter steigern liess und lief so schnell aus dem Zimmer, dass sie gegen den Türholm knallte und als sie die Tür krachen lassen wollte, klemmte sie sich böse die Finger ein. Sogar ihre kleine Schwester versuchte Penelope zu beruhigen, aber es war einfach nichts zu machen. Es dauerte eine ganze Stunde, bis Penelope die Tür wieder öffnete und die kleine Schwester hereinliess, die sagte nur: Gib mir die Karte.

Nach wenigen Minuten bekam Penelope die Karte zurück, doch Penelope brauchte noch eine Weile, bis sie auf die Idee kam, die Karte noch mal abzutasten. Denn die kleine Schwester hatte ein ähnliches dramatisches Temperament wie Yoshi, sie hätte Penelope auch einfach sagen können, dass ihre Tante mit der Ziegenfarm an diesem Wald wohnt, statt dessen ritzte sie es wortlos in die Karte ein.

Von da an änderte sich alles. Die Tante war das totale Gegenmodell. Sie betrieb eine Ziegenfarm und machte köstlichen Käse und hatte eine Menge Ideen, wie sie dieses Idyll geschäftsmässig erschliessen will: Denn die Leute haben heute ein schlechtes Gewissen bei Fernreisen. Und nun frage ich dich, was macht jemand, der zwingend darauf angewiesen ist, dass sein Kind mit Delphinen schwimmt?

Penelope machte den Fehler nur mit halben Ohr hinzuhören, zu sehr war sie damit beschäftigt, dass die ganzen Gebete und die genau einzuhaltenden Zeiten für Mahlzeiten und Freizeiten hier ausfielen. Statt geregelter Mahlzeiten brachte ihr die Tante ab und an etwas zu essen. Oft war es Kuchen, weil sie gerne buk und oft nur Brot und Ziegenkäse, der Penelope aber nach einer Woche immer noch schmeckte.

He, Süsse, hörst Du mir überhaupt zu? Was macht jemand, der darauf angewiesen ist mit den Delphinen zu schwimmen?

Penelope war von all dem etwas überfordert und antwortete: Keine Ahnung.

Na, es muss doch noch ein anderes Säugetier in der Lage sein einen heilenden Einfluss auf kranke Menschen auszuüben oder?

Penelope: Doch sicher.

Und wer könnte das sein?

Penelope: Es klingt so, als ob Du eine schon eine Idee hast?

Tante: Welches Wesen kann aus einer Zeitung köstliche Milch machen?

Penelope: Die Ziege?

Tante: Welches Wesen ist ein strenger Vegetarier?

Penelope: Die Ziege?

Tante: Und, hast Du es begriffen?

Penelope: Schwimmen mit Ziegen? Können die denn schwimmen?

Tante: Das ist das 21 Jahrhundert, wir alle sind gezwungen uns anzupassen, sieh mal, Du fängst dein Berufsleben als Chirurg an und dann kommt ein Roboter, schnipp schnapp, der macht alles besser und der Chirurg muss dann etwas neues lernen, so einfach ist das. Vielleicht repariert er dann seine Roboterkollegen oder er programmiert sie, ist alles möglich. Wer weiss schon was in 10 Jahren ist?

Penelope: Und deshalb müssen die Ziegen jetzt wie die Delphine schwimmen?

Tante: Aber nein, sie müssen nur die kranken Menschen genauso glücklich und gesund machen wie die Delphine.

Penelope: Und das können die?

Tante: Und jetzt kommst Du ins Spiel. Denn ich brauche jemand, der die Tiere anleitet, jemand, der selbst mal so eine Art Kur nötig hätte.

Penelope: Du meinst mich?

Tante: Hättest Du nicht Lust, die Ziegen ein bisschen anzuleiten, sie auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten?



Wie sich herausstellte, war das besonders, was die kleinen Ziegenböcke anbelangt, keine schmerzfreie Aufgabe. Denn sie waren sofort so sehr mit Penelope vertraut, dass sie sie auch für ein kleines Böckchen hielten und Penelope gerne mal auf die Hörner nahmen, besonders dann, wenn sie überhaupt nicht damit rechnete. Penelope hatte schon eine Idee, für welches Klientel diese Behandlung die richtige Kur war, nur ob die auch freiwillig kommen würden, das war die Frage. Nur gut, dass die Tante bald wieder eine neue GeschäftsIdee hatte. Und noch besser war, dass sie die Produktion von dem Ziegenkäse nicht vernachlässigte.



Penelope wurde von der Tante und ihren Ziegen ganz schön auf Trapp gehalten. Aber abends im Bett schmiedete Penelope schon einen Plan, wie sie diesen Wald näher kennenlernen könnte.

Doch auch diesmal war das völlig überflüssig, denn schon am nächsten Tag sagte die Tante: Ich muss meine Medizin holen, hast Du nicht Lust mitzukommen, da gibt es ein Restaurant, da können wir dann essen und nachher gehe ich noch mal kurz ein paar Kräuter kaufen, was hältst Du davon?



Die Tante vermied den Namen des Restaurants, Schauinsland hiess es, das wusste Penelope noch von ihrer Karte und Penelope überlegte sich schon, wie sie sich für die ZiegenbockMassage revanchieren konnte und wollte an ihre Tricks aus der Zeit der Freikirche anknüpfen und raunend sagen: Schauinsland.

Aber bei diesem Gedanken stieg der Ärger wieder in Penelope hoch, denn ohne Yoshi schienen ihr solche Spiele nicht den gleichen Spass zu machen. Und wie aus Trotz sagte Penelope raunend: Schauinsland.

Aber die Tante antwortet nur: Ne Süsse, ich bin doch zuerst bei meinem Hausarzt vorbei gefahren, vielleicht ist das mit dem Essen gehen auch keine gute Idee.



Penelope kannte den Geruch nach Desinfektionsmitteln aus den Krankenhäusern, aber bei diesem Arzt roch es nach Benzin. Und als sie dann die „Praxis“ betraten kam ihr ein Geruch entgegen, wie sie ihn aus Yoshis Zimmer kannte und der dann dazu führte, das Yoshi hecktisch das Fenster aufriss. Jetzt wusste Penelope ganz genau, wo sie war, das war das Clubhaus der Motorradgang. Und wie es sich finanzierte, das lag förmlich in der Luft. Und das erste Mal hatte Penelope das Gefühl, auch wenn das der verdammte Wald von Yoshi ist, hier könnte etwas beginnen, wie ihre eigene Geschichte. Und das erste Mal in der ganzen Zeit musste sie sich nicht anstrengen, nicht an Yoshi zu denken.

Und vielleicht liegt es an Penelope selbst, dass sie heute mit Tantchen nicht mehr nach Schauinsland kam. Vielleicht liegt es an dem kleinen Grillfest, was die Rocker veranstalteten, oder an den Gesprächen, die Penelope mit ihnen führte oder an den Geschäftsideen von Tantchen, den Club in ein Boutique Hotel umzubauen; wobei Penelope nicht klar war, ob Tantchen wusste, was das eigentlich ist. Jedenfalls blieben die beiden über Nacht. Und Penelope gefiel es so gut, dass sie sich noch einige von ihren Sachen holen liess, um ein Zimmer im Club zu beziehen und bei dem Hotelprojekt zu helfen.



Die Rocker geben sich alle Mühe, sich ein gefährliches Äusseres zu geben, um ihre wahre Identität als Zahnarzt oder Investmentbanker zu verschleiern, leider ist das beides völlig überflüssig, um Penelope zu imponieren.

Und Tatsache ist, dass Penelope in dieser Räuberhöhle überhaupt kein Leid widerfährt. Die Leute vom Club scheinen sich im Beschützen von Penelope zu überbieten und sie kann fast den gleichen Enthusiasmus spüren, wie damals in der Kirche. Und dieses Mal ist es ihr auch nicht unangenehm. Sie mag den Geruch nach Benzin, die Geräusche aus dem Wald, wenn der Fuchs den Mond anbellt, den Kuckuck und das Rauschen des Baches und der Bäume. Sie mag es auf den Motorrädern mitgenommen zu werden, die Vibrationen der Maschinen, der Geruch von den Lederjacken, an die sie sich anschmiegte und die Unbeholfenheit der Jungs im Umgang mit ihr. Jetzt fehlt ihr nur noch Yoshi zu ihrem Glück.

Unsichtbarkeitstraining

Jedenfalls ist Penelope geblieben, und als sie gehört hat, das Chaim Stichling nur der Künstlername eines weltbekannten Tätowierers ist, da hat sie ihn darum gebeten auch sie zu tätowieren. Chaim hat sich standhaft geweigert. Er müsse erst überlegen, ob er so etwas machen kann, er sei es gewohnt, dass seine Kunden danach seine Arbeit beurteilen können.

Als Penelope ihn am nächsten Tag fragt sagt er: Sorry, nein.

Und wie sehr sie sich auch bemüht, er ist nicht dazu zu bringen seine Motive zu erklären: Einfach nein.

Da fängt Penelope eine Diskussion an, ob jemand das Recht hat, sich vor den Blicken der anderen zu entziehen.

Chaim: Wahrscheinlich hat er das Recht nicht, du darfst ja noch nicht mal eine Sturmhaube tragen in Österreich, ist das so, aber na klar, von mir aus, gerne, jeder sollte das Recht haben, nicht gesehen zu werden.

Penelope: Und dann habe ich auch das Recht.

Chaim: So wird es wohl sein.

Penelope: Wenn ich mir jetzt ein Zebratatoo verpassen würde, damit mich die Mücken nicht so gut sehen, das ist ja der Grund warum die Zebras das machen, würdest Du es tun?

Chaim: Du kannst hier mit offenem Fenster schlafen, du kannst sogar Licht anmachen, aber Mücken gibt es hier kaum, weil wir Schwalben haben.

Penelope: Und in der Nacht?

Chaim: In der Nacht haben wir Fledermäuse.

Penelope: Du würdest es nicht machen?

Chaim: Kommt darauf an, ich fände es übertrieben, Du nicht?

Penelope: Würdest Du es für mich machen.

Chaim: Nein, definitiv nein.

Penelope: Aber wie sieht es aus, wenn ich ein Tarnmuster hätte.

Chaim: Nein.

Penelope: Aber was sagst Du zu einem realistischen Tarnmuster, aus Rankpflanzen, die über meiner Haut sind, und Schatten von den Blättern über mir, und Lichtreflexe.

Chaim zögert: Nein.

Penelope: Du hast gezögert.

Chaim reibt sich den Bart: Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen.



Es dauert sechs Wochen, da schlängelt sich ein Jelänger Jelieber über Penelopes Haut. Es fängt am linken Fuss an und schlängelt sich in einem Schwung zu ihrer rechten Körperseite hoch, über ihren Hals, ein Blatt ragt in ihr Gesicht, und eine Blüte wächst unter ihrem Ohr.

Chaim: Damit wirst Du wieder auf die Titelseiten kommen.

Penelope: Damit werde ich mich im Wald bewegen können, und niemand kann mich sehen.

Chaim: Aber wenn er dich dann sieht, was machst Du dann?

Penelope: Gibt es keine giftigen Lianen, wie für Ayahuasca?



Und das war jetzt erst der Anfang des Unsichtbarkeitstrainings. Es wird noch eine Weile dauern, dann muss Penelope nur die Kleider ablegen, und sie ist vollständig mit dem Unterholz verwachsen. Nur noch einige Tiere sind es, die sie dann noch aufstöbern können. Gönnen wir ihr die Camouflage, denn wer selber nicht sehen kann, der müsste sich wenigstens vor den Augen der anderen verbergen können.



Der Ruf der Rocker

Ich habe den Motorradclub noch nicht richtig vorgestellt. Da ist Bartholomäus Sniff, alias, ihr habt es richtig erraten, But Sniff auf Blauwal, ein genialer Oldtimer, der eigentlich ins Museum gehört. Er huldigt den Kohlenwasserstoffringen im allgemeinen und den Aromaten im speziellen und holt das letzte aus ihnen heraus, deshalb hat er dieses sparsame vollverkleidete Motorrad. Und er ist nicht zu verwechseln mit Bud von dem niemand weiss, ob er überhaupt einen Nachnahmen hat und dessen Hände nicht so wirken, als käme er gerade aus dem Manikürestudio. Er fährt eine 1000er Kawa und ist der Vorzeigerocker der Gruppe, der sogar eine Vorstrafe hat, jedenfalls wird das allgemein angenommen.

Dann ist da Bank Hormon, der Investmentbanker auf importierter Highway Police Harley Davidson Electra Glide.

Eugen Drillman, der Zahnarzt oder Kiefernorthopäde ganz bescheiden auf einer BMW, genannt der fliegende Backstein.

Chaim Stichling, der Kopf der Bande auf Münch Mammut.

Diese Motorräder erfordern eine gute Werkstatt und ein gefülltes Lager mit speziellen Ersatzteilen und unterminieren die Ausstrahlung von Gesetzlosigkeit.

Achtung Spoileralarm: Es fehlt noch Huckleberry Mett, der falsche Taubstumme oder singende Fisch (alias Joschua Hagen), der vielleicht später noch dazu stösst, auf Elektrobike.

Es ist nicht schwer vorzustellen, dass diese Motorradfreunde, die so viel Zeit damit verbringen den Originalzustand ihrer Krafträder zu erhalten, nicht sehr erfreut sind, wenn Penelope freudestrahlend mit dem Welpen von einer Exkursion in den Wald zurück kommt, mit einem dicken Kratzer auf der Stirn (Ich bitte um etwas Geduld, der Welpe wird noch eine wichtige Rolle in Penelopes Leben im Wald spielen, aber davon später mehr). Denn als die Kraftradfreunde Penelope das erste Mal erblickten kam es zu einer stillen Übereinkunft, die mit ein paar Blicken in die Runde besiegelt wurden: Der Originalzustand von Penelope muss unbedingt erhalten bleiben. Diese Umsicht ging sogar so weit, dass Penelope nicht auf dem Sozius einer der Maschinen mitgenommen werden sollte, auch eine stille Übereinkunft. Es sei denn man fuhr mit ihr ein Stück auf den Waldwegen. Doch niemand wagte es mit ihr in einer Geschwindigkeit zu fahren, die ein eiliges Schritttempo überschritt.



Natürlich blieben Chaim und seine Spass Outlaws nicht lange unbemerkt. Es gab auch noch echte Rocker, die ihr Auskommen durch ehrliche Rockerarbeit, wie Schutzgelderpressung, Drogenhandel und Prostitution verdienten, die nicht in der Lage waren, sich fortschrittliche Einkommensquellen zu erschliessen, wie Chaims Kollegen. Die ihre Leistungen nicht privatärztlich abzurechnen konnten und die keine Experten im Hochfrequenzhandel waren.

Natürlich sahen Chaims falsche Rocker viel echter aus als die Wirklichen. Denn echte Rocker sind selten mit einer Maskenbildnerin befreundet. Natürlich blieben die falschen Rocker nicht unbemerkt, sind doch die echten Rocker darauf angewiesen sich neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Und so kommt es auch, dass Chaim und seine Kollegen, unter dem Codewort „die komischen Waldvögel“, öfter ein Thema bei den Rockern war. Karl Schulz, den alle nur K (englisch ausgesprochen) oder Schluz nannten, manchmal auch mit der Langform Karl Schluz angesprochen, besiegelte gerade eine friedliche Übereinkunft mit seinem Kollegen Sven Benn, den alle nur Big Ben nannten.

Schluz: Die Investmentbanker und die Zahnärzte, wenn die sich auf ein Bike setzten, jetzt mal ganz im Vertrauen, die machen mir Angst.

Big Ben lacht herzlich und flüstert seinem ehemaligen Feind zu: Mir steht die Kacke auch schon in der Hose.

Schluz antwortet wie gewönhlich völlig emotionslos: Kein Scherz.

Big Ben kann sich nicht mehr halten vor Lachen: Ne, echt jetzt, ich meine es auch bitter ernst.

Schluz: Sie haben da einen, der hat so eine offene Wunde an der Hand …

Big Ben ist das Lachen immer noch nicht vergangen: Macht er das für seine Street Credibility? Sich eine gefährliche Wunde zuzulegen, das ist doch originell.

Schluss: Ich will sie hier nicht haben.

Big Ben: Och komm schon, lass sie noch ein bisschen bleiben, wenn sie langweilig werden, dann machen wir sie platt, O.K.?

Schluz: Dein Humor hat etwas beleidigendes.

Big Ben ist ganz der Vermittler, ganz cool, weil er weiss wie sehr das Schluz erst recht nervt, sagt ernst und beschwichtigend: Nun komm schon, es sind nur ein paar Spinner. Alles Cool!



Eugene hat übrigens eine sehr gepflegt Wunde. So wie die Studenten aus den schlagenden Verbindung gern ein langes Haar in die Wunde legen, die sie sich auf dem Paukboden ins Gesicht geschlagen haben, so hält auch Eugene seine Wunde offen. Als Zahnarzt müsste er ja wissen, wie das geht. Allerdings hat er etwas eigenartiges, und vielleicht gehört er zu den Wundenpulern, die nichts köstlicher finden, als ein frisches Stück Wundkruste. Wenn das so wäre, dann bezweifele ich doch sehr, ob ihn das gefährlicher macht.

Die Senioren und Gesangsvereine kommen

Und ich weiss wirklich nicht, wie es dazu gekommen ist, dass Penelope sich hat öfter zu der Echoschlucht bringen lassen, um das Gartenlied, was sie mit Yoshi gedichtet hat zu singen und auf ein Echo zu hoffen, dass nicht von ihrer Stimme kommt, sondern von jemand anderem auf der gegenüberliegenden Talseite. Aber ich bin mir sicher, dass sich einige auf die andere Seite des Tals begeben haben, dass sie sich fest vorgenommen haben zu antworten auf Penelopes Gesang. Und ich bin mir auch sicher, dass es letztendlich niemand gewagt hat, aber genossen haben sie es trotzdem, die Möglichkeit, dass ihr Gesang ihnen gelten könnte. Und frag mich nicht wie, aber das hat sich rumgesprochen wie ein Lauffeuer, und wurde zu einer lebendigen Touristenattraktion.

Einige glaubten, man könne in der Echoschlucht seinen verstorbenen Liebsten näher sein, die Harzer Roller wollten ihren Gesangverein für ein Youtube Video vor der Echoschlucht aufnehmen. Dann war da noch die schwarze Heidi deren Freundin, die weisse Heidi tödlich verunglückt war. Das Duo war durch Schuhmann Lieder bekannt geworden.

Chaim Stichlings Motorradclub musste einem Heizdeckenverkäufer mit seinem Zentrale im Restaurant Schauinsland das Handwerk legen, und wurde zum Dank von den Senioren wie ein Schutzheiliger verehrt. Die sich von ihm zur Echoschlucht bringen liessen. Was heftige Diskussionen im Club um die Corporate Identity auslöste. Einige schlugen vor, dass eine Schutzgelderpressung der umliegenden Dörfer das mindeste wäre, was man tun müsste, um seinen Ruf wieder herzustellen. Aber damit scheiterten die Rocker kläglich, ihnen wurde das Geld förmlich hinterher geworfen, und sie wurden aufgefordert, doch wieder zu kommen, wenn sie mal wieder eng wird. Man könnte glauben, dass dieser Troubel unangenehm war, was nicht der Fall war. Ab und an hörte man ein Lied aus den Tannen, oder man sah eine kleine Seniorenkarawane auf dem Weg zur Echoschlucht, aber es gab keinen Müll keine Werbeplakate und keine Kurtaxe. Die Waldbesucher waren eher Pilger als Touristen. Nur eins funktionierte überhaupt nicht mehr, Penelopes Suche nach Yoshi, von dem sie glaubte, dass er vielleicht doch hier irgendwo zurückgezogen im Wald lebte, war völlig erfolglos. Auch wenn die anderen Besucher immer sehr rücksichtsvoll reagierten, wenn sie Penelope sahen, blieben sie ganz still, oder sprachen leise, um sie vor einer Gefahr zu waren, und wenn es nur eine Weinbergschnecke war, die sie von Peles Weg aufhoben, damit sie ungehindert zu der Schlucht kommen konnte. Auch verstummten die anderen Sänger sofort, wenn sie Penelope sahen und so war ihre Dunkelheit von einer knisternden Aufmerksamkeit der anderen Pilger durchzogen und Penelope schaffte es nicht einmal mehr, das Gartenlied zu singen, mit dem doch alles erst angefangen hatte.

Der Bauer und der Jäger

Penelopes Farben sind die Wörter, manche wiederholt sie immer wieder, wie ein Maler der Moderne, der endlich das hohe Gelb gefunden hat. Seitdem sie Yoshi kennt, macht sie das, mit sich selbst sprechen und mit den Dingen, die sie umgeben. Wenn man es noch sprechen nennen kann, ihre Beschwörungen und Formeln, mit denen sie die Welt sichtbar machen kann, manchmal.



Mal bleibt sie ganz still stehen und versucht an dem Echo ihres Schnippens in die Dunkelheit vorzudringen. Dann folgt sie einer Schnur, die sie sich dort von einem der Rocker aus dem Tätowierstudio hat spannen lassen. Die Jungs sind ganz versessen darauf eine Schnur für sie zu spannen, die sie zufällig dabei haben. Einer der Rocker, der auch ein bisschen Musik macht, ist auf die Idee mit den Glöckchen gekommen. Jede Schnur hat andere Glöckchen.



Das ging so lange gut, bis sich der Jäger mal in den Strippen aufs Mett gelegt hat. Dann mussten sie ihm erklären, wozu die Schnüre da sind. Er war ziemlich genervt von dem heiligen Ernst den die Rocker ausströmten, als sie sich unter seinem Hochsitz versammelten, eine kleine Gruppe ziemlich grosser Männer und er sagt: Aber ja doch … konnte ja nicht wissen.

Und als er sagte „Ich habe es schon beim ersten Mal verstanden“ da wurde er sie gar nicht mehr los, weil sie sicher gehen wollten, dass er es wirklich verstanden hatte.



Nachher als er vom Hochsitz steigt, denkt er daran, wie ihn der Bauer nervt, dass die Schweine immer in seinen Mais gehen.

Und er denkt sich: Was sind schon Wildschweine gegen Wildrocker? Jagdtechnisch gesehen.

Und er muss dabei grinsen und kriegt sich gar nicht wieder ein. Er ist so der Typ, der ständig Witze erfindet, um sie sich selbst zu erzählen. Und er beömmelt sich weiter, sieht vor seinem inneren Auge, wie der Bauer zufällig auf eine Gruppe von Wildrockern trifft. Wie er sich vorsorglich mit einer Mistgabel bewaffnet hat, so wie das Bauern so tun, dass haben sie seit den Bauernkriegen drauf, und dann trifft dieser nervige Bauer mitten im Mais auf humorlose wilde Rocker, die gerade einen von diesen Glöckchenschleichwegen anlegen. Einfach köstlich. Da stürzt der Jäger plötzlich über einen der Stolperdrähte. Scheisse was war das?

Der Jäger hat jetzt selbst so eine Glöckchenschnur zerrissen.

Er gibt sich jetzt wirklich alle Mühe, die Schnur mit einem Kreuzstich, den er noch aus seiner Pfadfinderzeit kennt, wieder fachgerecht zu flicken. Breit grinsend denkt er an ein Maislabyrinth und ob er das nicht mal anlegen soll. Wenn der Bauer sich dann wieder beschwert kann er ja sagen: Das waren keine Schweine.

Bauer: Wer soll es denn sonst gewesen sein, Ausserirdische?

Jäger: Vielleicht finden sie das selbst einmal heraus!

Ein köstlicher Gedanke, der den Jäger wieder zum Schmunzeln bringt, wenn der Bauer mal auf die Rocker treffen sollte, in dem beschissenen Maislabyrinth.

So ein Maislabyrinth würde gut zu seinem Leben passen. Hat er nicht diese Künstlerin aus der Stadt beim Feuerwehrfest kennengelernt. Und im nächsten Jahr, hat sie schon mit geholfen und Tofuwürstchen gebraten. Und wie sie dann dem Grossbauern erklärt hat, dass der Jäger nur noch Tomaten und Kartoffeln jagt, er wäre jetzt Vegetarier. Und der Bauer wollte cool bleiben und sagte: Warum wundert mich das nicht.

Und dann muss der Jäger prusten, weil er wieder an das bescheuerte Gesicht von dem Bauern denken muss.

Als der Jäger beim Auto angekommen ist, verfinstert sich wieder sein Gesicht und er sagt leise vor sich hin: Der mit seinem Mais, den er noch mit Kunstdünger aufpäppelt und mit dem ganzen Gift besprüht, weil er ja nur für die Biogasanlage gebraucht wird, deshalb kann er das machen. Schönes Biogas ist das!



Und als der Jäger, beim Einsteigen in seinen Wagen, ein Glöckchen hört, ganz leise, da denkt er es ist der Wind, der frischt am Abend immer wieder auf.

Und als er fort ist huscht ein Lächeln über Penelopes Gesicht: Das ist schon ziemlich nah dran, an der Unsichtbarkeit, wenn mich der Jäger nicht gesehen hat. Dabei hat sie sogar in die Richtung genickt, aus der sie die Schritte über den geschotterten Weg gehört hat. Oder er ist so doof, dass er einer Blinden nur zugenickt hat. Ach dazu muss er nicht besonders doof sein, das machen viele, wenn sie noch nie mit einem Blinden zusammen waren.



Diese Glöckchenschnurstrecke ist unglaublich ausgedehnt und noch ganz neu, sie führt Penelope an dem riesigen Maisfeld entlang. Dann auf einem Pirschweg der schön ausgetreten ist, durch einen Mischwald, und dann runter zum See, die Schnur führt direkt auf einen Steg. Sie musste die Jungs lange überreden, bis sie das mit dem Steg gemacht haben, weil es so gefährlich ist, ein Blinder im Wasser zu sein. Die haben wirklich einen Schneewittchen Komplex, denkt Penelope.



Das erste Stück des GlöckchenschnurWeges am Maisfeld entlang, ist nicht einfach, weil der Boden hier nicht gerade eben ist, und auch immer Zweige ragen in den Weg, auch wenn die Rocker alles abbrechen, was ihr zu nahe kommen könnte. Heute, so lange der Wind geht, ist es ein guter Tag für so einen Glöckchenausflug. Wenn mal ein paar Schritte vom Weg abkommt, oder die Schnur verliert, dann hat man noch die Glöckchen.



Wenn sie ein Geräusch hört, dann versucht sie ihren Kopf in die Richtung zu drehen, aus der es gekommen ist, flüstert sie ihre Beschwörungen:

Bist Du es? Komm schon!

Wo bist Du? Schenk mir einen Laut!

Lauf doch nicht so weit!

Brich durch das Dickicht meiner Dunkelheit



Sie sagt zu Blindschleiche, die vor Schreck ihren Schwanz abgeworfen hat, der nun zuckend im trockenen Laub vom letzten Jahr liegt: Was raschelst Du da im Gebüsch, trau dich, komm raus. Du hast doch nicht etwa Angst vor mir.



Sie sagt zu dem Wind, der ihr das Gesicht mit ihrem Haar streichelt, dass es am Hals kitzelt: Lauf doch nicht wieder weg, bleib doch mal bei mir.



Taubenpost

Natürlich hat Pele noch weitere Versuche unternommen, um mit Yoshi Kontakt aufzunehmen. Auch wurde sie das Gefühl nicht los, dass es jemand gab, der sie auf ihren Wanderungen beobachtete. Aber als dann diese Photos von Pele in dem Blog erschienen, natürlich ganz diskret verpixelt und diese rührende Geschichte von der blinden Sängerin, die ihren verschollenen Freund ruft, da brauchten Peles Freunde nicht lange, um den Reporter vom Baum zu schütteln, wie sie es nannten. Durch diesen ganzen Troubel waren Peles Sinne abgestumpft und sie selbst konnte nicht mehr sagen, ob da vielleicht eine Haselmaus im Gebüsch raschelte oder ob das Geräusch von einem Menschen stammte, der ein paar Zweige behutsam zur Seite schob, um besser sehen zu können.

Schliesslich wurde Pele krank und bekam hohes Fieber, die Untersuchung ihres Blutes, die Eugen organisierte, bewies zwar eine Entzündungsreaktion, aber die Ursache konnte nicht gefunden werden. Daraufhin taten sich alle zusammen, die Rocker, die Senioren, die Sänger und die Heidis und zogen sich Warnwesten an und sperrten den Wald ab. Fortan war es etwas ruhiger im Wald. Penelope erholte sich etwas, aber es gab kein Zeichen von Yoshi, bis sie eines Tages aus dem Erholungsschlaf, den sie noch am späten Nachmittag brauchte, von einem gurrenden Geräusch vor ihrem Fenster geweckt wurde. Chaim hatte es auch gehört, aber wie das seine Art war, ging er erst dann in den Garten, als er das Gurren schon eine halbe Stunde erstorben war. Als Chaim endlich nachsah, stand dort im Garten auf dem Holztisch vor der Hollywoodschaukel, in der sich sonst der Club aalte, ein kleiner Käfig mit einer Taube. Die Taube sass still im Käfig und hatte die Augen schon wieder geschlossen. Chaim blickte kurz zu dem blauen Schein am Himmel im Nordwesten auf, wenn der Garten nicht von den Lichtern im Haus beleuchtet würde, hätte die Dunkelheit auch die Taube längst verschluckt.

Sie besorgten Futter für die Taube, etwas zu trinken, aber niemand kam auf die Idee genauer nachzusehen, erst als Pele die Taube in die Hand nehmen wollte, fiel eine kleine Hülse auf, wie für Munition, die mit gelben Wachs verschlossen war, und nicht nach Schiessplulver roch, sondern nach Bienen. Es lag das Gefühl der Bedrohung in der Nachtluft, aber in der Hülse fand sich nur ein Brief, der obwohl er nicht in Braille Schrift abgefasst war, offensichtlich für Pele bestimmt war.

Es entstand natürlich ein Streit darüber, wer diesen Brief Pele vorlesen sollte, und damit gezwungenermassen ihre Geheimnisse teilen musste. Auch stritten sie darüber, ob sie ihr den Brief überhaupt vorlesen sollten, Bud führte an: Wenn es ihr Yoshi ist, warum schickt er ihr keine email, warum ruft er nicht an?

Eugen weiss: Email ist nicht anonym.

But sagt: Aber hier eine Taube an dem Welpen und uns 7 Zwergen vorbei zu lotsen, das ist anonym, oder?

Chaim rieb sich den Bart: Immerhin hat der Typ es geschafft, ohne dass ihn irgendwer von uns bemerkt hat.

Dann musste Eugen seine Stirnlampe holen und But eine Lupe.

Die Briefe waren nicht unterschrieben, und sie hatten auch keine Anrede, aber irgendwie war schon klar, dass sie für Pele bestimmt waren. Aber niemand machte Anstalten zu gehen und die Neugierde hatte sie so sehr gepackt, dass auch niemand einen Vorschlag machte wie: Sag mal Penelope, wer soll Dir dann jetzt den Brief vorlesen. Jeder hatte Angst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden und seine Sicherheitseinstufung zu verlieren, obwohl sich Penelope wirklich bemühte, jedem das Gefühl zu geben, wichtig und vertrauenswürdig zu sein, hatte jeder von ihnen die Angst zu kurz zu kommen.

Penelope: Interessiert ihr euch denn so sehr, für das, was da drin steht?

Sie murmelten verlegen: Nun ja, wir wollen natürlich nicht, dass dir etwas geschieht ...

Penelope: Ich habe überhaupt kein Problem, wenn ihr euch alle anhört, was in dem Brief steht, weil 8 Ohren hören mehr als 2.

Nach kurzer stiller Ohrenarithmetik in den Köpfen der Rocker, brach ein eisiges Schweigen aus.

Penelope: Was ist denn nun schon wieder?

Chaim, der als Erster mit den Berechnungen fertig war (Bud war immer noch mit Hilfe seiner Finger am Ohrenaddieren) sagte leise zu Penelope: Bud, But, Eugen und ich, das sind schon 8 Ohren.

Penelope: Aber das sagte ich doch!

Eugen konnte manchmal witzig sein, was er selbst Zahnarzthumor nannte, was dann nicht so witzig war: Aber eigentlich müsstest Du doch deine Ohren mitzählen, dann komme ich auf 10 Ohren. Es sei denn Du wolltest subtil andeuten, dass hier ein Ohrenpaar zuviel ist.

Penelope nahm sich das, was sie gerade zu fassen bekam, das war die Hundeleine vom Welpen und prügelte auf die Jungs ein, was diese immer sehr genossen, indem sie laut und kläglich um Gnade winselten während Penelope sie „verdammte Memmen“ usw. schimpft. Und Chaim unterdrückte tapfer den Schmerzschrei, selbst als ihm der Karabiner der Hundeleine direkt ins linke Auge schlug.

Und Chaim erwischte sich bei einem eigenartigen Gedanken, als er bemerkte, wie dunkel es war: Ob Penelope wohl weiss, wie dunkel es manchmal werden kann, für jemand, der sehen kann?

Der erste Brief

Irgendwie steckte allen noch die Periode der Polarluft in den Knochen, mit ihren klaren Nächten und einstelligen Temperaturen, die sie trotz des wärmeren Tages erwarteten. Doch statt dessen, zogen weisse Wölkchen auf, die vom Mond malerisch angeleuchtet wurden, wenn eins von diesen Wölkchen nicht den ganzen Wald in Dunkelheit verschwinden liessen. Und die sanfte Briese kroch ihnen nicht kühl in die Ärmel und Hosenbeine, sondern war angenehm lau und kündigte warme Tage an. Chaim las den Brief vor, während sich Penelope quer auf die Hollywoodschaukel gelegt hatte, weil sie wusste, wie sehr die Jungs das liebten, ihr zu Füssen zu sitzen.

Chaim hat eine richtige Märchenonkelstimme, aber jetzt lag etwas lauerndes in seiner Stimme, etwas gespanntes, wie ein Puma vor dem Sprung. Durch Eugens Stirnlampe sah er wie ein zyklopischer Godzilla aus. Trotzdem reichte Licht und Sehkraft nicht, den Taubenbrief zu entschlüsseln, erst mit Buds Lupe konnte Chaim vorlesen, denn das Ganze war verdammt klein geschrieben: Silvio Takjas ist jung und reich und er ist ganz alleine auf der Welt. Er ist der einzige Erbe eines Klebstoffimperiums und er liebt die Frauen so sehr. Als sich seine Freundin bei ihm beklagt, wie sehr sie unter ihrem unvollkommenen Körper leidet, da versichert er ihr, dass es genau diese Unvollkommenheiten sind, die er so liebt. Als seine Freundin das hört, kann sie ihr Glück nicht fassen. Aber nach ein paar Tagen verdunkelt sich wieder ihr Gemüt, und sie will von ihm wissen, warum er die innere Freundin, so wie sie in ihrem Kopf existiert, warum er sie nicht lieben würde, denn die hätte alle diese Mängel nicht, und die wäre ihr viel näher, als ihr unvollkommener Körper. Und diesmal ist es schwer sie zu trösten, auch als er ihr verspricht, dass er nicht zögern wird ein Schönheitschirurg zu werden und wenn es nur deshalb ist, um ihr zu helfen.



Als Chaim bis hierhin vorgelesen hatte, wurde er langsam unruhig, denn diese Geschichte handelte von keinem Liebespaar, was durch das Schicksal auseinander gerissen wurde und nur durch allergrößte Kraftanstrengung und göttlichen Segen, wieder zueinander gefunden hat. Es schien so, als hätte die Geschichte mit Penelope und Yoshi überhaupt nichts zu tun. Penelope war jedoch überhaupt nicht beunruhigt und fragte: War das etwa schon alles?



Silvio spürte, dass er sie mit seiner Liebe erdrückte, und er wollte nur noch eins, seiner Sabine zeigen, wie er verstanden hatte, dass sie Luft brauchte, dass er sie nicht immer so bedrängen durfte. Und ja, er wollte sich ändern. Aber er kann es nicht ertragen, wenn sie so schreit, bitte schrei nicht so, bitte, ich flehe dich an. Und erst war da nur die Stille, die er genoss, als er ihr den Mund zuhielt, dann genoss er sogar den Schmerz als sie ihn in die Hand biss. Dann genoss er ihren wütenden Blick, als er auch ihre Nase zudrückte, dann genoss er wie sie nach Luft schnappte und es war das Blut aus der Wunde, die sie gebissen hatte, die sie einsaugte, dann die Ahnung in ihrem Gesicht, wie sie sich versucht zu befreien. Und dann, wie er es nicht ertragen konnte, dass dieser Wille aus ihr weicht, wie er die Augen verschloss, um es nicht sehen zu müssen, wie er etwas scharfes in seinem Gesicht spürte, und wie er nur Angst hatte, sie zerreisst mit ihren Fingernägeln seine Augenlider, dass er alles mit ansehen musste, in einem roten Schein. Und auch wenn sie seine Lieder nicht zerreissen konnte, er musste doch kotzen, als könnte er seine Seele hochwürgen, als er spürte, wie ihre Muskeln die Spannung verloren, wie sie in seinen Armen zusammensackte.



Penelope ist weiter unbeeindruckt: War das jetzt alles?

Chaim schluckt und sagt: Ja.

Penelope: Kannst Du die Antwort schreiben, ich meine es muss doch klein geschrieben sein.

Chaim ist empört: Ich bin Tätowierer, die Leute kommen aus Japan, um sich von mir stechen zu lassen. Jemand hat einmal seine Tanzmaus tätowieren lassen, natürlich nicht mit Nadeln, sondern nur mit Farbe, und nur solange sie nicht aufwacht. Ich sollte zwar nur ihren Namen drauf schreiben, und er war kurz und recht einfallslos, sie hiess Tom, aber wenn es sein muss, hätte ich ihr Schillers Glocke auf den Pelz geschrieben.

Ein bisschen merkt man doch dass Penelope angeschlagen ist, denn sie antwortet: Du hättest einfach nur „Ja“ sagen brauchen.

Chaim: Ja.

Später, weit nach Mitternacht und immer noch lau, als sie glaubten Penelope wäre eingeschlafen, machten die Rocker im Garten ihrer Empörung Luft: Dieser Arsch … Der hat sie nicht verdient … Was für eine beknackte Nummer … Wieso sagt er ihr nicht, dass er nichts von ihr will? … Feige ist das!

Nein“ sagte Chaim „das ist nur bescheuert“

Und er war nicht umsonst der Chef, denn alle mussten schweigend zustimmen.

Bud: Und wer sagt ihr, dass Yoshi ein Idiot ist?

Chaim: Das muss sie schon selbst rausfinden, wenn dieser Brief von Yoshi ist, und nicht irgendeinem Trittbrettfahrer.

Das war dann nicht so konsensfähig unter den Freunden, einigen sah man an, dass sie gerne etwas nachgeholfen hätten, um Penelope die Augen zu öffnen.

Penelopes Antwort

Am nächsten Morgen ist die Taube sehr nervös und scheint aufbrechen zu wollen. Und Penelope sitzt vor ihrem Blindennotebook und nachdem Chaim das Display aktiviert hat, das schaltet Penelope immer aus, um Energie zu sparen, steht da:

Es war nicht leicht, ihre Leiche zu entsorgen, denn sie war voll von seiner DNS, das ganze Blut, was sie in Todesangst eingesaugt hatte, war tief in ihre Lunge vorgedrungen. Aber so weit war er noch nicht, er war zu sehr damit beschäftigt, sie um Verzeihung zu bitten, seine Liebe zu bekunden.

Das waren die letzten Sätze die Penelope schrieb. Danach sass sie stundenlang reglos vor ihrem Notebook. Chaim fragt mitfühlend: Ist das deine ganze Antwort?

Penelope: Hast Du sie gelesen?

Das hatte Chaim zwar schon, aber er liest es noch mal durch und sagt dann: Super Antwort, dann werde ich es mal auf so ein Luftpostpapier stechen.

Penelope: Es ist eine beschissene Antwort.

Chaim: Findest Du?

Penelope: Was hältst Du davon, er wirft die Leiche ins Meer, verheddert sich mit dem Fuss in der Ankerkette, mit der er sie beschwert hat, und geht auf Grund.

Chaim: Er verbrennt sie in seiner Hütte, aber das klappt nicht richtig und ihr Fett verstopft den Kamin.

Penelope: Er bekommt eine Kohlenmonixidvergiftung?

Chaim: Yep!

Penelope: Schläft man dabei nicht friedlich ein?

Chaim: Ich befürchte ja.

Penelope: Was hältst Du davon, er geht in eine seiner Fleischfabriken und das Freundschaftsband, was sie von ihrem Lover hat, verklemmt den riesen Fleischwolf.

Chaim: Und er muss den Fleischwolf sauber machen, sonst fällt es auf?

Penelope: Dabei kommt er selbst in den Kutter.

Chaim: Und alles in Butter?

Penelope: Das ist lieb von dir, aber ich muss ihn selbst umbringen.

Chaim: Und es dann wie einen Unfall aussehen lassen?

Penelope: Ganz genau.



Penelope quält sich wirklich lange mit der Antwort, so lange, dass die Taube immer nervöser wird.

Chaim: Was ist wenn es gar nicht Yoshi ist, sondern ein Spinner ein Perverser?

Penelope: Ich bin mir sicher, dass Yoshi ein perverser Spinner ist.

Chaim reibt seinen Bart: Hm hm.

Nach einer Pause sagt Chaim: Vielleicht braucht er nur eine Idee für einen Hollywood Streifen.

Penelope: Von mir? Ich bin ja so total visuell.

Chaim geht ratlos raus.

Nach einer Stunde kommt er wieder rein und sagt beläufig: Du sorry Penny (er nennt sie nie Penny), aber Bud hat die Taube gebraten.

Penelope brütet weiter über dem Text: Hat er nicht.

Chaim: Aber er könnte es doch tun, oder? Mit Traubenkernöl, ich wüsste auch schon jemand, der sie dann aufisst, brauchst Du nicht zu machen.

Penelope: Das soll er mal schön bleiben lassen.

Chaim im herausgehen: Das sag ich ihm: Bleiben lassen.



Penelope tippt in das Notebook:

Silvio lebt erst unbeschwert, es liegt eine gewisse Genugtuung darin, wenn derjenige, der einen verschmäht hat, einen nicht mehr ablehnen kann. Silvio denkt sich: Die Toten, sie können sich nicht mehr gegen unsere Liebe wehren. Aber bald drückt ihn doch das Gewissen, und er spielt mit dem Gedanken, das Schicksal entscheiden zu lassen, wenn er es nun schafft, über den Bogen der Köhlbrandbrücke in Hamburg zu klettern, wenn er auf der anderen Seite lebendig wieder ankommt, dann ist er frei. Denn schliesslich war es ja ein Unfall, er hatte nicht vor sie zu töten, er wollte nur, dass sie endlich still ist. Und er hat sich die Sache so richtig schön gegoogled und hat sogar einen Fachbegriff gefunden: Das Gottesurteil, oder auch ein Fliess auslegen, so nennt man das, das glaubt jedenfalls Silivio, dem seine Lehrer schon immer nachgesagt haben, dass er es nicht so genau nimmt.

(Chaim ist leise ins Penelopes Zimmer geschlichen und liest den Text mit)

Gesagt getan, er klettert über die Brücke, er steht Todesangst durch und wird von der Polizei einkassiert. Die lassen ihn nach ein bisschen Du!Du!Du! wieder laufen und er ist frei, das hat Gott selbst so entschieden. Er kann sein Glück nicht fassen, läuft aus der Polizeistation raus, da wird er von einem LKW erfasst.

Als der LKW Fahrer, ein Kongolese, den zerfetzten Körper von Silvio sieht, ist er so verzweifelt, dass er mit dem Kopf gegen den LKW schlägt, bis er ganz blutig ist und ohnmächtig zusammenbricht. Das macht er natürlich nur aus dem Grund, weil er keine Aufenthaltsgenehmigung hat, und so versucht, der Polizei zu entkommen. Da Silvios Papiere bei dem Unfall abhanden gekommen sind, landet er nicht in einem Einzelzimmer sondern mit dem Fahrer des Unfall LKWs zusammen.

Chaim liest immer noch mit und sagt dann unwillkürlich: Oh Ha!

Penelope erschreckt sich nicht sondern schreibt einfach weiter:

Der Kongolese mit Namen Ongo freundet sich mit Silvio an, und da stellt sich heraus, dass Silvio bald möglichst eine neue Niere braucht, weil beide stark in Mitleidenschaft gezogen wurden durch den Aufprall.

Chaim schüttelt den Kopf: Ongo aus m Kongo.

Penelope tippt weiter: Silvio kann sich angeblich nicht erinnern, wer er ist, und braucht eine Niere und Ongo soll wieder zurück in den Horror seiner Heimat. Da hat Ongo eine Idee: Die beiden heiraten, dann darf Ongo hierbleiben und Silvio überleben: Basta. (Ongo weiss natürlich auch nicht wie Silvio wirklich heisst und nennt ihn Stefan, aber um die Sache nicht noch komplizierter zu machen bleiben wir bei Silvio)

Das gibt natürlich jede Menge Behördenstress, man kann ja niemand heiraten, der keinen Namen hat, man muss ja irgendetwas in das Formular eintragen und braucht eine Geburtsurkunde. Aber der Standesbeamte ist so ergriffen von der Story, dass er Silvio adoptiert (warum das jetzt so einfach ohne Namen geht, das weiss ich auch nicht) und sie können heiraten.

Beide sind zwar nicht schwul, aber trotzdem wird alles gut, bis zu dem Tag, wo Silvio sich wieder erinnert. Erst tauchen nur die guten Erinnerungen auf: Ich bin reich! Dann kommen die finsteren Erinnerungen: Ich bin ein Mörder! Dann sagt Ongo: Alles halb so schlimm, du machst eine gute Tat und alles ist gut.

Silvio hat da seine Zweifel, ob es reicht einen Menschen zu retten, um einen Mord zu büssen.

Aber Ongo sagt: Mein Dummerchen (Sorry liebe Homosexuelle, aber diese alberne Sprache haben sich die beiden angewöhnt, ich schreibe das hier nur auf, weil Wahrheitsliebe vor politischer Korrektheit geht). Also Silvio sagt: Mein Dummerchen, wer redet davon ein Menschenleben zu retten? Du wirst tausend Menschenleben retten.

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie erleichtert Silvio da ist, 1000 Menschenleben für eins, näher kann man der Erlösung wirklich nicht kommen! Und Silvio sagt: Ich werde das Land bewässern.

Und Ongo antwortet: Es regnet bei uns ohne Unterlass.

Und Silvio sagt: Dann werde ich alles begrünen.

Und Ongo antwortet: Ist schon alles grün.

Und Silvio sagt: Was soll ich sonst tun?

Und Ongo antwortet: Wir brauchen Waffen.

Und Silvio sagt: Ich verstehe davon wirklich nicht viel, aber wieviele Menschen muss man denn töten, um 1000 zu retten? Und die bessere Frage ist, welche muss ich töten, um 1000 zu retten, denn wenn ich die Falschen erwische, dann wird alles nur noch schlimmer.

Und Ongo antwortet: Einen einzigen musst Du töten.

Und Silvio fragt: Wer mag das sein, einer der gehen muss, damit 1000 leben können.

Und Ongo antwortet: Sein Name ist Joschua Hagen.

Und Silvio fragt: Was hat er getan?

Und Ongo antwortet: ER IST UNGLAUBLICH NERVIG!!!

Und Silvio fragt: Unglaublich nervig ist das ein Grund für ein Todesurteil?

Und Ongo antwortet: Und was für ein Grund.

Chaim sagt leise: Oh Ha!



Aber laut sagt Chaim: Hast Du es jetzt, dann versuche ich das mal auf das LuftpostPapier zu bringen.

Penelope: Kannst Du nicht das Telefonbuch von Manhattan auf einen Mäuseschwanz tätowieren?

Chaim sagt: Hmhm

Nur leider will die Taube nicht mehr fortfliegen. Das hat jetzt alles so lange gedauert, dass sie sogar Anschluss bekommen hat, eine zweite Taube sitzt vor ihrem Käfig und sie gurren sich zu.

Als der Brief miniaturisiert, versiegelt und am Fahrwerk der Taube befestigt ist, verscheucht Chaim den aufdringlichen Taubenkollegen. Aber die Taube fliegt immer noch nicht.

Bud sagt etwas aus dem Zusammenhang gerissen: Den Kanarienvögeln geben sie immer Singperlen mit Kanabis drin.

Chaim sagt: Und was müssen wir der blöden Taube geben, damit sie endlich verschwindet, du Kanabisvogel?

Da hebt die Taube ab, und alle eilen ihr hinterher, denn Penelope hat die Rocker gebeten, doch wenigstens die Himmelsrichtung herauszufinden, in der die Taube verschwindet.

Aber entweder das Tier ist blöd oder ziemlich gerissen, denn als Himmelsrichtung lässt sich nur hierhin und dorthin eindeutig ausmachen.

Die Bedeutung einer kranken Geschichte

Es ist ein friedlicher Tag in der kleinen Plantage von Chaim dem Motorradmann, der es sich in einem Liegestuhl bequem gemacht hat, und wartet, dass die Sonne rum kommt. Pele hangelt sich an der Gartenschnur nach draussen und der Motorradmann bietet ihr den freien Liegestuhl an und sagt ihr, dass die Sonne gleich rumkommen würde und er jetzt auch die Augen schliessen würde. Da sind sie so ins Erzählen gekommen, und Pele hat angefangen über Yoshi zu sprechen. Ein ganz vertrautes Gespräch, fast so, als ob man mit sich selbst redet.

Motorradmann: Hat er mal etwas erzählt, etwas was eigenartig war, etwas, was nicht zu dem gepasst hat, was er sonst erzählt hat?

Penelope: Yoshi hat einmal eine eigenartige Geschichte von einem verunstalteten Mann erzählt. Er war bildschön, und bewegte sich noch so eigenartig, wenn er einen Raum betrat, waren alle Augen auf ihn gerichtet, und das merkte man ihm nicht an, was die Blicke noch mehr anzog, er wurde nicht verlegen, und machte keine Spielchen. Er musste schon als Kind Werbung machen mit seinen leuchtend blauen Augen und blonde Locken. Es war für eine Marmelade, er tauchte seinen kleinen ZeigeFinger in das Glas, aber das funktionierte nicht und dann nahm er seinen Mittelfinger, das klappte, und leckte ihn ab und sagte dann: Schmeckt lecker, irgendwie.

Es gab einen Aufschrei über die verdeckte abartige Botschaft. Worauf die Werbefirma bestritt irgendeine derartige Botschaft versteckt zu haben und sagte, jemand der etwas seltsames darin sehen will, den können wir nicht daran hindern, dass was man dort sehen konnte, war nicht als Werbung gedacht, die Kamera lief einfach weiter, und der Junge hätte dieses spontane Verhalten gezeigt und damit wäre er übrigens nicht der erste, in der Zeit vor dem Schokoriegel war das ein ganz normales Verhalten, den Finger in die Marmelade zu stecken.

Danach gingen die Absatzzahlen für die Marmelade hoch und die Aktie der Marmeladenfirma durch die Decke. Sie konnten ihre Erdbeermarmelade auch nach Übersee verkaufen. Und in den U.S.A. lief der Werbespot unverändert nur synchronisiert.

Und dann hatte das Kind einen Unfall, ob es mit Säure war, vielleicht war es auch einer seiner Fans, jedenfalls danach war sein Gesicht verunstaltet und dann versuchte der beste Schönheitschirurg der Welt, der glaube ich aus Brasilien kam, das Gesicht wieder zu rekonstruieren, aber es klappte nicht. Es gab Infektionen, Narben öffneten sich. Es war fast so, als ob sein Gesicht sich selbst entstellen wollte. Und dann drehten sie mit ihm trotzdem eine Geschichte und er lernte ein Mädchen kennen, da war er 14 und dann wurde das Mädchen mit zerschnittenem Gesicht gefunden. Und niemand glaubte, dass er es war, auch als seine Fingerabdrücke auf dem Rasiermesser gefunden wurde, seine DNA am Tatort, in ihrem Zimmer, und als sich das Mädchen erholte, und sagte, er habe ihr das angetan, erst da befragte man ihn.

Und die Medien entschuldigten ihn. Man sprach von einem tragischen Unfall. Einige schrieben, er hätte der Werbebranche ihr hässliches Gesicht zurückgespiegelt. Es ging hoch her in den Medien. Und das Jugendgericht sprach ihn dann noch frei. Aber nach diesem Freispruch, da kam raus, das es einige Unfälle gab, es waren schwere tödliche Unfälle, ein Kind wurde von einem Betonmischer erfasst, ein anderes Kind sprang von einer Brücke als Mutprobe, und jedesmal war der kleine Engel in der Nähe. Und dann konnten die Medien die Sau in der anderen Richtung durch das Dorf jagen, dann hiess es: Der Teufel mit dem Engelsgesicht?

Aber sie konnten nichts machen, denn das war vor seiner Strafmündigkeit. Und mittlerweile lebte er mit einer blinden Frau zusammen, und beide waren wirklich unglaublich glücklich zusammen. Und obwohl das eine noch grössere Story war, schrieb niemand darüber, die Öffentlichkeit erfuhr nichts von der blinden jungen Frau, die bildschön gewesen sein soll. Und alle taten so, als hätten sie ihn vergessen und sie wussten doch, eines Tages wird er zurückkommen, mit einer grausamen Geschichte, die niemand hören will. Mit einer so grausamen Geschichte, dass es einfach nicht wahr sein kann.

Motorradmann: Dein Ernst, das hat dein Freund erzählt? Und Du willst ihn jetzt suchen?

Pele: Und ich werde ihn finden.

Der Welpe sucht sich Pele aus

Nennen wir den kleinen niedlichen Welpen Willi. Sagen wir, auch wenn Willis Tag beschissen angefangen hat, in dem Sack mit seinen nervigen Geschwistern und dann noch baden in kaltem Wasser, Willi hat heute Glück gehabt. Weil sich der Strick um den Sack gelöst hat und weil Bud, eine Kinderseele versteckt in einem Bär von einem Mann, eine Fleischwurst in seiner Satteltasche hatte. Denn das ist Buds Motto: Habe immer eine Fleischwurst in der Satteltasche, und noch eine in Reserve. Natürlich wird so eine Fleischwurst mit soviel Qual produziert, dass sie nicht zu dem kindlichen Wesen, was tief in Bud schlummert nicht passen würde. Aber Bud, das ist so einer, er würde auch seine Fleischwurst bei den Ökonazis kaufen, wenn es gar nicht anders geht. Willi der Welpe ist der klügste von allen Welpen aus dem Sack, Willi ist der Einzige, der es ins Buds Satteltaschen Himmelreich geschafft hat. Und als Bud den Welpen sieht, bei seinen Freunden angekommen, da wird er hochgenommen, mit seiner Grobheit. Ein Seeelefant, der die Babys zerquetscht, weil er voll horny ist. Aber But will es ihnen zeigen. Und der Welpe ist sein ganzer Stolz.

Aber Willi hat andere Pläne, und als er die schlafenden Penelope unter einem Baum sieht, da schlüpft der Welpe in ihren Schoss. Aber Bud will ihn wieder zurück haben. Doch wie er die schlafende Penelope dort sieht, da muss er zugeben, dass sie auch mindestens genauso niedlich ist, wenn das es mal trifft. Und er lässt dem glücklichen Paar eine seiner Reservefleischwürste da. Als Penelope aufwacht hat sie überhaupt nichts davon mitbekommen. Und der Welpe lebt heimlich bei ihr und nützt ganz schamlos ihre Blindheit aus. Für das Futter sorgen die Rocker, für das seelische Wohl Penelope, wenn er heimlich in ihr Bett schlüpft. Und sie hat schon den Tätowierer in Verdacht sie manchmal zu berühren. Aber der verpfeift den treu dreinblickenden Welpen auch nicht und sagt ihr: Wie weit bist Du eigentlich mit dem Unsichtbarkeitsding gekommen? Aber einen Moment später erwischt sie ihn dabei, wie er dem Welpen kleine Häppchen zuwirft. Wieder verpfeift er den Hund nicht als sie sagt: Was machst Du da Bud? Und dann bringt ihr Bud das Futter für den Welpen mit und erklärt ihr, dass sie schon eine Woche lang einen Hund hat, und von wem er ihr zugelaufen sei.

Sag mal Bud, glaubst Du etwa, das wüsste ich nicht?

Bud nickt und sagt: Nein.

Dann bringt Penelope dem Hund Dinge bei, die er ihr bringen soll. Und das macht er auch. Sie hat ihm extra einen Karton als Stufe an den Stuhl gestellt, um ihr helfen zu können, und direkt auf den Küchentisch zu kommen. Und er bringt ihr immer das Essen von dem Tätowierer. Der wird langsam sauer, dass seine kleinen Bratwürstchen, die für ihn unerlässlich für einen gelungenen Tag sind, immer bei Penelope landen. Obwohl sie nie will, dass er ihr Würstchen brät. Aber wenn der Welpe es ihm klaut und ihr bringt, dann isst sie die Würstchen auf. Meistens teilt sie sich die Würstchen mit dem Welpen. Und natürlich, wenn er mal genügend Würstchen für alle hat, dann will der Welpe mit ihr in den Wald gehen. Dabei gibt er wirklich alles für den Hund, er hat ihr sogar so ein Ding für Blindenhunde gebastelt, aus einem Teleskopschlagstock, wo man sozusagen eine steife Leine hat, und immer dann anhält wenn der Hund es tut. Und ausserdem kann man es weiterhin als Schlagstock verwenden, man darf nur nicht vergessen bevor man mit dem Schlagstock zuschlagen will, den Welpen aus dem Geschirr zu befreien. Und ich sage das obwohl dem Welpen solche Schleuderspässe ausserordentlich gut gefallen.

Ausflug mit dem Welpen

Und als sie am nächsten Tag mit dem Welpen unterwegs ist, auf dem alten Weg, der am Hang des Seeufers entlang führt legt sie sich in die sonnenbeschienene Heide und flüstert zu dem Welpen: Psst, horch, sei mal still, was ist da? Hörst Du das? Willst Du es nicht holen?

Und jedesmal kommt der Hund mit seiner weichen Schnauze zurück und meldet sich direkt in ihrem Gesicht.



Der Welpe ist schon zweimal dabei verloren gegangen. Die Rocker sagen dann immer „Kein Ding“ und finden ihn immer wieder. Erst muss Penelope lächeln, weil sie weiss, wie schwierig es ist den Welpen wiederzufinden. Dann fragt sie sich, was ihre Freunde wohl machen würden, wenn sie den Welpen nicht wieder finden würden, ob sie ihr einfach einen anderen unterjubeln würden, damit sie nicht traumatisiert wird. Bei diesem Gedanken beschliesst sie dem Hund endlich einen Namen zu geben und Willi soll er heissen.



Der Einsiedler

Natürlich hatte der Wald, zu dessen ungekrönte Königin Penelope langsam wurde, noch mehr zu bieten.

Es war einmal ein Mönch, der wie ein Eisiedler im Wald lebte. Die Dämmerung begann schon zu schwächeln, was der Stern Sirius gleich ausnutzen musste, um sich wieder einmal als erster am Firmament zu zeigen.

Das Waldlager des Mönchs ist malerisch unter großen Eichen auf einem Hügel gelegen, der sich als einziger von den ganzen anderen viel unbedeutenderen Hügeln auch noch einer kleinen Felskrone schmücken konnte, von der der Mönch über das weite waldige Land blicken konnte, wenn er nicht gerade damit beschäftig war, die diversen Vögel abzuwehren, die ziemlich sauer auf ihn schienen, und denen es danach gelüstete ihm einen Scheitel zu ziehen, während er sich auf einem winzigen Feuerchen ein PilzOmelett briet. Als er gerade seinen Kopf vor einer auf ihn herabstürzenden Nachtschwalbe einziehen musste rief er: Könnt ihr nicht mal damit aufhören, stellt euch nicht so an, legt einfach mal ein Ei auf Reserve. Und nehmt euch ein Vorbild an dem Pilzen, machen die etwa gleich einen Zwergenaufstand, wenn man sich ihre Früchte holt? Hä?

Da sah es so als als würde der Mönch Verstärkung bekommen, denn es war ein Briefträger, der ihn in diesem mutterseelenalleinen Lager aufsuchte. Aber der Mönch sagte barsch: Ich empfange heute niemand mehr, bitte ziehe er eine Nummer. Der Briefträger beteuert, dass es rein beruflich sei und der Mönch hält die Hand auf. Der Briefträger legt einen Brief in die Hand des Mönchs und als der Mönch zugreifen will, hält der Briefträger den Brief fest und sagt: Na ja, wenn ich morgen nicht mehr kommen würde und jemand anderes müsste kommen, wäre das ein berufliches Problem oder ein privates?

Mönch: Es wäre überhaupt kein Problem, no problemo, bleib einfach weg.

Der Briefträger sagt: Hm.

Er lässt den Brief los und geht schweren Schrittes zu dem Fahrrad, was bisher noch nicht erwähnt wurde.

Wir spulen vor, yes we are open, natürlich kümmert sich der Mönch um seinen Gast, der Briefträger erzählt von seiner rasenden Eifersucht und wird vom Mönch von dummen Gedanken abgebracht, währdessen wird leider Gottes das Omelett kalt.

Als der Briefträger endlich weg ist, jagt ein Hase vorbei, hält kurz an, sieht in Richtung vom Mönch, ein Hund kommt hinterher gestürmt, hält aber als er den Mönch sieht auch inne: Der Mönch sagt: Weitermachen!

Die beiden jagen weiter und der Mönch sagte nach dem ersten Bissen in das Omelett bitter: Wie ich kalte Omeletts hasse.

Wir spulen wieder die Zeit vor, so lange wie das Psylocybin aus den Pilzen braucht, in der Blutbahn eine wirksame Dosis aufzubauen.

Der Mönch hat jetzt einen im Tee, er ist betüttert, stoned, was auch immer und spricht mit einer Ratte:

Na Jack, hast Du dich verlaufen? Er beugt sich über das Tier: Ich sag mal, falsches Biotop.

Die Ratte macht nichts, steht ganz still, macht ein Männchen, wie man so sagt und sieht den Mönch konzentriert an. Der Mönch sagt: Jack, bleib ruhig hier, ist von meinem Bruder, das wird dich bestimmt auch interessieren. Besonders wenn Du eine Kirchenratte bist. Oh, oh, tut mir leid Jack, Du bist eine Maus. Na klar, warum nicht. Nein, Du musst Dich nicht schämen, dass Du ein bisschen zuviel drauf hast, konnte es nicht gleich sehen, es lag an mir, an den Pilzen, da kann man sich mal vertun. Aber jetzt lass mich mal den Brief lesen.

Der Mönch holt umständlich eine Lesebrille heraus, die ihm überhaupt nicht steht, weil er damit wie ein Hipster auf Campingurlaub aussieht, wenn überhaupt noch jemand weiss, was ein Hipster einmal war, denn es ist eine aussterbende Spezies, das wollen wir doch hoffen. Der Mönch hält den Brief in den Feuerschein. Nach einer Weile beginnt der Mönch wieder zu sprechen: Was sagen wir denn dazu, er ist Kardinal geworden, der jüngste Kardinal, seit den perversen Päpsten, der jüngste Kardinal der Neuzeit.

Da klettert die Ratte auf einen Baum der just am Abgrund wächst und sich mit seinen wuchtigen Wurzeln geschickt in den Ritzen und Spalten des Felsen festkrallt und plötzlich geschieht das Unglaubliche, da verwandelt sich doch die Ratte in einen Eichkater.

Jack, Jack, das kannst Du nicht machen, einfach mitten im Gespräch fortgehen. Ich wollte dich doch fragen, was Du davon hältst, Ich kann mit dir reden. Ach was sage ich, mit Dir und all den anderen hier kann ich reden, und mein Bruder wird Kardinal. Da wollen wir ihm gratulieren. Halt, da steht ja noch was. Er will sich wenn er erwählt wird, Coelestin den sechsten nennen. Der Mönch sieht irritiert zu dem Eichkater: Sag mal, warst Du nicht eben noch eine Ratte, äh ich meine eine stämmige Maus? Was machst Du da auf dem Baum? Weisst Du wer der Heilige Coelestin war, hä, ein Einsiedler war das, und als sie ihn zum Papst gemacht haben, ohne ihn zu fragen natürlich, denn Einsiedler muss man ja nicht fragen, da ist er einfach weggelaufen.

Der Mönch folgt mit seinem Blick einem Marder der in den Ästen klettert. Er reibt sich die Augen, dreht den Kopf und kann den Eichkater wieder sehen: Jack, ich will Dich nicht beunruhigen, aber wärst Du doch lieber eine Ratte geblieben, dann hättest Du bestimmt netteren Besuch als diesen Marder, da.

Der Marder jagt auf das Eichhörnchen zu, und das spreizt das Fell und segelt von dem Baum den Abgrund runter auf die nächste alte Eiche, in Sicherheit.

Der Mönch klatscht: Wenn das kein guter Trick ist, sogar der Marder hat es geglaubt.

He Moment mal, Dich darf es doch hier gar nicht geben, Du wohnst doch viel weiter im Osten? Das nächste Mal verwandelst Du dich nicht in ein Gleithörnchen, das glaubt dir sonst niemand Jack. Weisst Du was überzeugend wäre, wenn Du dich in einen Tannenzapfen verwandelt hättest! Jack, das kannste mir glauben, ein Tannenzapfen, das wäre wesentlich sicherer. Das wäre todsicher. Der Mönch beugt sich etwas in Richtung Abgrund.

Moment mal Jack, warte doch mal, das habe ich nicht zuende gedacht. Wenn Du ein Tannenzapfen wärst, dann müsstest Du dich doch selbst aufessen. He Jack, wo bist Du? Hörst Du mich noch, Du kannst alles mögliche werden, hörst Du mich, nur kein Tannenzampfen. Das ist eine ganz schlechte Idee, das wäre nicht nur sehr ungesund, wenn Du dich selbst als Tannenzapfen aufessen würdest, um nur ein Beispiel zu nennen, es wäre auch eine Verspottung der Schöpfung Gottes.

Wie, Du glaubst nicht an Gott?

Dann willst Du wohl auch nicht mit nach Rom kommen, wenn ich beweisen muss, dass ich mit den Tieren sprechen kann. Weisst Du was Du bist Jack, Du bist …

Jetzt hättest Du mich beinahe so weit gehabt, beinahe hätte ich dich verflucht.

Der Mönch zeigt mit Daumen und Zeigefinger einen Spalt, durch den kein Blatt Papier mehr gehen würde: So kurz davor, war ich.

Diesen ganzen Geschehnisse und die langen Gespräche mit den Tieren machen den Mönch nicht wacher. Der Mönch wird immer schläfriger, sackt an einem Baumstamm runter und kuschelt sich in seine raschelnde selbstgebastelte Schilfdecke und murmelt noch: So kurz war ich davor.

Dann furzt er laut und befreiend und schläft augenblicklich ein. Kaum sind seine Augen geschlossen landet ein Storch direkt neben ihm, der Storch stupst den Mönch nicht allzu vorsichtig mit seinem spitzen Schnabel an, als dieser sich nicht bewegt, dreht er seinen Südpol über die winzige Pfanne des Mönchs und kackt hinein.

Penelopes Originalzustand

Als Penelope glücklich wie immer mit dem Welpen von einer Exkursion in den Wald zurück kam, da hatte sie zwei Kratzer auf der Stirn, die ein bisschen an ein Kreuz wie zum Ankreuzen erinnerten. Und so kam man überein, dass der Welpe dringend trainiert werden musste, um Penelope vor Zweigen zu warnen, die sich im Luftraum über dem Welpen befanden.

Und da sie bis auf Bud mit D am Ende nichts in ihrer Mitte tolerierten, was sie für gewöhnlich hielten, kamen sie auch auf keinen gewöhnlichen Vorschlag, was die Ausbildung des Welpen als Blindenhund betrifft.

Und da kommt ihnen ein Einsiedler, der ebenfalls in diesem Wald wohnt, und dem man nachsagt, er könne mit den Tieren sprechen, nur recht.

Eugen: Dieser Einsiedler, das ist ein Typ, da kannst Du nicht einfach hingehen, und eine Dienstleistung abrufen.

Bank: Habe ich euch schon gesagt, dass ich den Wald gekauft habe?

Eugen: Echt jetzt, was willst Du machen, ihm mit Räumungsklage drohen?

Sniff: Wie krass ist denn das?

Bank lehnt sich entspannt in der Hollywoodschaukel zurück.

Eugen: Das ist ein Typ, dem kannst Du so nicht kommen. Das ist ein Typ, der hat seine eigene Agenda, da brauchst Du eine Geschichte.

Sniff: Wie krass ist das denn?

Bank: Willst Du unsere Penny Flügel ankleben, um das Interesse von Catweasel zu wecken?

So geht es es noch eine Weile hin und her, bis Chaim sagt: Penny geht auch ohne Geflügel als Engel durch.

Und wie so oft, ist niemand aufgefallen dass Bud mit D gar nicht mehr dabei ist, denn er hat für Penny einen Knotenweg angelegt, der direkt ins Einsiedelparadies führt. Ein Knotenweg ist eine Schnur zur Orientierung die Touristische Informationen in Form von Morseknoten enthält, wie z.B. beachte den Geruch von Marzipan und Zitrone der Douglas Fichten aus dem pazifischen Nebelwald.



Der Einsiedler als Welpentrainer

Wenn man den Einsiedler sieht, in seinen Naturcape aus Gras, dann darf man sich nicht täuschen lassen, er ist schrecklich eitel. Zudem hat er alle Märtyrer eingehend studiert, und ist zu dem Entschluss gekommen, dass er für einen richtigen Märtyrer zu alt ist mit seinen 36 Jahren. Ein christlicher Einsiedler sollte nicht älter den Märtyrertod sterben als der Heiland, alles andere ist kein Heldentod sondern ein Fall für die Biotonne. Und da sich bisher niemand gefunden hat, um aus ihm einen Märtyrer zu machen, hat er seinen von Gott geschenkten Körper pfleglich zu behandeln, so als ob er sich von einem Freund das Auto ausgeliehen hätte. Man stelle sich das einmal vor, man leiht einem Freund seinen Wagen und bekommt ihn mit frischer Inspektion inklusive Ölwechsel und einem Satz neuer Reifen zurück. Das beschreibt es nur annähernd, was der Einsiedler täglich tut, um seinen Körper fit zu halten.

Doch ganz am Anfang sah es nicht so rosig aus, da war er dem Tod näher als je, dem Tod aus Langeweile.

Denn wenn man mit der Einsiedelei beginnt, dann ist es widersinnig wie ein Koberer (= Anwerber eines Bordells) auf die Spaziergänger zuzugehen, um seine Dienste anzubieten. Diesen Fehler hat der Einsiedler zu spät erkannt. Es wäre besser gewesen, sich erst einen gewissen Ruf zuzulegen bevor man abtaucht, denn sonst kann ja niemand wissen, was man vermisst.

Und so kam es, wie es kommen musste, der Einsiedler war einsam und hat seine Leere mit Gedanken gefüllt, was nicht das Schlechteste ist. Bei dem Versuch sich einen Namen zu geben ist er dabei auf den heiligen Coloman gekommen, der war ein irisches Wanderprediger, der am Holunderstrauch aufgehängt wurde, weil niemand seine unter Folter abgegebenen Geständnisse verstand und man ihn für einen ungarischen Spion hielt. Der Einsiedler musste lange suchen, um einen grossen Holunderstrauch zu finden, der gross genug war, dass man einen Menschen daran aufhängen konnte. Dann lernte er noch den Spruch auswendig: „Ich bin kein ungarischer Spion“. Und als er den Spruch in 24 Sprachen aufsagen konnte hatte er plötzlich eine Vision: Die Pilzberatung!!!

Denn seitdem er Pilzberatung anbietet ist der Einsiedler nicht mehr einsam. Das alles natürlich nur sehr beiläufig, indem er tadelnd auf die Sammler zugeht und ihnen ins Gewissen ruft, dass auch sie ihren Körper nur von dem Herrn geliehen haben und es bitte auch dem Herrn überlassen, wann es Zeit ist ihn zu rufen, natürlich alles mit einem besorgten Blick in das fremde Pilzkörbchen. Das hat dem Einsiedler nicht nur manche gute Pilzmahlzeit eingebracht, sondern auch den Ruf des Lebensretters. Und meistens sieht man schon an dem, was da im Körbchen liegt, ob es sich um einen Experten handelt mit dem der Einsiedler dann fachsimpelt oder einen Laien, dem man das Leben retten kann. Und so hat sich eine gewisse touristische Aktivität entwickelt (und zwar schon vor den EchoSchluchtDuetten). Man geht jetzt nicht mehr in den Zoo, und spart sich das horrende Eintrittsgeld, und all diese Verbote, dass man die Tiere nicht füttern und streicheln kann, sondern man geht lieber in den Wald, um den Einsiedler zu füttern. Scherzhaft hat er darüber nachgedacht, ein Schild aufzustellen, den Einsiedler bitte nicht streicheln, als er an diesem Tag Penelope sieht, beginnt er an diesem Verbot zu zweifen.

Er ist so fasziniert, dass er gar nicht mitbekommt, was sie gesagt hat und er muss das Gespräch mit einem einfältigen „Wie bitte?“ beginnen. Schlimmer wäre noch, er hätte „hereinspaziert“ gesagt.

Und als Penelope sagte „Bin ich hier richtig?“ da war er so sehr hin und hergerissen, ob er jetzt sein übliches einladendes Abwimmeln praktizieren sollte, dass er erst wieder zu sich kam, als ihm mit ziemlicher Wucht eine Eichel an den Kopf flog. Dabei waren die Eicheln doch noch gar nicht so weit und sie fielen auch immer von oben vom Baum und kamen nicht seitlich angeflogen, wie eine Drossel. Als er in die Abflugrichtung blickte sah er Chaim, mit einer Zwille in der Hand, die er gerade neu beladen hatte, und er machte ihm mit Gesten deutlich, er möge doch jetzt mal hinne machen.



Kürzen wir das mal ab, der Einsiedler zieht eine riesen Show ab, nachdem er sich mit Penelope äusserst umständlich bekannt gemacht hat und von ihr erfahren hat, dass sie ihren Bruder sucht und er unbedingt von ihr wissen wollte, was denn ihr Bruder für eine Stimme habe. Da hat Chaim den Braten gerochen und den Einsiedler von der Versuchung befreit der schönen Penelope als ihr Bruder zu begegnen, indem er ihm einen kleinen sehr unbequemen Kieselstein an den Kopf geschossen hat. Das Welpentraining war nicht weniger bizarr. Der Einsiedler verband dem kleinen Hund die Augen, damit der so wie Penelope mit dem inneren Auge sehen könnte. Der Hund befreite sich mit seiner Pfote so weit von der Augenbinde, dass er genug sehen konnte, um sich zielstrebig zu bewegen. Von dieser Trainingseinlage war Chaim ebenfalls nicht begeistert, was aber der Einsiedler vorhersah und nur das laute Tock hörte, als ein Kieselstein, der um einiges größer war als sein Kollege, seinen Kopf nur knapp verfehlte und die Rinde einer jungen Buche verletzte.



Es war so übel, dass der Einsiedler nachdem Penelope sich an dem Knotenband zurück bewegte, das Gespräch mit Chaim suchte. Aber so einfach kam er aus dem Ding nicht wieder raus. Er war der Typ, der mit den Tieren sprechen konnte, oder? Da schaltete sich das Gehirn des Einsiedlers ein, und er sagte, dass er mit dem Welpen gesprochen hätte, der verspürte aber keine Lust auf den Job als Blindenhund. Auch dass liess Chaim nicht zu. Und so verblieb man so, dass der Einsiedler auf eigene Kosten einen Blindenhund organisieren wollte, der in etwa die gleiche Grösse und Rasse wie der Welpe hatte.

Aber natürlich waren die Blindenhunde alle größer und zudem recht kostspielig. Aber da war dem Einsiedler klar, das dies der einzige Weg war, um aus dem Ding wieder raus zu kommen. Und zur Belohnung spielte Penelope mit, als sie spürte wie sehr ihr Welpe gewachsen war. Und obwohl sich fortan Bud wieder um seinen Welpen kümmern konnte, büchste der immer wieder aus, und schloss sich Penelope und ihrem Blindenhund an, und schliesslich blieb es dabei. Und so hatte der Blindenhund, noch ein eigenes Support Animal, mit dem er sich von der anspruchsvollen Aufgabe erholen konnte, mit Pele durch das Unterholz zu brechen.

Fortgeschrittenes Unsichtbarkeitstraining und vergrabene Erinnerungen

Ich könnte jetzt endlos über das Unsichtbarkeitstraining schreiben, wie oft es Penelope in ihrem tätowierten Rankpflanzenkostüm gelungen ist, unsichtbar zu bleiben. Das hängt übrigens weniger von Penelope ab, und wie gut gelungen die Tarntätowierung ist, sondern mehr von dem Welpen, ob er es geschafft hat, einen Moment ruhig zu bleiben.

Aber worüber ich unbedingt berichten muss, ist ein eigenartiges Erlebnis.

Ganz in der Nähe des Einsiedlers ist noch ein Felsen, wenn auch nicht ganz so hoch. Und an diesem Nachmittag hat sich der Welpe diesen Ort ausgesucht und Penelope versucht hier ihre Unsichtbarkeit zu perfektionieren. Diese ganze Übung nützt natürlich nichts, wenn nicht jemand kommt, der sie sehen könnte. Und als Penelope schon kalt wird, da ein frischer Wind weht und sie sich wieder anziehen will, da tritt ein junges Paar auf einem Felsen und ihr Kichern dringt bis zu Penelope, die es noch schafft, den Welpen durch Tätscheln seines Kopfes ruhig zu bekommen. Da gibt der Mann der Frau einen Schubs in Richtung Abgrund, und fängt sie im gleichen Augenblick wieder auf, damit sie nicht stürzt und sagt nur trocken „Hoppla“.

Sie ist erst sauer: Bist Du irre?

Er lächelt sie an: Nicht mehr als unbedingt notwendig.

Sie schliesst ihre Arme um seinen Hals und küsst ihn und sagt: Idiot.



Und schon sind die Beiden wieder hinter der Klippe verschwunden und ihre Stimmen werden deutlich leiser. So leise, dass man nur noch das Rauschen des Windes hört. Und vielleicht denkt Penelope dabei, wie sich die Brandung anhört, und ein Lächeln geht über ihr Gesicht.



Doch plötzlich spürt Penelope eine Eiseskälte und sie kann das Zittern nicht unterdrücken. Sie hockt sich hin, drückt ihre Oberschenkel an den Bauch. Die Hunde spüren, dass etwas nicht in Ordnung ist und Tränen laufen über Penelopes Gesicht.



Die sprechenden Pilze

Gott offenbart sich durch so vieles, durch den warmen Sommerwind, der heute blies und das erste Mal die Blätter des Waldes wieder Rauschen liess, durch die Ozeane mit ihren mächtigen Wellen, die stillen Berge aber auch diesen verdammten winzigen rosa Pilz, der dem Mönch jedes Jahr die Treue gehalten hatte, und an der Westseite von dem großen Findling an der Lichtung wächst. Verärgert blickte der Mönch in den Himmel und bedachte die Lärche mit einem bösen Blick, denn sie war ganz schön gewachsen. Hast Du vulgärer Baum meinem kleinen Rosa Pilz vertrieben? Der Einsiedler verfluchte seine Dummheit und dass er trotz eingehender Studien nichts über diesen Pilz erfahren hatte, bis auf zwei Tatsachen, er bringt dich zum sprechen, mit ihm erzählst Du dir selbst die grossartigsten Geschichten. Das war die eine Tatsache, und die andere Tatsache, war gar keine mehr, denn die lautete, der Pilz wächst immer im Frühsommer oder Spätfrühling auf der Westseite des großen Findlings an der Lichtung. Er wartete jetzt schon Wochen auf den Pilz, und er war ihm nicht erschienen. Er hätte am liebsten die Erde aufgewühlt, um ihn ans Tageslicht zu bringen, aber das machte natürlich auch keinen Sinn. Er hatte alles versucht, um den Pilz aus der Erde zu locken, nur eines noch nicht, er hatte nicht für ihn gebetet. Denn, der Einsiedler war der Ansicht, dass einem die Gebete nur dann erhört werden, wenn man mit Gott umgeht wie mit einem Freund. Und den nervt man ja auch nicht dauernd, besonders wenn er so selten antwortete. Was einige seiner Brüder und Schwestern da betrieben, das war in seinen Augen nicht „preiset den Herrn“ sondern „stalked den Herrn“. Aber in diesem Fall wurde es tatsächlich ziemlich dringlich, denn es galt mit dem Pilz den Sommer zu feiern und in seinen Blüten und Früchten Gott zu bewundern und zwar, still. Dass das ein Widerspruch in sich war, weil der Pilz einen zum sprechen brachte, dass man eine Landform des Seemannsgarns sponn, eine phantastische Geschichte, in der alles verbunden schien…

Aber dem Einsiedler kommt das Gebet dann doch nicht so leicht über die Lippen, denn wie sehr er auch den Pilz verehrte, war er nicht ein zweifelhaftes Hilfsmittel, um mit Gott zu telefonieren? Und war das überhaupt Gott, der aus einem sprach, wenn der Pilz die Darmzotten erreicht hatte? Handelt es sich nicht bei dem Pilz um einen Grenzfall? Ist es nicht ebenso vermessen, wenn man Gott darum bittet den Brantwein zu segnen?

Aber was nun geschah, das bestärkte den Einsiedler in seinem Glauben, denn er hatte Gott nicht genervt, hatte sich selbst Gedanken gemacht, die moralischen Implikationen des Problems mit seinem messerscharfen Verstand freiseziert und deshalb lächelte ihn da auch sein kleiner rosa Freund an: Haps.

Das war vor einer halben Stunde. Nun lag der Mönch schon friedlich murmelnd in einem sonnenbeschienen WachTraum mit halb gesenkten Liedern, und hatte seinen Körper verlassen und war in den eines wilden Tieres übergetreten, was kann das für ein Tier sein? Auch wenn der Einsiedler einfach nicht darauf kam, welches Tier in ihn gefahren war, Penelopes Hunde hatten auf sein Heulen schon geantwortet.

Doch was ist das? Da war ein Riss in dem Pilzfilm. So wie früher, wenn das Zelluloid verbrennt und man dieses psychodelische Muster auf der Leinwand sieht, wenn ein Standbild Feuer fängt. Der Einsiedler musste erstaunt feststellen, dass Penelope ihre Hunde auf der anderen Seite der Lichtung festgebunden hatte und der grosse Hund bellte und der kleine Hund heulte nicht schlecht. Duhn wie der Einsiedler war, war es nicht leicht herauszufinden, was da gerade geschah. Immerhin konnte er der Richtung folgen, in die die Hunde anschlugen. Und Tatsächlich sah er da Penelope auf der anderen Seite der Lichtung mit einer eigenartigen Gestalt in einem Ganzkörperanzug, der eine im Sonnenlicht blitzende Sichel trug. Vorwurfsvoll sah der Einsiedler Richtung Pilz, denn er hatte noch drei der Kollegen stehen gelassen, weil er wusste, dass einer völlig ausreicht. Aber der Pilz hatte keine Botschaft für ihn, er sagte nicht, iss mich, dann erfährst Du die ganze Wahrheit. Statt dessen machte sich eine Bedrohung breit, ein fulminanter Horrotripp, den der Mönch von seinem Freund dem kleinen rosa Pilz noch nicht gewöhnt war. Aber die Übung in der Kontrolle seines Verstandes brachte den Mönch doch dazu, das Einzig Richtige zu tun. Schnell rannte er in Richtung Hunde, die keine Notiz von ihm nahmen, da machte er Bekanntschaft mit einem weiteren Findling, der im dem wuchernden Wiesenkerbel verborgen lag, und ihn schmerzvoll zu Fall brachte. Als er den Kopf hob konnte er sehen, wie Penelope versuchte zu den Hunden zu kommen, aber immer wieder war diese Sichel in ihrem Weg, denn der verhüllte Mann tänzelte um sie herum. Der Einsiedler sah wie eine Weide mit ihrem frischen Grün sich im Frühsommerwind bog, und fragte sich, warum Penelope denn den Typ nicht hört. Es wird dem Einsiedler erst am Abend klar sein, dass dieser Wind so viele Geräusche schlucken kann, besonders, wenn keine trockenen Blätter den Tritt eines Menschen verraten können. Der Einsiedler war so fasziniert von diesem grausamen Spiel, mal kam die Sichel Penelopes Kehle bedrohlich nahe, mal drohte der Mann die Sehnen in ihren Kniekehlen zu durchtrennen. Und da dachte der Einsiedler: Warum macht Penelope nichts? Warum geht sie einfach weiter, tastet sich durch das unbekannte Gelände, quer durch die Wiese mit ihren Hindernissen auf die bellenden Hunde hinzu.

Als der Einsiedler begriff, warum sie nichts tat, lächelte er, als hätte er just die Quantenmechanik entdeckt: Sie ist doch blind!

Nun aber schnell die Hunde losgemacht! Und ohne weitere Stürze schaffte es der Einsiedler zu den Hunden während Penelope durch einen Fussangel einer Brombeere in der Frühsommervegetation verschwunden war, und nur der Sichelmann über ihr noch sichtbar war. Als der Einsiedler den grossen Hund los hatte, riss er so sehr an der Leine, dass sich diese an den Beinen des Einsiedlers verhing und ihn zu Sturz brachte. Der Einsiedler könnten diesen Tag, den Tag des Findlings taufen, denn diesmal schlug er mit seinem Kopf auf so einen Stein, und das bedeutete erst einmal Filmriss.

Als der Einsiedler aufwachte lag sein leicht blutenden Kopf im Schoss von Penelope, die ihn mit einer Hand das Haar streichelte und mit der anderen versuchte das Handy in verschiedene Richtungen zu halten um Empfang zu kriegen.

Der Einsiedler dachte nur noch eins: Nur einen kleinen Moment! Nur einen winzig kleinen Moment will ich die Augen wieder schliessen und Penelopes kühle Hände in meinem Haar spüren. Nur einen winzigen Moment noch, O.K.?

Aber leider währte der Augenblick nicht lang, denn schon kam die Erinnerung zurück: Der Scheiss Sicheltyp!!! Der Einsiedler war so schnell auf den Beinen, wie ein Shaolin Mönch, aber die Hunde lagen friedlich im Gras und nagten gemeinsam an einem sehr großen Knochen und weil er so heftig aufgesprungen war, hatte er Penelope einen Kinnharken mit seinem Dickschädel verpasst. Aber die Gute Nachricht war, dass von dem seltsamen Sichelmann jede Spur fehlte.

Nur ein Gedanke schoss dem Einsiedler später durch den Kopf und liess ihn nicht mehr los: Wie hat Penelope mich gefunden? Er gab sich auf diese Frage selbst die Antwort: Es waren die Hunde.

Aber es gab etwas an dieser Antwort, was ihn nicht befriedigte. Oft ging er die Ereignisse dieses Tages noch einmal durch. Er verwendete sogar noch einen von seinen kleinen rosa Kameraden, wie er die Pilze nannte, dafür. Er konnte sich zwar erklären, woher der Sichelmann gekommen war, den mussten die Pilze mitgebracht haben, um ihn für seine Ungeduld, für seine Gier, immerhin eine Todsünde, zu strafen.

Und obwohl ihn die Frage brennend interessierte, wagte er nicht Penelope danach zu fragen: Wie hast Du mich gefunden?

Vielleicht wollte er es gar nicht so genau wissen.



Der Tag als Yoshi Hagen endlich kam

Penelope hat nun das Unsichtbarkeitstraining abgeschlossen mit ihrem Blindenhund und dem Welpen kann sie sich im Wald bewegen, als wäre sie gar nicht da, so wie ein Geist, der schon lange gestorben ist, oder eine Figur, die sich jemand ausgedacht hat, damit sie in einer Geschichte leben kann.

Und dann ist es endlich soweit, als hätte Yoshi das erfolgreiche Unsichtbarkeitstraining abgewartet. Das Waldstück, wo die Buchen hoch in den Himmel ragen erschallt unter dem Stiergeräusch von Yoshis Wagen. Fast jeder, der an der Geschichte beteiligt ist, hebt ein wenig den Kopf oder wendet sich in Richtung des Geräuschs. Wenige Minuten später geht Yoshi zu den Rockern und fragt nach Penelope, aber die haben überhaupt keine Ahnung, wen er da sucht: „Noch nie gesehen“. Und sie schicken ihn zu den richtigen Rockern, doch die haben einen guten Tag und lassen Yoshi wieder ziehen. Doch dann erwischt Yoshi den Welpen, und der hat ein Tuch um, was er noch von Penelope kennt. Und der bringt ihn ganz treu fast bei der Klippe zum Absturz. Aber nur fast, heldenhaft verbeisst er er sich in Yoshis Bein, um den Sturz noch aufzuhalten. Dann geht Yoshi zum Einsiedler und der wird fuchsteufelswild und will so wörtlich dem Yoshi „die Religion vom Leibe schlagen“, weil er so dumm war, und Penelope zurück gelassen hat. Aber er hat Yoshi dann noch verraten, dass Penelope manchmal noch auf das Echo wartet. Als Yoshi dann wie ein Idiot fragt „Welches Echo?“, da verliert der Einsiedler engültig die Geduld jadt Yoshi zum Teufel.

Yoshi ist dann selbst noch auf das Gartenlied gekommen.

Und als Yoshi Penelope mit einem eigenen Glöckchenknotenweg oder dem Gartenlied lockt, ich weiss jetzt auch nicht mehr genau, was letztendlich funktioniert hat, da geschieht nicht viel. Und ich weiss es wirklich nicht, aber es könnte an dem Unsichtbarkeitstraining liegen, dass Yoshi für Penelope nicht mehr überlebenswichtig ist. Als er zurück bei seinem Wagen ist, den er bei dem Clubheim geparkt hat, sieht er Penelope wieder.

Dann sagt sie ihm, dass er sie ja mal besuchen kommen kann, da wäre sie gar nicht abgeneigt, aber ansonsten bleibt sie im Wald: Hier gehöre ich hin.

Yoshi betrachtet Penelope eine Weile und Penelope kann das spüren. Sie macht sogar ein paar Sachen, die sie von Greta gelernt hat, leckt sich ein bisschen über die Oberlippe und legt das eintrainierte Glam Lächeln hin. Vielleicht dauert das Ganze ein Minute, oder zwei, und niemand sagt ein Wort, alle sehen nur gespannt hin, dann ist es auch schon vorbei.

Dann wünschen alle Yoshi, dass er recht bald wieder kommt. Der Welpe hat auf seinen Schuh gepinkelt, der Storch hat auf seinen Porsche gekackt und als Chaim das Dixi Klo aufsuchen musste, was sie hier für die Touristen aufgestellt haben, da hat sich ein Bolzen gelöst und es ist auf den Porsche gekippt und hat ihm den rechten Aussenspiegel abgeknickt. Und wenn der Einsiedler nicht gerade zufällig vorbei gekommen wäre und das verdammte Klo abgefangen hätte, dann wäre jetzt links der Lack ab.

Doch Yoshi will Penelope noch eine dicke PerlenKette geben, die per Ultrachall Hindernisse ortet und sie durch Vibration über die Perle in der richtigen Richtung anzeigt, das hat er noch vergessen, das ist das neuste Projekt von Greta.

Als das getan ist, sagt Penelope artig: Danke.

Und als Yoshi sich zum Schluss umsieht sagt er zu der eingeschworenen Gemeinschaft: Wenn es jetzt noch eine Mädchenleiche gäbe, dann wärt ihr die ideale Kulisse für eine schöne amerikanische Originalserie.

Die Anspannung weicht aus der kleinen Gemeinschaft und plötzlich kommt wieder Leben ins Gespräch.

Chaim: Ich glaube nicht, dass man hier so leicht sterben kann.

But: Ich habe mal eine Mücke totgeschlagen, die hat sich dann wieder gerappelt und ist fortgeflogen, echt jetzt, das war keine Hirschfliege, die kenne ich, die werfen die Flügel ab, wenn sie dich haben.

But sieht fragend in die Runde.

Alle im Chor: Hirschfliegen werfen die Flügel ab.

But: Und platt machen kann man die Hirschfliege auch nicht so einfach, eine normale Mücke schon. Aber nicht hier mein Freund.

Bud zeigt auf den Welpen: Der Welpe sollte ertränkt werden, es hat einfach nicht funktioniert.

Einsiedler: Es gibt da eine grosse Eiche, da wohnt so ein Eichkater oder so drin, ich dachte am Anfang, der lebt wirklich gefährlich, denn ständig sind sie hinter ihm her, der Uhu, der Marder und all die anderen. Und immer wenn es so aussieht, als hätten sie ihn gleich erwischt, dann ist er ihnen wieder entkommen. Ich weiss gar nicht wovon die ganzen Raubtiere hier leben.

Bud: Die sind auf vegetarisch umgestiegen, bleibt denen ja auch gar nichts anders übrig, wenn sterben strengstens verboten ist.

But: Ich habe neulich einen Uhu gesehen, ich dachte der würgt da ein Gewöll hoch oder wie das heisst?

Chaim: Und waswar es?

But: Ihr werdet es nicht glauben, es war eine Kartoffel, ja nicht so eine grosse, es war eine kleine aber 100pro eine Kartoffel.

Yoshi: Aber er hat sie wieder hochgewürgt, oder?

Chaim: Würde ich nicht so sehen.

Bud: Was seht ihr mich so an, würde ich auch nicht so sehen.

Chaim: Ich sehe das eher als einen Fall von: Ich habe es versucht.

Yoshi wendet sich zum gehen: Alles klar, der Uhu hat es versucht.

Bud: Lach Du nur, Du bist nicht der Erste, der den Fortschritt ausgelacht hat.

Chaim: Wir sind hier nämlich schon weiter.

Yoshi sieht Penelope an und Penelope flüstert: Sieht er mich an?

Chaim leise: Yep.

Bud flüstert: Mit Welpenaugen.

Penelope: Aber wegen mir kannst Du ruhig wieder kommen.

Chaim: Hier gibt es noch eine Menge zu lernen.

Penelope: Ich meine, wenn Du dich für Naturkunde interessierst... natürlich nur, wenn Du dich nicht von uns irgendwie bedroht fühlst. Aber, Du kannst ganz beruhigt sein, wir tun Dir nichts, oder?

Chaim, Bud, But, Einsiedler schütteln den Kopf und sagen scheinheilig: Nein, komm nur wieder vorbei.

Chaim: Aber die toten Jungfern, die kannste ruhig zuhause lassen.

Yoshi: Und wie sieht es mit Kartoffeln aus?

Chaim: Nun verschwinde endlich.

But: Der Witz ist schon lange durch. Du hast echt den Punkt verpasst, wo es noch cool war.

Bud: Hast Du definitiv.

Penelope steht auf und geht in Richtung Haus. Yoshi steigt in den Wagen und fährt los. Penelope wirft eine Mülltonne um, alle eilen auf sie zu, als wäre wer weiss was geschehen und Chaim sagt: Der kommt wieder.

Penelope: Ist das jetzt der Anfang einer neuen Geschichte?

Chaim: Wenn Du es willst, wenn Du meinst, wir sind mit dem ersten Teil durch, warum nicht?

Ja, warum eigentlich nicht“ hört man die Anderen im Chor.

Chaim: Jetzt liegt es nur noch an Dir.



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Der weiße Rabe

Hier stimmt was nicht!

Von Konstantin Michel Angelo Schemat und Dominica Schemat, 13. Mai 2000



Der Mord

Ein Mann fährt in seinem neuen Wagen zur Arbeit, da ist ihm so, als hörte er plötzlich ein Geräusch, eine kleine Unwucht in der Maschine, eine Asynchronisation, etwas kleines schabendes, so wie man beim Fahrrad im Herbst ein trockenes Blatt zwischen die Speichen bekommt, was einen mörderischen Lärm macht und doch nichts bedeutet. Er aber ahnte, dass ein kleines feines Geräusch viel tragischer und destruktiver sein kann, eine Art Krebs, die auch seinen glänzenden neuen Wagen nicht verschont.

Während der Arbeit konnte er sich gar nicht über die Abschlüsse freuen, wie sich der Umsatz steigerte. Er war noch ganz gefangen von diesem Geräusch, dass ihm nun von innen an der Schädeldecke kratzte und ihm die fürchterlichsten Kopfschmerzen bescherte. Erst die segensreichen Tabletten von Carola seiner Sekretärin konnten ihn wieder in die Spur bringen. Abends tat er so, als ob alles ganz normal war, Küsschen hier und Küsschen da für seine Frau, Haartätschel für den Großen und Kompliment für die Prinzessin. Einen Moment genießen wie still es wird, wenn seine Tochter die letzte ist, die die Tür vor ihm zuschlägt, dann hat er seine Ruhe. Und die braucht er auch, denn er hat noch etwas vor, das schnurgerade Teilstück der Ostseeautobahn ohne Tempolimit, das war der einzige Ort, wo er es testen konnte, ob sein Automobil krank war. Er stellte sich den Wecker auf 3 Uhr, dann war er pünktlich zum Sonnenaufgang dort und würde sich bereits auf dem Rückweg befinden, und mit voller Kraft in den Sonnenaufgang fahren, wenn es keinen Leistungsabfall gab, dann war sein Automobil gesund. Ab 280 km/h würde er schon wissen, dass es nichts Ernstes war, ab 320 wäre er sich sicher, der Wagen ist gesund und ab 330 würde er sich bei seinem Auto entschuldigen müssen, für den Quatsch den er da gehört hatte. Aber der Nachteil auf dieser leeren Autobahn war, dass er nicht von anderen Geräuschen abgelenkt wurde, besonders wenn er langsam fuhr, mit Tempo 40 nur, konnte er das Geräusch deutlich hören. Er spitzte die Ohren, ließ sich nicht durch die Huporgie des Sattelschleppers von seinem Vorhaben abbringen, beschleunigte ganz sachte immer weiter 50, 60, 70, 80 er hatte bei 80 das Gefühl, das Geräusch wurde einen Tick leiser, dann banges Hoffen auf 90, erst glaubte er, es ist ganz verschwunden, es läuft ganz geschmeidig, dann aber ... was war das? ... da war doch noch etwas ... ein ganz feines, entferntes, aber deutlich zu hörendes winziges und doch penetrant knispeliges Geräusch (Dass der LKW ihn überholt hat, hat er nicht bewusst mitbekommen). Da packte ihn die Wut, und er beschleunigt in eins durch bis auf 200, zog an dem hupenden Sattelschlepper vorbei ohne ihn überhaupt zu bemerken.

Dann eben nochmal, er bremste wieder auf 40 runter, der Sattelschlepper war noch weit hinter ihm, da war das beschissene Scheiß Geräusch wieder, dann langsam hochziehen, 50, ... genau hingehört, sei tapfer, natürlich ist es noch da, O.K. dann weiter, 60, 70, 80, 90. Er war noch nie so konzentriert in seinem Leben, und er hatte aber das Gefühl, es hatte sich noch nie so gelohnt konzentriert zu sein, denn plötzlich konnte er es hören, da war es, fein, sehr fein, aber nun wo er es einmal gehört hatte, konnte er es nicht mehr überhören. Er brauchte sich nicht mal konzentrieren, konnte es immer hören. Scheiße, bleib tapfer Mann. Rechne damit, dass dich dieses Geräusch begleiten wird, rechne damit, dass Du es lieben musst, dass Du ihm einen Sinn geben musst, das es ein Teil von dir sein wird. Er atmete einmal tief ein und aus. Dann beschleunigte er sanhnesanft auf satte 100 km/h. Er tat so, als würde ihn das Geräusch überhaupt nicht mehr interessieren, als hätte er damit abgeschlossen, wie ein großer Junge, so war es nun mal, nichts zu ändern. Aber dann, nach nur wenigen Minuten wagte er es doch, wieder hinzuhören. Eigenartig, kann es gerade nicht hören, dachte er sich. Dann nach einer Weile schließlich volle Konzentration: Nichts, nichts zu hören. Einen Moment dachte er sich bitter, wie man das einem Ignoranten von Polizisten erklären sollte, wenn er mit 100 durch die Innenstadt fuhr. Natürlich nicht durch die Wohngebiete, aber auf einer dieser ausgebauten Magistralen. Nun hätte er eigentlich wieder etwas Gas wegnehmen können, damit er unter 100 kommt, und testen kann, ob es sich jetzt vielleicht einfügt, das Geräusch, oder sogar verschwunden ist. Das hätte er tun können, aber, er war noch nicht so weit. Er kannte seine Belastungsgrenzen.

Stattdessen überkam ihm der Mut und er drückte das verdammte Gaspedal durch. Nur kurze Zeit später, 339 Kilometer pro Stunde, ein Jubel ein Schreien, was für ein Fest und kein beschissenes Geräusch störte, alles gehörte dazu, zu purer Leistung.

Er war so schnell zurück, dass er noch seine schlaftrunkene Frau erwischen konnte. Ein bisschen schon war sie überrascht über seine Leidenschaft. Aber noch mehr als er ihr sagt: Schatz, wir sollten Kinder haben.

Sie: Aber wir haben doch Kinder.

Er: Das wollte ich schon immer mal sagen.

Sie: Hast Du es denn noch nicht gesagt?

Er: Mir kommt es vor wie das erste Mal.



Er dachte schon, damit ist das erledigt. Aber es war erst der Anfang. Denn obwohl seine Laune bestens war, der Große getätschelt wurde, und die Prinzessin sein Kompliment mit "Papa, du bist einfach nur peinlich" quittierte, so wie es sein muss, wollte er ins Büro fahren.

Alles war so wie immer, den Wagen musste er wieder aus der Garage holen, so eine Karre kann man einfach nicht auf der Straße stehen lassen, es gibt zu viele Neider. Aber als er dann im Auto saß, da kroch das unangenehme und namenlose Gefühl in ihm wieder hoch, es juckte erst am Kragen des Hemdes, und dann überall. Frustriert schlug er die Autotür wieder zu, machte sich mit flottem Schritt auf zur Tram und fragte zwei ältere Damen vor dem Ticketautomat: Mädels kann mir mal eine erklären, wie das hier läuft?

In der Straßenbahn wunderte er sich nicht schlecht über die Geräusche und dass sie auf keinem der Gesichter irgendwelche Spuren hinterließen ein Quietschen, Rallern, Rattern. Das machte ihn dann doch ein wenig demütig, wie tapfer das einfache Volk es ertrug, ohne Sounddesigner zu leben. Denn eins war ihm sonnenklar, da war noch nicht mal jemand auf die Idee gekommen, sich so eine Straßenbahn mal soundmässig vorzuknöpfen. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Für verrückt würden sie den erklären, der das tun würde.

Aber auch dieser erfrischende Gedanke hielt nicht lange vor. Um ehrlich zu sein, er hielt es in der Straßenbahn nicht länger aus. Musste an der nächsten Haltestelle raus. Und wollte schon auf einen Taxistand zusteuern, da überkam ihn wieder so ein ungutes Gefühl. Er musste noch einmal tief Luft nehmen, da stand sein Entschluss fest, er würde den Bürgersteig benutzen. Leider musste er da feststellen, dass sein rechter neuer Schuh, zwar nicht schmerzte, obwohl er nagelneu war, er war maßgeschneidert, er knarzte aber ein wenig. Und er hatte dummerweise vergessen, das kleine Talkumtütchen, was sie einem immer dazu gaben mitzunehmen, was man nur unter der Einlegesohle ausstreuen musste, um das Knarzen zu killen: Scheiße. Er hatte noch gar nicht lange darüber getrauert, dass das Tütchen, von dem er sich immer 3 mitgeben ließ, weder im Portemonnaie noch in der Westentasche oder sonstwo zu finden war. Er wusste nicht wie ihm geschah, plötzlich hatte er die Schuhe ausgezogen, die Socken ordentlich zusammengerollt in seine Anstecktasche gesteckt, sie waren ganz dünn und aus Seide und schon lief er barfuß ins Büro.

Und das war nur der Anfang. Genauso erging es ihm mit der Seezunge in der Kantine für die Führungskräfte. Er konnte das einfach nicht essen und brachte es seiner Sekretärin mit. Voll Sehnsucht starrte er auf einen Apfel, der neben ihrer Maus malerisch neben ihrer schönen Hand lag. Aber er wollte noch etwas anderes, das Volk hatte es ihm angetan, die lange Schlange für Curry und Pommes, die musste es sein. Aber als er die Schlange schon fast abgeritten hatte, konnte er es nicht mehr aushalten. Er redete sich ein, dass es an der natürlichen Schönheit der Hand seiner Sekretärin lag, er musste zurück, flehte sie um den Apfel an, und aß ihn, nein fraß ihn, wie ein ausgehungertes Tier: Wie köstlich was das? Und dann explodierte noch der Gedanke in seinem Kopf, was so einen Apfelbaum ausmacht, wie wenig man sich um ihn kümmern muss, wenn überhaupt, und doch purzeln einem jeden Herbst die Äpfel in die Schürze. Dieser Gedanke war so großartig, dass er alles andere verdrängte, er konnte an nichts anderes mehr denken, als an so einen Fruchtbaum, und wie er da irgendwo stand, ihn niemand wirklich bemerkte, wenn er nicht gerade blühte oder fruchtete, oder, das wollen wir nicht vergessen, wenn er nicht bei 38 Grad Schatten spendete.

Aber das reichte noch nicht aus, er musste es alles auskosten, was die Natur zu bieten hat, überfiel förmlich eine Wiese, aß essbares und weniger essbares, ließ aber Hahnenfuß und Schierling aus, sodass er es einigermaßen überstand. Natürlich musste er weit laufen, an Autofahren war jetzt überhaupt nicht mehr zu denken, bis er die richtige Wiese gefunden hatte. Ihn verlangte es jetzt immer mehr nach der Natur, nur sie schien die wilde Leidenschaft, die sich seiner bemächtigte bändigen zu können. Das schaffte die Natur nicht mit Zärtlichkeit und Entgegenkommen, nicht mit einem Sturzflugangriff mit gebratenen Tauben, sondern gerade ihre Widerspenstigkeit ihre leichte Abneigung dagegen einen hergelaufenen durchzufüttern, gerade die war so heilsam, so gut für ihn, ließ ihn endlich alle Geräusche vergessen, die ihn jemals gestört hatten. Und er brauchte auch den Satz nicht wiederholen, wenn er in der Natur war, der in letzter Zeit sein stilles Mantra geworden war: Hier stimmt was nicht.

Früher hätte er an dem Mantra gearbeitet, hätte es geschliffen, poliert, unverwechselbarer gemacht, sein persönlicher Claim, hätte für den Satz die richtige Sprache gefunden. Hawaiianisch war nicht schlecht: "kekahi mea hewa a'e ma ane'i" aber Finnisch "jotain on vialla täällä" war unschlagbar. Aber diesmal beließ er es dabei, wollte es sich grob besorgen, kurz und bündig, wollte nicht um den heißen Brei herumreden, da war Muttersprache deutsch die perfekte Wahl: Hier stimmt was nicht!

Und da hörte er das erste Mal dieses Wort und dann noch von seinem Chef. Und er arbeitete in einem Unternehmen wo Millionen Menschen arbeiten, und hatte nur noch einen einzigen Chef über sich, um so erstaunlicher war da die Bemerkung: Ben Müller, was stimmt mit Ihnen nicht? Sind sie jetzt etwa ein weißer Rabe?

Er glaubte erst, diese Bemerkung bezog sich auf sein weißes Hemd, denn es war in der Firma in letzter Zeit zu einer Art Corporate-Mode gekommen, dass auch ein schwarzes Hemd nicht als unbekleidet galt, gemeint im Sinne der Businessuniform. Ja, man fand kaum noch jemand, der kein schwarzes Hemd trug, und zwar nicht nur am casual friday.



Was nun kommt, das ist kein Sinkflug, keine sanfte Landung, ja eigentlich war überhaupt kein Bodenkontakt mehr vorgesehen, was jetzt kommt, war der freie Fall auf Ewigkeit. Sparen wir uns die Details. Denn wir brauchen nicht mehr erzählen, wie jemand an seine Tür klopft, wie jemand klingelt, wie das Mädchen jemand meldet, nein, sie griffen ihn in einem verwilderten Garten auf, einen kranken Apfelbaum umarmend hatte er dort seine Ruhe gefunden. Sie zerrten ihn fort, aber, da kam die Erinnerung zurück, wer er in der anderen Welt gewesen war, dass er Rechte hatte und so weiter und so fort.

Was wird mir zur Last gelegt?

Mit schrägen Grinsen sahen die Polizisten diesen Vogel an und sprachen es dann überdeutlich aus: Sie werden beschuldigt Ben Müller ermordet zu haben.

Er brauchte einen Moment um zu verstehen, was da vor sich ging. Ben Müller? Diesen Namen kenne ich doch! Ben Müller, Scheiße ne, das bin doch ich, he!, lassen mich los, das ist alles unsinnig, ich bin Ben Müller. Sehen sie mich an, das ist Ben Müller, und ich bin noch quietschlebendig.

Der eine Polizist wollte wissen: Was sind sie?

Der andere Polizist sagte zu seinem Kollegen: Lass ihn doch!

Der erste Polizist: Ich wollte doch nur, dass er es noch einmal sagt!

Er: Was sagt? Meinen sie dass ich Ben Müller bin, ja?

Die Polizisten antworteten nicht, sondern grinsten nur in sich herein, genossen den Moment, und dachten nicht einmal im Traum daran ihn sich von diesem Typen verderben zu lassen.

Er: Oder meinten sie "quietschlebendig".

Polizist 1: Steigen sie jetzt ein.

Er: Ich gehe zu Fuß!

Polizist 2: Ach wirklich?

Die beiden Polizisten sehen sich an, ein sanfter Tritt in die Kniekehle, ein Schubs, und ein lautes Tock im Kopf, gefolgt von einem brummenden Schädel.

Sie hatten diese Nummer nicht das erste Mal durchgezogen, das nannten sie das "beschleunigte Aufnahmeverfahren".

Übrigens Handschellen hatten sie auch noch verpasst.



Der Prozess

Er meldet sich bei "seinem" Anwalt, aber die Sekretärin findet den Witz nicht lustig. Er beharrt darauf, dass sie doch seine Stimme wiedererkennen könnte, da ist die Leitung tot.

Dann bekommt er einen Pflichtverteidiger und der will erst einmal wissen, wer er ist, denn wenn er kooperativ sei, würde man das bei der Ermittlung des Strafmaßes berücksichtigen.

Schließlich wird ein Sprachexperte hinzugezogen und der findet einen schwachen Hinweis auf einen kossovarischen Dialekt.

Er will seine Haare abschneiden, aber ihm wird nicht erlaubt die Haare zu schneiden. Weil man nicht will, dass er die Hinterbliebenen schädigt, indem er sich wie sein Opfer verkleidet, dem er offensichtlich, das leugnet niemand, ähnlich sieht.

Er glaubt immer noch an eine Verwechslung, an ein Missverständnis, er bittet immer wieder darum, seine Frau sehen zu können. Die kommt dann nach langem Bitten in Begleitung ihres Anwalts, ist ganz in Tränen aufgelöst und findet, dass er ihrem verstorbenen Mann so ähnlich sieht und auch die ganze Art von ihm habe Ähnlichkeiten. Und der Anwalt mahnt dann, dass es gefährlich sei. Aber sie meint, sie könne ganz gut selbst auf sich aufpassen, aber dann erzählt er von den Stellen, wo sie gerne berührt wird und die Frau bricht in Tränen aufgelöst zusammen und schreit: Woher weiß dieser Mann das? Haben sie meinen Mann gefoltert, dass er ihnen das verrät? Sagen sie mir doch, wo er ist, sie wissen doch wo er ist. Auch wenn er nicht mehr lebt, sagen sie es mir doch. Warum sind sie so grausam?

Und er schreit: Aber ich bin es doch, erkennst Du mich denn nicht. Wenn nur meine Haare nicht wären, ich bin es wirklich.

Dann wird er wieder weggeschlossen.

Und dann unterstellt man ihm, das Opfer gefoltert zu haben, um an diese detaillierten Erkenntnisse zu gelangen, denn niemand verrät so intime Details freiwillig.

Er beantragt gentechnische Untersuchung, aber die wird nicht bewilligt. Dann hängt sich sein Pflichtverteidiger voll rein, aber auch er kann es nur mit allergrößten Mühen und auf eigene Kosten erreichen. Der Angeklagte umfasst seine Hände und verspricht ihm ein Vermögen, wenn er hier raus wäre, der Pflichtverteidiger zieht nun schon leicht angewidert die Hände zurück.

Aber schließlich kommt beim Gentest nichts heraus. Sein genetischer Fingerabdruck stimmt nicht mit dem an der Zahnbürste des Opfers überein. Er will dann einen Gentest mit "seinen Kindern". Aber das wird von dem Richter zurückgewiesen als absurdes Manöver. Und wenn er weiter darauf bestehen würde, würde man das als Missachtung des Gerichts behandeln. Natürlich besteht er weiter darauf, und wird wieder bestraft.

Als er das letzte Mal seine Familie vor Gericht sieht, da meint er gehört zu haben, wie sein Sohn geflüstert hat: Papa, gib doch endlich auf.

Er ist sich auch sicher, dass der Staatsanwalt das auch gehört haben muss, aber der zuckt nur mit den Schultern.



Der Knast

Je mehr Zeit vergeht, desto mehr nimmt er diese eigenartige kossovarische Identität an. In der Eintönigkeit des Knastes lernt er sogar die Sprache und schließt sich einer kleinen Gruppe an, die aus diesem Gebiet kommt. Immer wieder wollen sie von ihm wissen, warum er so eine bekloppte Geschichte erzählt hat. Aber dann finden die anderen, dass er wirklich dem Ermordeten ähnlich sieht, dessen Leiche übrigens nie gefunden wurde. Die Bedingungen wurden härter im Knast, weil sich das Klima verschlechtert, die Sommer in der Gluthölle des Knastes sind nur auszuhalten, wenn man sich in ein nasses Bettlaken einwickelt. Aber als dann das Wasser ohne Vorwarnung rationiert wird, fällt auch das aus. Im Winter hingegen fehlt das Geld für die Heizung und sie läuft nur so viel, dass die Wasserleitungen im Knast nicht zufrieren. Auch das Essen ist schlechter geworden und manchmal sind die Kartoffeln auch verdorben. Den Insassen wird dann erlaubt ihr eigenes Gemüse anzubauen. Dabei beweist er viel Geschick. Tomaten, Paprika, sogar Artischocken. Seine Freunde sagen: Wenn Du kein echter Kossovare bist, dann bin ich es auch nicht.

Dann werden die ersten entlassen um Platz für die Verbrechen gegen das Klima zu schaffen. Manchmal fragt er sich, ob nun sein Fall wieder aufgenommen wird. Aber man scheint ihn völlig vergessen zu haben, abgehakt, einsortiert. Nun sieht er auch manche Gesichter wieder, die er meint noch aus seiner Zeit als Firmenlenker zu kennen. Er will sie erst grüßen, irgendwie ist das noch so bei ihm drin. Aber dann belässt er es dabei.

Dann kommt die Zeit, wo sich die Häftlinge bewähren müssen. Denn immer mehr Menschen begehen Straftaten, um wenigstens ab und an Wasser zu bekommen und etwas essen. Deshalb müssen die Häftlinge sich während der Brandsaison bewähren. Da kann er das Geschick beweisen, was er früher schon hatte, bei seinen Ausflügen in die Natur, als er noch glaubte, er wäre ein Firmenlenker. So wird er zum Feuerflüsterer. Er ist der Einzige, dem es erlaubt ist das Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Anfangs wird er dabei noch von Computermodellen unterstützt, aber der Computereinsatz wird später nur für absolut lebenserhaltende Dinge eingesetzt, und einen wütenden Waldband zu löschen, gehört wohl nicht mehr dazu. Aber er schafft es auch so. Er ist sogar ein ganz passabler Chef, verweigert sich den Leuten, die ihn bitten, dass er sie von den Flammen fressen lassen soll. Er motiviert sie, baut sie auf, macht ihnen wieder Mut.

Und doch muss er feststellen, dass seine eingebildeten Kollegen von früher sich nicht so gut halten. Sie wollen immer zu etwas zurück, was es nicht mehr gibt und lassen sich von ihm nicht helfen. Ihre Gruppe, obwohl immer wieder durch neue Verurteilungen aufgefrischt, schrumpft auf vielleicht 12 Insassen zusammen.

Und als die Zeit gekommen ist, und er entlassen werden soll, da spricht sich das auch zu dieser kleinen Gruppe der Verschworenen rum.

Und am Abend vor der Entlassung da lauern sie ihm in seiner Zelle auf.

Weißt Du was Du bist? Weißt Du wie wir dich nennen? Du bist ein weißer Rabe.

Und weißt Du was der weiße Rabe will, warum er anders sein will als all die anderen Raben, warum sein Federkleid nicht so schön glänzen darf in der Sonne, weil er gefickt werden will. Und genau diesen Gefallen werden wir dir jetzt tun, du scheinheiliger weißer Rabe. Du Schwein hast Ben Müller getötet.

Wenn Du klug bist weißer Rabe, dann bückst Du dich jetzt und tust so, als hättest Du auf uns gewartet, dass wir es dir besorgen können.

Er hat alles kaputt gemacht und nun gibst Du ihm noch Tipps, wie er es genießen kann.

Er will noch einen Einwand bringen: Wahnsinnig, ihr seid alle völlig wahnsinnig.

Wer ist denn hier der wirklich Wahnsinnige, wir, oder du, der du so irre bist, und nicht aufhörst einem Wahnsinnigen zu sagen, dass er verrückt ist. Kannst Du mir das sagen, wer der wirkliche Irre ist? Hä?

Ohne Dich hätten wir das alles noch umgebogen, die rechten hätten die linken umgebracht und umgekehrt. Das gute alte rechts links Spiel um den Rest der Spinner hätten wir uns dann noch gekümmert.

Du könntest jetzt ganz entspann in Grönland an deinem Martini nippen.

Er würde jetzt gerne etwas sagen, aber als das alles über ihn kommt, ist er einfach nur unglaublich müde. Und als sie ihn totschlagen, da spürt er kaum etwas. Es ist mehr so, als ob sie jemand anderen erschlagen würden, jemand, bei dem es überhaupt nicht mehr nötig ist, ihn zu erschlagen, weil er schon lange, lange gestorben ist.

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Paparazzi

Eine StuntFrau für das Leben

(c) von Konstantin + Dominica Schemat, 2019



"Ich will nicht!"

Es waren nicht nur die Worte selbst, jede Faser von Greta, ihr ganzer Körper, sagte: "Nein!"

Schönheit soll ja so nützlich sein, wie ein Hochschulabschluss, aber bei der Überzeugung ihrer eigenen Mutter half das Greta natürlich wenig. Ihre Mutter wollte das Angebot zu einem Theaterworkshop annehmen: "Das ist eine Gelegenheit für dich, die wir nicht verstreichen lassen werden!"

"Nein, nein und wieder nein!", Greta wusste nicht, was mit ihrer Mutter los war. Die Frau, deren Weissweinflaschen sie diskret in der Dunkelheit im Flaschencontainer verschwinden lassen musste. Greta, deren Leben sich ganz an den Bedürfnissen der Mutter ausrichtete. Deren Bedürfnis nach Betäubung und ein scheinbar völlig entgegengesetztes Bedürfnis nach Männern, für das Greta widerwillig als Lockvogel herhalten musste. Nur wenn die Mutter nüchtern war, hatte Greta Autorität, und natürlich wenn Männerbesuch da war. Sie konnte zwar die Gewohnheiten ihrer Mutter nicht ändern, aber sie konnte bisher das Schlimmste verhindern. "Wenn mich so ein borstiger Stinker jemals anfasst...!"

Und die Mutter antwortete: "Nein mein Schatz, ich werde niemals die borstigen Stinker mit dir teilen, das verspreche ich dir und das gilt auch für den Wein."

Bis dann dieser exzentrische Theaterimpressario mit seiner exklusiven Schauspielschule kam. Keine Borsten, ganz glatt rasiert und auch kein schlechter Geruch, sehr gepflegt, braun gebrannt, mit einer Vorliebe für grob gewebte Gewänder. Eine Art Theaterjesus, der nach Old Spice roch.



Exzentrischer konnte die Einladung nicht sein. Greta und ihre Mutter bestiegen ein Kanu, um selbst zu der Flussinsel im Po zu paddeln. Die ganze Reise erinnerte mehr an eine mondäne Schnitzeljagd, bei der alles von einem geheimnisvollen Gastgeber, wie in einem Agatha Christie Krimi, vorher geplant war. Und nun sassen sie in dem Boot und versuchten mit der Strömung des braunen Po klar zu kommen, der, was die Verschmutzung anbelangte, seinem Namen alle Ehre machte. Das hatten sie von einem Welsfischer erfahren: "Hier gibt es die grössten Welse des Festlandes. Es sind die Fäkalien, die solches Leben spenden."

Als Greta den braungebrannten sehnigen Typ sah, mit seinem Lodencape auf blosser Haut und seinem riesigen Stecken, als wäre die ganze Flussinsel eine einzige venezianische Gondel, da wunderte sie sich, dass sich ihre Abneigung noch weiter steigen liess. Sie wollte nur hier weg: "Lass uns in der Mitte treiben, dann schwimmen wir an diesem Perversen einfach vorbei." Aber ihre Mutter, die ihr Hirn so gerne in Chablis einlegte, verhinderte genau das, und drängte Greta, immer weiter in Richtung der Flussinsel mit dem Theaterjesus am Ende der Buhne.

Wäre nicht das Folgende geschehen, hätte sich Greta sicherlich erfolgreich gegen seine Lektionen wehren können. Denn als Greta an Land kam, sie wollte die Hand von Theaterjesus erst ergreifen, als der mit dem Stecken ihr Boot anstupste und sie zum Spagat zwang, da wunderte sie sich, wo ihre Mutter blieb. Auch sie machte Anstalten, an Land zu gehen, wurde aber von Aldo nicht dabei unterstützt, im Gegenteil, er hielt seinen Stecken, so wie ein ritterlicher Tournierreiter, jederzeit bereit zuzustossen, während er sie wie einen Drachen fixierte. Das brachte ihre Mutter aus dem Konzept, tiefe Enttäuschung gemischt mit der Schicksalegebenheit einer Alkoholikerin mischte sich in ihrem Blick. Und dann gab Aldo ihr den finalen Stoss, einen kleinen Schubs mit dem Stecken, und das Kanu wurde von der Strömung hinter der Buhne erfasst und mitgerissen.

Greta konnte nicht glauben, was sie da gesehen hatte, aber Aldo breitete nur sein Cape aus, ein paar Regentropfen fielen von Himmel, die ihm als Vorwand dienten, Greta mit dem Cape einzufangen und die Buhne herunter zu drängen, an Land.

Das war so schaurig, und so grausam, auch gegenüber ihrer Mutter, die fast wie Abfall, der Strömung überlassen wurde, dass Greta nur froh war, nicht eine Spritze in die Halsschlagader gerammt zu bekommen. Aber so etwas wie eine Spritze hatte Theaterjesus nicht nötig, bei ihm reichte sein Talent, um zu bekommen, was er wollte - glaubte er.



Das Schauspieltraining

Jeden Tag findet ein anderes Schauspiel statt. Mal befinden sich Aldo und seine junge Schülerin auf der Kanincheninsel auf dem Missisippi, dann in Verona als Romeo und Julia. Und niemals gibt es etwas ausserhalb des Spiels, nicht ein einziges Wort, bis auf die Korrekturen, wenn er ihr sagt, wie sie es spielen soll, in gedämpften Ton, mit seiner Off Stimme. Wie er sich dann zu ihr beugt, ganz nah an ihr Ohr und nicht eher zufrieden ist, bis sie tut,was er von ihr will. Dabei sind alle Requisiten echt, alle Messer scharf, sogar das Schlafmittel von Shakesspeares Julias ist echt.

Greta will weg von hier. Sie wehrt sich: "Sie haben mich entführt!"

Aber Aldo lächelt nur weise oder verbrecherisch, das kann sie nicht unterscheiden. Sie könnte die Polizei rufen, denn Aldo hat ihr das Smartphone nicht weggenommen, aber sie tut es nicht. Sie versucht ihre Mutter zu erreichen, aber die nimmt nicht ab und Greta weiss was das bedeutet: Sie säuft sich erst mal einen Pegel an. Stattdessen heult sie sich in den Schlaf, sehnt sich nach ihr. Und als die Mutter das erste Mal abnimmt, da hört sie nur ihre in Wein eingelegte Stimme: "Ja."

Greta verschlägt es fast die Sprache, ihr wird klar, dass sie eigentlich von ihrer Mutter angerufen werden sollte. Ihre Mutter ist es auch, die die Polizei rufen sollte. Statt dessen nur ein "Ja" und fröhlicher Lärm von italienischen Stimmen und klapperndem Geschirr; ausgelassene Stimmung bei einem guten Essen.

Daraufhin versucht Greta ihr Telefon wenigstens als Kamera zu benutzen, die sie auf Aldo richtet. Irgendwo hat sie mal gehört, dass so eine Kamera eine Waffe ist. Wenn das stimmen sollte, dann kann sie Aldo nur wenig anhaben. Er schlägt sie ihr nicht aus der Hand, nur wenn das Schauspiel beginnt, nimmt er ihr die Kamera sanft aus der Hand und stellt sie mit Hilfe von einem leeren Becher so auf, dass sie die ganze Szene filmen kann.



Mit der Zeit bekommt Greta aber auch mit, wie ihr Spiel besser wird. Mit frechen Trotz spielt sie die Stücke und wundert sich, dass sie von Aldo immer weniger korrigiert wird. Daraufhin übertreibt sie noch mehr und er korrigiert er sie auch nicht, als sie mit vollem Pathos spielt, immer eine Hand an ihrem Herz.

Und dann will sie ein eigenes Stück spielen. Sie spielt ihre Mutter, wie sie dort in einem kleinen italienischen Örtchen gelandet ist, bei Don Camillo und Peppone, deren Städchen hier auch irgendwo weiter flussab liegt, Richtung Adria, in einer Gegend, wo der Reis im Wasser aus den Bergen steht.

Spät abends, wenn die Sonne untergegangen geht Greta raus zu der Buhne und hält Ausschau, als ob dieser Fluss nicht nur etwas mit sich reissen könnte, sondern auch etwas anspülen. Aber das Einzige, das sich ihr nähert, ist ein grosser Abendsegler, eine Fledermaus, die über dem Strudel der Buhne Insekten fängt. Hier brütet sie auch darüber, wie sie den penetranten Theaterjesus auf Abstand hält, denn ihr ist immer noch nicht klar,worauf er hinauswill. Vielleicht ist er nur durch sein eigenes Gift zu besiegen, ein Schauspiel, das so echt ist, wie die Wirklichkeit. Wenn sie ihn wenigstens dazu bringen könnte, aus seinen Rollen zu fallen. Sie hat schon probiert, ihn anzuhimmeln, ihn durch das Kitzeln seiner Eitelkeit, aus seinen Rollen herausbringen, alles völlig vergebens. Er scheint so viel Selbstwertgefühl getankt zu haben, dass es bis zum Ende seines Lebens reicht.

Doch dann hat sie eine Idee! Aber dafür muss sie erst einmal lernen, sich zum Heulen zu bringen. Wenn das nicht hilft, das Spiel zu unterbrechen, dann will sie sich in der nächsten Nacht mit dem Kanu auf und davon machen. Und tatsächlich, als sie am Frühstückstisch in ihren Kaffee weint, beginnt er ihre Wange zu tätscheln. Mit verheulten Augen blickt sie zu ihm auf und sagt: "Vater?" Endlich hat sie ihn erwischt, als er die Hand mit einem Ruck zurückzieht. Greta versucht, sich ihren Triumpf nicht anmerken zu lassen. Und als er den Raum verlässt, da ruft sie ihm nichts triumphierend hinter her.

Als sie an diesem Abend wieder zur Buhne geht, spürt sie seinen Blick im Rücken und fürchtet eine Revanche, indem er hinter ihr her kommt, um ihr diesen Spalt in der Mauer zu versperren. Aber er scheint ihr Spiel nicht zu durchschauen.



Als sie dann alleine auf der Buhne sitzt und mit einem Fuss aus den Sandalen schlüpft, um ihn in das braune gurgelnde Wasser zu stecken, da kann sie spüren, dass sie das Wort "Vater" vielleicht noch mehr verwirrt hat als ihn. Ist es möglich, dass sie auf diese verquere Art ihren Vater kennenlernt. Wie verrückt kann es noch werden? Doch dann kommt etwas in ihr hoch, was sonst von Mitleid verdeckt wurde, ein Hass auf ihre Mutter. Was sie ihr angetan hat, als sie sie zu diesem Mann geschickt hat, der offensichtlich nicht ihr Vater ist, sondern ein irrer Pädophiler, der Wirklichkeit und Spiel nicht unterscheiden kann. Doch im nächsten Moment kommt auch etwas Sympathie für diesen eigenartigen Mann auf und sie fragt sich: "Oder ist er doch mein Vater? Kann das sein?" Sie würde jetzt gerne mit ihrer Mutter sprechen. Aber nein, das hat sie schon oft genug probiert. Sie müsste sie schon foltern, um endlich heraus zu bekommen, wer ihr Vater ist. Sie würde sie am liebsten mit glühenden Zangen bearbeiten, bis sie ihr die Wahrheit sagt. Jemanden, der in einem gewesen ist, den kann man doch nicht vergessen! Selbst eine Spezialistin der Betäubung, wie ihre Mutter, muss doch mitbekommen haben, wer ihren Schoss besucht hat. Greta ist angewidert von ihrer Mutter, sieht sie auf einem Wirtshaustisch liegen, selig betäubt und bestiegen.



Die vierte Wand

Aldo fährt mit Greta zum Abschluss des Schauspieltrainings zum Colodri in den Piccolo Dolomiti an der Vierten Wand zum Klettern. Sie findet das witzig, wegen der vierten Wand im Theater, die gedachte Wand, die die Schauspieler vom Publikum trennt, die gleiche Wand, die sie selbst vor ein paar Tagen durchbrochen hat, um den Theatermarathon zu unterbrechen. Aber er kann nicht lachen, er hört einfach auf sie zu sichern, und sie muss plötzlich ohne Hilfe hochklettern. Völlig überfordert und in Todesangst pinkelt sie sich ein und kommt zitternd und verheult am Ausstieg an. Da ist Aldo weg

Greta trifft ihn in Arco in ihrem Hotel wieder. Mit ihrer Mutter sitzt er einträchtig beim Essen, als ob nichts gewesen wäre, oder Greta nur die letzte Lektion lernen musste, irgendein Bullshit, der ihr klarmachen sollte, dass es um das Leben geht. Sie will am liebsten auf ihn losgehen, aber stattdessen überreicht ihr ihre Mutter ein Skript.



Darin geht es um eine Korrespondentin von der New York Times, die auch Greta heisst, und die das mysteriöse Verschwinden von Menschen erforschen soll, die mit Gleitschirmen von einem Gipfel abspringen und dann nie wieder gesehen werden. Es kursieren die wildesten Gerüchte, über ein Zeitportal, oder Ufos, die Menschen wegfangen. Aber die Korrespondentin bekommt heraus, dass sich das ein paar Hippies ausgedacht haben. Die haben einen Almbetrieb an dem Berg geerbt, dessen Geschäfte nicht so gut liefen. Dann haben sie sich das anders überlegt, als schliesslich zu viele Touristen kamen. Sie versuchten den Leuten zu erzählen, dass es nur ein Werbegag sei, aber dafür haben sie nur eine Tracht Prügel bekommen, und zwar in der klassischen Art: Sack über den Kopf und Tritte,darunter auch sehr zarte Tritte, fast Stupser. Aber nach dieser Behandlung waren die Nachbarn sehr nett zu ihnen, haben im Gemeinderat einer Reparatur ihrer Seilbahn zugestimmt, auf Kosten der Gemeinde, eine Reparatur, die sie gar nicht beantragt hatten. Und manche haben ihnen auch anerkennend zugezwinkert. Es ist also nicht so, dass man sie nach getaner Arbeit nicht mehr haben wollte, nein, im Gegenteil, vielleicht erhofften sich die verschlagenen Bauern, noch eine andere Idee von den Hippieerben.

Wenn das nicht eine Geschichte für die NYTimes ist. Aber die Korrespondentin, die wir Great Greta nennen wollen, obwohl Big Greta wohl besser passen würde, denn sie ist sehr gross und imposant. Und sie kommt an und hier zur Ruhe, erholt sich von einem nervösen Zwinkern, das, neben ihrer Körpergrösse, zu vielen Verwicklungen in ihrem Job geführt hat. Great Greta könnte nun, wieder an ihre Karriere denken, eine schöne Geschichte darüber schreiben, aber sie bleibt auf der Alm, den irgendjemand muss sich ja um die Sensationstouristen und ihren Hunger nach Germknödeln kümmern.



Als Greta das liest, fragt sie sich, ob das nun wirklich geschehen ist, oder ob sich jemand diese Geschichte ausgedacht hat. Auf dem Skript findet sie jedenfalls keinen Autorennamen, was doch eigenartig ist. Doch ihr gefällt das Skript, sie will das spielen, obwohl sie eher zierlich ist, keinen Tick hat, und grossartig aussieht. Aber ihr Aussehen, das bemerkt Aldo des öfteren süffisant, wäre kein Hindernis für eine Rolle. Als Greta erfährt, dass Aldo nichts mit der Produktionsfirma zu tun hat, ist sie erleichtert, und sie glaubt, dass sie ihn jetzt los ist. Aber es misslingt ihr die Rolle zu spielen ohne ihren Schauspiellehrer Aldo und so muss sie ihn zurück holen.

Erstaunlicherweise scheint sich niemand auf dem ganzen Filmset, bis auf Greta selbst, dafür wirklich zu interessieren, ob das alles hier wirklich geschehen ist oder nicht. Doch schon bevor der Film abgedreht ist, sickert etwas von der Geschichte durch und die Leute halten es für einen Dokumentarfilm und beginnen damit, zu dem Berg zu pilgern. Das Paragliding wird zur Mutprobe und manchmal verschwinden dort auch wirklich Menschen, auf die ein Gerichtsverfahren wartet, oder die überschuldet sind. Und seltsamerweise scheinen alle die, die nicht gefunden werden wollen auch permanent abwesend zu bleiben.

Bald werden die ersten spezialisierten Hotels gegründet: Last Exit. Der Name des Hotels aus dem Film (und der späteren Serie) wird von Hippies geleitet. Daraufhin geschieht etwas, was der Handlung aus dem Film verwandt ist. Einige versuchen das Wunder zu hypen, andere es runter zu spielen. Selbsternannte Experten finden keine besonders tückischen Luftströmungen und prompt werden im Tal nicht gerade nett behandelt. Andere, die wüste Ideen entwickeln, dass die Paraglider mit Hilfe eine Ambosswolke in höhere Luftschichten verfrachtet wurden, um sie weit weg zu tragen, werden liebevoll und oft kostenlos bewirtet und einquartiert und als Zugabe noch von Zenzi mit einer Massage verwöhnt.

Als dann sogar jemand zur Prüfung des Wunders aus Rom anreist, hat man recherchiert, was für ein Typ der wohl ist, und sich auf ihn eingestellt.

Die Talbewohner, inklusive der Hippies, tun so, als ob die neuen Touristen nur Scherereien machen und dass sie nicht wollen, dass dieses Himmelfahrtsding weiter verbreitet wird. Aber gleichzeitig gehen sie alle in die kleine Kirche am Ort sogar vor der Kirche stehen sie andächtig und eine neue Marienstatue wird ganz versteckt angebracht. Sie ist in einen blauen Umhang gewandet, der ein wenig an die Deltaflügel eines Jets erinnert. Für den Experten aus Rom ist schnell klar, dass es sich um einen Fall von Schutzheiligen-Exklusivismus handelt. Die Dörfler wollen das Wunder und den Heiligen nicht teilen. Das ist ein seltenes Phänomen, wie der Abgesandte in den Medien resümiert, aber es kommt schon noch vor. Was dazu führt, dass die Sache weiter angeheizt wird und ein neues Lourdes im Entstehen ist.

Das Ganze nimmt solche Ausmasse an, dass, wenn jemand im Tal verunglückt, eine bestens ausgerüstete Bergwacht anrückt, die später behaupten wird, dass sich der Unfall im Nebental ereignet hat. Denn in ihrem Tal passiert so etwas nicht mehr. Nicht einmal Autounfälle werden der Polizei gemeldet. Das ganze Dorf ist eine verschworene Gemeinschaft und man wartet gemeinsam darauf, bis jemand die Unfall- oder Sterbestatistiken untersucht. Denn man darf in diesem Tal auch nicht mehr sterben, dafür wird man ins Nebental geschickt.



Aldo, Greta, Ernestine und der erste Plan

Parallel zu diesen ganzen Ereignissen ist auch die Geschichte von Aldo und Greta weitergegangen. Denn Aldo hat eine Bedingung, dafür, dass er Greta bei dem Film über den "Himmelfahrtsberg" hilft, der mittlerweile auf diese sehr verquere Art tatsächlich dokumentarisch geworden ist. Etwa so, wie die scripted reality Formate, nur dass an diesem Film ein ganzes Dorf mitschreibt. Greta soll zustimmen, dass sie ein zweites Stück mit ihm aufführt, das "Heiratsantrag" heisst.

Als sich Greta das Script durchliest, wundert sie sich, dass es überhaupt keine Twists, keine Überraschungen, rein gar nichts gibt, was doch eine Geschichte von der schnöden Wirklichkeit unterscheidet. Auch ist der Inhalt recht anspruchslos, ein gerade erst 16 Jahre altes Mädchen heiratet mit der Erlaubnis ihrer Mutter einen älteren Meister.

Aldos "Heiratsantrag" wird professionell gefilmt, aber er arbeitet nicht mit Schauspielern, sondern mit Gretas Mutter und Aldos Verwandtschaft. Sogar der Priester und der Standesbeamte sind echt, ja, die ganze Heirat ist amtlich. Als dann in der Öffentlichkeit langsam durchsickert, dass nicht einmal die junge Braut wusste, worauf sie sich da einliess, löst es einen Sturm der Entrüstung aus. Von einer aufstrebenden Schauspielerin schafft es Greta auf einen Schlag in die Weltpresse und in alle sozialen Kanäle. Wirklich jeder berichtet über diesen Skandal. Natürlich wird die Ehe sofort geschieden, Aldo wird von der Polizei verhört und seine Existenz als Schauspiellehrer mit einer exklusiven Schauspielschule ist Geschichte. Greta muss an das Training bei ihm denken, und für seine etwas alberne Vorliebe, sich ins Schwert zu stürzen. Allein wie oft er sich dabei verletzt hat, wegen den verdammt scharfen Requisiten. Aber nun ist er wirklich erledigt. Anders Greta, sie kann sich die Rollen aussuchen und das Publikum lässt sich von dem Reiz kitzeln, dass hier ein echtes Opfer eines dämonischen Verbrechers die Rolle spielt. Und als wäre das nicht schon märchenhaft genug, stehen die Hollywood Prinzen Schlange, um Gretas seelische Wunden zu heilen.



Aber obwohl jetzt Sicherheit wichtig ist, und niemand ihre Wohnung kennt, kann sie Aldo noch spüren. Er hat sich an sie geheftet, an ihr Spiel, an ihre Mimik und Gestik. Greta ist so verunsichert, dass sie nicht mehr weiss, wenn sie etwas sagt oder tut, ob nicht er es ihr zugeflüstert hat.



Es dauert nicht lange und Greta wird eine Rolle für eine schwarze Agentenkomödie angeboten, einer wirklich grossen Produktion: Santa Spy. Weihnachtsmänner, die möglicherweise aus Nordkorea kommen, werden in ein edles Wohnviertel in Washington eingeschleust, um kompromittierendes Material von wichtigen Politikern zu sammeln und zu produzieren. Aber sie haben ihre Rechnung ohne das Christkind gemacht. Ursprünglich wollten die Drehbuchautoren das Christkind mit den Superkräften der Barmherzigkeit ausstatten. Aber man kann sich nicht entscheiden, ob die Barmherzigkeit eine nicht tödliche Strahlenwaffe sein soll, wenn man getroffen wird, fühlt man mit den Notleidenden der Erde mit, oder ob es auch eine tödliche Funktion geben soll, eine Art tödliche Barmherzigkeit. Besonders bei der tödlichen Barmherzigkeit gibt es einen Zielkonflikt, es wäre schon schön, wenn einem vor lauter Barmherzigkeit die Augen aus den Höhlen ploppen würden, bevor alle Lebensfunktionen eingestellt werden, um die ebenso tödliche Schaulust am Elend der Welt zu bestrafen. Aber gleichzeitig soll es sich um einen Weihnachtsfilm handeln, und die Bestrafung der Bösewichte sollte möglichst sanft und unsichtbar sein, so wie in dem alten Weihnachtsfilm mit den drei entflohenen Gefangenen und der kleinen Schlange. Aber es herrscht überhaupt keine Einigkeit zwischen Produzenten und Autoren, ob man sich heute an die Todesästhetik des Shooters anpassen sollte, wie bei den rauspurzelnden Augenbällen oder die Bösewichte sanft entschlafen lässt, was auf eine Art noch grausamer ist, weil es nichts anderes ist, als eine moderne Hinrichtung. Schliesslich löst man das Problem, wer hätte das gedacht, durch Action. Das goldlockige, aber durchtrainierte Christkind nimmt die Verfolgung der schändlichen Weihnachtsmänner auf, die ausgerechnet in eine Kirche flüchten, aber Christkind bleibt im Eifer der Verfolgung an dem Zeiger der grossen Kirchenuhr hängen, der sich tief in das selige Fleisch bohrt. Das führt dazu, dass sich ein böser Weihnachtsmann zum guten Weihnachtsmann wandelt, und seine Verfolgerin retten will, wenn das Christkind nicht, weil sie auf dem Zeiger hängen bleibt, mit ihren Wunderkräften unbeabsichtigt die Zeit angehalten hätte. Wenn das keine knifflige Zwickmühle ist.

Greta braucht eine Weile des geduldigen Zuredens, um zu begreifen, was man ihr dort anbietet. Nur gut, dass sie mitlerweile gelernt hat, den Eindruck des Zuhörens zu erwecken, während sie eigenen Gedanken nachgeht. Denn das hat sie schnell herausgefunden, das Kostbarste, was man als Star hat, das ist eine Art von eigenem Willen. Etwas was sie noch überhaupt nicht ausprobieren konnte. Ständig gab und gibt es jemand, der sie für seine Ziele eingespannt hat. Und jetzt ergibt sich die Möglichkeit, etwas ganz Neues zu tun, und damit öffnet sich auch ein Spalt in der Wirklichkeit, eine kleine Lücke, durch die sie in eine andere Welt schlüpfen könnte: Greta hat einen Plan, und muss feststellen, wie gut sich das anfühlt, allein schon der Gedanke einen Plan zu fassen.

Zur Erleichterung aller freut sie sich über das Angebot, sie hat nur eine Bedingung, aber bevor sie etwas sagen kann, sagt ihr der Produzent, dass sich am Drehbuch nichts ändern wird.

Greta kann ihn beruhigen, sie findet das Drehbuch einfach grossartig, aber sie wollte die Stuntrollen selbst spielen.

Alleine aus versicherungstechnischen Gründen wäre das ein Ding der Unmöglichkeit.

Nun gut, aber dann sollte die Stuntfrau ihr ähnlich sehen.

Daraufhin wird Greta belehrt, dass solche Probleme zeitgemäss in der Postproduction gelöst werden.

Das ist jetzt der Zeitpunkt, an dem sie sich freundlich bedankt für die wundervolle Möglichkeit und das Meeting verlässt.



Sie halten sie auf, versuchen ihr das auszureden, Stunt wäre nicht nur Sport, wie Ping Pong spielen, Stunt ist eine Kunstform.

Greta: Ich möchte aber, dass es mein Gesicht ist.

Produzent: Das ist dein Problem? Wirklich? Greta, wir finden dein Gesicht, das verspreche ich Dir.

Greta will etwas sagen, aber der Produzent schneidet ihr das Wort ab: Ich habe Dir eine Chance gegeben, und jetzt gib Du mir eine Chance.

Greta nickt nur dezent.

Das findet der Produzent gut und er braucht eine ganze Weile, bis er eine Stuntfrau findet, die so aussieht wie Greta und nicht selbst Schauspielerin werden will, was nicht so einfach ist.

Greta: Ich will sie kennenlernen, allein.

Ernestine ist sehr schweigsam, und sieht Greta wirklich sehr ähnlich, bis auf eine schiefe Nase.

Greta: Wie wichtig ist Dir der Job?

Ernestine ist nicht blöd und zuckt nur mit den Schultern.

Greta: Du wirst dir die Nase machen lassen müssen.

Ernestine: Die breche ich mir eh wieder, die bleibt so, das ist praktischer, vorgebrochen sozusagen.

Greta: Dann tut es mir leid.

Aber als Ernestine auch die Tür ansteuert sagt Greta leicht sauer darüber, so schnell auf der anderen Seite zu stehen: Moment mal.

Ernestine dreht sich lächelnd um und Greta bereut es schon, und will sie am liebsten zum Teufel schicken, da macht Ernestine etwas ganz eigenartiges, sie kommt auf Greta zugelaufen, fasst ihre Hand mit beiden Händen, sieht ihr erwartungsvoll lächelnd in die Augen und sagt unvermittelt vertraulich: Komm schon, was hast Du vor! Erzähl es mir, da ist doch was!

Greta wollte schon immer eine Freundin haben, eine richtige Freundin, wie die anderen, aber sie war immer die seltsame Prinzessin. Aber jetzt, wo eine mögliche Freundin so unmittelbar vor ihr steht, da muss Greta erst mal einen Schritt zurück treten.

Ernestine ist enttäuscht: Was ist, willst Du es mir nicht sagen, ich kann schweigen, wirklich schweigen. Glaubst Du nicht?

Ich will es Dir beweisen: Mein Bruder hat sich mal sein Ding im Reissverschluss eingeklemmt, es war so ein fieser Jeansreissverschluss, verstehst Du, und dann hat es geblutet und war entzündet, und er ist zu spät zum Arzt, da mussten sie ihm das obere Stück abnehmen. Ich habe es niemand erzählt, Idianerehrenwort!

Greta sieht Ernestine geschockt an und die sagt: Spass, habe gar keinen Bruder, na ja, vielleicht doch, aber der klemmt sich nichts ein und wenn würde ich es nicht sagen, niemals, glaubst Du nicht? Ich kann wirklich ein Geheimnis bewahren. Ich kann es beweisen! Pass mal auf, der Produzent wird mich fragen, was Du von mir wolltest, er wird mich gleich danach abpassen, und ich, habe vorausgedacht, ich habe mir schon eine Geschichte überlegt. Pass mal auf, Du wolltest mich sprechen, weil Du Angst hast zu klein rüber zu kommen, ob Du solche Schuhe anziehen kannst, die dich ein bisschen höher machen, ohne dass es so auffällt, hm, wie findest Du das?

Greta wird ernst: Wie gross bist Du?

Ernestine: 170.

Greta: 170?

Ernestine greift wieder nach Gretas Hand, die sie erst widerwillig, dann aber recht gern hergibt: Nun sag es schon, was willst Du wirklich von mir!

Greta: Die Nase.

Ernestine: Und wenn ich mir die Nase machen lasse, was kommt dann?

Greta überreicht Ernestine ein Bild von Aldo: Dann möchte ich, dass Du zu jemand gehst.

Ernestines Augen leuchten auf: Der Perverse, der dich mit der Heirat reinlegen wollte?

Greta nickt.

Ernestine sieht sich das Bild genauer an: Und was soll ich tun?

Greta dreht sich um und sagt: Was Du tun willst.

Ernestine überlegt laut: Was ich tun will oder was er tun will.

Greta sagt betont langsam: Was Du tun willst.

Ernestine: Und was glaubst Du ist das, was ich tun will?

Greta: Ich weiss es nicht.

Ernestine: Was? Du machst den ganzen Aufstand hier und Du weisst es nicht?

Greta: Ich hasse ihn, ich bekomme einen Ausschlag am Hals, komische Flecken, wenn ich nur an ihn denke und doch hat er mir etwas gegeben, was ich ihm nicht zurückgeben kann.

Ernestine: Und Du willst ihm jetzt auch etwas zurück geben?

Greta nickt wieder.

Ernestine sagt gedankenverloren vor sich hin: Du willst Dich revanchieren.

Dann sieht Ernestine Greta leicht verärgert an: Komm schon, Du musst mir mehr geben, ich weiss überhaupt nicht, was ich tun soll.

Gretas Augen füllen sich mit Tränen: Ich will mir alleine gehören.

Ernestine: Du willst was? Dir alleine gehören? Jetzt ehrlich? Jeder gehört doch irgendwem, auch ich. Was denkst Du denn, soll ich machen, soll ich mit ihm zusammen sein? Und Du machst dann das, was die anderen machen, die sich selbst gehören. Willst Du das?

Greta dreht sich weg.

Ernestine: Aber Du hast daran gedacht, gib es einfach nur zu, los, Du hast daran gedacht.

Greta zieht Rotz hoch: Er steck noch in mir drin, wie ein Stachel.

Ernestine: Und ich soll den Stachel rausziehen?

Greta: Ohne dass er abbricht.

Ernestine starrt Löcher in die Luft.

Greta sagt sanft: Machst Du das? Du kannst auch die Gage haben. Nun komm schon, Du bist doch eine Stunt Frau, oder?

Ernestine: Du bietest mir deine Gage an? Dein Ernst?

Greta nickt.

Ernestine: Das kann ich nicht annehmen.

Greta: Warum denn nicht?

Ernestine: Natürlich kann ich es annehmen, aber ich wollte das immer schon sagen: "Das kann ich nicht annehmen."

Ernestine lacht.

Greta: Was ist?

Ernestine: Vielleicht bekomme ich für das Geld das Gleiche, was Du haben willst.

Greta: Du machst es?

Ernestine dreht ihren Kopf so, dass es aus Gretas Perspektive so aussieht, als wäre ihre Nase gerade.

Greta schüttelt den Kopf: Du wirst eine OP brauchen.

Und als Ernestine draussen ist, da bleibt sie kurz vor der Wohnungstür stehen und überlegt sich, ob es nicht besser wäre, für Greta, wenn sie den Stachel selbst rausziehen würde. Aber dann schiebt sie den Gedanken beiseite und wagt das erste Mal an ihren eigenen Traum zu denken: Den Bauernhof in den Bergen, den ihre Eltern verloren haben, zurück zu kaufen.



Je länger dieses Erlebnis her ist, desto unwirklicher erscheint es Greta. Und nach einer Weile, kommen ihr finstere Befürchtungen, dass Ernestine Aldo kastrieren könnte, solche Schauergeschichten aus dem Internet. Und ihre Befürchtungen werden noch übler, als sie von Ernestine endlich eine Nachricht bekommt: Spiel jetzt mit!



Nach einer weiteren Woche kursieren die ersten Schnappschüsse von Greta, leicht unscharf, mit einem extrem kurzen Jeans, wo die Taschen unten heraushängen, die Greta nirgendwo in ihrem Kleiderschrank finden kann. Diese Greta beugt sie sich in einem Supermarkt über die Kühltruhe, ja sie stützt sich richtig mit den Ellbogen auf und hält einen Beutel tiefgefrorenen Rosenkohl an die Schläfe oder die Nase, das ist nicht so deutlich erkennbar.



Bei dem Treffen mit dem Produzenten und ihrer PR Managerin geht es dann darum, welches Bild Greta der Öffentlichkeit über sich geben will. Aber Greta, die sich ganz wohl in der viel zu kurz abgeschnittenen Jeans fühlt, sagt nur, während sie das Bild aus der Hand legt: Ich hatte Migräne.

Und auch wenn die PR Managerin Zweifel hat, und ihr das Bild zurück gibt "Bist Du das wirklich auf dem Bild?", Greta bleibt dabei.



Danach überlegt Greta lange, ob diese Bilder wirklich von Aldo gemacht wurden. Sie überlegt sich ob sie Ernestine anrufen soll. Sie kann ihre Neugierde kaum zurückhalten, fragt sich wie Ernestine das wohl angestellt hat, und was das bedeutet, wenn Aldo jetzt diesem Phantom hinterhersteigt, wenn er sie wie ein Paparazzo fotographiert. Aber dann kommt das Gefühl zurück, wie es sich anfühlt, auf Aldo angewiesen zu sein, an ihm zu kleben, wie ein Insekt auf Fliegenpapier.



Am gleichen Tag hat sich Greta eine rote Perücke besorgt, und ein langes Blümchenkleid und eine grosse blickdichte schlichte schwarze Sonnenbrille. In den Clubs muss sie erst die Brille abnehmen, bevor man sie reinlässt. Und niemand hält sie für die Schauspielerin, nur einmal lernt sie einen Jungen kennen, Jean Paul, der sagt: Das ist ja irre, weisst Du wie Du aussiehst, Du siehst dieser Schauspielerin ähnlich, wie heisst sie noch mal?

Greta: Echt jetzt, ich sehe einer Schauspielerin ähnlich? Das ist die originellste Anmache, die ich je erlebt habe!

Jean Paul: Die aus "Nirvanaberg" und "Santa Spy", willst Du mir sagen, die kennst Du nicht?



Nie hat Greta so gut gespielt, wie in dieser Rolle, als sie selbst. Nie hatte sie so viel zu verlieren und nie hat es so viel Spass gemacht lebendig zu sein. Und nie hat es so viel Spass gemacht den Auslöser von einem Fotoapparat zu drücken: Jean Paul liest Zeitung; Jean Paul kommt in die Wohnung; Jean Paul liegt in der Badewanne; Jean Paul macht nichts.



Und als sie Jean Paul zärtlich in die Arme nimmt, da denkt sie: Ist es das? Ist das Glück? Bin ich jetzt frei? Stimmt es nicht, dass ich alles haben könnte, vielleicht sogar ein Kind mit Jean Paul. Wenn es nur niemand weiss, niemand darf wissen, wer ich wirklich bin. Sogar Ernestine muss es vergessen. Und deshalb schickt sie Ernestine weiter Geld. Am Anfang schreibt sie direkt auf die Scheine: Vergessen nicht vergessen!



Zuerst denkt Greta, dass es schwierig wäre, sich für die Drehs zu verwandeln. Aber es ist ganz leicht, weil Jean Paul alles glaubt und niemand sonst auf den Gedanken kommt, dass jemand wie Greta, gar nicht Greta sein will. Dabei ist sogar ihr Spiel besser geworden, zurückhaltender, doppelbödiger und das ganz ohne Aldos Hilfe.



Und tatsächlich, Greta hört nichts von Ernestine, und auch die falschen Paparazzi Bilder von Greta hören nie ganz auf. Nur manchmal, wirklich selten, wenn sie abends noch durch den Park muss, wenn sie meint etwas im Keller rascheln gehört zu haben, dann erwischt es sie wie ein Hammerschlag aus der Dunkelheit, denn dann denkt sie: Was hätte ich an Ernestines Stelle getan, wen hätte ich gefragt, damit er mir eine Geschichte schreibt, um dort wieder heraus zu kommen ...



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Das Upgrade

Von Konstantin und Dominica Schemat

Das Haut Ding

Romeo lässt alle auf der Schule abschreiben, er ist voller innovativer Ideen und es machen sich verschiedene Spitzel an ihn heran, aber Peter, Pan und Paula kümmern sich um ihn. Paula ist lesbisch, Peter ist schwul und Pan ist Pan, ein bisschen gruselig, ein bisschen sehr gruselig. Und ohne Pan wäre Romeo verloren, ohne Pan würde er von Spitzeln zersetzt werden.

Paula macht sich Sorgen um Romeos Psyche. Er braucht eine Julia. Und was keiner weiss, es gibt diese Julia. Ein nettes Mädchen aus der Parallelklasse, ziemlich unscheinbar, man wüsste nicht was an ihr falsch sein sollte, jedenfalls schön ist sie nicht, auch nicht hübsch, aber wenn sie lächelt, dann fegt sie alles weg, nur das sie das nicht tut, denn Julia ist schwer engagiert, mit der Rettung der Welt, und da gibt es nicht so viel zu lächeln.

Paula zu den anderen: Müssen wir uns Sorgen machen, ich glaube unser Romeo glaubt, dass er mit ihr zusammen ist.

Peter: Wie kommt er da drauf.

Paula: Er hat sich gleichzeitig mit ihr gebückt und was aufgehoben, dann sind sie mit den Köpfen zusammen gestossen.

Pan: Und da hat es gefunkt.

Paula: Wen wundert das, in Romeos Kopf funkt es ja andauernd.

Pan: Ich werde mal mit ihr sprechen.

Das hat er gottseidank nicht getan. Und so ist gekommen, wie es kommen musste. Romeo fängt kein normales Studium an, sondern bekommt während des Studiums ein eigenes Labor, und als seine drei ersten Mitarbeiter stellt er seine Freunde ein. Paula und Peter hatten eigentlich etwas anderes vor, aber Pan findet, dass es gut ist, wenn wir zusammen bleiben. Und allen dreien bleibt weitgehend verborgen, was Romeo da im Labor anstellt, aber sie stellen sich ganz geschickt als Laborhelfer an, und es fällt niemand auf, und mit der Zeit bekommen sie doch das eine oder andere mit, und vielleicht erreichen sie das Niveau eines normalen Wissenschaftlers, aber Romeos Niveau bleibt völlig unerreichbar, aber da sie gar keinen Ehrgeiz haben, staunen sie nur ab und an, und passen auf ihn auf. Mehr nicht. Der Kontakt zu Julia, wenn man denn von Kontakt sprechen kann, ist immer noch da, manchmal nickt man sich freundlich zu. Nur Pan darf das nicht, wie ihm alle sagen und sie zupfen an seiner Jacke, wenn er freundlich lächeln will, damit er es lässt um sie nicht zu erschrecken. Es gibt noch Versuche von den dreien das ein winziges bisschen voranzutreiben, und ihrem Freund, dem sie ein angenehmes Leben schulden etwas gutes zu tun, aber Romeo ist glücklich mit seiner Beziehung.

Pan: Irgendwann wird das richtig knallen.

Der Laborleiter und ihr oberster Chef lässt sie machen, und die drei haben es hinbekommen, dass Romeo nicht von ihm genervt wird und der Chef findet, dass erst einmal genug Grundlagenforschung betrieben wurde, ein Genlabor wäre doch auch dafür da, mal etwas nützliches abzuwerfen.

Pan: Und was könnte das sein, Detlev?

(Ihm ist von den Anderen eingebläut worden, dass er Augenkontakt sucht und sein Gegenüber direkt anspricht, was seine gruselige Wirkung nicht besser macht und Paula und Peter immer wieder äusserst amüsiert.)

Detlev rückt dann doch damit raus: Die Haut, wir sollten dort unser Forschungsaugenmerk drauf lenken.

Und Romeo hatte dort gerade eine Entdeckung gemacht, eine Art Flechte, die wie eine Haut über das Balsagerüst eines Fliegers wächst, und sich selbst bei kleinen Unfallschäden repariert, weil sie wieder zuwächst. Sie ist aerodynamisch nicht optimal, weil sie zu rau ist, aber ein mit diesen Flechten bespannter Flieger fliegt wie ein normales kleines Segelflugzeugmodell und muss nur immer besprüht werden und wie ein Mobile aufgehängt werden in einem Raum mit weissen Wänden, oder unter einem Baum, damit er von allen Seiten Licht bekommt. Dann wachsen auch Risse in der Haut zu.

Detlev bleibt standhaft, und bringt dann sein Anliegen vor. Diesmal wollen wir einen menschlichen Körper bespannen. Wir suchen nach einer Salbe, die zu einer echten Reparatur und Straffung der Haut in der Lage ist.

Detlev neigt sonst zu pathetischen Vorträgen, führt die Helden der Forschung auf, und welche Feuchtigkeitscremes sie hervorgebracht haben und die ganzen beknackten Kunstworte, die sie sich dafür einfallen lassen haben, und die alle nur für ein Resultat stehen. Es ändert sich nicht wirklich etwas, wenn man sich diese teueren Tiegelchen in das Gesicht oder sonstwo hin schmiert.

Pan: Bis wann soll das fertig sein, äh, Detlev?

Detlev: Äh ich weiss nicht.

Pan am Telefon zu Romeo: Er weiss es nicht.

Pan: Reicht morgen?

Detlev: Morgen? Was? Also am nächsten Tag?

Pan zu Romeo: Morgen reicht wohl nicht.

Detlev schüttelt den Kopf hebt den Zeigefinger, will klar machen, dass es so nicht gemeint war aber Pan legt nur furchteinflössend den Zeigefinger auf die Lippen und sagt: Kommen sie heute Nachmittag noch mal vorbei.

Und Detlev, der eigentlich Professor Dr. Dr. D. von Dornheim heisst, zweifelt das erste Mal an seinem Verstand.

Als er am späten Abend noch mal im Labor vorbeischneit, wie er das nennt sagt Pan: Das ist ganz schön knapp mit der Zeit. Aber Romeo hat da was gemacht, so ein Genscheren Zeugs mit Polymerkugeln, ach, das bringe ich durcheinander, es war doch Stärke ja, genau, bitte.

Romeo schiebt mit dem Zeigefinger so ein Tiegelchen auf den Chef zu.

Detlev kann es nicht fassen: Äh ja, danke auch.

Er will sich aufmachen und gehen.

Pan hält seine Hand fest: Willst Du es gar nicht ausprobieren, Detlev.

Detlev kommt in Panik: Wie ausprobieren jetzt?

Pan fixiert ihn während er ganz bei dem Kaugummi in seinem Mund ist und er nickt nur Richtung Tiegelchen.

Detlev schmiert sich die Creme ins Gesicht.

Pan: Äh, aber doch nicht an Dir, Du hast doch gar keine Falten.

Detlev: Och hier kommen schon welche, Krähenfüsse, die kommen vom Lachen, das ist der Blutzoll des Humors.

Pan: Blutzoll des Humors, hä?

Detlev hat sich eingerieben.

Am nächsten Tag kommt Detlef mit einem Schal ins Labor und einer Sonnenbrille.

Pan: Und was sollen wir heute für dich machen.

Detlev fällt der Schal runter und man sieht wie sich seine Lippen total vom Mund zurückgezogen haben, alles ist wie zum zerreissen gespannt aus, man kann sein Zahnfleisch sehen.

Pan beruhigt das nicht besonders: Du hast sehr schönes Zahnfleisch, Detlev, hat dir das schon mal jemand gesagt?

Detlev versucht zu antworten und sich brav für das Kompliment zu bedanken: Aber das Sprechen fällt ihm schwer, so gespannt ist die Haut in seinem Gesicht.

Pan hebt den Hörer ab und spricht mit Ro, so nennt er Romeo, weil ihm der Name zu albern ist: Nein, Ro, ich glaube er kann jetzt nicht sprechen. Warum? Ja, es scheint ihm an Haut zu fehlen. Nein, nein es ist alles schön glatt. Es scheint mehr ein Problem der Spannung zu sein. Ob ihm die Salbe gefällt? (An Detlev gerichtet) Gefällt dir die Salbe, Detlev.

Detlev nickt vehement aber er zuckt auch mit den Schultern.

Pan sagt zu Ro: Detlev ist vielleicht ein bisschen zu jung für die Salbe, ich würde sagen 80 Jahre alt müsste man schon sein, die Haut müsste schon sehr entspannt sein.

Detlev schwankt überlegend hin und her und Pan der ihn nicht aus dem Auge verliert sagt zu Ro am Telefon: Könnte auch 100 sein, ja gut 100 Jahre, das gibt heisse 100jährige.

Pan hält den Hörer zu und fragt Detlev: Ro will wissen ob Du Probleme mit heissen Greisen hast?

Detlev schüttelt vehement den Kopf und Pan sagt: Hat er nicht, alles ganz cool denke ich, oder?

Detlev nickt vehement und Pan legt auf.

Detlev zögert etwas mit dem herausgehen, als ob er noch etwas auf dem Herzen hat.

Pan: Is noch was äh Detlev?

Detlev will was sagen, kann es aber nicht. Pan sagt genervt: Habe schon verstanden, hol dir das Gegenmittel heute Nachmittag ab.

Detlev hat die Sonnenbrille abgenommen, und es rollt eine Träne aus den völlig frei liegenden geäderten Augäpfeln.

Pan klopft Detlev auf die Schulter: Ist ja schon gut.



Mit der neuen Creme kann sich Detlevs Haut wieder entspannen. Ein bisschen zu sehr, dass sanfte Falten entstehen, nicht scharf eingeschnitten, sondern wie bei dieser chinesischen Hunderasse, sanfte Hügelketten.

Pan: Es sieht schon viel besser aus, nicht?

Detlev nickt und kann auch wieder sprechen: Alles paletti.

Pan fasst an Detelevs Kinn, während er Ro am Telefon hat: Nein, es sind eher sanfte Hautringe. Ob es mir gefällt? Hm, es sieht gemütlich aus, wie bei diesem Hunden aus China. Die können ja keine Falten mehr bekommen, sind ja schon so auf die Welt gekommen.

In den nächsten Wochen kann Pan Romeo nicht mehr so einfach abschirmen. Es kommen Expertenteams und das Labor wird von Sicherheitspersonal abgeriegelt, nur noch die Vier dürfen rein. Es müssen viele Papiere unterschrieben werden, und man will sicher gehen, dass sie verstanden haben, dass man jetzt nicht mehr so viel darüber reden sollte. Pan ist langsam genervt: Ist ja schon gut, wir sind ja nicht irgendwie beschränkt, haben schon verstanden. Wir werden sie alle neu bespannen, das wird ein riesen Geschäft und wir werden die Leute glücklich machen, bis auf die Chirurgen, O.K. die nicht, aber dafür haben wir ja die Sicherheitsjungs, also wenn die Chirurgen kommen, weil sie sich rächen wollen, dass wir ihnen die Jobs weggenommen haben, dann ist auch alles cool weil ihnen die Sicherheitsjungs vorher die Skalpells abgenommen haben, habe ich verstanden, ist ja auch nicht so schwer zu verstehen oder? Warum wiederholt ihr das immer wieder, wir haben es wirklich verstanden, alle, ja, auch Ro, das Haut Ding, ja das hat unsere ungeteilte Aufmerksamkeit, oberste Priorität.

Währenddessen ist auch Julia nicht untätig geblieben. Sie ist viel gereist. Jede Abwesenheit hat zu Unruhe im dem Labor geführt. Und schliesslich hält es Romeo nicht aus und fragt Pan: Was macht sie eigentlich da.

Pan ist tatsächlich verdutzt und hat vergessen, wie die Beziehung zwischen Romeo und Julia abläuft indem er fragt: Sprecht ihr nicht darüber?

Ihm ist erst später klar, wie dumm das war, als er mit Peter und Paula zusammen ist: Was soll wir denn jetzt tun?

Es herrscht einen Moment Ratlosigkeit bis Paula eine Idee hat. Es ist wie bei imaginären Freunden, die werden doch erst dann zum Problem, wenn sie von den Anderen nicht gesehen werden.

Paul: Wie meinst Du das?

Paula: Wenn jemand einen eingebildeten Freund hat, und alle spielen mit, dann ist er auch nicht verrückt, weil nicht alle können verrückt sein.

Pan: Also echt, da kenne ich einige Gegenbeispiele, meistens ist es nämlich so, dass sie alle gleichzeitig durchdrehen, dass kein Einziger seinen Verstand behält.

Peter überlegt eine Weile: Dann machen wir es eben so, wir alle sind verrückt und tun so, als ob alles klar wäre und wir über alles Bescheid wüssten.

Paula: Und wie willst Du das machen?

Peter: Na mit reden, wir reden mit Ro und Pan redet mit Julia.

Paula: Aber wir wissen doch nichts über sie.

Peter: Ach das finden wir schon heraus.

Paula: Und dann tun wir was? Wir tun so als ob sie zusammen wäre.

Peter: Es ist ja nur zu Überbrückung, solange wie sie nicht in der Stadt ist, das ist alles.

Paula: Und was machen wir, wenn sie nicht in der Stadt ist?

Pan: Wir rufen sie an.





Und so wird es gemacht, Julia bekommt ein paar eigenartige Anrufe, sie erzählt etwas über ihr Projekt, dass sie eine Meditationsmethode für die Mächtigen entwickelt, damit sie ihre Empathie für das Volk nicht verlieren. Und Pan tut so, als ob er das wüsste: Machst Du noch etwas neues?

Julia ist irritiert: Nein, das ist doch das Neue.

Pan: Aber das kenne ich schon.

Bei Julia bricht sanfte Panik aus: Macht das schon jemand anders?

Pan überlegt ein bisschen zu lange: Nö.

Julia: Wie Nö?

Pan: Wer soll das denn machen, wenn nicht du, kann ja sonst keiner, ich meine, will ja auch keiner, oder? Oder doch, ja, einige wollen es, können es aber nicht.

Julia: Ich muss jetzt leider weiter machen.

Pan: Ja, mach das nur, viel Spass und so und bis dann?

Julia sieht ihr Telefon etwas irritiert an und sagt nachdenklich: Bis dann also.



Und als die drei wieder zusammen sitzen sagt Pan: So schwer war das wohl nicht, warum habt ihr nicht früher eure Ideen eingebracht?

Peter und Paula sehen sich gegenseitig an, da kommt Ro rein: Ich hab 's, das war aber auch wirklich schwer.

Pan: Ja, tatsächlich?

Pan greift nach dem Tiegelchen.

Romeo: Diese Gesichtscreme dringt ganz tief ein.

Pan: So?

Romeo: Nun frag schon.

Peter: Was denn Romeo?

Paula: Wir wissen gar nicht was Du meinst, sorry.

Romeo: Wie tief!?

Peter voller Unverständnis: Wie tief?

Aber Pan hat verstanden: Ja klar, wie tief denn? Gut gemacht.

Romeo ist ein bisschen beleidigt und fühlt sich nicht ernst genommen: Ich hab ja noch gar nicht gesagt wie tief.

Pan: Los komm rück' es schon raus, sag es uns, wie tief dringt das Zeug ein, 3 mm? Hm, nein, 6 mm? Hm?

Paula ist mutig und widerspricht Pan: Du weisst schon, dass niemand so eine dicke Haut hat, oder?

Da platzt es aus Romeo heraus: 15 cm mindestens.

Peter: Das ist denn aber ein richtiger Dickhäuter, was?

Pan wird sehr ernst: Und was macht das dann, wenn ich es mir ins Gesicht schmiere, äh, z.B. mit meinem Gehirn, ein paar Zentimeter tiefer.

Paula: Du weisst schon, dass wir im Gehirn die Falten brauchen, oder?

Peter: Die Windungen sind nützlich, passt viel mehr Projektionsfläche rein, das muss gar nicht glatt sein, oder habe ich da etwas nicht mitbekommen?

Romeo: Aber die Spiegelneuronen!

Pan: Moment mal, ist diese Creme eher in Richtung Haarwuchsmittel also keine Faltencreme, sondern eher so eine Wachstumsding.

Romeo wird ganz aufgeregt und nickt heftig.

Pan lässt das Tiegelchen mit dem er eben noch rumgespielt hat, los, und sagt: Dann wachsen die Spiegelneuronen?

Peter: Ist das eine Creme für deine Freundin? Du meinst, was sie mit der Meditation zum Mitfühlen machst, das macht auch diese Anti Faltencreme?

Paula: Das ist doch keine verdammte Quizshow. Es ist doch ganz einfach, das ist eine Verschönerungscreme mit Tiefenwirkung. Nicht nur die Falten verschwinden, sondern auch die knauserige heimtückische kleine Krämerseele.

Pan schiebt das Tiegelchen weg: Wenn ich mir das ins Gesicht schmiere, was passiert dann, leide ich dann mit der ganzen Welt mit?

Jetzt ist Romeo ganz aus dem Häuschen und nickt heftig: Ja, aber die Falten sind auch weg.

Peter: Also eine Nebenwirkung oder was?

Pan blickt sich besorgt um und sagt: Vielleicht reden wir woanders weiter.

Und das tun sie, treffen sich alle am Brunnen, weil sie das im Film so gesehen haben, dass das Rauschen die Stimmen überdeckt und Pan sagt zu Romeo, den er in den Arm genommen hat: Also es ist nicht eine zwangsläufige Nebenwirkung von dem Faltending. Du könntest auch eine Faltencreme machen, wo einem die Flutopfer in Bengalen nicht leid tun, oder? Jedenfalls nicht mehr als gewöhnlich. Willst Du das sagen?

Romeo: Aber versteht ihr nicht, das ist unser erstes Projekt, was wir zusammen gemacht haben.

Peter: Du meinst Du und deine ... äh ich meine deine Freundin.

Romeo nickt vehement.

Pan: Oh ha, da hast Du ja was schönes erfunden. Aber nimm es mir nicht übel, wenn Du mir das ins Gesicht schmierst, muss ich dich töten. Hast Du das verstanden?

Romeo ist entsetzt.

Peter zu Romeo: Das ist doch Pan, der braucht so eine Creme nicht, aber wenn man das mal weiter denkt, dann könnte es durchaus Fälle geben, wo ich sagen würde, Probieren sie es doch mal mit unserer Neuen Faltencreme.

Paula: Auch wenn manche erstaunt sind, was das für Nebenwirkungen haben kann, oder?

Pan: Wir sollten das genau durchdenken.

Ro: Aber wir haben doch keine Zeit.

Pan ist jetzt sauer: Warum haben wir jetzt keine Zeit mehr, weil die Polkappen schmilzen, oder was.

Ro: Julia hat doch diesen Gig.

Pan: Was für einen verdammten Gig?

Ro: In Davos, da stellt sie auf dem Weltwirtschaftsforum ihre neue Meditationsmethode vor.

Pan: Ach so, jetzt verstehe ich. Aber Du glaubst nicht an sie, was?

Ro ist entrüstet: Wie kommst Du da drauf?

Peter: Aber Du meinst, man könnte ihre Behandlungsmethode unterstützen, ein wenig vielleicht.

Ro: Synergieeffekte.

Währenddessen liegt die aufgeregte Julia in ihrem Bett und geht noch mal ihr Script für Davos durch:

Wir sind immer noch an die Steppe angepasst, aber unsere Gemeinschaft ist gewachsen, wir müssen uns nicht mehr nur um wenige kümmern, sondern wir müssen uns um alle kümmern. Und wenn irgendjemand etwas in der Steppe gemacht hat, dann war es nicht so wichtig, für eine andere Jägergemeinschaft 500 km weiter, aber heute, kannst Du nichts mehr tun, ohne die ganze Welt zu verändern.

Sie küsst das Bild von ihrem Meister, den sie mal so richtig verwöhnen will, wenn ihre Methode Erfolg hat. Warte nur, Sensei, dir werde ich auch noch ein Lächeln auf das Gesicht zaubern, wenn dir das Erbe meiner Oma nicht imponiert hat, was sagst Du denn dazu, wenn die mächtigsten Menschen der Erde, plötzlich den Drang verspüren, dir gutes zu tun. Was wirst Du dann bloss sagen?

Pan der Klimaschützer

So ist es dazu gekommen, dass die Freunde mit Julia gemeinsam angereist sind, natürlich mit dem Zug und auch nicht nach Davos, da waren einfach keine Zimmer mehr zu bekommen.

Die Freunde sitzen in einer gemütlichen Berghütte über 100 km entfernt von Davos im Aostatal, das Kaminholz ist schon fast runtergebrannt, die Freunde haben sich in Decken eingewickelt, draussen pfeifft der Wind. Nur Ro ist schon auf sein Zimmer gegangen. Als Julia rein kommt überlegt Pan kurz, ob er Ro texten soll, dass Julia da ist, aber er lässt es dann doch und zieht stattdessen die Decke über die Füsse und nuckelt noch einmal an seinem THC Zerstäuber. Bevor er sein Wort an Julia richtet.

Pan: Ich habe mich schon früh für den Klimawandel engagiert.

Julia: Ja, warst Du auch bei Greenpeace?

Pan: Ich mag keine Umwege.

Julia: Du warst bei Sea Shepard, echt jetzt?

Pan: Langsam wird es wärmer.

Julia: Hm, Du machst es mir nicht leicht.

Pan: Ich habe es auch mir nicht leicht gemacht, ich will dir einen Tipp geben, wer ist der größte Klimasünder?

Julia: Ich denke zur Zeit, ganz klar die Kohleindustrie, wir sollten sie in der Erde lassen, und wir sollten, wenn wir können, neue Kohle in die Erde bringen.

Pan: Ich meine, wenn Du es ökologisch betrachtest, dieses Netz von Abhängigkeiten, wenn Du tiefer gräbst, ich sage mal: Soziale Differenzierung.

Julia: Du meinst doch nicht etwa…

Pan: Genau, ich meine Velben, Konsumismus.

Peter und Paula sehen Pan ungläubig an und er hat nur ein: Wusstet ihr das etwa nicht?

Julia: Der Geltungstrieb, die soziale Stellung...

Pan nickt sehr selbstzufrieden: Hm ja, aber nicht ganz so abstrakt, ich sag mal: Siegmund Freund.

Paula: Sorry aber wie nun, konkret oder Sigmund Freud?

Pan: Schliesst sich das für dich aus?

Julia: Ich komme nicht drauf.

Pan: Da gab es neulich eine Untersuchung in dieser wissenschaftlichen Zeitung, wie heißt sie noch mal?

Pan schickt einen seiner berühmten Knochenbrecherblicke Richtung Peter, der stammelt: Nature?

Pan: In der Nature, natürlich!

Pan klopft Peter anerkennend auf die Schulter: Es ging darum, wieviel CO2 Ausstoss ein zu kleiner Penis hat.

Julia versucht mitzukommen und sagt: Hm.

Pan: Ein verzwicktes Problem, wenn man mal bedenkt, dass die Abwesenheit von etwas, tonnenweise CO2 ausstossen kann. Wenn der Penis zu klein ist, kann man ja auch sagen, er ist nicht ganz da, er ist Abwesend, zumindest teilweise, und diese Abwesenheit statistisch sauber zu untersuchen, das ist knifflig, erfordert ein ausgeklügeltes Versuchsdesign.

Alle sehen Pan erstaunt an und er sieht gönnerisch in die Runde: Ich hätte jetzt noch Zeit für Fragen.

Julia: Warst Du an der Untersuchung beteiligt?

Pan: Ich habe etwas gemacht, was vielleicht etwas unwissenschaftlich ist, aber manchmal muss man eben auf sein Gewissen hören auch wenn das nicht so methodisch sauber ist.

Peter: Alter, das ist nicht dein Ernst!

Pan legt den Finger auf die Lippen: Wieviel Gramm nicht vorhandener Penis stossen über die Lebenszeit des Besitzers wieviel CO2 aus? Und um es euch einfacher zu machen, stellt euch ein SUV ruhig als eine Penisverlängerung vor.

Julia ist interessiert: Durch kompensatorischen Konsum?

Pan nickt Julia bestätigend zu während er Peter irritiert ansieht.

Peter: Das ist doch nicht dein Ernst, Du willst uns doch jetzt nicht deinen Penisverlängerungsspam als Klimaaktivismus verkaufen?

Pan: Und was ist es dann? Hä? Und bist Du überhaupt mit den aktuellen Zahlen vertraut?

Paula: Nun sag schon, wieviele Tonnen CO2 für ein Gramm Penis. Sprechen wir eingentlich von betanktem Penis oder von entspanntem?

Pan: Wir sind ganz entspannt.

Paula: 2 Tonnen?

Pan fragt neckisch: Hast Du das geraten? Komm schon, du hast auch die Untersuchung gelesen?

Paula: Nein, habe ich nicht, und ehrlich, ich würde mich wundern, wenn sie das in Nature abdrucken …

Pan: Nur so nebenbei, du liest noch die Printausgabe?

Paula: Was? Ja natürlich, weisst Du wieviel CO2 du bei der Onlineausgabe produzierst?

Pan: Deshalb habe ich es auch aus einer weitgehend CO2 neutralen Quelle.

Paula: Und die wäre?

Pan: Ich habe es vom Hören Sagen. Nichts wert bei Gericht, aber völlig ausreichend für das wirkliche Leben.

Paula: Du hast ein Gespräch mitgehört?

Pan: Und wenn es so wäre?

Paula: Und da hast Du Dir genau gemerkt wieviel das war?

Pan: 1,97 Tonnen Kohlendioxid für 1 Gramm Penis, Du brauchst ein gutes Zahlengedächtnis.

Niemand sagt etwas.

Pan: Überlegt doch mal, nur eine einzige Praxis für Penisverlängerung, wenn Du dann den CO2 Ausstoss in Bewaldung umrechnest, da kann so eine kleine Praxis mit ein paar sauberen Schnitten, in wenigen Jahren so viel Gutes für die Umwelt tun, damit könntest Du Luxenbourg (er spricht es mit n aus) wieder aufforsten.

Paula: Und was machst Du dann mit der Bevölkerung von Luxembourg, leben die dann in Baumhäusern?

Pan: Eine sehr problematische Bevölkerung, eine Steueroase, warum sollte sie nicht ein wenig Busse tun und in Baumhäuser ziehen? Ich meine, wer würde das überhaupt als Strafe empfinden, in ein Baumhaus zu ziehen?

Paula: Jetzt hör auf mit dem Scheiss, die Leute haben von dir überhaupt keine Penisverlängerung bekommen, wenn sie das angeklickt haben, dann hast Du ihre Festplatte verschlüsselt, und dann mussten sie bezahlen, um wieder an ihre Daten ran zu kommen.

Pan: Und waren danach zufrieden mit dem was ihnen der Herrgott gegeben hat.

Paula: Das ist nicht dein Ernst.

Pan richtet sich an Julia: Könntest Du ihnen das bitte erklären?

Julia muss lachen: Doch ich versteh das, wenn dir dein Computer so viel Stress macht, und dich erpresst und so, während dein Penis dir weiterhin gute Dienste leistet, den lästigen Druck von der Blase nimmt, und so weiter. Dann sagst Du dir vielleicht …

Pan schneidet ihr auf eine sehr wohlwollende Art das Wort ab:… kleiner Kamerad, wie konnte ich jemals an dir zweifeln. Genau das sagst Du. Und Du brauchst kein SUV mehr, jetzt nachdem du den wahren Wert von deinem Körper erkannt hast, da verstehst Du gar nicht mehr, wozu das gut sein soll, der ganze Protz. Nach dieser Behandlung fährst Du nicht mehr mit dem SUV zum Bioladen um dir ne Latte zu holen. Nie wieder!

Rogers Beweis

Als Julia zu den Zimmern nach oben schlafen gegangen ist, sehen sich anderen gegenseitig an und Peter sagt: Wollten wir nicht Julia etwas sagen?

Pan: Nein nicht WIR wollten das, nicht wahr Ro?

Ro gerät ein wenig in Panik.

Peter: Meinst Du nicht, dass sich Julia freuen würde, von deiner Schönheitslotion zu erfahren?

Ro zeigt auf sich und sieht sich um: Von meiner?

Die anderen nicken ihm zu.

Ro: Und wenn sie mir nicht glaubt?

Pan sieht sich in der Runde um: Ist hier jemand, der Ro nicht glaubt?

Alle schütteln den Kopf.

Ro: Aber ...

Pan sieht Ro an und fragt: Aber?

Ro: Müsste ich es ihr nicht beweisen?

Pan: So wie mit der Faltencreme? Detlev, Detlev, wo bist Du nur, wenn man dich braucht.

Ro: Ich habe es am Mausmodell bewiesen.

Paula: Und hast Du jetzt ein Präparat von dem Mäusegehirn oder was?

Ro holt eine Maus aus der Tasche, die sehr schüchtern ist, und auch auf eine Art sehr freundlich, weil es fast so aussieht, als würde sie den Anwesenden zunicken.

Peter: Und wie willst Du das jetzt beweisen?

Ro: Roger leidet mit uns mit, es geht über Speziesgrenzen hinaus.

Peter: Ach ja?

Ro: Wenn es jemand schlecht geht, dann leidet er mit, das kann man sehen.

Pan: Und wie überprüfst Du das? Reisst Du Dir ein Nasenhaar raus und siehst dann ob der Puls von Roger hoch geht.

Ro: Das brauchst Du gar nicht, man sieht es ohne Messgerät, ihr werdet schon sehen.

Paula: Ist das nicht irgendwie Tierquälerei?

Ro: Roger kommt aus der Ebola Forschung.

Alle rücken etwas von Roger ab, der sich sehr besorgt umsieht.

Ro: Alles cool, er hat es überstanden.

Pan: Und jetzt hast Du was bei ihm gut, weil Du ihn gerettet hast?

Ro: So direkt würde ich es nicht sagen.

Pan: Also wie läuft das jetzt, wer opfert ein Nasenhaar, ich habe hier an meinem Schweizer Taschenmesser eine Pinzette.

Ro winkt ziemlich dümmlich grinsend ab: Aber so läuft das nicht.

Pan: Roger ist eine Maus, also wenn man ihm eins von diesen putzigen Nasenhaaren rausziehen würde, da würde der sich aber bedanken denke ich.

Ro: Du setzt aber voraus, dass er weiss, dass das in der Mitte von deinem Gesicht eine Nase ist, oder? Es ist viel einfacher bei Roger, das hat etwas mit diesem Fieber zu tun, wenn man bluten muss, versteht ihr?

Da hat Pan die Geduld verloren und Ro mit seinem Taschenmesser in den Zeigefinger gepiekst: Sag das doch gleich, dass Roger kein Blut sehen kann.

Statt zu protestieren, dass Pan ihn gestochen hat, sagt Ro nur: Seht ihr es, ich habe es euch ja gesagt, da ist es, nun seht doch mal genau hin.

Alle rücken näher und sehen sich den mitfühlenden Roger an und blicken dann fragend zu Ro auf.

Romeo: Na seht doch mal hin. Er weint.

Alle strengen sich noch mal an und betrachten Roger ganz genau, aber keiner sagt etwas, da wird Romeo sauer: Mensch, jetzt habt ihr so lange getrödelt, jetzt ist ihm seine Träne in den Pelz gelaufen.

Pan: Er kann auf Kommando heulen?

Da tritt Julia aus dem Schatten der Treppe, die ins Obergeschoss zu den Schlafzimmern führt ins Licht und sagt ernst: ICH habe es gesehen.

Pan: So, du hast es gesehen, von da hinten?

Julia: Ich habe ein bisschen Erfahrung mit dem Hyperempathischen Zuständen.

Alle sehen Julia erstaunt an und Paula kommentiert: Verstehe, du machst ja das Training.

Julia: Bevor jetzt jemand etwas sagt, bevor ihr mich jetzt wegschickt, oder euch überlegt, was ihr tun sollt, weil ich euer Geheimnis jetzt kenne. Bitte glaubt mir, ich fand euch erst ein bisschen komisch, aber jetzt, wo ich weiss, worum es geht... Sagt mir, was ich tun soll, damit ich mitmachen kann, glaubt mir, die Sache ist mir etwas wert, es gibt fast nichts, was ich nicht tun würde, nur um dabei zu sein.

Pan sieht er Romeo an, dann Julia und kneift ein Auge zusammen: Wirklich nichts?

Julia wiederholt es wie ein Schwur: Überhaupt nichts.

Peter will etwas sagen, aber Pan schneidet ihm das Wort ab: Wir haben aber ein wirklich forderndes Aufnahmeritual.

Julia: Ich habe nichts anderes erwartet.

Pan: Und wenn Du dann aufgenommen bist, dann ist es noch nicht vorbei, dann geht es immer so weiter, das, äh Ritual.

Julia: Kein Problem mit mir.

Die Gemeinschaft braucht einen kleinen Moment, um ihre Schlüsse daraus zu ziehen, was das bedeutet, da ist Julia schon weiter: Geht es auch in die gute Richtung, also kann sich Roger auch mitfreuen oder leidet er nur mit? Das wäre dann ja nicht so toll, für Roger meine ich, oder?

Pan sieht den verdutzten Ro an und sagt: Ja, wie ist das eigentlich, geht es auch in die andere, die angenehme Richtung?

Ro ist ganz aus dem Häuschen und kann kaum reden und nickt nur.

Pan: Probier es doch aus, mach etwas schönes, um Roger zu erfreuen.

Julia: Was soll ich denn machen?

Pan hat eine Idee und sagt zu Julia: Hier ist noch etwas von dem Abendbrot, hier dieses Käsestücken, füttere mich damit.

Julia gibt Pan ein Käsestückchen was der geschickt mit seiner Lippe schnappt.

Alle sehen angestrengt auf Roger und Julia sagt: Was macht der kleine Kerl, wenn es ihm gut geht, kann er lächeln?

Pan schüttelt tadelnd den Kopf: Glaub mir, du kannst es sehen, wenn der kleine Kerl sich freut.

Paula: Ich habe eine Idee, was macht denn die Mäusemutter, wenn sie ihren Kleinen was Gutes tun will?

Alle überlegen angestrengt, dann sagt Ro ein wenig stotternd: Sie gibt ihm die Brust.

Daraufhin hat Julia ihren Pullover über den Kopf gestreift.

Sie will etwas sagen, aber Ro spring auf, sein Stuhl schlägt hart auf den Boden und er läuft raus.

Julia sagt: Ich kann nicht denken, wenn mir so heiss ist, ausserdem juckt dieser blöde Pullover, dabei habe ich sogar ein T-Shirt untergezogen.

Und an den verschwundenen Ro gerichtet fragt Julia: Was ist jetzt mit Ro?

Pan: Lauf doch hinterher und frag ihn selbst.

Da hält Paula Julia sanft am Arm fest: Er ist schon O.K., ein wenig überreizt vielleicht, die ganzen Experimente, weisst Du.





Die von der Lawine geschenkte Zeit und die MitgefühlWaffe

Am nächsten Morgen will niemand zum Frühstück kommen, alle bleiben auf ihren Zimmern. Einige fragen sich auch, ob sie das Donnern in der Nacht geträumt haben, oder ob wirklich etwas geschehen ist. Der Blick aus dem Fenster zeigt einen eiskalten Wintertag mit strahlender Morgensonne mit viel frischem unberührtem Schnee.

Sie begrüssen sich nur knapp und setzten sich erwartungsvoll hin, sie warten bis der letzte aufgehört hat mit seinem Geschirr zu klappern, da sagt Paula: Pakistan und Indien.

Ro schüttelt auf eine bestätigende Art den Kopf, als hätte er sich das auch überlegt: Amerika und China.

Nur Paula hat überhaupt keine Ahnung und rät einfach: Schalke und Dortmund.

Alle sehen Paula entgeistert an: Schalke und Dortmund?

Paula: Das ist das Gleiche wie Pakistan und Indien.

Niemand bis auf Ro hat bemerkt, dass Julia noch nicht am Tisch ist, und als sie herunterkommt sagt sie: Indien salbt Kashmir und Pakistan mit der Schönheitssalbe ein, dem Hyperempathikum. Daraufhin können die plötzlich super gut verstehen, warum Idien Kaschmir unbedingt braucht. Die geben dann das ganz freiwillig her.

Pan: Dann salbt England Indien ein.

Alle sehen Pan an.

Pan: Na ja, und die Inder können uns besser verstehen, welche Sorgen und Nöte wir in der ersten Welt haben, immer diese Handyverträge, wo keiner durchsteigt und dann diese heissen Sommer, so was eben.

Paula: Und dann salbt Indien uns ein?

Aber da schütteln alle den Kopf: Nope... Glaube ich nicht... negativ.

Und Pan weiss: Es salbt immer der den anderen ein, der die abgefuckteste Technologie hat.

Peter: Ist das nicht Amerika?

Julia: Und China nicht vergessen.

Es herrscht allgemeine Ratlosigkeit und Julia sagt: Und es ist ja noch nicht mal eine Waffe.

Pan: Du tust den Leuten etwas gutes, sie können sich mit dir mitfreuen.

Ro: Zieht die Wirtschaft in Europa wieder an, was meinst Du wie sie sich in Äthiopien darüber freuen, wie gut es uns geht.

Pan: Da stehen die dann drauf.

Einen Moment der Stille, dann sagt Julia: Es ist doch eine Waffe.

Ro tut so, als würde er nicht immer eine Gänsehaut bekommen, nur wenn Julia atmet und widerspricht ihr: Aber es könnte uns alle retten.

Pan: Wenn wir sehen würden, was wir so alles tun.

Julia: Fühlen, wir müssen es fühlen.

Pan nickt zustimmend: Wenn wir mit dem Planeten mitfühlen könnten.

Julia: Dann würden wir wahnsinnig werden.

Pan: Alle müssen es nehmen, einfach alle, und dann noch die richtige Dosis.

Julia: Und wenn irgendjemand da draussen wüsste, was wir hier haben, habt ihr schon mal daran gedacht, wer unsere Schönheitssalbe auch noch gerne hätte, wenn auch nicht für sich selbst? Hm ...



Sie kommt nicht weiter und wird von einen Hubschrauber übertönt, wie er über das Gebäude fliegt, Schnee aufwirbelt und eine Art von Ansage auf italienisch und französisch macht.

Die Freunde sehen sich gegenseitig an und legen die Hände hinter den Kopf und sich selbst auf den Boden und warten auf das SEK in ABC Anzügen.

Jemand sagt: Wir sagen nichts.

Jemand anderes sagt: Es ist überhaupt noch nichts geschehen.

Noch jemand anders sagt: Was machen die da draussen so lange, es ist so still.

Pan ist der Einzige, der sich nicht zur Verhaftung hingelegt hat, er hat das Handy in der Hand und sagt: Da ist eine Lawine abgegangen, letzte Nacht, wir sind auf weiteres von der Aussenwelt abgeschnitten.



Alle sind jetzt ziemlich ratlos bis Julia fragt: Was macht eigentlich Roger?

Ro antwortet besorgt: Ehrlich? Ich frage mich das auch schon, er ist nirgendwo zu finden.

Julia: Ach mach dir keine Sorgen, der hat bestimmt jemand kennengelernt.

Ro: Was?

Julia: Ich habe eine Mäusefalle gefunden, hinter dem Sessel, ich hab sie entschärft, alles cool.

Ro: Du meinst er hat eine Bergmaus kennengelernt?

Pan: Schneemaus, Tanzmaus, Housemouse, ganz gleich was für eine Maus; hat jemand eine Ahnung, was wir machen sollen?

Julia geht zum Fenster und sieht gedankenverloren raus und sagt: Zeit genug haben wir jetzt jedenfalls.



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Das magische Band

Konstantin Schemat, Dominica Schemat

Seepferdchens großer Bruder

Das Schwingseil baumelt träge in der Abendluft, die salzig und lau von den Schaumkronen des Aussenriffs zum Strand geweht wird. Heidi erinnert sich nicht mehr daran, wann sie das letzte Mal mit ihrem richtigen Namen angesprochen wurde, dabei kann es so lange auch nicht her sein, denn sie ist erst im Mai 11 geworden. Sie weiss gar nicht, was sie machen würde, wenn jemand ihren Namen riefe, darüber hat sie an ihrem Geburtstag nachgedacht, ob ein Mädchen, was nicht so braun ist wie sie, mit blonden Haaren vielleicht und Zöpfen, hervorkommen würde, wenn jemand diesen fremden Namen rufen würde: Heidi! Und dann, wenn das geschehen würde, dann würden alle sagen, alle die sie kennt: Da bist Du ja, wir hatten dich total vergessen. Jetzt ist aus Heidi Huihu u, das Seepferdchen, geworden, oder manchmal nur Hui, eine Abkürzung, die sie wirklich bescheuert findet. Langsam geht sie über den sandigen Boden, zu der Kokospalme mit dem endlosen Seil, an dem ein Stock hängt, den sie mit ihren Kniekehlen schon ganz glatt poliert hat. Im natürlichen Habitat der Heidis, auf der anderen Seite der Erde würde man sagen: Das ist echt eine voll krasse Schaukel. Seepferdchen liebt es, die Welt auf dem Kopf zu sehen. Ihr großer Bruder mag das nicht. Warum hat er ihr noch nicht gesagt. Aber das kann noch werden, vielleicht fragt sie ihn heute einmal danach, auch wenn sie weiss, dass er das hasst, wenn er bei ernsten Dingen, wie der Reparatur der Harpune gestört wird. Besonders wenn die Harpune nicht gerade reparaturbedürftig aussieht und er mit ihr, die Schattenhaie im Kokoshain jagt. An der grossen Palme angekommen, springt sie lässig in die Luft, bekommt den Stock gerade noch zu fassen und hangelt sich geschickt hoch, um dann Schwung zu holen und eine Handbreite an seiner Harpune vorbeizuschwingen.

Das hat schon mal nicht funktioniert, denn Aniani blickt noch nicht mal auf, nimmt nur die Harpune aus der Reichweite der Schwungbahn ihrer Schaukel und lässt sich überhaupt nicht stören; cool ist er schon irgendwie.

Aber so schnell gibt Seepferdchen nicht auf, denn sie weiss, wie sie ihren Bruder zum Sprechen bekommt. Namen, das findet er spannend, auch wenn sie schon so oft darüber gesprochen haben. Denn der Name, unter dem sie hier alle kennen, den hat ihr der große Bruder gegeben, und den trägt Seepferdchen mit Ehre. Obwohl sie sich auch in letzter Zeit für Heidis Heimat interessiert, und wie lange es wohl dauert, bis die Wellen das Hochgebirge erreicht haben. Seepferdchen durchdenkt diese Namenssache, und dass Aniani Spiegel heisst, aber das ist ihr jetzt zu langweilig darüber zu sprechen. Wie oft hat sie ihn schon etwas mit Spiegeln gefragt, z.B. was aus dem Wasserspiegel wird, wenn der Wind kommt. Das ist doch mal eine schöne Frage. Seepferdchen hat das Gefühl, dass ihr großer Bruder von ihr geradezu mit Fragen verwöhnt wird. Und weil er das wirklich nicht zu schätzen weiss, fängt sie diesmal das Gespräch mit etwas an, was ihn noch brennender interessiert, als Namen: Bartwuchs.

Und irgendwie hat das ihr Bruder mitbekommen, als könnte er ihre Gedanken lesen, jedenfalls wenn es um so wichtige Dinge wie Bartwuchs geht, Aniani blickt auf und sagt: Was ist?

Seepferdchen hat den optimalen Satz gefunden, da muss ihr Bruder anbeissen, ein Satz indem es um seinen Namen (Aniani, der Spiegel) geht und Bartwuchs gleichzeitig: Hast Du Dir mal deinen Bart im Spiegel angesehen?

Aniani schüttelt nur den Kopf.

Seepferdchen denkt sich: „Man ist das schwer“ laut sagt sie: Darf ich dich mal rasieren?

Aniani: Das machen wir Jungs alleine.

Seepferdchen: Aber wenigstens das eine lange Haar da auf dem Leberfleck, darf ich es abschneiden?

Aniani: Aber warum denn, das ist die Insel des Bartes, das ist Naturschutzgebiet Seepferdchen, da darfst Du gar nichts abschneiden.

Seepferdchen: Oh doch, es ist ein sehr hässliches Naturschutzgebiet.

Aniani: Aber trotzdem ist es ein Naturschutzgebiet.

Seepferdchen: Was ist das eigentlich? (Sie deutet auf die Harpune)

Aniani will was sagen, aber sie schneidet ihm das Wort ab: Du glaubst, ich weiss nicht, was das ist?

Und ausserdem, dass Du es nur weisst, im Gesicht darf es nur schöne Naturschutzgebiete geben, wusstest Du das auch?

Aniani: Und was soll ich jetzt damit machen?

Seepferdchen: Pflanz' es um!

Aniani: Wohin denn?

Seepferdchen: Mensch an deinen Hintern, was weiss ich.

Aniani: Seepferdchen?

Seepferdchen: Ich bin nicht mehr Seepferdchen, weil Du mir nicht das Fischen beibringst.

Aniani: Du kannst doch in der Lagune fischen.

Seepferdchen: Das ist kein Fischen. Ausserdem pinkeln da alle rein.

Aniani: Was meinst Du wo die Fische hinpinkeln?

Seepferdchen: Sie heben die Flossen an und pinkeln an die Korallen, ist doch klar.

Aniani: Seepferdchen du solltest das aufschreiben, das wäre ein schönes Kinderbuch, der weisse Hai findet das Klo nicht, oder so.

Seepferdchen: Du lenkst doch nur ab.

Aber Aniani wirft sich die Harpune über die Schulter, als hätte er heute noch eine Heldentat vor, und zieht grusslos ab.

Da bleibt Seepferdchen nur ihr Ferkel, dass ein treuer Spielkamerad ist, wenn Seepferdchen etwas essbares in den Hosentaschen hat. Aber leider ist das Ferkel nicht so leicht reinzulegen wie ein Hund, und läuft keinen Phantasiestöckchen hinterher, und auch keinen Phanstasiestullen, aus der Hosentasche. Schweine fallen auf so etwas einfach nicht rein und leider sind Seepferdchens Taschen ganz leer, sodass das Schweinchen weiter zieht. So bleibt Seepferdchen nur das Schwingen mit der Schaukel, und eine Welt, die auf dem Kopf steht.



Die Katastrophen Touristen kommen

Seepferdchen hat mal davon gehört, dass die Kinder in aller Welt glücklich sind, wenn die Schule abbrennt. Als ihre Schule von den Wellen weggetragen wird, da braucht sie auch nicht mehr zur Schule gehen und fragt ihren grossen Bruder, ob das jetzt gut ist.

Aniani: Du gehst doch gerne in die Schule.

Seepferdchen wird argwöhnisch: Was meinst Du damit?

Aniani: Na, wenn Du gerne in die Schule gehst, dann ist es nicht gut.

Seepferdchen: Na prima, jetzt hast Du es geschafft, jetzt habe ich wieder schlechte Laune.

Und schon ist sie rausgelaufen. Ihre Stimmung ist so schlecht, dass sie keine Lust hat, den Karpfen zu besuchen, und auch für das Ferkel hat sie nichts übrig. Normalerweise hilft dann immer die Schaukel, aber auch das klappt heute nicht, deshalb geht sie zum Strand. Denn manchmal, ist es ihr schon passiert, dass an ganz üblen Tagen, ganz tolle Sachen angeschwemmt werden. Und sie nimmt sich fest vor, erst dann, wenn nichts am Strand zu finden ist, so richtig schlechte Laune zu haben.

Aber als sie an diesem Tag am Strand ist, da findet sie nur eine Kauri Muschel. Aber wenn sie ehrlich ist, hat sie diese Muschel schon öfter hochgenommen, denn sie kann sie an Touristen verkaufen, aber nur dann, wenn sie noch ganz ist, und dieser Muschel fehlt leider die Aussenwand des obersten Stockwerks, und man kann hinein sehen, wie die Spirale von innen aussieht. Eigentlich sieht sie nicht so toll aus, wie man denkt. Was hat sie schon geglaubt, was für Wunderwelten sich da in der letzten Windung einer Schnecke verbergen. Und jetzt sagt sie sich: Sieh dir das mal an, so toll ist es auch nicht.

Genauso ist es auch, wenn die Schule weggespült wird. Oder ob es etwas anderes ist, wenn sie abbgebrannt ist?

Seepferdchen muss einen Moment überlegen, bis ihr glasklar ist, dass es genau das gleiche ist.

Da kommt ihr eine Idee, den Touristen kann man manchmal etwas verkaufen, wenn man ihnen eine Geschichte erzählen kann. Und so beschliesst Seepferdchen, dass es mal wieder ein erfolgreicher Tag war. Sie nimmt sich zwar fest vor, nach nichts besonderen mehr zu suchen, weil der Tag ja schon so toll ist, aber als sie dann eine leisen Rufe hört, der aus der Lagune zu kommen scheint, zögert sie keinen Moment, und läuft durch den Kokosnusshain zurück zum Strand.



Was für ein Glück für Seepferdchen, das erste Mal in ihrem Leben, hat sie eine Schiffbrüchige gerettet, man sagt, wer ein Menschenleben gerettet hat, der kann sich einen Stern aussuchen und das wollte Seepferdchen schon immer. Einen Stern für sich ganz alleine.

Aber wir wollen das hier abkürzen, denn die Schiffbrüchige, die sich von Seepferdchen und ihrem Bruder bewirten liess, war gar keine Schiffbrüchige. Nach ein paar Tagen hat sie zu Seepferdchen gesagt, sie solle das doch nicht erzählen, sie wäre nur schwimmen gewesen. Aber Seepferdchen kann spüren, dass Beschiss in der Luft liegt. Denn sie hatte auch den Durst der Schiffbrüchigen, sie hatte Sand im Gesicht, wie das nur Schiffbrüchige haben, und ihre Sachen waren nass, wie bei Schiffbrüchigen. Seepferdchen musste sie anflehen, das nicht zu erzählen.

Dabei hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie das nur wollte, damit man ihr den Stern nicht wieder abnimmt.

Und diesmal wollte Aniani seine Schwester verschonen: Er wollte ihr eigentlich nicht sagen, dass er die Schiffbrüchige auf der Hauptinsel getroffen hat, und dass sie dort mit einem Filmteam war, um über den Klimawandel zu berichten.

Das ganze Spiel, dass ihr Boot gestrandet sei, der ganze Quatsch, den hat sie nur erzählt, weil das eine ganz neue Art von Journalismus ist, so eine Art Method Acting, wo man so tut, als wäre man in der gleichen Lage wie die Leute, über die man eine Reportage machen will. Daraus soll eine Serie werden, wo die Reporter sich unter die Müllsammler in den Slums begeben oder eben unter die Ertrinkenden von den Inseln, um authentisches Material zu bekommen.

Seepferdchen ist auch nicht anders als andere und fragt immer „warum“ wenn sie etwas nicht mag und so auch jetzt: Warum?

Aniani: Die Leute auf der ganzen Welt sitzen vor Fernsehern, die sind so gross wie dein Karpfenteich.

Seepferdchen: Die haben wir auch.

Aniani: Aber weisst Du auch warum?

Seepferdchen: Muss ich jetzt nicht „warum“ fragen?

Aniani lacht und verrät damit, dass er seine kleine Schwester mag, was nicht gerade cool ist in seinem Alter und so würgt er das Lachen gleich wieder ab: Willst Du es nun wissen?

Seepferdchen wendet ihr Gesicht ab und sagt: Schon.

Das macht sie öfter und man könnte das jetzt „bezaubernd“ finden und sie weiss auch dass ihm das gefällt, bekommt aber keine Reaktion.

Aniani: Sie wollen aus uns Puppen machen, in die sie dann reinschlüpfen und dann können sie alles nachspielen.

Seepferdchen: Das ist doch nur wieder so eine Geschichte.

Aniani: Was meinst Du damit?

Seepferdchen: Das machen die nicht wirklich.

Aniani: Wenn ich es Dir doch sage!

Seepferdchen: Gut, wenn Du es sagst, dann weisst Du auch was für Puppen wir sind, mit Fäden dran, woran man ziehen kann, und mit Loch drin, wo man die Hand reinsteckt.

Aniani: Das meine ich doch nicht so wörtlich.

Seepferdchen überhört das: Also ich fände das mit Fäden besser, das würde mich nicht so stören, wie wenn sie ein grosses Loch in mich reinschneiden, um aus mir eine Handpuppe zu machen.

Aniani sagt jetzt nichts mehr und erträgt es, dass seine Schwester die Show übernommen hat.

Seepferdchen: Und ich bin mir sicher, dass die das nicht dürfen, das ist bestimmt verboten.

Aniani: Das ist es ja gerade, sie haben den Dreh gefunden, dieses kranke Ding zu machen, ohne dass es verboten ist.

Seepferdchen: Glaube ich nicht.

Aniani: Willst Du ja auch gar nicht.

Seepferdchen furzt und wartet auf die Reaktion des Bruders, der reagiert gar nicht, da rüttelt Seepferdchen an ihm: He, bekommst Du nichts mehr mit?

Aniani: Ich reagiere nur wenn es stinkt.

Seepferdchen: Wenn die aus mir eine Handpuppe gemacht hätten, dann würde ich das merken. Ich merke ja auch, wenn ein Furz raus will.

Aniani: Die wollen aber nicht raus.

Seepferdchen: Frag mal den Furz, der will auch nicht raus, der will auch lieber drin bleiben, wenn den der Wind erwischt, dann ist der erledigt. Aber nein, nein Herr Furz, sage ich zu ihm, hier kannst Du nicht bleiben.

Aniani: Ach ja?

Seepferdchen: Und so ist es auch mit den Handpuppentypen, wenn ich das nicht will, dann können die das auch nicht machen.

Aniani: Übrigens, du wolltest doch den Müll rausbringen.

Seepferdchen steht auf und sagt im Ton einer Prinzessin: Kann ich mich leider überhaupt nicht mehr daran erinnern.

Aniani springt auf und will sie schnappen, aber sie ist schon kichernd rausgestürmt, in das gleissende Licht des tropischen Morgens.



Statt Müll rausbringen

Das NachbarHaus ist anders, es ist grösser, massiver, aus Korallen gebaut. Aber davon sieht man nichts mehr, weil es so mit Passionsfrucht zugewachsen ist, dass man die Fenster nur noch erahnen kann, und die Tür so aussieht, als hätte das Haus schon lange niemand mehr betreten. Aber Seepferdchen weiss es anders, wenn sie sich auch nur eine Frucht nimmt dann spürt sie, wenn sie die Frucht nur in der Hand hält, dass etwas wach wird in dem Haus, sie spürt, wie jemand über den Boden läuft, dieses feine Geräusch von blossen Füssen, die über einen sandigen Boden schlurfen, so wie es alte Menschen tun. Und dann ist es wieder totenstill. Seepferdchen würde gerne wissen, ob man noch etwas hören kann, wenn sie die Frucht abgerissen hat. Ein leisen Fluch oder einen bösen Windhauch, der versucht sie zu fangen. Aber dieses Haus ist so gruselig, dass sie es sich immer vornimmt, zu warten, was geschieht, aber jedesmal fortläuft, wenn sie die Frucht abgerissen hat. Sie traut sich noch nicht mal die Früchte zu essen, denn sie möchte nicht verzaubert werden. Deshalb gibt sie ihrem Ferkel die Beute. Bei dem ist es nicht so schlimm, wenn es weiter verzaubert wird, denn da ist sich Seepferdchen ganz sicher, dass das Schweinchen ein kleiner Junge ist, der die sauren Passionsfrüchte mag. Und das schlimmste was ihm die Zauberfrüchte antun könnten, wäre, ihn wieder in einen Jungen zurück zu verwandeln, und natürlich ist das Quatsch, weil das ja gar nicht schlimm wäre, oder?

Heute muss sich Seepferdchen beeilen, denn sie hat vorgenommen, den geheimen Wanderweg über die Korallen zu finden, denn, wer den findet, der ist fortan der Freund von dem Ozean, und dann wird ihm der Ozean nichts mehr tun. Da ist sich Seepferdchen ganz sicher. So sicher, dass sie sich extra für die scharfen Korallen, Sandalen aus Autoreifen hat machen lassen. Sie hat zwar eine super Hornhaut unter den Füssen, aber wenn man länger auf so einem geheimen Weg laufen will, dann braucht man etwas für die Füsse, wenn man nicht bluten will und die Haie verrückt machen. Und wenn sie weiter trödelt, dann ist die Flut zurück und dann muss sie wieder einen ganzen Tag warten. Deshalb öffnet sie dem verzauberten Ferkel die Frucht auch nicht, wie sonst. Sie hält sie ihm nicht hin, obwohl sie es liebt, wie das Schweinchen die Frucht aus ihrer Hand schlabbert. Sie wirft es dem Schweinchen hin, das ist auch besser für seine Selbstständigkeit, so kann es lernen, die Früchte selbst zu öffnen.

Als sie endlich an der Fischfalle angekommen ist, die schon ihre Vorfahren in das Korallenriff gebaut haben, dort wo der Anfang von dem Wanderweg über das Wasser ist, da kann sie sehen, wie das Wasser schon wieder ein bisschen zurück gekommen ist. Sie denkt sich: Mist, aber es wird noch gehen.

Noch einmal blickt Seepferdchen zum Strand, und erst jetzt fällt ihr eine Gruppe von älten Frauen und ein Filmteam auf, die in ihre Richtung gehen und ihr zuwinken. Seepferdchen will schon zurück an den Strand, obwohl sie keine Lust hat, da sieht sie einen etwa handgrossen glitzernden Fisch an der Falle vorbeizischen: „He, bist Du ein Sonnenfisch?“ ruft sie ihm hinterher. Denn so einen Fisch hat sie noch nie gesehen, man sagt, er glitzert so hell, als wäre die Sonne ins Wasser gefallen. Das liegt daran, dass seine Schuppen so glänzend sind, wie es sonst nur ein Spiegel sein kann. Aber man kann den Fisch nicht einfach fangen, und ihn in sein Badezimmer als Spiegel aufhängen, denn zieht man ihn aus dem Wasser, dann glitzert er nicht mehr als andere Fische auch, und wenn er tot ist, erstickt, dann glitzert er überhaupt nicht mehr, sagt man.

He“ ruft sie dem Fisch hinterher „pass bloss auf, dass Du nicht in die Fischfalle kommst! Oder weisst Du nicht, was wir mit Fischen machen, die sich hier verirren?“

Das hätte sie besser nicht machen müssen, denn nun antwortet ihr etwas oder besser jemand anderes. Und es ist leider nicht der Fisch, sondern die Gruppe von Leuten, die einen Film drehen wollen.

Als Seepferdchen zu ihnen geht, ärgert sie sich, dass sie nicht so tun kann, als ob sie sie nicht gehört hat. Aber da ist sie zuversichtlich, dass sie das noch lernt. Aniani wollte es ihr jedenfalls nicht beibringen. Obwohl er ihr sonst alles mögliche erklärt, aber wie man sich taub stellt, das lernt man selber, hat er behauptet. Aber vielleicht lernt das Seepferdchen überhaupt nicht mehr, denn es gab mal eine Zeit, da war es unglaublich wichtig, dass sie kommt, jedes Mal, wenn einer ruft.

Und während sie noch darüber nachdenkt, ist sie schon umringt von der Menge. Sie wollen Mangroven pflanzen, gegen den Klimawandel, und die total netten Leute mit den Kameras, wollen es filmen, damit die Welt sieht, was hier geschieht. Und so kann Seepferdchen nicht nein sagen und muss mitmachen.



Als Seepferdchen nach Hause kommt, sagt sie ihrem Bruder nichts von der Pflanzaktion, weil sie weiss, dass er sie verspotten wird. Aber er bekommt es doch raus, als sie von dem Wanderweg über die Korallen spricht korrigiert er sie wieder: Du sagst immer, ich würde dir nur Geschichten erzählen und was ist das?

Seepferdchen: Wenigstens ist es eine schöne Geschichte.

Aniani: Ich denke, am Ende des Korallenwanderwegs ist das Haus eines Zauberers? Das hast Du mir doch bisher immer erzählt.

Seepferdchen: Wenn ich es ausprobiert habe, dann kann ich dir ja sagen, was richtig ist.

Aniani: Du wirst es nicht ausprobieren, verstehst Du, denn ich sage dir, wo der Wanderweg hinführt, in die Irre, Du wirst dich verlaufen, und die Einzigen die dich dann finden, das sind die Haie, und in deren Bauch, da kommst Du dann an.

Seepferdchen: Dann nehme ich eben deine Harpune mit und komme mit einem Hai zurück.

Aniani: Und selbst wenn Du den Weg findest, so heisst es auch, wer den Weg findet, der verliert den Verstand.

Seepferdchen: Ist nicht so schlimm, ich habe sowieso nicht so viel Verstand.

Aniani: Weisst Du noch was Du Mutter versprochen hast?

Volltreffer: Seepferdchen senkt den Kopf und sagt kein Wort.

Als sie sich hinlegt mit dem Gesicht zur Wand, dass sie bloss ihren Bruder nicht sehen muss, da kommt sich ihr Bruder mies vor, weil er das mit der Mutter gesagt hat. Aber gleichzeitig ärgert es ihn, dass seine Schwester ihn so herausgefordert hat, und als seine kleine Schwester eingeschlafen ist, da nimmt er ihr die AutoreifenSandalen ab, die sie sicherheitshalber beim Schlafen nicht ausgezogen hat und hängt sie draussen hoch in den Mangobaum, als wären es vergammelte Früchte.





Der zweite Anlauf

Als Seepferdchen am Morgen aufwacht, da blinzelt sie vorsichtig, ob ihr Bruder noch schläft. Glück gehabt, zusammengerollt, wie ein Säugling, liegt er da, dass sogar Seepferdchen das komisch findet, dass der ihr was verbieten will. Schnell ist sie rausgeschlüpft in die Deckung des Mangobaumes. Da stellt sie fest, dass sie ihre schicken Sandalen verloren hat. Mist! Sie spuckt in die Hand und reibt damit die Fusssohlen ein. Warum sie das macht, kann sie auch nicht sagen.



An diesem Morgen nimmt sie sich fest vor, dass sie rechtzeitig am Weg ist. Aber was ist das, da ist doch ein Typ an ihrem Teich, schnell läuft sie auf den Teich zu, weil sie dort schon mal einen Touristen beim Angeln erwischt hat. Aber diesmal ist es nur ein Stativ und ein Typ mit gepflegtem Vollbart und Sonnenbrille, aber trotzdem kann sie das nicht durchgehen lassen.

Seepferdchen: Er mag es nicht, wenn er photographiert wird.

Hipster: Bist Du seine Managerin?

Seepferdchen: Ha, ha, Du glaubst wohl, ich weiss nicht was das ist.

Seepferdchen stösst das Stativ an und sagt: Hoppla.

Hipster: Ich gebe dir 10 Dollar.

Seepferdchen schüttelt den Kopf und überlegt was sie sagen will, da fällt es ihr ein: Nope.

Hipster: Willst Du mal sehen, was ich fotographieren will, sieh mal hier, wenn die Sonne gleich hinter den Wolken vorkommt, dann spiegelt sich die halbe Insel in dem Wasser siehst Du?

Seepferdchen ist mässig interessiert: Und dann?

Hipster: Dann macht der Fisch den Mund auf und sieht in die Kamera.

Seepferdchen schüttelt den Kopf: Macht der nicht.

Hipster: Er ist ganz zahm, ich habe ihn schon gefüttert.

Seepferdchen: Füttern verboten!

Hipster: Ist das dein Fisch?

Seepferdchen: Nein, er gehört sich selbst, aber ich bin für alles da, was oberhalb des Wasserspiegels passiert.

Hipster: So ist das also. Aber hast Du schon mal daran gedacht, dass die Augen der Welt …

Weiter ist er nicht gekommen, da hat ihn Seepferdchen unterbrochen mit vehementen Kopfschütteln.

Der Hipster sagt gedankenverloren: So, also nicht für die Augen der Welt.

Seepferdchen: Ausserdem macht er so was nur für Freunde, mit Futter alleine, kriegst Du den nicht.

Hipster: Meinst Du?

Seepferdchen: Ich weiss es. Und selbst wenn die Welt Augen hätte, was sagt dann das Bild mit dem Fisch und der Insel?

Hipster: Ah, Du hast einen besseren Vorschlag.

Seepferdchen: Ich habe einen 20 Dollar Vorschlag.

Hipster: Ja, dann lass mal hören.



Seepferdchen: Weisst Du, dass der Karpfen manchmal etwas Luft schlucken kann, und dann lässt er es wieder herausblubbern.

Hipster reibt sich den Bart: So?

Seepferdchen: Verstanden?

Hipster: Was habe ich verstanden?

Seepferdchen: Ich tauche und bekomme keine Luft mehr, da kommt der Karpfen und rettet mich, mit Luftblasen, na was ist, ist das ein Bild?

Hipster: Wow, ja, das ist ein Bild. Da werden der Welt noch Augen wachsen.

Als Seepferdchen ein paar 100 Photos später, den grünen Schein in ihrer Hand trägt, und sich das nasse Haar in der Sonne trocknen lässt, da braucht sie nicht mehr zum Strand gehen, sie kann es schon an der Brandung hören, dass sie zu spät kommt. Ausserdem wird es auf der anderen Seite verdächtig dunkel und alles herum wird so eigenartig still, so wie es sonst nur ist, wenn ein großer Sturm aufzieht.

Sie wüsste nicht, ob es der Geldschein ist, der sie in der Tasche juckt, um ausgegeben zu werden, oder die beiläufigen Filmvorführungen im japanischen Dorfladen, besonders dann, wenn der Himmel am Tag durch eine grosse Ambosswolke verdunkelt wird, wie heute, besonders dann ist Seepferdchen nach einem Film.

Hiro, der alte japanische Inhaber begrüsst Seepferdchen wie immer so heftig, dass es fast wie eine Beschimpfung wirkt: Na kommst Du auch mal vorbei, um bei mir zu kaufen? Ich habe schöne Kochbananen, was hältst Du davon, hier sieh mal, sind schon ganz reif und duften.

Niemals wäre Seepferdchen auf die Idee gekommen, Bananen in einem Geschäft zu kaufen, auch wenn sie schon lange keine Staude mehr im Garten haben. Das scheint der Verkäufer auch zu wissen, und gibt sie ihr mit: Da, nimmst Du sie, musst nichts bezahlen.

Ich brauche aber noch Eier, Mehl und Milch.

Oh, Bananen sind gut, kannst Du nehmen, aber Eier, Mehl und Milch, sehr teuer, kommt mit dem Boot, keine Kuh weit und breit, alles nur Wasser, Milch macht eine weite Reise, ein sehr weite Reise. Ist nicht billig.

Seepferdchen legt das Geld auf den Tresen, dabei fällt ihr das Hiros heutiges Filmprogramm ins Auge. Viele kommen zu ihm, weil er sich in seinem Laden immer Filme ansieht. Aber wahrscheinlich würden sie auch sonst kommen, denn er hat hier eine Monopolstellung.

Hiro sagt irgendwas, dass der Film nicht gut sei und Seepferdchen antwortet nur: Eier, Milch und Mehl. Da hat sie einen Augenblick ihre Ruhe. Und sie denkt sich, erst lockt er uns mit den Filmen, dann sollen wir sie uns nicht ansehen.





Es läuft ein Filmklassiker, den jeder kennt: Zwei Killer sind unter Bedrängnis im Kugelhahel in einem Deli, der dem Dorfladen von Hiro nicht unähnlich ist, da schnappt sich einer, einen Angreifer, der ihn sicherlich erschossen hätte, wenn dessen Pistole keine Ladehemmung hätte. Und der Gefangene fängt an zu jammern und zu klagen (Wie Hiro im Hintergrund, der immer wieder sagt: Film ist nicht gut. Gar nicht gut.) Und der Killer fragt den winselnden Typ selenruhig: Warum?

Während der andere Killer total in Bedrängnis ist und sich nun alleine gegen mindestens vier weitere Pistolenhelden wehren muss. Die Antwort des Gefangenen geht im Kugelhagel unter. Da fragt der 1. Killer: Ich konnte dich nicht verstehen, es war zu laut, könntest Du das noch einmal wiederholen?

Während der eine mit dem Gefangenen beschäftigt ist, konnte der andere Killer durch einen Vorstoss alle vier Angreifer allein erschiessen und sagt zu dem Killer mit dem Gefangenen: Nun lass ihn schon laufen.

Killer 1: Fall ihm nicht ins Wort, er wollte gerade etwas sagen. Also würdest Du ihn bitte mal ausreden lassen: Also warum?

Jetzt wird Killer 2 ungeduldig und sagt zu dem Gefangenen: Also das ist doch nicht so schwer, sag du hattest eine schwere Kindheit, eine fiese ältere Schwester kann da schon ausreichen. Du weisst gar nicht wie viele Amokläufer eine fiese Schwester hatten.

Dann sagt der Gefangene zitternd: Fiese Swester

Und Killer 1 sagt: Was?

Killer 2 ist total genervt: Er meint Schwester, Mann!

Und leise flüstert er seinem Kollegen zu: Er hat ein Sprachproblem.

Killer 1 lässt den Blick nicht von dem Gefangenen und sagt ungerührt: Was?

Der Gefangene gerät in Panik und wiederholt mit brüchiger Stimme: Fiese Swester!

Killer 2 schüttelt den Kopf: Das ist politisch nicht korrekt.

Killer 1 scheint auf dieses Argument nur gewartet zu haben: Ich wusste es, erschiessen ist O.K. aber eine einfache Nachfrage, was er denn mit "Swester" meint, das ist zu viel, was?

Killer 2: Das ist ein Ebenenproblem, das habe ich dir schon mehrfach erklärt, der Mord findet in der Welt der Geschichten statt, die behindertenfeindliche Demütigung aber auf einer ganz anderen Ebene.

Killer 1 lispelt: Und wenn ich auch lispeln würde, weil mich meine Swester immer in die Wazmazine gesteckt hat, wazth dann? Dürfte ich ihn dann erziehzen?

Der Gefangene schüttelt in Panik den Kopf.

Man hört PolizeiSirenen näher kommen.

Killer 2 sagt genervt: Die Cops kommen.

Killer 1: Das machst Du immer so, ist Dir das schon aufgefallen? Wenn Du nicht weiter weisst, dann kommen immer die Cops, was für ein Zufall, findest Du nicht?

Killer 1 erschiesst den Gefangenen.

Killer 2: Warum jetzt das?

Killer 1: Ich fand zeine Zluzfolgerung nicht ztichhaltig.

Killer 2: Da ist ein Mensch gestorben, und du machst Witze.

Killer 1: Es ging doch um was ganz anderes, wenn du zon ein zlechter Menz bizt, muzzt Du die Wumme immer zön ölen.

Killer 2 schiebt Killer 1 raus aus dem Laden: Na das hast Du ihm jetzt seeehr anschaulich erklärt, komm jetzt endlich, die Cops sind gleich da.



Seepferdchen ist sich nicht sicher, ob sie das verstanden hat, jedenfalls stellt Hiro ihre Besorgungen mit einem Rumms vor ihr ab und den Film auf Pausentaste, dann zählt er ihr das RückGeld hin.



Besuch aus der Mongolei

Am nächsten Morgen: Der süsse Duft von Kochbananen breitet sich in der Hütte aus. Normalerweise reicht das aus, wenn Aniani Seepferdchen auf die sanfte Tour wecken will. Nur heute hat Aniani überhaupt keinen Erfolg, und er weiss, bei seiner kleinen Schwester, da funktioniert nur die sanfte Tour, wenn sie nicht will, dann will sie nicht. Aber sie brauchen das Geld von den Touristen. Eigenartigerweise, trottet Seepferdchen nach dem Frühstück ganz freiwillig hinter ihrem Bruder her, zu dem Anleger, wo sie den Touristen ihre Dienstleistungen anbieten wollen. Plötzlich bleibt Aniani stehen: Warum kommst Du einfach mit?

Seepferdchen: Weil Du gesagt hast, dass ich mitkommen soll.

Aniani dreht sich mit einem Schwung zu Seepferdchen um: Du kommst nie mit, wenn ich dich bitte.

Seepferdchen geht wie eine Prinzessin an Aniani vorbei: Du scheinst mich nicht zu kennen.

Aniani muss grinsen über das kleine Schauspiel, was sie manchmal spielen, die Prinzessin aus der Gischt.

Gut, dass er ihr Gesicht nicht sehen kann, denn den schweren Traum, der sie letzte Nacht auf den Grund des Ozeans gezogen hat, sie konnte ihn noch nicht ganz vertreiben.

Meistens sehen sie am Anleger schon von weitem die Kundschaft. Aber an diesem Morgen ist alles ruhig und still.



Seepferdchen: Wo bleiben denn die Katastrophentouristen?

Aniani: Ach die kommen schon noch.

Seepferdchen fällt eine Geschichte ein, vielleicht kann die ja den Traum vertreiben, von einem Katastrophentouristen, der vorher in der Türkei war, an einem Stausee, der bald ein Dorf und ein paar prähistorische Höhlen verschlucken wird. Manchmal findet sie etwas im Spülsaum, was zu einer Geschichte passt, die ihren Sinn nicht preisgeben will. Seepferdchen findet ein Faserbündel im feuchten Sand, sie überlegt laut „vielleicht von einer Bananenblüte“ und murmelt leise „Schöne blonde Haare. Was hältst Du davon, wenn ich dich Mara nenne? Denn schliesslich kommst Du aus dem Meer.“ Dann findet sie noch eine Kappe vielleicht von so einem Stift, wie sie ihn die Touristen benutzen, um ihre Lippen, weiss zu machen, sie nennt diesen Stift „Esra“. Dann schliesst sie die Augen, wie sie es immer tut, wenn sie darauf wartet, dass eine Geschichte aufsteigt, aber es bleibt dunkel, sie kann nichts sehen. Sie muss aufstehen, den Spülsaum weiter absuchen, bis sie etwas gefunden hat, was ein besserer Esra sein könnte, ein Krebsschere vielleicht?



Seepferdchen gleitet langsam mit ihrem Zeigefinger über die Schere, um so näher sie der Spitze kommt, um so mehr Widerstände ihr die Zacken der Schere entgegensetzen, um so stockender ihre Bewegung, desto tiefer sinkt sie ein, in den Traum. Jetzt glitzert der Sand so grell, dass sie die Augen schliesst, um in die Welt der Bilder einzutauchen, den Namen des Ortes am Stausee, den hat sie jetzt schon wieder vergessen, den hat die Flut der Bilder weggewaschen. Aber noch sind die Bilder unscharf, noch fehlt etwas. Erst als sie die Scheren des Krebses gegen sich selbst richtet, erst als sie ein Schmerz durchzieht, verschwindet der Schleier ganz, und sie kann Mara und Esra sehen, wie sie an einem Flüsschen sitzen, das mal ein Stausee werden soll.



Mara sieht Esra verliebt an: Mein Vater hält dich für einen Strassenräuber.

Esra: Ich bin doch nur ein Eierdieb.

Mara: Hühnerdieb!

Esra: Komm schon, ich habe die Hühner verschenkt.

Mara: Ach ja?

Esra: Es lag ein HünchenhungerDuft in der Luft.

Mara sieht ihn belustigt an.

Esra setzt noch einen drauf: Das kann man riechen, echt!

Mara: Und wie riecht das?

Esra: Das weisst Du nicht? Wie Brathuhn, nur eben anders herrum.

Mara: Du wirst es wieder tun.

Esra: Jetzt bin ich Guide.

Mara: Und wenn das Wasser steigt?

Esra: Du meinst, wenn aus der Höhle eine Grotte geworden ist? Dann bin ich eben Taucher!

Mara: Das werden sie bestimmt verbieten.

Esra: Das dauert.

Mara: Und dann?

Esra: Was und dann? Dann bin ich eben Fischer.

Mara: Und wenn sie dir das auch nicht erlauben?

Esra: Dann kehre ich in meinen alten Beruf zurück.

Mara sieht ihn verliebt an, schüttelt aber tadelnd den Kopf: Strassenräuber.

Esra: Wenn du das sagst, klingt das so negativ.

Da wird Seepferdchen von Anianis Stimme aus dem türkischen TagTraum geweckt: Sieh nur, da kommt Kundschaft.

Träge hebt Seepferdchen die Lider an, um per Traumexpress von Anatolien nach Polynesien zurück zu reisen.

At (die Kurzform von dem beliebten Vornamen Attila), ein freundlich lächelnder und unglaublich kräftiger junger Mongole mit Stolz einen Cowboyhut aus Stroh aus dem Dorfladen tragend, kommt im Schlepptau mit seinem Guide.



Aniani hebt den Blick nur wenige Millimeter, spuckt imaginären Kautabak aus, während er sich an den imaginären Hut tippt: Howdy.

At ist leicht verwirrt und hat seinen Hut scheinbar vergessen, grinst aber trotzdem wie ein HonigkuchenYak.



Guide: Er sucht "The real thing".

Seepferdchen schaut auf und denkt sich: Schon wieder einer.

Aniani: Glückspilz, Du hast es gefunden!

At sieht Aniani irritiert und belustig an, dann hat er verstanden und sagt an seinen Hut tippend: Ach ja der Hut.

Aniani: Nicht nur wegen dem Hut.

Aniani schüttelt langsam wie ein echter Cowboy den Kopf und wiederholt bestimmt: Nicht nur wegen dem Hut, Partner.

Aniani sieht zu seiner Schwester, die immer noch ihre Augen gesenkt hat und seinen Blick anscheinend spürt und geistesabwesend nickt.

Aniani sagt eine Antwort einfordernd: ...oder?

Seepferdchen nickt wieder widerwillig.

At: Das Einzige, was ich hüte sind unsere Yaks.

Aniani zu Seepferdchen: Wollen wir dem Fremden unsere Ranch zeigen?

Aniani legt ihr die Hand auf den Rücken und schiebt sie ein paar Meter sanft durch den Sand bis sie selbst anfängt zu laufen: He Mister wollen sie mal unsere Kühe sehen?

At: Ja warum nicht?

Aniani deutet auf den Kokospalmenhain.

Ats Stirn kräuselt sich, denn er kann sich nicht vorstellen, dass eine Kuh oder auch ein Yak so mager ist, und sich hinter einem Palmenstamm verstecken kann: Wo denn?

Aniani dreht sich drohend zu At um, zeigt auf die Palmen und sagt scharf: Sir! Sind sie sich ganz sicher, sie können die Herde nicht sehen?

At sieht sich verunsichert um.

Aniani: Dann gibt es nur eine Möglichkeit, Kava Kava.

At lächelt breit: Her damit!

Aniani: Ich würde ihnen das Kava Kava gerne überlassen, aber ich habe leider selbst Auslagen. Und um ehrlich zu sein, manchmal vergesse ich meine Herkunft, dann ist es kein heiliges Kava Kava mehr, sondern nur noch das, was mir ein Einkommen sichert.

At greift nach seinem Portemonnaie und zückt 20 Dollar.



Aniani schüttelt den Kopf: Partner, dein Mangel an Einbidungskraft ist beklagenswert.

At holt 10 Dollar heraus, Aniani nimmt sich das Geld: Für 10 Dollar, da werden wir versuchen, dass Du unsere Herde ohne Drogen siehst.

At sieht Aniani enttäuscht an.

Aniani: Doch, doch, das steht Dir zu.

Aniani steckt der Palme das Geld unter die Rinde und sieht At genervt an: Willst du es nicht selber machen?

Aniani: Meinst du nicht, dass es besser wäre, wenn du es selbst machst?

At nimmt das das Geld und steckt es hinter die Rinde.

Aniani: Und warum hast Du dir gerade Gloria ausgesucht?

At: Gloria?

Aniani: Nicht, dass sich Gloria nicht über ein kleines Geschenk freut, aber fällt dir nichts auf?

At sieht sich um und sieht eine Palme die umgekippt und halb entwurzelt ist, weil die Wellen sie unterspült haben.

Aniani: Sirene geht es nicht so gut.

Die beiden gehen das Stück zu Abbruchkante, wo Sirene steht.

At will Sirene Geld geben, aber Aniani sagt: Mit Geld kannst Du ihr jetzt nicht mehr helfen. Sie braucht Nährstoffe.

At sieht Aniani fragend an und der nickt ihm nur aufmunternd zu.

At sieht sich um, dann rückt er ganz nah an die Palme heran und spendet ihr seinen Urin.

Als At fertig ist sagt Aniani mit einer ausgreifenden Geste: Ich möchte dir im Namen der Mädels, im Namen der ganzen Herde, danken.

At sieht Aniani an, der bei diesem Worten ein bedrücktes Gesicht macht.

At: Ist was nicht in Ordnung?

Aniani: Ist das nicht ein bisschen herzlos?

At guckt Aniani ratlos an.

Aniani: Ich weiss ja nicht, wie ihr da unten in der Gobi das macht, aber wir reden mit unserer Herde.

At will etwas sagen, ihm fällt aber nichts ein.

Aniani: Aber wir machen kein grosses Ding daraus, geben nicht damit an, dass wir mit der Herde reden, wenn du weisst, was ich meine.

At nickt vehement.

Aniani täschelt den Palmenstamm und sagt: Nicht meine Süsse?

At sieht wieder ratlos aus und Aniani nickt ihm aufmunternd zu. At greift nach dem Stamm und berührt aus Versehen die Hand von Aniani, der gleich tadelnd den Kopf schüttelt.

At flüsternd: Was soll ich denn sagen?

Aniani: Ja, was soll man da sagen? Weisst Du wirklich nicht, wie man mit jemand umgeht, den man mag, macht man bei euch keine kleinen Komplimente.

At versucht zu sprechen, aber ihm fällt nichts ein.

Aniani zwinkert At zu: Also Süsse, wie Du den letzten Sturm überstanden hast …

At schluckt: Also wirklich, wie der Wind kam…

Aniani fuchtelt mit den Armen aufmunternd zu.

At spricht sich frei: Also wenn Du nicht so tolle Wurzeln hättest, dann hätte er dich gleich erwischt.

Aniani nickt bestätigend.

At: Also was die Wurzeln anbelangt, da macht dir keiner was vor, da sollen sie nur kommen.

At sieht Aniani hilflos an, und der muntert ihn weiter auf.

At: Die Birken und so ...

Aniani nickt wieder.

At: Also, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie die dich um deine schönen Wurzeln beineiden.

At sieht Aniani fragend an, und der flüstert ihm etwas leise ins Ohr, At nickt und sagt: Mach dir keine Sorgen Süsse, wir leben in schwierigen Zeiten (Aniani fuchtelt weiter aufmunternd herum), aber ich werde alles tun, ich werde für dich sorgen, dass Du immer genug Erde unter den Wurzeln hast.

At sieht Aniani an, und der nickt nur bestätigend.

At: Genug Erde, und schönes Wasser, was Du so magst.

Aniani zieht At ein Stück zur Seite und flüstert ihm zu: Du weisst schon noch, was Du ihr da gerade eben versprochen hast?

At blickt ratlos zu Aniani auf.

Aniani wiederholt Ats Worte: … genug Erde, schönes Wasser ...

At sagt: Aber das sollte ich doch?

Aniani: Man soll immer nur das versprechen, was man auch halten kann, findest Du nicht?

At weiss nicht mehr, was er sagen soll und greift nach seinem Portemonnaie.

Aniani: Geld, ist das alles, was dir einfällt?

At will das Geld wegstecken.

Aniani: Nein ist schon gut, Geld ist O.K. wieviel wolltest Du denn geben?

At zückt noch einen 10 Dollar Schein.

Aniani: Genug Erde, schönes Wasser, für 10 Dollar?

At legt noch einen Hunderter drauf und Aniani streicht das Geld ein.

Jetzt wird At langsam sauer über dieses Theater, und hebt eine Kokosnuss auf.

Aniani: Was wird das?

At: Ich habe Durst.

Aniani: Und warum gehen wir nicht was trinken?

At hält die Kokosnuss direkt vor Anianis Gesicht.

Aniani: Was soll ich damit, meinst Du ich weiss noch wie ich die auf kriege?

At sieht ihn ungläubig an.

Aniani: Du kannst auch nicht einfach zu den Inuit gehen, und sagen brat mir mal nen Seehund. Jedenfalls nicht auf die alte Art.

At: Die alte Art?

Aniani: Ja, mit verkleiden als Seehund, und mit Walrossmesser zwischen den Zähnen, einen ganzen Tag rummrobben, bis sie alle glauben, dass Du auch ne Robbe bist, und dann blitzschnell zustossen. Und das Ganze noch mit eingefrorenen Knochen. Das ist die gute alte Art und weisst Du was, keiner dort kann das noch.

At: Dann zeig mir die neue Art.

Aniani: Komm mit.

Im Vorübergehen fischt er Ats Geldschein aus der Palmrinde und flüstert der Palme zu: Werd ich für Dich anlegen, Süsse.

Auf dem Weg fragt Aniani At aus, wie das so läuft in der Mongolei, mit seiner Herde und der Molkerei von seinem Vater und dem sehr erfolgreichen weltweiten Jurtenvertrieb. Dann landen sie vor dem japanischen Getränkeautomaten am Dorfladen und Aniani fragt: Kokossaft mit Stückchen oder ohne?

At sieht ihn irritiert an, dann sagt Aniani: Also mit Stückchen.

At greift nach seinem Portemonnaie.

Aniani sieht ihn erbosst an: Willst Du mich beleidigen?

At: Äh nein.

Aniani: Du bist mein Freund, mein Gast, Du bist eingeladen.

Aniani greift in seine Taschen und findet kein Kleingeld, dann sieht er At genervt an: Hast Du etwas Kleingeld?



Sie brauchten noch ein paar Getränke, um ihren Durst zu löschen und eine eigenartige Stille senkte sich auf die Freunde. Eine vertraute Stille, als ob sie At schon ewig kennen würden.

Gegen Mittag erstarb der kühlende Wind, die Sonnenstrahlen tropften wie flüssiges Metall vom Himmel doch die saftig grünen Palmwedel breiteten sich schützend über unseren Helden aus.



Als Seepferdchen die Augen schloss sagte At: Deine kleine Schwester ist müde.

Aniani fiel wieder in sein altes Muster: Müde? Nein, die ist nicht müde. Sie träumt.

At: Ja, Du hast recht, das kann man an den Augen sehen, wie sie sich bewegen.

Aniani: Was verstehst Du denn davon? Du kannst ja noch nicht mal erkennen, was sie träumt.

At: Aber Du, was?

Aniani: Ja, ich kann es.

At: Und was soll es sein?

Aniani: Ein Fisch, nein, warte, kein Fisch. Ein Landsäugetier, es ist ein Schwein.

At: Ach ja?

Aniani: Glaubst Du mir nicht, dann warte ab, was geschieht.

At wartet und Aniani wartet, nach ein paar Minuten verliert At die Geduld und fragt: Und?

Aniani hält nur gebieterisch den Zeigefinger vor den Mund. At holt neue Getränke.

Da kommt plötzlich Seepferdchens kleines Schweinchen quiekend angelaufen.

Aniani: Ich hoffe Du hast Kokossaft mit Stückchen genommen.

At sieht Aniani staunend an, der nimmt ihm den Kokossaft ab und gibt ihn dem Schweinchen.

Aniani: Ich habe dir doch gesagt, dass sie von einem Schwein geträumt hat.

Das Tier lässt sich aber nicht beruhigen, quiekt herum, es sieht so aus, als ob es Bauchschmerzen hat.

Da wacht Seepferdchen auf, legt ihre Hand auf den Kopf des Schweinchens und das Tier wird sofort ruhig, und trinkt den Kokossaft mit Stückchen aus ihrer Hand.

At ist begeistert: Sie kann das Tier beruhigen.

Aniani: Also beruhigen nennst Du das?

At sieht Aniani fragend an.

Aniani: Wir nennen das Segen.

At greift wieder zu seinem Portemonnaie aber Aniani schüttelt nur tadelnd den Kopf und sagt zu At: Verneig' dich.

At bückt sich und Seepferdchen segnet mit einer freien Hand auch ihn.

At ist begeistert.

Aniani sagt: So das war 's, Schweinepriester.

Als At gehen will drückt ihm Aniani das von ihm eingesackte Geld in die Hand und sagt: Sag mal, wenn man mehr davon hat, von dem Geld, versteht man dann besser, wofür es da ist, und was es mit uns macht?

At steckt das Geld ein und schüttelt den Kopf: Glaube ich nicht.

Sie verabschieden sich, aber At dreht sich noch mal um und gibt Aniani das Geld: Du kannst es besser gebrauchen.

Aniani: Da bist Du dir sicher, was?

At: Leider, ja.





Ein schweres Frühstück

Aniani und Seepferdchen sitzen vor einem sehr üppigen Frühstücktisch, den sie wohl At zu verdanken haben.



Seepferdchen: Wie ist es wohl zu ertrinken?

Aniani: Wir werden nicht ertrinken.

Seepferdchen: Was dann?

Aniani: Wir kommen in ein Lager.

Seepferdchen: Und dann?

Aniani: Wie und dann? Dann bleiben wir da.

Seepferdchen: Aber irgendwann müssen wir doch aus dem Lager raus.

Aniani: Ja, schon, aber dann ist das, wo sie uns hinschicken wollten auch untergegangen.

Seepferdchen: Du hast doch noch einen Plan?

Aniani: Kann schon sein, aber ob ich es Plan nennen würde.

Seepferdchen: Komm schon, sag es!

Aniani: Ach nein, hör jetzt auf mich zu piesacken.

Seepferdchen: Ich weiss schon, was Du willst. Es gibt da diese grossen Glaskuppeln, man kann sie auf dem Meeresgrund aufstellen, und dann lebt man dort und kann Angeln, einfach aus dem Fenster raus.

Aniani: Dein Ernst?

Seepferdchen wird sauer und antwortet schnippisch: Ich glaube eher dein Ernst. Denn Du neigst doch zu Spinnereien.

Aniani: Woher hast Du das?

Seepferdchen äfft ihn nach: Woher hast Du das?

Aniani will sie auskitzeln, aber ihr gelingt es auf den Küchentisch zu hüpfen und sich dabei noch einen Kochlöffel zu schnappen. Als Aniani todesverachtend immer noch versucht sie zu kitzeln schlägt sie auf ihn ein und brüllt: Du bist ein Dummkopf, das Wasser steigt, und dein Plan ist ertrinken! Du bist ein verdammter Dummkopf! Und Du hast keine Ehre, weil Du nicht auf deine kleine schutzlose Schwester aufpassen kannst!

Da erwischt sie ihn mit dem Kochlöffel voll auf der Wange.

Seepferdchen springt vom Tisch und läuft heulend raus: Und feige bist Du auch noch, sonst würdest Du deiner kleinen Schwester hinterher kommen, um sie zu trösten und ihr zu sagen, was sie machen soll, damit es schneller vorbei ist, mit dem Scheiss Ertrinken!

Peng, da ist die Tür zu.

Aniani reibt sich die Wange und schlurft zur Tür: Komme ja schon.

Und ganz leise sagt er zu sich selbst: Vielleicht sollte sie einen Plan machen.





Und das ist der Plan: The Worlds First And Only Drowning Show

Es ist brutal früh am Morgen, und Seepferdchen hat aus Protest die Augen nur einen schmalen Schlitz weit geöffnet und geht nur indem sie die Füsse abwechselnd anhebt, wenn Aniani sie anschiebt. Das macht Aniani eine Weile mit, weil er dieses bescheuerte Spiel mag, wo seine kleine Schwester läuft, wie eine Ente, dann wird es ihm aber zuviel, weil er noch eine winzige Sitzbank, einen Eimer ein Seil und ein Tuch schleppen muss, die Requisiten für die Drowning Show.

Aniani redet auf Seepferdchen ein: Wir müssen die Fähre erwischen, das sind immer bestimmt 50 Leute.

Seepferdchen: Sind nicht so viele.

Aniani: Du musst ja nicht nur die rechnen, die kommen, sondern auch die, die gehen. Wir können doppelt abkassieren.

Seepferdchen läuft immer noch nicht selbständig und bleibt einfach stehen, wenn sie von Aniani nicht mehr angeschoben wird.

Aniani: Was meinst Du, was sie mit den ganzen Untergangsfilmen für eine Kohle verdienen?

Aniani macht eine dramatische Geste: Der Mensch, der Schädling, ich korrigiere mich, der gefährlichste Schädling der Erde.

Und noch eine dramatische Geste: Untergang im Himmelreich.

Und noch eine dramatische Geste ...

Seepferdchen öffnet die Augen ein winziges bisschen mehr: Ich hab es verstanden, aber sagtest Du gerade Kohle?

Aniani: Ja, meinetwegen auch Asche oder Flocken, Geld eben.

Aniani starrt Seepferdchen an und breitet die Arme weit aus.

Seepferdchen öffnet die Augen noch ein wenig mehr: Das sieht nach einer ganzen Menge aus. Aber Du hast einen Denkfehler gemacht, was willst Du mit den Flocken, wenn die Welt untergeht?

Aniani: Was ich will, das ist genug zu haben, um trocken zu bleiben.

Seepferdchen: Ein Baumhaus?

Aniani: Nein, kein Baumhaus, wir gehen erst mal weg von hier, in die Berge.

Seepferdchen: Hm

Aniani: Gefällt es dir plötzlich nicht?

Seepferdchen: Doch, wenn wir irgendwann zurück kommen.

Aniani: Na klar kommen wir zurück. Aber erst mal brauchen wir Geld.

Seepferdchen: Und was muss ich dafür machen?

Aniani: Ganz einfach, Du bindest mich fest, dann tust Du mir das Tuch über das Gesicht und schüttest Wasser drauf, dann bekomme ich keine Luft mehr und röchel rum bis jemand sagt "aufhören", dann sagst Du: "Wieviel wäre ihnen das wert?"

Seepferdchen: Ich dachte ich muss nichts sagen, ich dachte ich muss dich nur giessen.

Aniani: Schon, aber es wäre doch doof, wenn ich fragen würde, dann könnte ich mir doch gleich selbst das Wasser über das Gesicht kippen.

Seepferdchen: Das ist doch eine super Idee.

Aniani: Aber dann funktioniert es doch nicht, dann foltere ich mich ja selber.

Seepferdchen: Meinst Du nicht, dass dir dann auch jemand Geld gibt, nur damit du mit dem Unsinn aufhörst?

Aniani: Warum sollten die das machen, ich kann ja auch selbst aufhören.

Seepferdchen: Stümmt, dann hätten die ja das Geld gespart.

Aniani: Dann macht der ganze Scheiss überhaupt keinen Sinn mehr.

Aniani sieht Seepferdchen vorwurfsvoll an und Seepferdchen sagt genervt: Ich habe ja schon verstanden, ein total krasses Spektakel, die Vorspeise zum Untergang.

Aniani: Vorspeise?

Seepferdchen: Du hast mich schon verstanden.



Aber leider funktioniert das ganze überhaupt nicht. Erstens ist das Eimerchen zu klein, und sie müssen ständig zum Anleger laufen, um neues Wasser zu schöpfen.

Und die Touristen glauben dass es ein Reinigungsritual ist, oder dass sie eine bestimmte Gesichtscreme anwenden, um die Haut zu straffen.

Aber was besonders übel ist, die alte Frau, ihre gruselige Nachbarin, die sie mal mit einer grossen Spinne im Haar gesehen haben ist auch da und hat sie böse angesehen und Seepferdchen behauptet, sie hätte etwas gesagt wie "Schande".

Aniani: Dann ist sie die Einzige, die kapiert, was wir hier machen.





Endgame Achtung Spoiler Alarm

Als der Sturm kommt versucht Seepferdchen ihr Schwein vor dem Ertrinken zu retten, und kommt dann selbst in Not, ihr Bruder kann sie gerade noch retten, bleibt danach aber selbst verschwunden. Sie sucht überall nach ihrem Bruder und kann ihn nicht finden. Es gibt keine Hütte mehr, in der sie warten könnte, die hat der Sturm mitgenommen. Wochenlang irrt sie über die Insel und es gibt einige Familien, die sich um sie kümmern wollen, die sie bei sich aufnehmen wollen, aber es gelingt ihr immer wieder dieser Fürsorge zu entkommen.

Nach der Sturmkatastrophe ist sie nicht die einzige Betroffene, einige wollen die Inseln verlassen für immer, andere suchen wie sie nach ihren Lieben. Nur eine Frau ist ganz gefasst und bleibt ruhig, dass ist die alte Frau, ihre Nachbarin, mit der gruseligen Spinne im Haar. Sie überwindet ihren Ekel vor der alten Frau mit der Spinne im Haar und fragt sie um Rat.

Erst wirkt die alte Frau so abwesend, dass Seepferdchen sich nicht sicher ist, ob sie gemeint ist. Die Alte Frau sagt: Einer muss es tun, einer muss fortgehen, tief in den Westen hineinstechen, tief in das endlose Land, dort gibt es jemand, er hat vergessen seinen Ofen auszumachen.

Aber dann greift die alte Frau nach der Wange von Seepferdchen. Ihre Haut ist auf eine Art weich, als hätte das die Zeit gemacht: Mein liebes böses Mädchen, einer muss es tun, einer muss ganz tief in den Westen vordringen, sag mir, bist Du es, wirst du es tun? Hast Du da eben genickt, wolltest Du mir sagen, dass Du es tun willst, mein liebes böses Mädchen? Mit einem leisen Kichern wendet sich die alte Frau von ihr ab.

Seepferdchen hält die alte Frau für verwirrt und ist enttäuscht, da spürt sie etwas in ihrem Gesicht, wie eine noch leichtere Berührung, der Faden einer Spinne, die selbst mit ihrem Spinnenfaden fliegen kann. Als Seepferdchen sie wegwischen will, dreht sich die alte Frau blitzschnell zu ihr um, und hält ihre Hand fest, und schüttelt tadelnd den Kopf und sagt: Siehst Du nicht, wie sie dir den Weg zeigt? Weisst Du denn nicht, dass es ein Netz gibt, was uns alle verbindet? Seepferdchen wagt es nicht zu der alten Frau aufzublicken, denn den Anblick einer grossen Spinne in ihrem Haar, das könnte sie jetzt nicht ertragen.



Am nächsten Morgen ist Seepferdchen an der Bucht und sieht einem jungen Mann zu, wie er sein Dingi in Ordnung bringt. Er stellt sich nicht sehr geschickt an, und ihm fällt sein Proviant ins Wasser. Seepferdchen fischt ihn wortlos mit der Harpune wieder heraus.

Sie hilft ihm, seinen Trimaran zu beladen und bekommt ein saftiges Trinkgeld von ihm. Und als er sie mit dem Dingi zum Land bringen will, sagt sie ihm, sie will schwimmen und springt ins Wasser. Geschickt taucht sie unter dem Boot durch und versteckt sich an seinem Schiff. Er aber versucht sie im Wasser zu erblicken und kann sie nicht finden. Er heult, so verzweifelt ist er, aber nicht so verzweifelt, dass er nicht doch den Anker lichtet, ohne jemand Bescheid zu sagen.

Im unruhigen Schlaf erscheint ihm das Mädchen von Gestern, bis er entdeckt, dass er Fieber hat, und das Mädchen echt ist, eine Blinde Passagierin. Er bittet sie, ihm zu helfen, zurück zur Insel zu segeln, und sie willigt ein, wenn er ihr alles erklärt. Aber statt zu den Inseln zurück, segelt sie nach Westen, dort wo die grosse Insel liegen muss, von der die verrückte alte Frau gesprochen hat.

Unter Seepferdchens Pflege erholt sich der Skipper wieder, und sie sind jetzt schon zu weit von den Inseln entfernt, dass er einwilligt weiter dem Kurs zu folgen, auch weil die Wettervorhersagen sehr günstig sind, er will sie im nächsten Hafen heraus lassen.

Und dann gelingt es ihnen wirklich den nächsten Hafen anzulaufen, und sie verabschieden sich. Aber Seepferdchen gelingt es sich unter einer Plane unter seinem Dingi zu verstecken, weil der Skipper zum trinken neigt. Als sie im Schutz der Dunkelheit ihr Versteck verlässt, will sie etwas aus ihrem Gesicht wischen, dann hebt sie einen Faden an, und sieht die kleine Spinne, und bringt den Faden an den Mast.

Der Skipper gibt sich nicht viel Mühe seinen Kurs zu halten. Nur einmal brüllt er betrunken: Ich erwische dich schon Du Teufel, Du denkst ich bin betrunken, aber ich erwische dich schon noch. Er spricht mit dem Geist seines Bruders, der ihn für sein Ertrinken verantwortlich macht und bekommt es erst spät mit, dass es wieder Seepferdchen ist, die als blinde Passagierin auf seinem Boot ist. Er will sie zurück bringen, aber sie redet auf den angetrunkenen Skipper ein, er soll es doch aufgeben, und sie einfach zur grossen Insel des Westen bringen. Und im Einschlafen sagt er leise: Geb' ja schon auf.

Aber am nächsten Tag, ist er stocknüchtern und rasiert, und übernimmt das Steuer und ist fest entschlossen, Seepferdchen an Land zu bringen. Wie er da am Steuer steht, mit seiner ganzen tönernen Entschlossenheit, da tut er Seepferdchen fast ein bisschen leid und als sie den Blick von ihm abwendet, weit auf das Meer mit seiner sanften Dünung hinaus, bis sie am Horizont angekommen ist, der immer wieder in der Dünung verschwindet, bevor er wieder auftraucht, da hört Seepferd noch einmal die Stimme der alten Frau sagen: "liebes böses Mädchen". Und das erste Mal denkt sie, das sie das gerne wäre, das liebe böse Mädchen. Das erste Mal haben die Worte der alten Frau etwas Gewicht aufgenommen.



Wenn Seepferdchen ihren Blick um die Erde winden könnte, wie eine Schlange, dann würde sie jetzt, so wie sie da steht, irgendwann, nachdem ihr Blick an Land gegangen ist, nachdem er durch Wälder und Steppen über Felder und Wiesen gewandert ist, dann würde er an einer Stadt ankommen, die wirklich tief im Westen liegt.

Gladiola ist es, die dort tief im Westen mit einem Mann und drei Kindern lebt. Ihr Mann baut grosse Drachen, mit denen er einmal sehr viel Geld verdienen wird, sagt er, weil sie schön anzusehen sind, und man so viele Dinge mit ihnen machen kann. Manchmal ermuntert sie ihn, noch grössere Drachen zu bauen, noch kräftigere, manchmal da sieht sie, wie ihn eine Windbö erfasst und ihn der Wind mit sich trägt, in ein gelobtes Land, sein gelobtes Land, wo er keinen weiteren Schaden anrichten kann, und jemand täglich nach ihm sieht, und ihm etwas Futter hinstellt, jemand, der so einen Mann zu schätzen weiss. Denn ihr Mann weiss nichts von der Welt und wie sie wirklich ist. Er weiss nicht, dass man ein SUV braucht, wenn man die Kinder zur Kita bringt. Er versteht nichts davon, wie man die Dinge, die einem wichtig sind, anbinden muss, sich um sie kümmern muss. Nur die beknackten Drachen scheinen da eine Ausnahme zu machen.

Er weiss auch nicht, dass man sich engagieren muss und vernetzen. Er durchdringt nicht, die Botschaft hinter den Kreidetafeln und dass sie hier auf dem Prenzlauer Berg alles selbst machen, Homemade und filzen. Und damit hat er sich endgültig ihre Verachtung verdient. Für ihn ist Filz Filz oder auch Material. Ein Wort ohne das er nicht auskommt: Material. Er sieht nicht die Tarnkappe, wie hinter den Filzuntersetzern und unter den Filzmützen der Kinder, ein wacher Geist lauert. Er weiss nicht, wozu eine Tarnkappe gut sein kann, da er keinen einzigen Gedanken hat, den es zu verstecken lohnt. Er versteht nichts von Immobilien, nichts von Schauspielern und wie sie sich auf die Preise der Immobilien auswirken, er kann den Geruch nach frischer Farbe nicht riechen, wenn ein Celebrity ins Viertel einzieht und die Preise anziehen. Und anders als er, kann sie Gefahr spüren. So wie ein wildes Tier ein Buschfeuer spüren kann, bevor der Geruch zu ihm vorgedrungen ist. Und wenn es auch nur dieser Spinnenfaden war, den sie beim Frühstück auf der Dachterrasse bei ihrem neuen Käufer gespürt hat, sie wusste doch, jetzt muss sie etwas tun.

Aber was kann sie nur tun? Ein Tier kann weglaufen, wenn das Feuer kommt. Aber sie weiss noch nicht mal, welcher Art diese Gefahr ist. Nur die Richtung scheint ihr ganz klar, wenn sie von der Dachterrasse nach Osten über die Dächer der Stadt blickt.

Und auch wenn Gladiola nicht sagen kann, wie sie auf diese eigenartige Idee gekommen ist, aber sie hat plötzlich das Gefühl, ganz gleich was da ist, was aus dem Osten auf sie zukommt, ein schnellerer Wagen kann nicht schaden. Noch vor Tagen, als sie ihr Mann ins Autohaus geschleppt hat, musste sie es ertragen, das ganze Gerede um die Motorisierung eines Wagens, und die Reserven die es bringt. Wenn man sich mal bei einem Überholmanöver verschätzt hat, dann tut es gut, wenn man noch Reserven hat, wenn die Motorisierung ausreichend ist. Gladiola hat sich noch nie viel aus Motoren gemacht, aber in diesem Augenblick kann sie es spüren, welche Sicherheitsreserven in der richtigen Motorisierung verborgen liegen. Dieser Gedanke nimmt sie so gefangen, dass sie die Augen schliessen muss. Und obwohl eben ein Helicopter über die ansonsten ruhigen Dächer des Prenzlauer Berges geflogen ist, sagt sie es so deutlich, dass man es noch von der Dachterrasse gegenüber hören könnte: Autohaus.

Nur eine Stunde später kann ihr Mann sein Glück nicht fassen, als sie den alten Wagen gleich im Autohaus lassen, und das Modell mit der Tageszulassung gleich mitnehmen. Die Formalitäten würde man als Serviceleistung morgen für sie übernehmen. Erst wollte sie protestieren, als Christoph, ihr Mann, gerade in Richtung Osten die Stadt verlässt. Aber dann kann sie die Gewalt des Motors spüren, wie es sie in den Sitz drückt, bei der Beschleunigung, während die sanfte Dünung, mehr als eine halbe Erdumdrehung weiter, langsam die ersten hübschen weissen Schaumkronen bekommt und Seepferdchens Knöchel sich weiss färben, so entschieden und kampfbereit greift sie nach ihrer Harpune.

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Der Beschützer

von Konstantin Schemat und Dominica Schemat



Kleine Wüste

Vater: Wir werden ein richtiges kleines Restaurant aufmachen, ein Pavillon, alles aus Naturholz, hier aus der Gegend, und offen, bei uns wird keiner eingesperrt, und bei uns gibt es nichts aus der Dose. Sondern frische Falaffel, selbstgemacht mit richtig viel Koriander, Marokkanischer Minztee, so wie in der Wüste, nur hier direkt am Strand.

Die kleine Tochter sagt: Und wie nennen wir das dann?

Vater: Karls Strandbar.

Der Vater ist selbst nicht so überzeugt von dem Namen.

Die kleine Tochter setzt sich in den Sand, lässt eine Ladung Pulversand durch die Finger rinnen, blickt zu dem Vater auf, kneift ein Auge gegen die Sonne zu und sagt: Kleine Wüste.

Der Vater sagt: Aber wir sind doch die Oase, und nicht die Wüste.

Die Kleine sagt: Gibt es schon.

Vater im Brustton der Überzeugung: Nein, das gibt es noch nicht.

Die Kleine sagt: Und wo war das, wo wir die Muscheln gegessen haben und so Bauchschmerzen gekriegt haben?

Vater grinst: Ach du Scheisse.

Die Kleine nickt nur vielsagend.

Vater: Also nicht Oase.

Tochter: Kleine Wüste.

Die kleine Tochter überlegt noch einen Moment: Aber du darfst sie nur so nennen, wenn es auch Limo gibt.

Vater: Klar, natürlich, wir haben alle Sorten.

Tochter: Ich mag aber nur Zitrone.

Vater: Darf ich denn auch andere Limo anbieten, wie sieht es mit Orangenlimo aus?

Tochter sagt: Nein.

Ihr Vater lacht.

Und sie steht ernst auf geht runter zum Meer.

Dort angekommen bekreuzigt sie sich und sagt: Und wenn Du schon dabei bist, lieber Gott, uns bei der kleinen Wüste zu helfen, könntest Du dann auch in alle Flaschen mit dieser roten bitteren Limonade ein kleines Loch machen. Denn ich weiss wie das läuft. So lange noch diese böse rote gemein bittere Limonade da ist, heisst es, wir haben noch Limonade, wir brauchen keine Neue bestellen. Und weisst Du auch warum? Weil niemand sie trinken will! Und dann vergisst mein Vater immer neue zu kaufen. Und ich frage Dich lieber Gott, für wen bleibt dann die doofe bittere Limonade?

Entschuldige, dass ich doof gesagt habe, obwohl ich weiss, dass man das eigentlich nicht darf, aber die rote Limonade ist bitter, und das sollte doch auch verboten sein, oder lieber Gott?





Sechs Wochen später: Der Vater streitet sich mit Handwerkern die das Dach mit Wellblech decken wollen.

Sieben Wochen später: Der Vater blickt zufrieden auf sein Strohdach, während die Tochter ihn anlächelt und heimlich eine rote Limo wegkippt.

Acht Wochen später: Der Vater tanzt mit seiner kleinen Tochter, die eigentlich schon zu gross dafür ist, auf seiner Schulter mit wildem Indianergeheul um den sehr gelungenen Strandimbiss: Kleine Wüste.

Neun Wochen später: Der erste Gast verirrt sich zur Kleinen Wüste

Zehn Wochen später: Alle Sitze sind besetzt.

Zwölf Wochen später: Der Strand ist voll und eine Schlange bildet sich vor der kleine Wüste.

Dreizehn Wochen später: Die Handwerker helfen dem Vater, die Hütte sturmfest zu machen und nageln sie zu.

Nach dem Sturm ist der Vater erst total glücklich, dass die Hütte noch erhalten ist. Und seine Tochter will ihn immer auf etwas aufmerksam machen, aber er ist so auf die kleine Wüste fixiert, dass er es viel zu spät mitbekommt. Der ganze Strand ist weg. Es gibt weiter unten am Meer nur noch Felsen.

Die kleine Tochter nimmt sich eine rote Limo und macht sie auf, dann geht sie zum Meer. Dabei muss sie eine Abbruchkante überwinden. Am Meer angekommen bekreuzigt sie sich und sagt: Lieber Gott, bitte pass jetzt mal gut auf. Sie trinkt die ganze bittere Limo aus. Muss aufstossen und sagt: Tschuldigung lieber Gott, aber Du hast es ja genauso gewollt. Das mache ich jetzt jeden Tag, wenn Du uns den Strand wieder gibst.



Der Vater will das Geschäft aufgeben, denn die Experten hatten so etwas schon verhorgesagt, und manchmal reicht Optimismus einfach nicht aus, wenn es ums Geschäft geht.



Sie leihen sich einen Wagen um das Restaurant auszuräumen, da ist der Strand wieder da.

Die Kleine atmet schwer durch und sagt: Na gut, versprochen ist versprochen.

Dann sieht sie nach und kann keine rote Limo entdecken. Ein Lächeln geht über ihr Gesicht und sie blickt nach oben und zuckt mit den Schultern. Dann denkt sie nach, sieht ganz tief im Kühlschrank hinein, da wartet noch eine teuflische bittere Limo auf sie. Dann geht sie damit direkt zum Meer und trinkt tapfer die Limo aus.



Als sie zurückgeht sagt sie halblaut: Mensch mir wird gleich schlecht.

Dann wird ihr schwindelig, und sie fällt hin. Erstaunt sieht sie sich um und sieht, wie der Sand sich einen Moment bewegt. Sie bleibt fasziniert sitzen und hört ihren Vater aus der Ferne rufen, sie blickt auf, sieht ihn bei der "Kleinen Wüste", wild winken, dabei fällt ihr auf, wie sich der Horizont ein bisschen bewegt. Irritiert stellt sie sich hin, und will sich weiter umsehen, um der Sache auf den Grund zu gehen, aber ihr Vater fuchtelt so wild herum, dass sie ihm folgt. Aber einmal dreht sie sich noch um und betrachtet ihre Füsse, mit denen sie ein bisschen wackelt und beobachtet, wie sie etwas in den Sand einsinkt.





Im Situationroom für nationale Sicherheit kommt eine Nachricht an und die Leute rätseln über eigenartige Vorfälle am Meeresgrund.

General: Kann das ein Seebeben sein?

Wissenschaftler: Wir müssten sofort Tsunami Alarm auslösen!

Dann entscheiden sie sich den Alarm auszulösen.



Auch das kleine Mädchen und ihr Vater hören den Alarm und müssen sich in höhere Gebiete zurückziehen.

Als kein Tsunami kommt bettelt die Kleine darum noch mal zum Strand zu gehen, sie hätte etwas gesehen, aber der Vater vertröstet sie: Wir müssen doch morgen wieder hin. Es werden viele Sensationstouristen gekommen, wegen dem Tsunami. Ich muss ausschlafen mein Schatz.



Sie überlegt einen Moment dann sagt sie: Oh was bin ich müde.

Vater: Dann geh doch ins Bett.

Tochter: Ach ich bleib noch ein bisschen bei Dir.

Es dauert nicht Lange, da ist der Vater vor dem Fernseher eingeschlafen. Die Tochter zwinkert, steht dann leise auf und schaltet auf den Kanal mit dem Lagerfeuer um.

Sie sucht Taschenlampe und Mantel raus. Von draussen hört man noch ein wenig den Sturm.

Als sie die Tür öffnet, wird der Vater von einem Windstoss beinahe geweckt.

Schnell schliesst sie die Tür, deckt den Vater mit einer Decke sorgfältig und langsam bis zur Nasenspitze zu.

Dann schleicht sie sich heraus zum Strand.

Entdeckungen

Sie geht zum Meer, und sieht, wie es im Meer leuchtet. Dann geht sie tiefer ins Wasser, weil es weiter draussen mehr leuchtet. Dann frischt der Wind auf, eine Wolke gibt den Mond frei und sie blickt auf und fragt den Mond: Hast Du das Plankton angelockt?

Und als der Mond nicht antwortet sagt sie: Tu doch nicht so unschuldig, ist doch auch gar nichts dabei.

Da bebt der Boden und sie fällt ins Wasser und wird ganz nass.

Erschrocken springt sie aus dem Wasser an den Strand und sieht sich um, aber wieder ist da nichts. Dann nimmt sie die Hände vor den Mund, wie einen Trichter und brüllt: Ich habe dich genau gespürt, ich weiss, dass Du da bist! Es ist keine Schande, gib auf, ich habe Dich!

Als nichts passiert, wartet sie noch einen Moment, dann beginnt sie in den nassen Sachen doch sehr zu frieren und geht wieder zurück in Richtung nach Hause.

Kurz vor der Abbruchkante dreht sie sich noch mal um und brüllt: Das ist deine letzte Chance aus der Sache wieder raus zu kommen!

Da bebt der Boden heftig, sie wird hochgeworfen, dann tut sich eine Spalte auf, sie stürzt hinein und wird verschüttet.

Es wird ganz dunkel und sie kann ihren Herzschlag schwer und schnell schlagen hören.

Als ihr Herz schon schwächer aber schneller zu schlagen beginnt, bebt die Erde wieder. Langsam, ganz sanft, wird sie angehoben. Nass ist sie immer noch, und verklebt vom Sand, ein unglaublich warmer Wind, der vom Meer kommt, und salzig riecht, bläst sie trocken. Eine ganze Stunde liegt sie so da, wie ein Gestrandeter an einer einsamen Insel. Dann schlägt sie die Augen auf, und blickt in ein riesiges Atemloch.

Kreischend läuft sie nach Hause.



Als sie nach Hause kommt will sie ihren Vater wecken und schüttelt ihn: He, ich habe ein Monster gesehen!

Aber der Vater reagiert nicht.

Sie: Wirklich, es ist riesengross, so gross wie der Strand.

Der Vater dreht sich weg und murmelt etwas.

Sie: Weisst Du eigentlich, wo der Bierkrug hin ist, den Du gestern gesucht hast?

Er antwortet nicht.

Sie: Den habe ich zerbrochen, tut mir leid, na ja, jetzt weisst Du es. Ich geh dann mal ins Bett.

Als sie ihrem Vater die Geschichte am nächsten Morgen erzählt, da hat er totale Nackenverspannungen von dem Fernsehsessel und tut so, als ob er ihr glaubt, aber sie sagt ihm: Das sagst Du doch nur so.

Er sagt lahm: Ich finde es gut, dass Du so viel Phantasie hast.

Sie: Na gut, es ist ja Wochenende, dann gehe ich eben ein bisschen mit meinem neuen Freund spielen, dem Riesenmonster.

Er lacht: Ja mach das, aber komm vor Mittag zurück.

Sie: Wieso, du kommst doch mittags sowieso zum Strand.

Er lacht weiter: O.K. dann bis dann.



Sie spricht mit ihrem Monster: Ich weiss, dass man nicht schlecht reden soll über seine Eltern. Aber vielleicht ist es auch gar nicht so schlecht, wenn ich sage, dass er wirklich sehr dumm ist. Denn die Dummen kommen doch in den Himmel oder, so schlecht kann das also nicht sein. Aber er ist wirklich sehr dumm.

Dann winkt der Vater aus der Ferne und sie winkt zurückt und sagt zu dem Monster: Der merkt nichts mehr, du könntest mich jetzt auf deinem Atemloch in die Luft pusten, und der würde es nicht bemerken.

Im nächsten Moment fliegt sie durch die Luft und der Vater sieht weg.

Danach kriegt das Monster Ärger von dem kleinen Mädchen: Bist Du verrückt, ich habe es dir doch schon erklärt, das ist unser Geheimnis, da drüben, siehst Du die alte Frau, die ist nicht so harmlos, wie sie aussieht, wenn sie mitkriegt, was hier abgeht, dann macht sie so ein Geschrei, und dann kommen alle, und meistens geht es dann nicht so gut aus, wenn alle kommen. Das habe ich schon oft genug erlebt, das kannst Du mir ruhig glauben.

Beutezüge

Kleines Mädchen: Weisst Du, es ist schon cool was Du so kannst, aber ich bleibe lieber so wie ich bin, ich will nicht den ganzen Tag auf dem Strand rumliegen, und auf mir herumtrampeln lassen. Ja, ja, ich weiss, Du hast Dich in Sand eingegraben, sie trampeln nicht direkt auf dir rum, aber irgendwie ist das doch das Gleiche.

In diesem Moment bebt wieder die Erde, das kleine Mädchen ist wenig beeindruckt: Kannst Du warten bis die anderen weg sind, bevor Du rauskommst?

Aber das Beben geht weiter.

Das kleine Mädchen wird ärgerlich: Wir haben das doch durchgesprochen, oder? Sie dürfen dich nicht erwischen.

Und in diesem Moment wächst eine Art Ei aus der Erde, ein Ei so gross wie das kleine Mädchen und es sagt: Wow, was ist das jetzt, was machst Du jetzt?

He, da hast Du ja etwas drauf gemalt, Froe, was? Froe was? Froe Ohstern? Ach so frohe Ostern, das schreibt man ohne "h", ich meine das eine mit "h" und das andere ohne.

Sag mal, wo hast Du das Ei gefunden?

Dann hört das Mädchen ein knistern in dem Ei und sagt: Wenn Du mich erschrecken wolltest, dann hast Du das geschafft, echt super. Könntest Du jetzt bitte dein Ei selbst ausbrüten, denn es ist da etwas drin, was offensichtlich raus will.

Und als sich das Ei endlich öffnet, erscheint darin ein kleines Mädchen, was diesem kleinen Mädchen erstaunlich ähnlich sieht: Beide kleinen Mädchen kreischen sich total an.



Am nächsten Tag ist das kleine Mädchen sauer. Es geht über den Strand, der immer wieder sich zum Sandhügel aufbäumt, und sie wechselt dann die Richtung und ist stinksauer: Was Du gemacht hast. ist verstörend, das sage ich dir. Du kannst Dir nicht einfach ein kleines Mädchen wachsen lassen, das ist voll krank.

Und du könntest wenigstens zugeben, dass Du es nur aus Angeberei gemacht hast, und ich sage dir auch eins, wir mögen hier keine Angeber.





Aber solche kleinen Streitigkeiten sind normal unter Freunden. Denn bald hat das kleine Mädchen eine andere Verwendung für seinen verwandlungsfähigen Freund, den Möventrick.

Wenn eine Möve deine Eistüte haben will, dann fliegt sie dich direkt an und bremst kurz vor deinem Gesicht ab, indem sie die Flügel weit ausbreitet, so weit, dass du nur Möve siehst, dann lässt Du das Eis langsam fallen, und zwar meistens so, dass zuerst die Kugel aus der Eistüte fällt, und genau so hat es die Möve gern, sie taucht dann blitzschnell ab, und schnappt sich die Eistüte, die von dem lästigen Eis, was die Möven nicht so sehr mögen, befreit ist.

Das kleine Mädchen verspricht dem Wesen nicht mehr nachtragend zu sein, wenn es den Eistrick nachmacht, dabei muss es gar nicht mal so perfekt wie die Möve sein, nein, im Gegenteil, es ist sogar besser, wenn die Eiskugel noch in der Waffel ist, dafür ist es um so wichtiger, dass das Ganze passiert, bevor die Eiskugel schon von jemand anderen angeschlabbert worden ist, denn angeschlabbertes Eis will sie nicht.



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Signs

Fürchtet das Feuer, wenn die Erde es nährt!

von Konstantin und Dominica Schemat (30.01.2020)



Fürchtet das Feuer, wenn die Erde es nährt!

Tokka-Tak ist ein Waisenkind, was seine Eltern vergessen hat. Er musste lernen sich unsichtbar zu machen, und lebt in der Nähe eines Dorfes, was mit Raubzügen seinen Lebensinhalt ausbessert. Es geht den Dörflern gut, sodass er von den Abfällen und ein paar Eiern, die er stiehlt, leben kann. Der Schamane hat schon lange gesehen, dass der Wolf kein Wolf ist, sondern ein Junge mit einem übergestülpten Fell. Der Schamane ist ein trauriger Mann, der seine Tochter alleine erzieht und seine geliebte Frau nicht vor der Krankheit retten konnte. Deshalb tröstet er sich, dass er dann wenigstens diesen fremden Jungen retten kann. Aber hätte er gewusst, dass der Junge das ausnutzt und seiner Tochter Mumi-Gur nachschleicht, hätte er ihn erlegt, wie ein Wildschwein.



Tokka-Tak bietet sich als Fährtensucher für den Stamm an und bekommt von dem Schamanen die Aufgabe, den Schoss zu finden, aus dem er gekommen ist, dann will man ihn aufnehmen. Und es ist eine gefährliche Gemeinschaft, eine Art Wikinger, die sich in Bäumen bewegen können und mit maskierten Überfällen ihr Dasein verbessern. Da hat Tokka Tak eine Idee, woher er gekommen ist und er behauptet tatsächlich, dass ihn eine Nachrichtentrommel, eine Kalangu, geboren hat.

Die anderen wollen ihn mit ihren Blasrohren und Bögen erlegen für diese freche Lüge. Aber der Schamane ist ein kluger Mann, er behauptet, wenn er aus Schall bestehen würde, dann müsse er es auch beweisen. Die Krieger sind empört über so ein würdeloses Theater, aber der Schamane herrscht sie an, dass dieser Bewerber mutiger ist als sie, er kämpft nicht nur gegen einen, er bringt den ganzen Stamm gegen sich auf, niemand macht so etwas, wenn er nicht verrückt ist, oder einen mächtigen Zauber beherrscht, den der Schamane bändigen wird wie ein wildes Pferd und einspannen wie einen Ochsen zum Wohle aller. Und Tokka-Tak kann wirklich schnell laufen, aber so schnell wie der Schall ist er nicht. Aber die Tochter des Schamanen ist schon ein bisschen in ihn verliebt, und schlägt ihm eine List vor: Ein Wettrennen mit der Trommel. Sie wird sich kleiden wie er, für ihn die Läuferin am Ziel sein. Er will an diesem Tag ein Klangmaske tragen, weil er behauptet, dass die notwendig ist, um den Zauber zu vollbringen. Und dann wenn er im Gebüsch hinter dem Dorf verschwunden ist, läuft sie beim Klang der Nachrichtentrommel im anderen Dorf los, sodass es so aussieht, als wäre sie fast so schnell wie der Schall.

Die misstrauischen Krieger sagen: Dann ist er doch nicht so schnell wie der Schall.

Und Tokka-Tak sagt, ich muss mich erst in Schall verwandeln, um über die Strohdächer der Lehmhütten und die Hügel zu fliegen, was einen kleinen Augenblick dauert und dann muss ich mich vom Schall wieder in Fleisch verwandeln, was auch einen Moment dauert. Aber ich werde nicht viel langsamer sein, noch bevor die Trommel wieder verstummt, bin ich dort.

Obwohl seine Geliebte die Maske verliert und einiges schief geht, gelingt es, weil sie rauchendes Gras verwendet, ihr Gesicht zu verbergen. Scheinbar brennend läuft sie durch das Dorf, springt in den Fluss taucht erst im Uferschilf wieder auf, um einen Schilfhalm als Schnorchel zu verwenden. Die Leute aus dem anderen Dorf sind sehr beeindruckt. Sie suchen nach dem falschen Tokka-Tak und seine Freundin atmet durch ein Schilfrohr und verbirgt sich dort bis zum Anbruch der Nacht, dann lässt sie sich durch die große Flussschleife nach Hause treiben.

Und alle wollen, dass Tokka-Tak es noch einmal tut, aber er sagt, dass er das nur ein einziges Mal kann, und in allergrößter Not vielleicht noch ein zweites Mal, es wäre ihre Schuld, hätten sie ihm geglaubt, könnte er diesen Zauber noch einmal in den Dienst seines neuen Stammes stellen, so ist der Zauber verbraucht.

Es gibt einen Krieger, Akka, der auch ein Auge auf die Tochter des Schamanen geworfen hat, der ihn deshalb hasst und seinen faulen Zauber lüften will.

Tokka-Tak will Akka von sich überzeugen, indem er ihn, zu den großen Hirschen führt, und so sind sie erfolgreich bei der Jagt. Akka macht erst alles, was Tokka-Tak ihm sagt, auch unsinnige Dinge, wie sich mit dem Wind anzuschleichen, um dem Wild Angst einzujagen. Einem anderen Jäger, Ma-Ha-Ab, gefällt diese Verarschung des Tokka-Tak nicht, besonders, als Akka ihn nicht vor schlechtem Wasser warnt und sich damit rausredet, dass er das schlechte Wasser doch hören kann, klingt es nicht anders, als das Gute? Ma-Ha-Ab flösst Tokka-Tak Kohle von einem abgebrannten Lagerfeuer ein, das wäre gut für das schlechte Wasser. Tokka-Tak will erst ablehnen, er würde schon selbst damit fertig werden, aber Ma-Ha-Ab insistiert. Er will Tokka-Tak zurück schicken, damit er der Krankheit begegnen kann, die ihm das schlechte Wasser gebracht hat, wenn sich jemand um ihn kümmert. Aber Tokka-Tak besteht darauf, dass er noch die grössten Hirsche findet. Und tatsächlich, sie schleichen sich gegen den Wind an und können reiche Beute machen. Tokka-Tak bekommt schliesslich Fieber, und wird von Ma-Ha-Ab auf eine Bahre gelegt und nach Hause gezogen. Mit viel Glück kommt er durch, aber seine Ohren funktionieren nicht mehr richtig. Tokka-Tak verheimlicht das vor seiner Freundin, aber Mumi-Gur weiss es schon längst und sie bittet den Vater darum den beiden nicht im Wege zu stehen, nur um von der Taubheit ihres Freundes abzulenken, und ihn von den Jagtausflügen fern zu halten.

Und so kann sie ihn tatsächlich heiraten. Nun ist Tokka-Tak ein Teil des Stammes. Aber langsam bekommen die anderen mit, dass etwas mit dem Gehör nicht stimmt. Und Ma-Ha-Ab stellt sich schützend vor ihn, aber Akka sagt, dass er nur die Strafe der Götter für Aufschneiderei bekommen habe. Er hätte damit nichts zu tun. Tokka-Tak habe immer behauptet, dass er sich auskenne. Und so ist der Stamm gespalten, was man von ihm halten soll. Aber der Schamane hat keine andere Wahl, das Leben ist so hart, er müsse seine Aufgabe finden, sonst müsse er wieder ziehen. Und danach segnet der Schamane noch seinen Schwiegersohn: Ich lege dein Leben in TubaTabus Hand.

Und Mumi-Gur bittet Tokka-Tak zu fliehen, so lange sie es noch könnten. Aber Tokka-Tak erzählt ihr, dass es schwer ist, da draussen ganz alleine oder zu zweit zu überstehen, man braucht den Stamm, ohne einen Stamm wird man fallen und zur Erde zurückkehren, ehe man noch seine Kinder in den Armen halten könne. Mumi-Gur aber sagt: Sie werden die grosse Gleichgültigkeit über dich verhängen, dann bist Du vogelfrei. Das kannst Du nur überleben, wenn dich alle lieben würden, und mein Vater wird dir nichts tun, aber Du hast Dir Feinde gemacht, Du kannst die grosse Gleichgültigkeit nicht überstehen, dann ist es besser, alleine die Bären, Tiger und Wölfe als Nachbarn zu haben, als ihren Stamm. Sie sagt wörtlich: Wir sind Menschenjäger.



Aber Tokka-Tak ist zuversichtlich, zieht hoch zu den Bergen und hinab zu dem Meer. Er wird ein Zeichen TubaTabus finden. Er vertraue ganz auf den Gott seines neuen Stammes. Und Mumi-Gur lässt ihn ziehen ohne ihm zu sagen, wie grausam TubaTabu ist, besonders zu dem Menschen, den er alleine trifft.

Aber das einzige was Tokka-Tak findet ist eine mysteriöse Line, oben auf dem Hochplateau, wo es so trocken ist, dass nur ganz wenige Kameldornbäume hoch in den Himmel wachsen. Aber Mumi-Gur sagt ihm, dass er nur erlöst wird, von der der Gleichgültigkeit, wenn er etwas Nützliches für den Stamm findet: Glaub mir, nicht mal die Götter dürfen bleiben, wenn sie uns nichts nützen. Du sagst, Du hast eine Linie gefunden, dann lege ein Stück Wild drauf, dann hat sie einen Wert. Eine Linie, so etwas gibt es häufig in dieser Landschaft, du bist nicht der Erste, der sie findet, und Du wirst nicht der Letzte sein.

Lass uns aufbrechen und fortgehen, solange wir noch können. Ich habe einmal gesehen, was sie mit der Gleichgültigkeit meinen. Sie haben ihm die Beine gelähmt, so dass er nichts spüren konnte, und ihm dann die Beine abgenommen.

Aber Tokka-Tak findet das wahnsinnig: Die Beine abnehmen, so etwas geht doch gar nicht.

Aber Mumi-Gur nickt nur: Liebster und wie das geht.

Aber sie sagt es schon so leise, dass er es nicht mehr hören kann.

Als Tokka-Tab eingeschlafen ist, schleicht sie sich raus und geht zu dem Feind Akka und bietet sich ihm an, damit er ein Stück Wild auf die Linie legt, damit dem Wunder genüge getan wird.

Aber Akka sagt: Warum soll ich das tun? Du weißt, dass ich um dich werbe, und nach der großen Gleichgültigkeit, muss dein Vater dich mir geben.

Mumi-Gur: Weil Du mich liebst?

Das amüsiert Akka noch mehr: Ich liebe viele Dinge, ich liebe auch meine weichen Mokkasins, weil mir die Füße nicht darin weh tun, so weich sind sie und doch kommen die verdammten Kameldornen nicht durch und dann liebe ich meinen Bogen, weil er mich ernährt. Aber ich würde für sie nicht meinen Schamanen betrügen. Und ich frage mich auch, ob das überhaupt möglich ist, denn wenn ein Gott einen Hirsch jagt, nimmt er dann den Bogen, oder nimmt er ihm nur den Willen, dass er da ganz unverletzt liegen bleibt.

Mumi-Gur: Dann erwürgst Du eben das Tier, oder du vergiftest es, dass man keine Spur findet, als hätte es ein Gott mit der alleinigen Kraft seines Willens erlegt.

Und nachdem sie das gesprochen hatte zog sie sich aus und bot sich ihm an. Aber Akka verlor einfach das Grinsen nicht aus dem Gesicht und gab ihr die Sachen wieder, es sei zugig in seiner Hütte, man muss unbedingt seine Sachen tragen.

Als Mumi-Gur nach Hause geht, verflucht sie Akka, weil er sie so quält, weil er die Ungewissheit auskostet, in der sie sich befindet. Und weil sie weiß, wie leicht es für den ersten Jäger des Stammes ist, einen Hirsch zu erlegen.

Als sie zurück kommt, weckt sie ihren Mann, denn sie will ein Kind von ihm, denn wenn er tot ist, soll das ihr heimliches Geschenk an Akka sein. Das Kind von seinem Feind soll er aufziehen, als wäre es sein eigenes, das ist ihre Rache. Und als Tokka-Tak fortgeht, da gibt sie ihn schon halb verloren. Wie sehr ist sie da erstaunt, als er mit dem Wild zurück kommt, und wie er selbst an die Geschichte der himmlischen Linien glaubt. Und besonders Akka ist es, der auf Tokka-Tak anstößt.

Und Mumi-Gur nimmt Akka heimlich zur Seite und will von ihm wissen, was das Theater bedeuten würde. Und Akka lächelt sie an: Ich habe so viel über die Liebe von dir gelernt, dass ich jetzt ganz verrückt danach bin, dass Du freiwillig zu mir kommst.

Mumi-Gur: Ich werde nie freiwillig zu dir kommen, denn Du bist es, der meinem Mann das Gehör genommen hat.

Und immer, wenn es wieder ein wenig brenzlig für Tokka-Tak wird, liegt wieder ein Hirsch auf der Linie. Aber Tokka-Tak beginnt es langsam zu durchschauen, denn Akka gibt sich immer weniger Mühe, die Spuren seiner Unterstützung zu verwischen. Und schließlich erwischt ihn Tokka-Tak dabei, wie er wieder einen Hirsch auf seinen Linien ablegt. Aber er stellt den Jäger nicht zur Rede, obwohl er sicher ist, dass der wachsame Jäger ihn bemerkt hat.

Tokka-Tak versucht etwas anderes. Er lässt sich von dem Schamanen erzählen, welche Zahlen denn nach 20 kommen. So weit könnte er an seinem Körper zählen, wenn er alle Finger und Zehen zusammen nehmen würde, das wüsste ja jeder. Und der Schamane sagt: Nun nach 20 kommt ein Lager.

Tokka-Tak denkt laut nach: Eine Frau und ein Mann? Also 40

Der Schamane nickt.

Dann beginnt Tokka-Tak die Linien abzuschreiten, die Schritte zu zählen, und sie in kleinem Maßstab nachzuzeichnen, obwohl er natürlich nicht weiß, was ein Maßstab ist, und dafür auch kein Wort hat. Dabei nutzt er sein Lederhemd und Kohle aus einem Lagerfeuer. Da sitzt er nun, in der weiten Ebene, und blickt auf seine Jacke, die er ausgezogen hat, und sieht sich das eigenartige Muster an. Und wie er es betrachtet und grübelt, was es zu bedeuten hat, hört er Akka von oben: Eigenartig nicht?

Als er aufblickt, sieht er, wie es Akka geschafft hat, den stark dornenbewehrten über weite Strecken astlosen Stamm des Kameldorns zu erklimmen um von oben Ausschau nach den Linien zu halten.

Tokka-Tak versucht es sich nicht anmerken zu lassen, wie beeindruckt er ist, als Akka absteigt, und dann auf seine Jacke zeigt und sagt: Diese Linie hier, die geht nicht so weit durch. Er nimmt sein Feuersteinmesser und schabt geschickt die Linie von der Lederunterlage von Tokka-Taks Hemd und dann fragt er: Und was sehen wir da?

Tokka-Tak tut unbeeindruckt und deutet auf ein Detail: Nun das ist ein Kessel.

Akka: Möglich ist es, vielleicht mit heiligem Wasser?

Dann sagt Tokka-Tak: Das ist ein Feuer.

Akka: Hm möglich, wenn es schon einen Kessel gibt, warum nicht auch ein Feuer.

Tokka-Tak: Was ist das?

Akka: Buschgras, Schilfgras, Gras?

Tokka-Tak: Kann man es essen? Kann man eine Suppe daraus kochen?

Akka: Wieso fragst Du mich? Wieso probierst Du es nicht selbst aus?

Und das war dann das große Grassuppenessen. Tokka-Tak behauptet: Dass es Schmerzen betäubt. Und Akka ließ es sich nicht nehmen es an ihm auszuprobieren und fragte ihn, ob er einen Brennnessel Zweig unter seine Achseln legen dürfte. Tokka-Tak hatte dagegen nichts einzuwenden.

Und obwohl Tokka-Tak versucht sich nichts anmerken zu lassen, konnte man doch sehen, wie ihm eine Träne runter lief. Akka sagte grinsend: Sicher, dass es nicht ein bisschen zwickt?

Und auch die andere konnten es sehen und begannen zu feixen. Funktioniert ja super. Aber als jemand Tokka-Tak noch eine zweite Nessel unter die andere Achsel schieben wollte, schubste ihn Akka sehr zum Erstaunen der Menge fort, denn alle wussten von der Konkurrenz der beiden.

Aber die Stimmung nach der Präsentation war trotzdem gelöst, man hatte sich schon damit abgefunden, dass Tokka-Tak ein Blindfang war, wie man das hier nannte. Und solange es dem Stamm gut ginge, müsste er keine Gefahr für sein Leben fürchten und würde ihn durchfüttern, solange er sich necken ließ. Und im Moment ging es dem Stamm gut.

Mit einem süffisanten Grinsen verließ Akka den Dorfplatz und sagte beiläufig zu Mumi-Gur: Sag ihm, dass er es mal mit Klettern versuchen soll.

Und tatsächlich, als es Tokka-Tak endlich gelang auf den Kameldorn zu kommen, sah er dass die Zeichnung in der Landschaft noch weiter ging. Da gab es noch eine Art Sieb, und die Sonne war auch abgebildet, die über dem Sieb stand. Es war wirklich eigenartig.

Tokka-Tab experimentierte jetzt jeden Tag mit anderen Gräsern, mit anderer Suppe, mit anderer Kochzeit, und mit einem Sieb, was er aufwändig aus dünnen Lederstriemen geflochten hatte. Und es dauerte Wochen, bis er das erste Papier zusammen hatte.

Aber alle Dorfbewohner waren Ratlos, als sie diese dünnen halb durchsichtigen Blätter in der Hand hielten, was es wohl sein könnte.

Da sagte wieder Akka: Habt ihr das nicht alle schon mal gesehen, ist es nicht das gleiche Material aus dem die grossen Wespen ihre Nester bauen?

Über den Nutzen, sich ein Wespennest zu bauen, waren sich die anderen nicht ganz einig, aber sowohl Akka, als auch der Schamane fanden lobende Worte und waren erstaunt, dass göttliche Zeichen zu einem Wespennest führen würden.

Aber der Nachbarstamm war nicht entzückt, als er davon erfuhr. Es wäre Gotteslästerung, soviel wäre klar, und niemand dürfte das Siegel über den Linien lösen, sonst würde er einen Fluch befreien, der seit Urzeiten über die Linien wacht.

Und Akka sagte Tokka-Tak: Tut mir leid, aber das war es dann wohl, wenn Du keinen Krieg entfesseln willst.

Aber Tokka-Tak konnte nur sagen: Sie kennen die Linien auch, also haben sie auch welche auf ihrem Land?

Akka bekam wieder sein süffisantes Grinsen: Nun, wenn Du unseren Nachbarn mal eine ordentliche warme Mahlzeit gönnen willst, nur zu, besuche ihre Linien.



Aber als Tokka-Tak sich am nächsten Morgen aufmachte, die Linien der Nachbarn zu untersuchen, da spürte er einen Schatten und er rief: Akka habe ich dich um Hilfe gebeten?

Und da sprang Akka von einem Ast ab und sagte: Dabei hätte ich mich über eine Einladung doch gefreut.

Aber Tokka-Tak sah ihn nur böse an, weil er wegen ihm und dem schlechten Wasser nicht mehr gut hören konnte, und Akka entgegnete besänftigend: Nicht vergessen, es mag sein, dass du ein großer Lauscher gewesen bist, aber jetzt bist Du ein großer Seher, oder nicht?

Das nächste Piktogramm, was sie fanden, war noch rätselhafter. Jemand hatte ein Loch gegraben, und jemand hatte aus den Dingen die er in der Erde gefunden hatte, ein Feuer gemacht. Brennende Erde hatte beide noch nicht gesehen. Aber das irritierende war, die viele geschwungenen Linien, die sie abgelaufen hatte, und die so schwierig zu verstehen waren, fügten sich zu einem Totenschädel zusammen, der etwas eigenartig aussah, vielleicht von einem Affen stammte, aber deutlich ein Totenschädel war, und sehr drohend waren vor dem Totenschädel gekreuzte Knochen.

Für Akka war die Sache klar, mit einem Lächeln sagte er: Ein Kochrezept.

Tokka-Tak: Wieder eine magische Suppe?

Akka: Aber es gibt keinen Kessel?

Sie entschieden erst mal nach weiteren Mustern zu suchen und so fanden sie die Bauanleitung für einen Webstuhl, für einen papierenen Heißluftballon, für einen Hochofen aus Lehm und die Verhüttung von EisenErzknollen, eine Wassermühle, eine Schmiede, und sogar eine Dampfmaschine. Ich will jetzt nicht auf den Krieg eingehen, den es durch diese Entdeckung mit den Nachbarstämmen gab, weil sie Angst vor der Entfesselung des göttlichen Fluches hatten. Auch nicht davon, wie Feinde zu Freunden werden, wie Kinder gezeugt werden, und wie der Stamm beginnt, diese Erfindungen nachzubauen, und stetig neue Fortschritte macht. Auch wenn ein Rest an Geheimnis bleibt, denn die Totenschädel Bilder mit der aufgebrochenen Erde tauchen oft auf. Und schließlich können sie auch die entschlüsseln. Der arme Kerl, der das erste Stück Kohle aus einem Flöz was im Tal an die Oberfläche kam, angezündet hatte, wurde zum Besänftigen der Götter verbrannt.

Auch wenn es praktisch gewesen wäre einen Brennstoff aus der Erde zu haben, war das ein Tabu, was nicht gebrochen wurde. Feuer waren nur mit Holz erlaubt. Nur eins war ihnen nicht klar, eine große Zeichnung, mit Schiffen, die ankommen, und einer Kugel, und einer Reise, die sie antreten sollten, in der Richtung aus der die Schiffe gekommen waren. Aber es kamen keine Schiffe. Und so entwickelte sich die Kultur immer weiter und an den Küsten installieren sie versteckte Posten, die nach fremden Schiffen Ausschau halten sollten.

Und tatsächlich, es dauerte ganze drei Generationen und die ersten Schiffe trafen ein. Und so hielten sie sich an die Anweisungen der Piktogramme. Sie eroberten das Schiff und zwangen die Besatzung sie zurück zu segeln. Das klappte nicht gleich wie geplant, aber irgendwann gelang es dem nun großen und mächtigen Stamm auf der anderen Seite des großen Meeres unbemerkt von den Einheimischen kleine Inseln zu besetzen und sich anzusiedeln. Es gab immer wieder Rückschläge, häufig wurden sie krank, aber sie hatten eine heilige Mission zu erfüllen, denn die Zivilisation, die sie so entdeckt hatten grub eifrig in der Erde und förderte Kohle, um sie zu verbrennen. Es grenzt an ein Wunder, aber irgendwann hatten sie die Herrschaft über ihren Planeten und jeder hielt sich an das Tabu. Das ging so weit, bis sich die Zivilisation so weit entwickelte, dass die Menschen auf diesem Planeten glaubten, sie wären selbst die Götter. So vergaßen sie die Lehren der alten Götter, und die Geschichten von den Himmlischen Zeichen, die sie empfangen hatten, waren nur noch Geschichten.

Und gerade als sie damit anfingen, die Kohle aus der Erde zu fördern und auch das Uran zu nutzen, da gab es jemand, der die Urpiktogramme wieder entdeckt hatte, denn sie waren im Laufe der Zeit schon ziemlich verwittert und konnten nur mit modernsten Methoden sichtbar gemacht werden. Denn es waren, wie die Forscher erstaunt feststellten, keine Steinbilder, sondern Zeichnungen, die mit einem Laserstrahl in den felsigen Grund gezeichnet wurden.

Und aufgrund von rekonstruierten Wetterdaten war um die Zeit der Zeichnungen auch ein großer Brand festzustellen. Es brauchte noch fast 100 Jahre, bis man sich sicher war, aus welcher Region des Weltraums, von welchem Exoplaneten das Lasersignal kam. Genauso lange dauerte es auch, bis man feststellte, dass das Verbrennen der Kohle in der Erde, und des Erdöls keine gute Idee war, sondern eine Evolutionäre Hürde. Hätten sie diese Warnung der Götter nicht gehabt, dann hätten sie ihren Planeten unbewohnbar gemacht, soviel ist sicher.

Es wird noch einmal Zweihundert Jahre dauern, bis sie ein Raumschiff gebaut haben, um zu der Heimat der Götter zu fliegen. Nur gut, dass sie noch etwas gewartet haben, denn erst wollten sie auf dem Götterplaneten siedeln, aber je mehr sie über ihn erfuhren, desto mehr wurde ihnen klar, dass er unbewohnbar war. Und noch bevor sie wieder heimgekehrt waren, konnten sie rekonstruieren, was geschehen war. Denn sie fanden umfangreiche Aufzeichnungen von lasergezeichneten WolframScheiben in Binärcode, die in Porzellan eingegossen die Zeiten und die mörderische Schwefelsäure verseuchte Atmosphäre und die enorme Hitze überstanden hatten. Dort war nicht nur die Geschichte der Menschheit, der Gencode der meisten Lebewesen der Erde, als auch die letzten Tage der Menschheit verzeichnet. Man hatte durch fossile Brennstoffe die Atmosphäre zerstört und die Erde unbewohnbar gemacht. Die Elite glaubte, dass sie das überleben würden, aber als ihnen klar war, dass auch sie sterben mussten, und die Siedlung auf dem Reserveplaneten Mars ein schöner Traum war, da begriffen sie, dass sie an einer Evolutionären Hürde, an einem Filter gescheitert waren und beschlossen den Exoplaneten, den sie kolonisieren wollten zu warnen, um wenigstens diesen Humanoiden es zu ermöglichen die Hürde zu nehmen.

Es gab große Diskussionen, wie man nun weiter verfahren sollte, denn der Glaube war nicht mehr tief. Aber schließlich opferten sie einen großen Mond, und halfen dort durch fortschrittliche Terraformingtechniken, den irdischen Menschen und Tieren und Pflanzen, noch einmal zu leben. Es gab auch große Diskussionen darüber, ob man ihnen das nicht sagen müsste, ob man ihnen ihre Geschichte nicht erzählen sollte, aber man beließ es dabei und errichtete so ein lebendiges Denkmal für eine wiederauferstandene Zivilisation, die einst ihre Götter gewesen waren.





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Oekohelden

Xoxis Botschaft aus der Tiefe des Raumes

von Konstantin Schemat und Dominica Schemat

Es ist manchmal gar nicht leicht zu sagen, wann eine Geschichte angefangen hat, vielleicht war das kurz vor dem Jahrtausendwechsel, ich weiss jetzt nicht, ob ihr euch noch daran erinnert. Alle warteten darauf, was jetzt als nächstes kommt. Es gab Internet, Mobilfunk der Gencode des Menschen wurde ausgelesen, es könnte jetzt wirklich etwas neues beginnen. Und vielleicht erinnert ihr euch noch, Bill Clinton war Präsident und alle haben ihm zugesehen, wie er gelogen hat. Sie waren alle auf die grosse Lüge fixiert, dass sie mit einer anderen Lüge gar nicht gerechnet hatten. Es wurde das erste Funksignal von einer ausserirdischen Zivilisation aufgefangen. Wenn ihr nichts davon mitbekommen habt, dann müsst ihr euch nicht wundern, weil solche Ereignisse der Geheimhaltung unterliegen. Jemand funkte vom 40 Lichtjahre entfernen Exoplaneten aus, der im Sternbild Schlangenträger liegt. Er behauptete er hiesse Xox und hätte keine Lust sich auf seine Klausur für Sagitarius Dialekte der Humanoiden vorzubereiten, er wollte statt dessen lieber mit den Leuten, die dort wohnen würden selbst mal reden. Der Funkspruch endete mit: Scheisse, mein Dad kommt, jetzt gibt es Stress. P.S. Bitte antwortet nicht auf diese Botschaft, denn es ist uns allen strengstens verboten mit einem Alien Kontakt aufzunehmen. Wenn ihr das tut, dann drehen die hier total durch, wer weiss was sie dann mit euch machen, und mit mir.

Danach war erst mal für Wochen Sendepause. Expertenteams unter strengster Geheimhaltung analysierten die Sprache, die sich als eine Art Esperanto Dialekt herausstellte. Funkexperten stellten fest, dass das Signal ungefähr aus der angegebenen Richtung im Weltraum stammte, aber es gab dort einige Ungereimtheiten, es schien sich mit einer grösseren Geschwindigkeit relativ zur Erde zu bewegen, als der Bahngeschwindigkeit bekannter Planeten. Alle Antennen am Himmel waren nur auf dieses System gerichtet.

Es dauerte 3 quälende Wochen da kam das zweite Signal: Ich soll euch noch von meiner kleinen Schwester sagen, wenn ihr noch mehr CO2 verbrennt, dann werdet ihr aussterben. Sorry die Kleine ist echt ne Dramaqueen. Aber irgendwie hat sie schon recht. Es schafft nur jede 100ste Zivilisation, die Scheiss Kohle und das Öl in der Erde zu lassen. Also viel Glück dabei. Und glaubt ja nicht, ich will euch ein schlechtes Gewissen einreden oder so. Ich bin auch ein bequemer Typ und so, aber bei diesem Kohle und Öl Ding, das ist etwas anderes. Mist, ich glaube sie haben meine Signatur. Ich muss jetzt aufhören Leute, und wenn ihr mir nicht glaubt, dann schickt uns doch einfach mal eine Art Grussbotschaft, dann habt ihr ein anderes Problem als nur euer Klima. Euer Xoxi.

Na ja, ihr glaubt vielleicht, dass niemand etwas für das Klima tut, aber als sie diese Botschaft bekommen haben, da haben sie doch was getan, oder wenigstens etwas mehr darüber geredet. Und beinahe hätte die USA auch einen zweiten Klimapräsidenten einen neuen Jimmy Carter gewählt, den Al Gore. Na ja, die Mehrheit der Stimmen hatte er ja schon. Beinahe hätte dieser Typ, der sich Artefakt nennt doch die Erde gerettet. Er hat einen Satelliten aus der Umlaufbahn gehackt, um diese Botschaft zur Erde zu senden. Wenn sie den jemals erwischen, Heidewitzka, das wird kein Vergnügen.

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Boomerang

Konstantin Schemat und Dominica Schemat

Die Menschheit hatte zwei Optionen, ein Mehrgenerationenraumschiff bauen, um die Erde zu verlassen oder dem Klimawandel zu begegnen. Darüber entsteht ein Bürgerkrieg und tatsächlich gewinnt die Technische Lösung des Mehrgenerationenraumschiffs. Der wichtigste Gegner des Raumschiffskonzepts wird begnadigt. Nicht weil er es selbst will, denn während des Aufstands sind alle die er liebt umgekommen, nun soll er an dem Raumschiff mitarbeiten. Aber er weigert sich, das Einzige, was er baut, das sind selbstversorgende Brutkästen, die tiefgefrorene Embryonen zu Menschen heranwachsen lassen und NannyBots, die sie in den ersten Jahren ernähren und beschützen. Das Ganze befindet sich in einem äußerst robusten Schutzmantel. Und alle verdächtigen ihn die Gene seiner toten Freunde darin untergebracht zu haben, und tatsächlich, ist es seine Gruppe, die für den Erhalt der Erde kämpfen wollte.

Dann verlässt das Mehrgenerationenraumschiff die Erde, die durch Klimawandel und Verschmutzung bedroht ist. Aber da es übereilt gebaut wurde, sterben an den Fehlfunktionen, rückschrittlichen Selbstheilungstechnologie und an dem Mangel an Nahrungsmittelerzeugung nach einer grausamen Kanibalenphase alle Passagiere. Die Hungernden wollten wieder zurück zur Erde, aber diesmal ist es jemand von den Leuten, die vorher gegen das Mehrgenerationenraumschiff waren, die jetzt kein Zurück mehr wollen, weil sie auf die Brutkästen hoffen und sterben wollen, um die Menschheit zu retten. Nur die gerade entwickelten automatischen Brutkästen funktionieren ebenso wie die Steuerung und in 123 Jahren erreichen sie das Orbit des Exoplaneten, die Inkubatoreinheit kann im Ozean landen, und beginnt mit der Belebung der Klone der Freunde.

Dann gelingt es einigen Menschenkindern zu überleben auf diesem Planeten, weil die Nannybots Waffen haben, können sie jagen, aber sie haben nicht mal eine Sprache, und die Nannybots versagen auch immer öfter. Aber sie können den Kindern noch beibringen, wie man einen Jagdbogen baut und das Feuer einsetzt.

Die Menschheit geht durch einen evolutionären Flaschenhals, es gibt viele Erbkrankheiten, aber dann kann sie sich doch vermehren, weil sie eine fruchtbare Gegend in einem Grabenbruch erreicht, wo die Menschen langsam die Kontrolle über die Natur übernehmen und sich vor wilden Tieren schützen können, indem sie in ehemaligen Lavatunneln leben, in die sie sich an der Wurzel einer riesigen Feige herabseilen, die sie forthin als Weltbaum verehren. Damit entwickelt sich auch ihre Sprache weiter. Die ersten spracharmen Generationen sind sehr desorientiert, es kommt öfter zu Gewalt und allen Formen des Wahnsinns. Aber dann erfinden sie eine Religion, wie sie aus einer Feige und Mondlicht gezeugt wurden, um über das Licht und die Erde zu herrschen. Sie entwickeln dann auch einen Ritus, den sie das kalte Feuer nennen, was eine rudimentäre Laterne aus dünnen Tierhäuten und einer Bienenwachskerze ist. Von da an, erleben sie eine Entwicklung wie die Erde in der Antike hinein zu einer den Griechen ähnlichen Kultur kommen. Doch dann kommt es zu der Sensation, die Disziplin des Historikers ist erst gerade erfunden, da finden sie das Raumschiff. Von den Priestern wird der Fund geheim gehalten und als Tabu erklärt, so vergehen einige Jahrhunderte, bis ein junger Mönch auf der Suche nach dem Versteck eines Mörders von seinen Klosterbrüdern, eine Wand aufbricht, deren Inhalt so geheim war, dass sie ihn alle vergessen haben. Dort findet er das Raumschiff und so beginnen sie das Raumschiff zu erforschen.

Sie stehen sie, ein Volk was mit den Griechen zu vergleichen wäre, vor der Wahl, den Fund an die Perser herauszugeben oder ihn selbst zu nutzen. Sie entscheiden sich sehr knapp, es mit der Technik dieses Schiffs zu versuchen, was fortschrittlicher ist, als alle Schiffe die sie kennen. Und so können sie mit diesen Waffen, die sie anhand der Vorlagen entwickeln die Weltherrschaft erreichen, und das Mittelalter überspringen und mit Siebenmeilenstiefeln die Neuzeit erreichen.

Wieder belastet ihre Entwicklung die Atmosphäre, wenn auch in etwas geringerem Ausmaß, als die Menschheit vor ihnen auf der Erde. Und wieder streiten sie sich, ob sie ein Mehrgenerationenraumschiff bauen sollen, um zu ihrer Heimat (so nennen sie die Erde) zurück zu kehren, oder sich lieber um die Atmosphäre ihres Planeten zu kümmern.

Es gibt wieder zwei beinahe Bürgerkriegsparteien, die sich streiten, was zu tun ist und sich bekämpfen. Aber es ist etwas anders, ein neuer Mitspieler sucht eine dritte Lösung und hat den Verdacht, dass sie sich in einer Schleife befinden. Beide Parteien halten ihn für bekloppt aber ungefährlich, und nennen ihn Deja vu. Deja vu entwickelt ein Spiel, bei dem es darum geht, andere zu überzeugen, dass den Cyberspace verlässt und reale Propaganda in die Welt hinausschickt. Dadurch werden die Konflikte zwischen den Mehrgenerationenrauschiffbauern und den Atmosphärenschützern noch angestachelt, aber dann fängt sich das Rhetorik(Propaganda)Spiel, und man einigt sich, nicht in den Krieg zu ziehen, sondern, das Ergebnis in diesem Spiel soll entscheiden und alle schwören sich daran zu halten.



Das Rhetorikspiel

Und in dem Spiel wird die ganze rekonstruierte Geschichte der Menschheit noch einmal aufgerollt, von dem Raumschiff, was seinen Planeten verlassen muss, wegen einer Katastrophe. Und jeder kann dort eine wichtige Rolle einnehmen. Aber da viel gekämpft gerungen und gestorben wird, müssen sie bald in andere Rollen schlüpfen, entfernte Verwandte der glänzenden Herrscher, die weniger glamourös sind, aber immerhin leben sie noch, und so bewegen sie sich in dem Spiel bis zu dem Zeitpunkt in der Gegenwart, bis zu ihrem realem Körper, ihren realen Freunden und Feinden, ihren realen Fehlern und Möglichkeiten. Und wenn die Frage "Was wollen wir tun?" früher noch unbequem oder uninteressant war, plötzlich gibt es nichts was interessanter ist, und während sie das Spiel spielen, wächst ihre Intelligenz immer mehr zusammen, erleben sie das erste Mal, wie sie ein großes Kollektiv bilden können, ohne einen Feind, den sie nur gemeinsam vernichten können, sondern einfach nur aus einem einzigen Grund, weil es ihre Sache ist. Und so beginnen sie die Demokratie neu zu erfinden.



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Die Geschichten der Saturnis

von Konstantin Schemat und Dominica Schemat (2019)

Toras Duram sät den Kriegsvirus, ohne es zu wollen. Er gewinnt gegen eine Übermacht und muss dann gegen eine noch grössere Übermacht aufgeben. Er weiss, dass er eine romantische Insel verteidigt, mit tiefen Kastanienwäldern, duftenden mannshohen Macchie, schneebedeckten Bergen und steil ins Meer abfallenden Felsklippen und weiten Sandbuchten. Er weiss dass die singenden Reiterinnen auf ihren Eseln überall Stoff für Geschichten geben. Ihre schwarzen Gewänder, die sie im Stil des Orients fast vollständig verhüllen, die zottelige Eselsart mit dem Grau der Kalkfelsen auf der sie reiten, und bei Mondlicht kann man nur die schwarzen Gewänder sehen, wenn sie wie Geister über die Felsbänder ziehen, aber nicht ihre Esel, die Tiere sind gemacht für die steilsten Wege im Hochgebirge, die sie aber nur mit leichten und gelenkigen Reiterinnen erklimmen können. Niemand wagt es sie anzugreifen, weil sie auch alle wissen, dass sie sich verteidigen können, mit ihren dünnen und elastischen Dolchen mit den Giftrinnen, die sie mit leichtem Wachs verschlossen haben, damit die Wärme der Wunde sie blitzschnell öffnet, um ihr Gift freizugeben. Manche Dolche mit Spitzen, die so fein auslaufen, dass sie brechen können, wie die Seeigelstachel. Ein kleiner Stich, wie von einer Biene, und da liegst du, mit Schaum im Mund, wie ein Ertrinkender in der Wüste, auf dem im Mondlicht leuchtenden Kalksteinweg. Sie nennen sie Mondmädchen. Und nur die bleichesten Töchter können ein Mondmädchen werden, sagen sie. Eigentlich müsste man sie Sonnenaufgangsmädchen nennen, denn sie bringen die Waren ganz frisch, wenn noch der Tau auf den Blättern liegt, am frühen Morgen. Oder sie holen den frischen Käse von den Almen. Aber da sie verhüllt sind, geben sich auch junge Männer für sie aus, und sogar alte verrückte Frauen, die wieder anfangen von ihrer Jugend zu erzählen, steigen auf die zotteligen staubgrauen Esel und reiten durch die Nacht und müssen dann ihren Tieren ganz vertrauen, und die Augen schliessen, wenn es über die ausgesetzen Grate geht.

Wer ein solches Land verteidigt, der hat alle Sympathien, das weiss auch Toras Duram. Aber erst mal muss er es kennenlernen, weil er ein Fremder ist, muss er selbst auf so einen Esel steigen, und sich durch die Nacht tragen lassen. Und als er das das erste Mal zu den Klippen und Graten aufbricht und sein Leben diesem ihm so fremdartig erscheinenden Reittier anvertraut, da wird ihm ein Geheimnis offenbart. Denn man lauert den Mondmädchen doch auf, aber in friedlicher Absicht, bietet ihnen eine kleine, hier typische, nach reifen Pfirsich schmeckende Melone an, oder getrocknete Sauerkirschen oder auch Apfelringe, oder auch auf winzigen Feuerchen gekochter frischer Tee, mit den Kräutern und dem Honig der Berge, in der kalten Jahreszeit gibt es manchmal auch geröstete Kastanien, die nicht nur den Magen füllen, sondern auch die Hände wieder wärmen. Einige sind zu stolz das anzunehmen. Andere nehmen das gerne mit, besonders die alten Mädchen, die besonders freundlich von den jungen Romeos bewirtet werden. Toras Duram erwartete Spott und Wut, als er sein Gesicht zeigte, aber die beiden Jungs an ihrem Teefeuerchen prahlen nur von ihren Mondmädchen Ausritten und von den Prügeln ihrer Väter, als sie erwischt wurden. Da weiss Toras Duram, alle würden dieses Land lieben, und wenn diese Menschen gegen die arrogante Übermacht siegen sollten, dann können sie nie wieder richtig verlieren, auch wenn die Eroberer danach eine noch grössere Übermacht entsenden. Diese Menschen werden gewinnen, weil ihnen die Geschichte gehört.

Was Toras Duram aber nicht ahnt, wie gut sein Plan aufgehen wird. Selbst die Niederlage nach dem Sieg, ist ein noch größerer Sieg, der den ganzen obszönen Militärapparat des Usurpators bloss stellt. Und es gibt niemand auf der Welt, keinen Herrscher und keinen Rebellen, der nicht gerne mit Toras Duram dem Befreier und Anführer dieses Volkes ein paar Wochen verbracht hätte, niemand, der nicht versucht hätte, den Helden in seinem Reich anzusiedeln. Er ist der beliebteste Mensch dieser Welt und das Volk was ihn adoptiert hat, war das, zu dem alle anderen aufblickten. Aber leider führt die Glorifizierung des Kampfes dazu, dass der ganze Planet so besoffen ist, von Heldengeschichten, dass er nicht spürt, wie er immer weiter hochrüstet, zu dem nächsten gerechten Krieg. Und es gibt keinen Unterdrücker, keinen Tyrann, der nicht ohne Anrufung von Toras Duram in den Krieg zieht.



Die Erde ist oft die Quelle der Geschichten im Sonnensystem und wird dann von den anderen Völkern im Sonnensystem nachgespielt. Dabei kommt es nicht so genau darauf an, ob hier die Geschichten der Turarequ mit denen der Korsen vermischt werden, so wie in diesem Fall. Es kommt auch gar nicht darauf an, ob es auf dem Planeten Esel gibt. Auch wenn unheimlich viele Saturnis gerne auf einem Esel geritten wären. Alles nur eine Folge der Geschichte. Es gibt unendlich viele Memes mit Eseln, die über den Wolkenplaneten reiten, oft mit haarsträubenden Begründung, wie ein Esel die kalten Saturnwolken überleben könnte. Und was noch wichtiger ist, wie er so leicht werden konnte, um auf der Oberfläche der Wolke zu treiben, und das bei den Windgeschwindigkeiten, die auf dem Saturn herrschen und ohne die praktischen Finnen, die Gott den Saturnis geschenkt hat, damit sie sich über den ganzen Planeten verteilen können. Und wieder nach oben kommen können, um ein bisschen von dem fahlen Sonnenschein zu erhaschen, den es hier, so weit von dem Zentralgestirn noch gibt. Die Saturnis glauben, dass sie eine Gelegte Kultur sind. Auch wenn es auf dem Saturn keinen einzigen Nachkommen der Dinosaurier gibt, kein einziges Huhn, haben sie doch so etwas wie Eier. Nur sind ihre Eier mit warmen Wasserstoffschaum gefüllt, haben eine glasklare ultraleichte und hochisolierende 12 fach Hülle und sind leicht genug gebaut, um auf dem Wolkenmeer treiben zu können. Ursprünglich waren die Überlebenseier so gross, dass sie eine kleine Herde Saturnis aufnehmen konnten. Denn die enorme Schwerkraft erlaubt nur kleinste Wesen, wie die däumlingsgrossen Saturnis, ausserdem muss man jedes zusätzliche Gewicht wieder durch ein Meer an Wasserstoff und damit eine grössere Kugel, wieder kompensieren. Obwohl die kleinen gewichtsoptimierten Wesen perfekt angepasst sind, können sie nur Bewusstsein empfinden und Pläne schmieden, wenn sie ein Denkkollektiv bildeten. Und das obwohl ihre Denkkraft so konzentriert ist, wie bei dem irdischen Geierperlhuhn, die mit erbsengrossen Hirnen Sozialverhalten von Primaten zeigen. Doch mit den Quantenneuronen, änderte sich alles. Plötzlich gab es viele kleine Bewusstseine in den Eiern, und man ging sich trotz aller social skills ziemlich auf die Nerven. Das Motto lautet, jedem sein eigens bequemes Flugei. Und so treiben einzelne Selbste jetzt in den geräumige Gruppen Eiern durch das Wolkenmeer und haben einen Markt für EierInneneinrichtung entstehen lassen, über den nicht nur Fabergé erstaunt wäre. Das Segeln, wenn man es denn überhaupt so nennen kann, in den Saturnwolken erfordert ein unglaubliches Geschick. Eine ganze Zeit passiert nichts, da bläst alles aus einer Richtung, wenn man in die Andere Richtung fahren will, muss man es mit Kreuzen versuchen, aber die zarten Eier ertragen es nicht, so belastet zu werden, deshalb taucht man auch gerne in tiefere Schichten, um die Windrichtung zu wechseln. Das ist aber nicht so einfach, weil es dort nicht nur dunkel ist, nein, es herrscht auch ein unangenehmer Druck, der die Eier zwar nicht beschädigen kann, weil sie sich auf den Druck einstellen können und schrumpfen, aber es ist kein Vergnügen. Oder, wenn dies möglich ist, können sie zusätzlichen Wasserstoff aufnehmen, oder sogar schwerere Elemente. Aber das ist so extrem strapaziös für die Eierbesatzung, dass selbst Saturnis mit Quantenneuronen alle Denkaktivitäten, die nicht der unmittelbaren Lebenserhaltung oder der Steuerung ihrer kleinen Überlebensblase dienen, volltändig zurückfahren müssen.

Trotz alledem beziehen sie sich auf die Geschichten der Erde, sagen, sie seien gesegelt wie Moby Dick. Das ist typisch für sie, ganz gleich ob Moby Dick, Kapitän Ahab, Christoph Columbus, Neil Armstrong oder sogar Noah, sind sie nicht alle auf die eine oder andere Art "Segler"? Das dürfen wir ihnen nicht so übel nehmen, denn ein Philosoph, der sich im Stil von Walter von der Vogelweide auf einen Stein setzt, das ist für sie das Exotischte, gerade noch vor der Grenze des Unvorstellbaren. Hingegen dass es sich beim Pottwal und bei Homo Sapiens um zwei scharf voneinander zu unterscheidenen Wesen handelt, das würde kein Saturni behaupten. Er würde sagen, wäre es nicht gut, wenn Homo Sapiens mal so richtig Tintenfischhunger bekommt, wenn er dann seine Pottwalform annehmen würde?

Wir sprechen hier bisher nur über den durchschnittlichen Saturni, aber dieses Volk hat auch ihre Vogelweiden. Und so war es für Doc Truck ganz selbstverständlich, irgendwann zur Erde zu reisen, um sich auf einen Stein zu setzen. Und niemand von den Saturnis findet das verrückt. Nein, überhaupt nicht, sie mögen es, wenn man es schafft, mit Geschichten und Phantasie die Weltraumwolke namens Saturn mal für eine Weile zu verlassen. Und so muss Doc Truck auch nicht lästige Photosynthese betreiben, und auch nicht seine Wolkenturbinen in Schuss halten.



Irgendwann kommt er mit einem Kollegen zusammen, der dann sofort seine Freunde aus der selben Wolkenformation herbeiholt, die ihn dann mit den besten Grundstoffen und auch einigen Spezialitäten versorgen, die man nur auf dem Saturn züchten kann, nur damit er ihnen die Geschichte erzählt, wie Toras Duram in den Krieg zieht. Aber das löscht ihren Geschichtendurst noch lange nicht, wenn er ihnen nicht erzählt, wie er sich seine Reise auf die Erde vorstellt, und auch, was denn ein Stein sei, und wozu der überhaupt noch da wäre, wenn er das nicht erzählt, lassen sie ihnen nicht los. So neugierig und geschichtendurstig sind Saturnis. Was für ein Glück, dass Doc Truck so ein genialer Erzähler ist, denn viele andere, mittelmässige Erzähler, lahme-Geschichten-Herunterleierer haben schon ihren Tod gefunden, weil sie von den Saturnis zu sehr bedrängt werden, doch endlich eine wirkliche Geschichte zu erzählen. Und damit ihr wisst, dass nicht alles so toll bei den Saturnis ist, bedauert wurde keiner der mittelmässigen Erzähler für sein Schicksal, manövrierunfähig, mit havariertem Ei, in der grossen Saturnwolke zu versinken.

Auf dem Saturn sollte man wirklich wissen, ob man ein Dichter ist, oder doch nicht. Aber das ist nicht die einzige Gefahr auf dem Gasplaneten. Erwähnenswert sind noch die bei den Saturnis nicht sehr beliebten Narzißpfützen, die sich Paradoxerweise in den oberen Schichten des Gasplaneten bilden, dort wo die Sonne noch scheint. Sie sind nicht mal für den heimlichen Dichter ganz ungefährlich. Denn sie spiegeln ihm sein wahres Selbst in vergrösserter comicartiger Weise zurück. Und wenn sich jemand heimlich für einen Dichter hält, die verdammte Narzißpfütze bringt es ans Licht. Und dann muss man im Erfinden von Ausreden, warum man doch kein Dichter sein will, mindestens so erfindungsreich sein, wie ein wirklicher Dichter. Was einen grossen Vorteil hat, denn durch die Narzißpfütze wird man zu seinem Coming Out gezwungen. Und wenn es dann mit der Dichtung noch nicht so klappt, sind auch die sonst sehr nachtragenden Saturnis eher tolerant. Trotzdem sind die Narzißpfützen nicht sehr beliebt, weil sie einen so oft bei einem finsteren Gedanken oder einer verstörenden Begierde erwischen. Das Einzige was man tun kann, ist die äusseren Gasschichten zu vermeiden, und eine Sonnenallergie vorzuschützen. Aber das ist noch nicht alles, denn die finsteren Gedanken können aus der Pfütze aufsteigen. Dabei borgen sie sich gerne die Gestalt des Spiegelbildes. Das sieht oft täuschend echt aus, nur bei genauem Hinsehen kann man feststellen, dass das Spiegelbildwesen eher aus einer gelantineartigen Substanz gemacht ist, so wie ein Gummibär etwa. Diese finsteren Spiegelselbste befreien denjenigen, der in die Narzißpfütze geblickt hat, zwar von seinen bösen Gedanken, aber er muss zusehen, dass er weg kommt, bevor ihn die fiesen SpiegelWesen erwischen, und mit ihm kurzen Prozess machen. Dieser Hassboomerang Effekt ist äussert wohltuend für das Zusammenleben der Saturnis.

Obwohl man von der Erde aus den Saturn mit allen möglichen Sonden untersucht hat, scheinen die Narzißpfützen den Erdlingen verborgen geblieben zu sein. Denn sonst hätten sie nicht ein von einer Zigarettenmarke gesponsertes Raumschiff in der Form einer Riesenkippe zum Saturn geschickt, um, wie es heisst, herauszufinden ob auf einem Gasplaneten, wirklich Rauchen verboten ist.

Die Narzißpfützen müssen die WeltWerber schon von weitem gesichtet haben, denn sie konzentrierten sich genau an der Stelle, wo Spaceship Kippe mit der Atmosphäre des Saturn zum ersten Mal in Kontakt kommt.

Zum ersten und zum letzten Mal.



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Mein Freund das Schwarze Loch von Konstantin Schemat und Dominica Schemat

Vorwort

Mitleid kann ein Gift sein, übler und vor allen Dingen hinterhältiger, als die eigentliche Katastrophe. Es macht dich zum Opfer, zum Ding, zu schwach, zu dinghaft, um noch etwas eigenes zu wollen. Selbst wenn Du nicht in die Opferschublade gestossen wirst, wenn Du freiwillig hinein hüpfst, dann lassen sie dich trotzdem nicht so schnell wieder heraus. Diese Geschichte ist für Dich, wenn sie dich erwischt haben, wenn das Glück dich verlassen hat, wenn es oben friert, 0 Grad Kelvin, alles tot, während unten die Scheisse kocht und Du dich entschlossen hast, nur Mitleid von einem einzigen Lebewesen zu akzeptieren, dir selbst. Ich kann dir nicht garantieren, dass es hilft, aber einen Versuch ist es wert.

Zacharias Vater

Zacharias Vater hat mal die Welt umsegelt. Er kann tolle Geschichten erzählen, die ihm auf der Weltumseglung eingefallen sind, mit ihm braucht man kein Streaming. Eine seiner besten Geschichten ist die von dem Fänger, den die Seeleute nie beim Namen nennen, weil sie so abergläubisch sind. Echte Seeleute sagen zu dem Fänger immer: Der andere Mann. Vor dem anderen Mann, so sein Vater, fürchten sich die Seeleute, sobald das Schiff still steht. In einer Flaute, besteht Gefahr, dass der andere Mann an Bord kommt. Ist der andere Mann einmal an Bord, kann man ihn kaum wieder loswerden, denn sein Trick ist, er kann andere Menschen verschlucken, so wie es sonst nur eine Amöbe kann, die sich einfach wie eine lebendige Pfütze über das ergiesst, was sie schlucken will, und dann ist alles, was an dir draussen ist, bei der RiesenAmöbe, dem anderen Mann drinnen. Das macht er so geschickt, Du merkst überhaupt nichts, bis auf das es vielleicht ein bisschen feucht wird, aber wenn Du auf See bist, dann passiert das oft, dass es ein bisschen nass und klamm ist.

Zacharias will wissen: Wie wirst Du ihn wieder los?

Der Vater wiegt den Kopf hin und her: Schwierig.

Zacharias: Ich weiss, wie ich es mache, ich gehe einfach an die Küchenschublade (Zacharias geht dramatisch an die Küchenschublade und reisst sie in einem Schwung auf und schnappt sich den Sparschäler), und schäle mich frei.

Vater: Keine schlechte Massnahme, aber woher weisst Du denn, dass du im anderen Mann bist? Du willst Dich doch nicht selbst wegschälen, oder?

Zacharias: Na das ist mir aber eine lustige Frage.

Zacharias rennt zum Kühlschrank und kommt mit einer Scheibe Gemüsesülze wieder.

Vater: Oh, Junge, bitte quäl mich nicht damit.

Zacharias: Nicht quälen, nur durchgucken.

Der Vater sieht durch die Sülzescheibe aus dem KüchenFenster in den Wald und sagt: Sehr sülzig da draussen.

Zacharias: Siehst Du, immer wenn es draussen sülzig ist, bist Du mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einem anderen Mann.

Vater: Das ist ein super Trick, wenn ich den nur schon vorher gewusst hätte. Aber im Ernst, der andere Mann ist auch nicht nur blöd, der kennt den Sülzentrick schon, er hat sich nämlich alle Mühe gegeben, dass dir überhaupt nicht auffällt, dass dich ein anderer Mann verschluckt hat.

Zacharias: Echt jetzt!?

Vater: Er hat nämlich eine ganz fortschrittliche Technik in sich, die sogenannten Nervenschleicher, das sind Nervenzellen, die ein bisschen an winzige Nacktschnecken mit ihren kleinen vorwitzigen Fühlern erinnern, die sich an deine Augen und Ohren und auch an deine Hand heranschleichen, und alles übertragen, was der andere Mann fühlt. Aber sie können nicht nur die Gefühle perfekt übertragen, sondern auch, wenn Du was willst, wenn Du deinen Arm bewegen willst, der in dem Arm von dem anderen Mann steckt, dann überträgt dein Arm über die Nervenschleicher von dem anderen Mann, was für eine Bewegung du machen willst, und dann macht der andere Mann die auch. Wenn der will, dann macht der alles mit, was Du auch willst. Verstehst Du, im Grunde genommen ist der andere Mann nichts anderes, als eine Art Doppelgänger von dir, der dich verschluckt hat, und der mit raffinierter Biotechnologie alles was er fühlt an dich weitergibt. Wenn jetzt der Wind auffrischt, dann spürt nicht nur der andere Mann das, sondern auch Du. Und so bekommst Du überhaupt nicht mit, dass Du in deinem Doppelgänger steckst, dass dich dieser eigenartige Doppelgänger verschluckt hat.

Zacharias der mit der Sülze vor seinen Augen rumgespielt hat, nimmt sie erschrocken von den Augen: Ja, dann merkst Du gar nicht, dass Dich der andere Mann verschluckt hat.

Vater nickt: Das ist schon vielen Seeleuten so geschehen, besonders, wenn sie zu sehr auf den Flaschengeist gehört haben, der in den Rumflaschen steckt.

Zacharias: Aber die anderen müssen es doch merken, wenn ihre Freunde plötzlich grösser geworden sind und anders aussehen. Wie kriegt der andere Mann das hin?

Vater reibt seine Vollbart: Natürlich kann der andere Mann jedes Aussehen nachmachen, was er will, ist ganz einfach, er muss es sich nur ansehen, und schon hat er sich in dich verwandelt. Aber die Sache mit der Grösse, das ist wirklich ein Ding, über das ich noch gar nicht nachgedacht habe.

Zacharias Vater schlägt sich mit der flachen Hand auf die Stirn und sagt erstaunt: Stimmt ja, er muss ein ganzes Stück grösser sein, der andere Mann, wie kriegt er das nur hin, dass das keiner merkt?

Zacharias ist begeistert: Das ist ein Geheimnis!

Der Vater in gespielt grossspurigem Ton: Mit mir kann der andere Mann das aber nicht durchziehen, denn nun weiss ich, was man machen kann, man kann es genau spüren ...

Zacharias vollendet den Satz: ... dass es verdammt nass ist, wenn er dich verschluckt hat, eben doch wie in Sülze.

Zacharias Vater lacht laut und scheppernd los und klopft seinem Jungen anerkennend auf die Schulter.

Zacharias: So einfach lassen wir uns nicht reinlegen, was?



Aber Zacharias hat noch etwas anderes erfunden, was man tun kann, wenn der andere Mann kommt und deinen Vater verschluckt hat. Besonders dann, wenn noch der Flaschengeist dazu kommt. Dann bleibt einem nämlich nichts anderes übrig, als sich total anzustrengen unheimlich langweilig zu sein. So langweilig, wie jemand, der immer ganz ordentlich ist, sich immer die Zähne putzt und die Schuhe, der alles erledigt, fehlerfrei natürlich und jeden Tag das Gleiche macht. Dann findet der andere Mann nichts zum meckern, und bald ist er verschwunden.

Aber Zacharias musste feststellen, dass das nicht immer funktioniert, in schweren Fällen, wenn der Flaschengeist dazu gekommen ist, dann muss man zusätzlich noch so tun, als wäre man auch von einem anderen Mann verschluckt worden, nur dass dieser ganz anders konstruiert ist, viel praktischer, dass er nur alle netten Gefühle zu Zacharias in seinem Inneren weiterleitet und alle anderen Gefühle, die kommen einfach nicht durch. Zacharias: Im Ernst, wenn ich in den anderen Mann gekrochen bin, in der Spezialanfertigung sozusagen, dann kannst Du mir eine Ohrfeige geben ... spür' ich einfach nicht. Oder Du machst Muskelreiten mit mir ... kannst Du stundenlang machen, ich kriege nichts davon mit.

Nur zu dumm, dass sie es in der Schule sehen, an den blauen Flecken, die man trotzdem bekommt, und Zacharias, das genau mitbekommt, wie ihn die Lehrerin ansieht, denn immer wenn sie das macht, dann juckt das kleine Schildchen hinten im Kragen ganz fürchterlich, als wäre es aus reinstem Juckpulver.



Einmal als sein Vater noch in dem anderen Mann steckte hat er gejammert und sich entschuldigt, und Zacharias fast angebettelt, dass er sich doch verstecken soll, wenn der Flaschengeist kommt: Versteck dich dann vor mir!

Aber Zacharias wusste, dieses heulende Rotz hochziehende Wesen, das war gar nicht sein Vater, sondern auch nur eine Spezialanfertigung von dem anderen Mann, nur keine besonders gut gelungene.

Denn ganz gleich wie betrunken sein Vater auch war, wenn er Zacharias verprügeln wollte, dann fand er ihn schliesslich, und wenn er sich in der Seekiste auf dem Dachboden versteckte, oder in der Regenzisterne in der Waschküche. Zacharias lernte, im wirklichen Leben lässt sich der andere Mann nur sehr selten austricksen, im wirklichen Leben musst Du einstecken können, ohne kaputt zu gehen. Und von seinem Vater wusste er: Junge, ein Boxer kann nicht nur das Schlagen trainieren, sondern auch das Einstecken.

Was für eine optimistische Theorie.

Wohin?

Es war nich leicht für Zacharias, den Schaden auf die blauen Flecken zu begrenzen, er konnte spüren, wie er sich veränderte, und das gefiel ihm nicht. Wenn er nur irgendwo hin gekonnt hätte. Sein Vater hatte sich den Ozean ausgesucht, also musste Zacharias etwas anderes finden. Dabei beschäftigte ihn eine Frage, warum heisst es eigentlich Raumschiffe? Warum nicht Raumflugzeuge? Vielleicht sagen die Leute Raumschiff, um sich einzureden, dass das mit den Raumschiffen ja nicht so schwierig sein kann. Was braucht man schon zwingend für ein Schiff? Da reicht es doch schon aus, wenn untenherum alles dicht ist und kein Wasser rein kommt, fertig ist das Schiff. Beim Raumschiff ist das natürlich viel schwieriger, oder nicht? Wie sieht das eigentlich aus, aus einem kaputten Schiff konnte man immer noch ein Floss bauen. Gibt es auch ein Raumfloss, was man aus einem ramponierten Raumschiff bauen kann? Aber wo soll man ein kaputtes Raumschiff schon finden? In den Filmen ist das natürlich immer total einfach, da stehen die Dinger im Nebel im Wald rum, oder sogar auf deiner Fensterbank, wenn es sich um Alienzwerge handelt. Aber wie war das im richtigen Leben? Nun, im richtigen Leben, da würden die Wrackteile alle verglühen. Das ist es, was sie einem erzählen, damit man nicht mit dem Suchen anfängt, das ist doch klar. Das ist wie beim Pilzesuchen, da prahlen auch nur die Stoffels mit reicher Beute. Aber wo findet man die meisten Raumschiffteile? Das ist eine einfache Frage, natürlich dort, wo man auch die meisten Meteoriten findet. Und die findet man in der Sahara und in der Antarktis, da braucht man sie nur einzusammeln. Nur dumm dass das schon andere vorher getan haben. Aber auch auf Hausdächern kannst Du Meteorite finden, winzig kleine, dafür braucht man dann aber ein Mikroskop. Aus Sandkörnern, und haben sie noch die schönsten Muster, wie man sie nur in Meteoriten findet, da ist sich Zacharias sicher: aus Sandkörnern kann er sich kein Raumfloss bauen.

Zacharias muss lange nachdenken, bis er noch eine zweite Idee hat. Aber dann ist ihm die Lösung sonnenklar. Warum soll man zum Schrottplatz gehen, wenn man auch zum Raumbahnhof gehen kann? Natürlich kann man da nicht nach Cape Karneval gehen, da findet man nur vollständig rückständige Erdling Technik, nein, worauf es ankommt ist: man muss einen geheimen Raumbahnhof der Aliens finden. Denn das es welche geben muss, soviel ist doch klar, bei all den Exoplaneten. Und was anderes ist auch noch klar, wenn ich ein Alien wäre, denkt sich Zacharias, dann würde ich das nicht jedem auf die Nase binden, denn wenn einen die anderen Aliens besuchen kommen, das kennt man ja, was dann passiert, soviel ist sicher, eine gute Sache ist das bestimmt nicht.

Nur gut, dass Zacharias nicht lange suchen muss, um einen echten Raumbahnhof zu finden, der Steinbruch oben im Wald, das muss einfach ein Raumbahnhof sein. Es hat alles was ein Raumbahnhof braucht. Er liegt versteckt in der Kuppe des Berges, drinnen ist ein kleiner See, in dem die Raumschiffe auskühlen können und gewaschen werden, und sollte mal ein Teil abfallen, dann fällt es erst mal gegen die 30 m hohen Granitwände. Was willste mehr?



Der Meteorit

Als der Wetterbericht sagt, dass die RegenWolken endlich abziehen werden und es dann eine klare Nacht geben wird, da kann Zacharias nicht mehr zurück, heute Nacht wird er seinen Mut zusammen nehmen und hoch zum Steinbruch gehen, der versteckt oben im Wald liegt ungefähr einen halben Kilometer hinter Zacharias Haus. Taschenlampe und das grosse Klappmesser seines Vaters liegen schon bereit. Und auch die Regenjacke hat er wiedergefunden. Obwohl sie schon so eng ist, dass sie unter den Armen zwickt. Er kann sich noch erinnern, wie er protestiert hat, weil sie viel zu gross war, und seine Mutter gesagt hat: Da wächst Du noch rein. Er kann sich noch an den zufriedenen Blick seiner Mutter erinnern, wenn er die Jacke übergezogen hat. Und er weiss bis heute nicht genau den Grund. Das liegt an einer Art grossen aufgenähten LeuchtKäfer, den sie selbst auf den Rücken der Jacke genäht hat. Er funktioniert fast so wie ein Ziffernblatt einer alten Uhr, was auch das Licht speichern kann, um es als grünes Leuchten langsam wieder abzugeben. Ihr war einfach wohler dabei, wenn Zacharias im Strassenverkehr auffiel, weil die LKWs vom Steinbruch es einfach immer eilig haben.

Nur zu dumm, dass es für Zacharias, der mitten im Wald wohnt, trotzdem nicht so einfach ist, unbemerkt zum Steinbruch zu kommen. Das liegt daran, dass der Steinbruch immer noch aktiv ist und fast jeden Tag knallt es, wenn sie wieder eine Granitwand sprengen, dass die Hütte wackelt. Aber es gibt noch einen weiteren Grund, nicht zum Steinbruch zu gehen, und der ist vielleicht noch gefährlicher. Da ist der Apotheker, ein komischer alter Mann, der das alte Landschulheim gekauft hat. Er ist Zacharias einziger Nachbar und wohnt nicht weit von ihm entfernt. Was sonderbar ist, wie oft Zacharias ihm unfreiwillig begegnet, besonders, wenn er alleine unterwegs ist. Zacharias hat schon öfter Wildschweine gesehen oder sogar einen wilden Hund und kein einziges Mal hat er wirkliche Angst gehabt, aber vor dem Apotheker hat er schon Angst. Vor allen Dingen, weil er nicht weiss, wie er seine Beine gebrauchen muss, wenn der Apotheker da ist. Denn der redet und redet, solange, bis Zacharias glatt vergessen hat, dass er weglaufen wollte. Und dann ist ihm der unheimliche Alte schon so nah, dass er nur noch die Hand ausstrecken müsste und "hab-dich" sagen könnte. Natürlich könnte Zacharias dann immer noch weglaufen, aber wird er es tun? Oder wird der Alte dann wieder etwas erzählen, dass er nicht weglaufen kann. Wenn Zacharias den Alten von weitem sieht, hält er sich schon die Ohren zu, und läuft langsam rückwärts. Auch wenn Zacharias im Rückwärtsgang nicht so schnell ist, dem Alten kann er immer noch entkommen, wenn er ihn nur nicht direkt ansieht, und seine Ohren schliesst, das ist der Trick.

Zacharias holt tief Luft, bevor er in den steilen Hohlweg geht. Er hat das alles geplant. Der Weg ist zu rutschig nach dem Regen gestern und zu steil für den alten Mann, dort hat ist er bestimmt sicher vor ihm. Aber leider sorgen die hohen Bäume an seinem Rand für reichlich Schatten in der Nacht. Vor den Schatten des Tages fürchtet er sich nicht, aber bei dem spärlichen Licht am Waldboden in der Nacht, bilden sich so tiefe, so dunkle Schatten besonders unter den Büschen, dass man überhaupt nichts mehr sehen kann. Dort könnte jemand stehen, oder hocken, und selbst wenn er eine rote Clownsnase tragen würde, sehen könnte man ihn nicht mehr. Und je länger man sich mit diesen Schatten beschäftigt, desto unheimlicher werden sie. Dann dauert es nicht mehr lange und diese Schatten scheinen sich zu vermehren, wie die Tücher, die ein Zauberer aus dem Ärmel zieht, kommen sie hervor. Ein unendlicher Strom an vollkommener Finsternis, der sich immer weiter im Wald ausbreitet. Ja, ein Strom von Schatten, der sich an dich anschleichen kann, der auch droht dich zu verschlucken, damit das, was in dem Schatten geduldig auf dich gewartet hat, endlich über dich herfallen kann.

Da ist es schon passiert, auf dem Weg zum Steinbruch durch den Hohlweg hinauf stolpert Zacharias selber über eine Wurzel. Das Licht der Taschenlampe will er trotzdem nicht anmachen. Wenn er sich nur nicht noch einmal umgedreht hätte, als er endlich aus dem finsteren Hohlweg heraus ist, um zu sehen, wie mutig er gewesen ist, dann hätte auch nicht der Mann, der schon fast am Rand des Steinbruchs angekommen war und der den Wald mit seinem grossen Nachtgläsern angestrengt absuchte, auch keinen Grund gehabt so widerlich breit zu lächeln. Und er wäre still geblieben, ganz ohne den Triumpf, und hätte nicht, ganz leise, ganz verschwörerisch, nur zu sich selbst sagen können: Ich glaube, heute Nacht bekommen wir noch Glühwürmchen.



Zacharias fragt sich im Aufsteigen, warum der Alte ihn so oft zuerst entdeckt. Und als ihm dann im Nacken wieder das Etikett juckt, da ist es ihm klar: Natürlich, die blauen Flecke, die ziehen solche Leute an. Einen kleinen Moment zweifelt Zacharias an seiner Hypothese, denn schliesslich ist der Alte ein Apotheker, und bei einem Apotheker ist es doch nicht verwunderlich, wenn der sich für blaue Flecken interessiert. Aber nein, der kann Zacharias nicht täuschen, der Apotheker will etwas ganz anderes.

Trotzdem bleibt das Problem, was macht Zacharias, wenn er einmal von dem Alten gepackt wird, wenn es so weit gekommen ist? Er ist so in Grübelleien vertieft, dass er gar nicht mitbekommen hat, dass er schon an seinem Ziel angekommen ist, dass ihn nur noch wenige Schritte von dem Steinbruchsee trennen, dass er gar nicht den hellen Lichtschweif am Himmel sieht, erst als das Licht ganz nah ist, wie ein Blitz, und den Apotheker nur 5 m neben ihm, im Schatten eines Bauwagens im Steinbruch stehend sieht, hell von dem Meteoriten erleuchtet, wie ein weiss glühender Teufel in der ewigen Nacht, da weiss er, dass etwas Aussergewöhnliches geschehen ist. Und an dem Wasser in seinem Gesicht spürt er, dass es in seiner Nähe passiert sein muss. Diesmal redet der Apotheker nicht auf ihn ein, er rennt direkt auf ihn zu, verfehlt Zacharias und wartet, bis das Wasser an dieser Stelle aufhört zu brodeln, dann zieht er eine Art Stock, aus dem See, und nimmt dabei überhaupt keine Rücksicht auf seine Hose und seine Schuhe und zieht den länglichen Meteoriten aus dem Wasser. Wie versteinert steht Zacharias da, nun hat der gruselige Typ nicht nur sein Raumschiffteil, sondern auch ihn selbst. Wieviel Pech kann ein Mensch haben, wenn man weiss, dass keine zwanzig Meteoriten im Jahr in Deutschland vom Himmel fallen. Aber nun ist es zu spät, nun steht der Gegenbeweis für alle Wahrscheinlichkeiten direkt vor Zacharias und streckt den Arm nach ihm aus. Zacharias ist wie hypnotisiert: Was kann man noch einmal in so einer Situation tun? Und in diesem Moment spürt er, wie ihn der Apotheker am Schlafittchen packt, wie alles zu spät ist. Er sollte jetzt weinend zusammenbrechen, aber nein, da war doch noch ein Ausweg, wie ging das noch mal? Der Apotheker macht den Fehler, dass er Zacharias nur mit einer Hand packt, weil er seine Beute in der anderen Hand nicht aufgeben will. Und Zacharias gelingt es den Meteoriten zu fassen, er fühlt sich ganz schön schwer aus, wohl aus Eisen und Nickel, mit einem Ruck hat er dem überraschten Alten den Meteoriten entrissen, und in dem gleichen Schwung, dreht sich Zacharias um seine Achse, wie er es in einem Kung Fu Film gesehen hat und zieht dem Apotheker den Meteoriten über den Schädel.

Leider hat er den Meteoriten da aus der Hand verloren, und muss ihn in der Panik noch im stiefeltiefen Wasser suchen. Aber schliesslich hat er ihn, und rennt so schnell er kann mit seiner Beute nach Hause. Auf dem Weg dahin, überlegt er sich, wenn das so einfach ist, dann kann ich diesen Knüppel über den Kopf Trick auch mal mit dem anderen Mann probieren. Aber als er ausser Atem zu Hause ankommt, sitzt sein Vater leicht gereizt, oder besser gesagt, stock nüchtern, aber betont freundlich, auf einer seiner Wiedergutmachungsmissionen am Abendbrottisch und sagt zu Zacharias: Junge, da bist Du ja! Hast Du Hunger? Komm und setzt dich, ich hab dir was vom China Imbiss mitgebracht.



Die Heilung des Meteoriten

Zacharias hätte nicht erklären können, warum er das "Jagdsaison" nennt, denn eigentlich war es das genaue Gegenteil, er hätte Schonzeit dazu sagen müssen. Denn es war schon öfter vorgekommen, dass sein Vater wieder nüchtern war und sich fest vorgenommen hatte, dass das jetzt auch so bleiben sollte und dann ging es Zacharias gut. Er brauchte keine Angst vor dem anderen Mann haben, und auch nicht vor den Blicken der Lehrerin, die scheinbar genau verfolgte, wie seine blauen Flecken langsam die Farbe wechselten. Und auch vor dem Apotheker brauchte er sich nicht mehr fürchten, oder? Ehrlich gesagt, wäre Zacharias ganz froh gewesen, den alten Zausel mal wieder zu sehen, jedenfalls auf sichere Distanz. Er wäre froh darüber, wenn er wüsste, dass der Apotheker unversehrt in seiner Apotheke sitzt. Aber so genau wollte es Zacharias doch nicht wissen. Als er mit seinem Vater in der Stadt war, hat er ihn angebettelt, nicht durch die Hauptstrasse zu fahren, wo die Apotheke liegt, sondern einen Umweg zu machen. Und natürlich ist sein Vater, der jetzt in der Jagdsaison versuchte es wieder gut zu machen, gleich darauf eingegangen. Ein bisschen bereute das Zacharias später, denn wenn sie vorbeigefahren wären, dann hätte er gewusst, dass es dem Apotheker wieder gut geht. Oder etwa nicht? Kann es jemand gut gehen, wenn er K.O. im Seewasser liegt, auch wenn sein Herz noch schlägt, was macht er, wenn er nicht rechtzeitig aufwacht, bevor ihm die Luft ausgeht?

Auch das Raumschiffteil hatte sich als nicht so nützlich erwiesen. Es war schwer und wahrscheinlich aus einer geheimnisvollen Legierung der Aliens, oder vielleicht doch nur aus Eisen und Nickel. Aber Zacharias war nicht blöd, er legte es in den Ausguss, in selbstgemachtes Meerwasser, um zu sehen, ob es rostet. Denn wenn es rostet, dann wäre es bestimmt nicht sooo besonders, so wie die hässlich rostenden Schrauben an Zacharias Fahrrad aus dem Baumarkt.

Dem Vater war das natürlich aufgefallen, jetzt, wo er schon ein Weilchen nüchtern war, und fleissig Vitamine nahm, baute sein Gehirn wieder auf, und er wurde sogar witzig. Er hat es hinbekommen, dass ihm Zacharias fast die ganze Geschichte von dem Apotheker erzählte, und wie gruselig der wäre. Sein Vater ging dann gleich der Sache nach, aber wie es sich herausstellte, war der Apotheker noch im Krankenhaus. Was Zacharias Vater dazu benutzte ihn zu besuchen, um mal auf den Busch zu klopfen. Als der Apotheker andeutete, dass Zacharias ihm eins über gegeben hat, da empfahl ihm der Vater seinen Jungen in Ruhe zu lassen, sonst würde er das, was Zacharias angefangen hat, zuende bringen. Was den Vater ärgerte, wie frech der Apotheker unter seinem Kopfverband war, er wollte den Meteoriten untersuchen.

Zacharias Vater brüllte fast: Welchen Meteoriten?

Bei dem Geschrei taten dem Apotheker der Schädel weh und er verzog das Gesicht vor Schmerz.

Zacharias Vater: Es gibt keinen Meteoriten, das was ihnen da auf den Kopf geschlagen ist, das ist nur Geierscheisse.



Und stolz seinem Sohn mal geholfen zu haben, erzählte der Vater von dem verdutzten Gesicht, als er dem Apotheker von der Geierscheisse erzählt hat.

Vater: Warum hast Du die Geierscheisse eingelegt?

Zacharias: Ich will testen, ob sie rostet.

Dem Vater war nicht entgangen, trotz aller Spässe und allen Engagements war sein Sohn noch ängstlich, wenn er in der Nähe war und so bemühte er sich, weiter den Clown zu geben und sagte: Mit Salzwasser kannst Du den nicht testen, damit kriegst Du den nicht kaputt, versuche es mal damit.

Dann kippte der Vater seine Schnapsvorräte in das Waschbecken, während er aus den Augenwinkeln beobachtete, wie sein Sohn darauf reagierte. Er achtete so sehr auf ihn, dass ihm nicht auffiel, was da im Waschbecken direkt vor ihm wirklich geschah.



Die Wandlung

Es ist eine längere Geschichte, wie sich der Meteorit langsam gewandelt hat. Zuerst bekam er eine Schwarze Hülle. Zacharias glaubte erst, es würde sich um Rost handeln, aber als er eine kleine Probe entnahm, stellte er fest, dass es sich um gewöhnlichen Kohlenstoff handelte, denn man konnte die kleine Probe rückstandsfrei verbrennen. Doch Zacharias war sich sicher, dass der Kohlenstoff bestimmt in einer besonderen Form, entweder als Diamant, Nano Tube, Buckyball oder Graphen oder sonst was vorlag. Der Kohlenstoff stammte wahrscheinlich aus dem Alkohol. Und was eigenartig war, wie Zacharias fühlen konnte, wie die kleine Probenentnahmestelle der Geierscheisse, so tauften sie jetzt das Raumobjekt, Probleme bereitete. Erst als der Vater bemerkte, dass es nach Nagellackentferner riecht, und noch ein kleines Fläschchen von Nagellackentferner von Zacharias Mutter gefunden hat, konnten sie den Riss in der Haut heilen. Die Verwandlung von Geierscheisse war am Anfang unheimlich langsam. So langsam, dass Geierscheisse sogar einmal wieder in Vergessenheit geriet, als Zacharias das Hirschkalb gefunden hat, und es selbst aufwachsen lassen wollte. So dauerte es lange, bis sie entdeckten, dass Geierscheisse nicht nur Kohlenstoff aus diversen Kohlenwasserstoffen aufnehmen konnte, vorzugsweise aus Aromaten, wie sie in Hustensalbe steckten wie Naphtalin, aber auch Benzin und Benzol, aus einem alten Benzinkanister, in dem noch eine Pfütze übrig geblieben war. Weil Geierscheisse dabei nicht schmatzte und alles so langsam vonstatten ging, fiel vieles nicht auf. Aber als sich Geierscheisse, dann durch ein Edelstahlwaschbecken gefressen hatte, und unten in den Mülleimer darunter gefallen war, da brauchten sie etwas, um das ganz zu verstehen. Von da an entwickelte Zacharias eine Art Kraftfutter für Geierscheisse. Erst mit kleinen Schrauben in Hustensalbe, dann mit kleinen Kugellagerkügelchen, aber das war immer noch nicht das Optimale, denn am besten waren feine Metallspäne in Bohnerwachs, was ziemlich schwierig aufzutreiben war. Denn aus Metallspänen lässt sich leicht Sprengstoff herstellen und was Bohnerwachs ist, das weiss heute niemand mehr. Zacharias Vater rechnete sich an, seinem Sohn vor dem Verlust von Geierscheisse bewahrt zu haben, weil er ihn warnte, es ja niemand zu erzählen, sonst wäre er Geierscheisse los.



Aber bevor Zacharias entdecken konnte, wozu Geierscheisse wirklich gemacht war, legte der Vater seinen Verstand wieder in Alkohol ein. Und als sich gerade Verzweiflung über eigenes Versagen in Zorn verwandelte packte der Vater Geierscheisse und schleuderte sie in Richtung von Zacharias. Dazu muss man sagen, ohne den Vater zu entschuldigen, dass Geierscheisse auch wirklich einladend zum Werfen aussah, und nun einem dreiarmigen Bumerang sehr ähnlich sah. Und wie ein Bumerang kam Geierscheisse auch zu dem verdutzten Vater zurück und brach ihm eine Rippe. Was für ein Glück für Zacharias, denn jeder der schon mal eine gebrochene Rippe hatte, der weiss, dass man sich alles mögliche leisten und genehmigen kann mit einer gebrochenen Rippe, man kann sich volllaufen lassen, um den Schmerz zu betäuben, auch wenn das keine gute Idee ist. Was man, wie so oft beim Alkohol, viel zu spät merkt. Was man aber wegen dem stechenden Schmerz sofort mitbekommt, das ist, wie schmerzvoll tiefes Luftholen ist, was doch so notwendig ist, für jede Art von Wutanfall, aber auch vor der nervigen tränenreichen rotzhochziehenden Reue am Tag danach. Und so hatte Geierscheisse dafür gesorgt, dass die nächste Alkoholphase für Zacharias glimpflicher begann als üblich. Der betrunkene Vater konnte noch seinen Arm packen und ein wenig drücken, während er seinen wundervollen Sohn leise mit Flüchen bedeckte, aber das war Nichts im Vergleich zu früher, bei unbehinderter Atmung.

Auch war Zacharias nicht entgangen, wie unmöglich die Flugbahn von Geierscheisse war. Denn wenn er ihn mit einem normalen Bumerang verglich, dann hätte er niemals so einen engen Kreis ziehen können, um in der Küche auf seinen Vater zurück zu fliegen.



Und so bekam Geierscheisse nun nicht nur das richtige Kraftfutter, er bekam auch Flugstunden von Zacharias. Dazu muss man wissen, dass am Hügel hinter dem Steinbruch im Norden eine grosse Lichtung lag, die den Blick auf das Flusstal freigab, und schon immer träumte Zacharias davon, mit Flitzebogen, Zwille und was auch immer, so weit so kommen, dass er den Fluss überquerte und sein Stein oder Pfeil auf der anderen Seite landete. Geierscheisse schien seinen Wunsch zu ahnen, denn er flog immer weiter, und es hatte den Anschein, dass er nur einen kleinen Schubs zum Start brauchte, um sich dann ganz selbstständig zu bewegen. Seine Flüge wurden immer ausgedehnter, so weit, dass er Geierscheisse nicht mehr sehen konnte. Dann dauerte es nicht lange bis zu dem Tag, wo Geierscheisse nicht mehr zurück kehrte.



Muss eigentlich immer alles erst noch mal schlimmer werden?

Oft leben Menschen unter elenden Bedingungen und merken es noch nicht einmal, bis dann jemand kommt, der sie fragt, wie sie das nur aushalten können, oder, noch fieser, es sieht für einen Moment aus, als könnten sie entkommen. Der Vater dem Schnaps und Zacharias seinem Vater. Aber so fing alles wieder von vorne an. Nur dass diesmal die ganzen Geschichten mit dem anderen Mann ihre Wirkung völlig verloren hatten. Sich vom anderen Mann verschlucken zu lassen, um die Prügel nicht mehr so krass zu spüren, das funktionierte nicht mehr. Das Wunder, das mit Geierscheisse in ihr Leben getreten war, hatte sie nun nur noch hoffnungsloser dem Alkohol ausgeliefert. Aber das war noch nicht alles, denn der Apotheker war durch das forsche Auftreten von Zacharias Vater aufgeschreckt worden, und bastelte fleissig daran, den Ruf von Zacharias zu zerstören, vorbeugend sozusagen, um nicht seinen eigenen zu zerstören, er war plötzlich ein auffälliger Jugendlicher, ein gefährlicher Schläger, ein Fall für die Jugendpsychiatrie? Dem Apotheker kam sein Geschick mit Krankheiten zugute. Denn in diesem Städtchen vertrauten die Leute nicht ihrem Arzt, sondern dem begabten und kundigen Apotheker. Es war sogar so, dass sie oft nicht wussten, wohin mit ihrer Dankbarkeit, wenn der Apotheker das Schlimmste vermieden hatte. Und so kamen sie seinem Wunsch nach, und halfen ihm den Ruf von Zacharias zu zerstören. Und natürlich stand auch der Vater von Zacharias auf ihrer Liste. Es gab die ersten Besuche vom Jugendamt, und eine Jugendamtmitarbeiterin, die so dankbar für eine Medikamentenempfehlung des Apothekers war, die sie vom Asthma befreit hatte, schlug vor, Zacharias bei einem Mann mit tadellosem Leumund unterzubringen, wie dem Apotheker.

Einen kleinen Vorteil hatte das Ganze, denn nun ging Zacharias auf seinen Vater los und verteidigte sich, und brüllte ihn sogar an: Willst Du dass ich zu dem perversen Apotheker komme? Dann prügel mich nur ruhig weiter!

Viel hat dieser Einwand bei dem besoffenen Vater nicht geholfen, er hat ihn nicht davon abgebracht es weiter zu versuchen Zacharias mal tüchtig auszuklopfen, so nannte er das, aber er war danach auch im Rausch nicht mehr ganz so tüchtig und stellte Zacharias nicht mehr nach, wenn er die Flucht ergriff.

Das Leben für Zacharias war schon der Horror und kaum zu ertragen, während am Horizont neuer, noch perfider Horror wartete, der sich so lange steigern würde, bis er ihn irgendwann nicht mehr überleben würde.



Aber keine Angst, der Tag ist nicht mehr fern, als Zacharias Vater zerknirscht und nüchtern am Frühstücktisch sitzt und der Vater hat nicht nur Brötchen geholt, sondern eine Zeitung und dort auf der Titelseite, war der neue Held, der Popstar und Motivationstrainer mit seinem neuen Vortrag: Alles wird gut.

Und der Vater sieht sich das an, schüttelt den Kopf: Klimawandel, Umweltverschmutzung, Überbevölkerung wird alles gut, was für ein Quatsch. Zacharias hatte nur halb hingehört, denn es ist eins, was sein Vater sagt und etwas anderes, was er tut, und so passte er auf, nicht eine schmerzhafte Kopfnuss verpasst zu bekommen, die sein Vater gerne reichlich und immer aus dem Nichts kommend verteilte, da fiel sein Blick auf das Bild des Motivationstrainers.

Zacharias: Papa sieh mal!

Der Vater, froh mal wieder Papa genannt zu werden, sieht sich das Bild an und sagt bass erstaunt: Scheisse ne!

Zacharias: Geierscheisse!

Der Vater zeigt mit dem Zeigefinger auf den Typ, der sich Dominique de Oladron nennt und sagt: Ich weiss nicht warum, der sieht nicht wie ein Bumerang aus, und auch nicht wie ein Krummholz, er sieht nicht mal Geierscheisse ähnlich, und doch, ich will verflucht sein, wenn das nicht Geierscheisse höchst persönlich ist.

Zacharias wunderte sich, dass sich sein Vater noch vor dem Verflucht-Sein zu fürchten scheint, aber ihm war auch klar: Definitiv Geierscheisse!

Im nächsten Moment war Zacharias aufgesprungen: Ich fahr hin.

Vater: Nimm dir Geld aus meinem Portemonnaie.

Das hatte Zacharias schon getan.

Als Zacharias schon an der Tür ist ruft ihm der Vater hinterher: Wie willst Du ihn das fragen? Was machst Du, wenn er das abstreitet? Ich meine, wer gibt schon zu, so 'n Geierscheisse Alien zu sein, ich meine freiwillig.



Auf der Fahrt im Bus, und dann mit der Bahn kochte die Wut in Zacharias richtig hoch: Kommt hier an, lässt sich gesundpflegen wie in einem beschissenen Sanatorium, prellt die Rechnung und verpisst sich einfach: Geierscheisse!



Als Zacharias Geierscheisse am Frühstücksbuffet in dem besten Hotel des Orts auflauert und ihn gerade erwischt, wie ein Milchkännchen aus Neusilber samt Inhalt verdrückt, erkennt ihn Geierscheisse gleich wieder, und tut so, als ob sie alte Kumpels wären: Mensch Zacki, lange nicht gesehen, wie lief es denn so?

Zacharias ist am sieden: Super, wieso fragst Du?

Geierscheisse lässt geschickt nicht nur das Lachsstück mit SenfHonigSosse sondern auch das affige kleine Gäbelchen in sich verschwinden: Ah, das in deinem Gesicht sieht böse aus. Du musst Dich vorsehen, dass er dich mit dem Verbrechen nicht ansteckt, ruckzuck wirst Du vom Opfer zum Täter und verprügelst Dein Kind. Wir hatten bei uns zuhause, also in meinem Sonnensystem auch dieses Problem, wir haben die Verbrecher eingesperrt und bestraft und die Kinder nicht geschützt und uns um die Opfer so lange nicht gekümmert, bis sie Täter wurden und wir sie auch einsperren konnten. Ja, es gab mal einen Namen für diese Krankheit, wir waren der Überzeugung, dass sie sich quasi genetisch verbreitet, ja, jetzt weiss ich es wieder, Crimeme würde man das wohl in deiner Sprache nennen. Du glaubst nicht, wie lange es von dieser Erkenntnis endlich bis zur Impfung gebraucht hat, dass man die Opfer impfen konnte, wenn die das wollten, damit sie nicht ihre Kinder anstecken, Jahrhunderte sage ich dir. Obwohl bei uns die Jahrhunderte nicht ganz so langweilig sind, weil unser Jahr kürzer ist, he, das ist lustig, oder? Habe ich gerade einen Witz gemacht?

Zacharias schüttelt den Kopf.

Geierscheisse: Das mit den Witzen ist wirklich schwer zu lernen, glaub mir das. Auch ein Häppchen Lachs?

Zacharias schüttelt den Kopf.

Geierscheisse: Ich wollte ja zurückkommen, bin dir was schuldig, ist schon klar. War nicht so leicht, musste mir erst wieder ein Raumschiff wachsen lassen, also wenn Du glaubst, Geburt tut weh, dann lass Dir erst mal ein Raumschiff wachsen.

Zacharias: Ich kann nicht gebären.

Geierscheisse sieht vom Tellerchen zu Zacharias: O.K. was kann ich tun?

Zacharias: Wie wäre es mit der Impfung.

Geierscheisse: Moment mal, ich habe mir zwar ein Raumschiff wachsen lassen, aber die Impfung hat bei uns diese Form von Kriminalität fast ausgerottet, tut mir leid, die gibt es gar nicht mehr, braucht keiner mehr auf unserem Planeten.

Jetzt schmollt Zacharias und Geierscheisse sagt: Ich habe aber noch Spielzeug, das gehört zur Ausstattung jedes Raumschiffes, sozusagen als Gastgeschenk, und ich konnte es hier nicht verschenken, da solltest Du mir eigentlich dankbar für sein.

Zacharias schmollt immer noch.

Geierscheisse: Was soll das bedeuten? Hm? Da in deinem Gesicht, das sieht wie ein Wetterphänomen aus, bekommen wir ein Gewitter?

Zacharias schmollt immer noch.

Geierscheisse: Aber dir könnte ich eins dieser Spielzeuge überlassen, da gibt es einen kleinen Workaround, und du wirst sehen, es gibt keine blauen Flecke mehr, wenn Du dein eigenes Magnetfeld hast. Ach Du weisst nicht wovon ich spreche, Geierscheisse macht eine irres Gesicht indem er seine Augäpfel rausfallen lässt und wieder einzieht und sagt: Ein Kraftfeld!

Geierscheisse überreicht Zacharias eine Art Streichholzschachtel und fragt: Habt ihr eine gute Stromleitung?

Als Zacharias die Schachtel einsteckt und aufsteht ohne zu antworten sagt Geierscheisse während er auf Zaharias zeigt: Mensch Alter, Du hast echt was gut bei mir. Lass uns mal wieder was zusammen machen. Das mit dem Fliegen war übrigens echt super, das hat mich so an meine eigene Kindheit erinnert, mensch wie lange ist das her? 2000 Jahre sind es jetzt bald.

Zacharias ist an der Drehtür des Luxushotels und sieht sich noch mal um.

Geierscheisse: Du willst gehen? O.K. dann bis bald mal, Zacki, äh Zacharias.

Und als Zacharias der Drehtür einen Schubs gibt, fällt Geierscheisse noch was ein und er ruft: He Zacki, Moment mal, hör doch noch mal zu, schalte niemals, ganz gleich, wie sehr das Kraftfeld auch bettelt, den Automatikmodus ein, O.K.?



Immer Ärger mit dem Kraftfeld

Das Kraftfeld (das kleine Geschenk von Geierscheisse) sagt: Ich bin Grimm Baff Aleph Rasple Chi, der Schrecken sadistischer Eltern, der Bezwinger der schwarzen Pädagogik, usw. wo ist denn hier deine Drehstromleitung?

Zacharias: Da vorne.

Kraftfeld: Was das da, diese müde Steckdose, dieser bemittleidenswerte Kriechstrom, dein Ernst, das willst Du mir anbieten damit ich dich beschütze? Das ist ja so, als würdest Du deine Verbündeten zu einem GalaDinner einladen, auf dem es nur Katzenfutter mit Sägespäne gibt.

Zacharias sieht das Kraftfeld ratlos an.

Kraftfeld: Ich bin hier.

Zacharias dreht sich um, kann aber die kleine Schachtel nicht sehen, da brüllt ihn das Kraftfeld an: Und ich habe schrecklichen Durst!

Zacharias: Vielleicht versuchst Du es doch mal mit der Steckdose, ich kann dir auch einen Doppelstecker anschliessen. Oder wie wäre es mit einem Verlängerungskabel vielleicht, kannst Du wie ein Strohhalm verwenden.

Kraftfeld: Bewundernswert deine Fürsorge, aber ich brauche richtig was, wenn ich an dieser Steckdose nuckele, dann verliere ich mehr durch Leckstrom, als ich aus der Steckdose wieder herausziehen kann.

Das war der Anfang der Geschichte von vielen Ausflügen zu den Überlandleitungen im Wald und die Ursache für diverse Stromausfälle in der ganzen Region.

Aber es sollte sich lohnen. Das bekam Zacharias zu spüren, als er einmal mit dem Kraftfeld Squash gespielt hat. Vielleicht lag es auch daran, dass das Kraftfeld sehr eitel war und verlieren war einfach keine Option.

Doch wenn es wirklich gebraucht wurde, etwa um die Flugbahn der Bierpulle seines Vaters vorzeitig zu beenden, damit sie nicht auf Zacharias Nase landete, oder den Faustschlag vollständig abzufangen, damit er nicht durch einen Solarplexus Treffer K.O. ging, dann war das Kraftfeld kaum zu spüren.

Das Kraftfeld antworte dann: Ich bin Grimm Baff Aleph Rasple Chi, der Schrecken sadistischer Eltern, der Bezwinger der schwarzen Pädagogik, und Du musst noch die Grundeinstellungen abschliessen.

Die Grundeinstellungen waren wirklich nervig, weil man erst durch eine Befragung durchmusste, wo man von dem Kraftfeld gehört hatte, ob auch die Freunde sich dafür interessieren würden usw. Und ganz hinten, so versteckt, dass sie nicht mal der Programmierer selbst wiederfinden würde, war die Einstellung, wieviel Schlaghärte das Kraftfeld abhalten sollte. Und das war auf Default eingestellt, d.h. nur letale, also absolut tödliche KraftSpitzen verhindern, das war die niedrigste Einstellung. Um das Kraftfeld zum totalen Block zu motivieren brauchte Zacharias ein Masterpasswort, was er aber nicht hatte. Aber Zacharias war auf Zack und siehe da, im Untermenü des Debugmodus, durch weitere Untermenüs tief vergraben, da gab es noch die Einstellung versteckt, die einfach nur "Klaps" hiess. Zacharias vermutete, dass diese Einstellung dazu diente, wenn man das Kraftfeld einstellte und ein bisschen herumprobieren musste und dann aus Übermut mit einer Schusswaffe auf sich ansetzte, oder seine Kopf in die Schrottpresse legte, dass man mit einem blauen Auge davon kam.

Kraftfeld: Du weisst schon, dass das eine Menge Energie kostet?

Zacharias: Wie Squash?

Das Kraftfeld wird pampig: He, das brauche ich für meine Freizeit, wenn ich mich erhole, hast du ein Problem damit?

Das Kraftfeld packte Zacharias am Kragen und schüttelte ihn sehr sanft und doch sehr bedrohlich.

Zacharias: He, wo kann man das einstellen, das am Kragen packen?

Das Kraftfeld übergibt Zacharias der Schwerkraft und nörgelt: Mach dich erst mal mit meinen Grundfunktionen vertraut.



Wenn das Leben keine Bitch mehr ist, dann kann es immer noch ein Spassvogel sein. Wie sehr hatte sich Zacharias die Unverwundbarkeit gewünscht, wie harmonisch hätte das Zusammenleben sein können, Dauerprügel, die einfach nicht durchkommen, aber was passierte jetzt? Zacharias Vater ging zu den anonymen Alkoholikern, und es schien zu funktionieren. Zacharias wollte darauf das Kraftfeld in den Standbymodus versetzen, um nicht mehr raus zu müssen zum Strom klauen. Aber als er endlich die Einstellung gefunden hatte, war die durch eine sogenannte Schmerzschwelle geschützt. Wenn man der Einstellung nur näher kam, dann wurde ein sogenannter Nervenalarm in der Hand ausgelöst, mit dem man sich dem Menü zu sehr genähert hatte, mit blossen Schmerz konnte man das, was dann passiert nicht mehr beschreiben. Der Schmerz traf einen wie ein Blitz, alles wurde so hell, dass man nichts mehr sehen konnte. Und das Abklingen des Schmerzes brauchte 5 Minuten, in denen man den höhnischen Tadel seines Beschützers ertragen musste. Das Kraftfeld sagte: Äh, äh, äh, wolltest Du etwa meine Vitaleinstellungen verändern? Das ist nicht sehr nett, weisst Du, wenn jemand so wehleidig ist, wie Du und ein Kraftfeld braucht, dann wundert es mich nicht, dass Du für alle andere Kreaturen kein Mitleid mehr übrig hast. Hast Du alles für dich selbst verbraucht. Und wenn dein tapferes und treues Kraftfeld sich vergnügen will, wenn denn ein Leben in deinen Diensten noch Vergnügen genannt werden kann, dann wirst Du plötzlich kleinlich, wegen dem bisschen Strom.

Das Kraftfeld blieb, und wollte nicht gehen, "weil geschenkt ist geschenkt und weggegeben wird nie vergeben", fügte es drohend hinzu.



Die Versorgung des Kraftfeldes ist wirklich nicht einfach. Zacharias muss nicht nur Strom organisieren gehen, er muss sich für das Kraftfeld extra energiereiche Gute Nacht Geschichten ausdenken, von dem tapferen kleinen Kraftwerk, von den neuesten Solarzellen, den kräftigsten Windturbinen, und wie wild sie darauf sind, das kleine (!) Kraftfeld zu unterstützen, nachdem die für solche Geschichten üblichen Verständigungsschwierigkeiten behoben sind und die Eifersüchteleien befriedet wurden.

Nur zu Gut, dass Geierscheisse, alias Oladron das geahnt zu haben scheint, denn Zacharias bekommt einen eigenartigen Telefonanruf.

Zacharias: Ja freut mich auch von Dir zu hören, Geier... äh, Oladron, aber wo ist der Telefonhörer?

Oladron: Gedankentelefone haben keine Telefonhörer.

Und als Oladron von den Problemen hört, die Zacharias mit dem Kraftfeld hat, schickt er ihm Inge die Infinity Machine. Die gehört eigentlich zum Kraftfeld dazu, ohne Infinity Machine macht das keinen Spass, auch wenn sie im KraftfeldProspekt immer beteuern, dass es ReadyToRun wäre, Batteries includet etc.



Das Infinity Machine Inge kommt mit dem Paketdienst in einer Art PicknickRucksack, aus dem man sie nicht entfernen kann, sie ist damit fest verbunden, wie eine Schnecke, die ja auch nicht einfach ihr Haus verlassen kann, wenn es ihr nicht mehr passt, das können nur die Einsiedlerkrebse.

Wundern tut sich Zacharias nur über ein weiteres Geschenk Oladrons, einen grossen Laib Käse und eine Luffagurke, wie man sie zum Abreiben des Rückens braucht, und einem kleinen Zettel: Salze mich täglich bevor du mich ordentlich abrubbelst. Normalerweise würde man einen Käse, der so etwas von einem verlangt doch fragen: Und was bekomme ich dafür? Ich darf doch mal von dir kosten oder? Nur ein kleines Stückchen.

Aber Zacharias war klüger geworden. Der Käse blieb still, sagte kein Wort und Zacharias war froh darüber und dachte sich, wenn es alles ist, was ich tun muss, das was da auf dem Zettel steht, dann bin ich diesmal glimpflich davon gekommen.



Doch kaum ist Inge die Infinity Machine angekommen und damit alle Energieversorgungsprobleme theoretisch gelöst, da behauptet Inge, dass sie Anspruch auf ein eigenes Spielzeug habe. Das gefällt dem Kraftfeld natürlich überhaupt nicht, das Kraftfeld entgegnet: Du bist ein Hirngespinst wie wir alle, von diesem bedauernswerten schizophrenen Jungen, wie hiess er noch gleich, Zacharias.

Inge: Bedaure Liebesknochen, ich habe es schwarz auf weiss, sieh hier, Inge die Infinity Machine hat Entitätsstatus, siehst Du, da steht es, ich existiere wirklich, 100 Prozent reine unverschnittene Wirklichkeit, pure Reality, mit Stempel, Unterschrift, Hologramm, Geburtsurkunde und Siegel etc..

Kraftfeld: So, wenn Du kein Hirngespinst bist, dann bin ich auch keins, dann habe ich auch ein Anrecht auf ein eigenes Haustier.

Inge: Ich habe mich für Zacharias entschieden, soviel ist sicher, wenn Du deine Papiere zusammen hast, mit denen Du beweisen kannst, dass du existierst, O.K. ich stehe dir nicht im Weg, dann kannst Du dir aussuchen, was Du willst. Dir bleibt ja noch der Käse zum Versklaven.

Kraftfeld wird sauer: Versklaven?

Inge kreischt das Kraftfeld an: Hattest Du nicht genau das vor? Hast Du mich etwa nett gefragt, ob du mal an meinem Elektronenstrom nippen darfst? Hast Du das?

Kraftfeld: Ich? Ich habe dich umgarnt, dir den Hof gemacht, das war die hohe Minne.

Inge: Kann schon sein, will ich dir nicht absprechen, aber nach der hohen Minne sind schon ein paar Jahre vergangen, findest Du nicht? Heute läuft das anders.

Kraftfeld: Und wie läuft es anders?

Inge: Du muss nur fragen.

Zacharias unterbricht das, indem er sich an Kraftfeld wendet: Moment mal, heisst das etwa, dich gibt es überhaupt nicht wirklich? Willst Du sagen, ich habe dich ausgedacht?

Inge: Wenn ich mal für meinen virtuellen Kollegen antworten darf, das ist hier ein halluzinatorisches mixed reality environment, manches ist echt und das andere ist Halluzination.

Kraftfeld hebt Inge einen guten halben Meter hoch und sagt leicht genervt: Und was ist das?

Inge: Huch, das kitzelt ja in meinem Bauch, beinahe hätte ich dir geglaubt. Wirklich gute Arbeit Zacki.

Zacharias: Ich habe gar nichts gemacht!

Das Kraftfeld hebt Inge noch ein Stück höher und die sagt: Huch, ist das hoch, ich glaube es dir ja, Du bist bestimmt wirklich.

Kraftfeld zu Zacharias: Wetten, wenn ich sie runter lasse, behauptet sie wieder das Gegenteil.



Mist denkt sich Zacharias, hört das denn nie auf und geht noch mal persönlich zu Oladron, um ihn noch um ein Spielzeug für das Spielzeug zu bitten.

Oladron sitzt wieder am Frühstückstisch, er sieht prächtig aus und sagt: Sag es nicht, das Spielzeug will sein eigenes Spielzeug haben, oder? Bärbel will Kevin und dann will Kevin ein Auto, und das Auto will eine Garage, und die Garage will ein Haus, und das Haus will eine Strasse, die Strasse will die Stadt haben, die Stadt das Land, das Land den Planeten usw. Ja, Spielzeug ist heute sehr anspruchsvoll. Aber mach dir keine Sorgen, für diesen Fall gibt es Spezialisten, die dich so beschenken, dass Du nie wieder was haben willst.



Und so kommt Zacharias an zwei neue Freunde, die beide Eigenschaften haben, die man wirklich nicht zweimal haben will. Dabei sind sie grundverschieden, aber wenn sie eins gemeinsam haben, wenn man sie als Freund hat, dann braucht man keine anderen Freunde mehr, weil sie einen tüchtig auf Trapp halten.

Das schwarze Loch, will nicht Lochi genannt werden, auch nicht Lochster, nicht holy hole, nicht Blacky und nicht Flash, weil es mal einen super Namen hatte, den besten Namen, den es überhaupt gibt. Ein sadistischer Meister hat ihm den Namen gegeben, ohne ihm zu sagen, dass es seinen Namen gleich verschlucken wird, und für immer vergessen. Manchmal, an wirklich guten Tagen, kann man es SL nennen, wie schwarzes Loch, so wie ein Vertrauensmann mit seinem Capo spricht. Was man nicht machen darf, niemals, das sind Diätwitze. Diätwitze mit dem schwarzen Loch machen gehen gar nicht. Man sollte sich nicht wünschen auch ein schwarzes Loch zu Verdauung zu haben, das Schwarze Loch hasst es, der Todsünde der Völlerei geziehen zu werden, es wird dann immer ganz katholisch. Das kommt vielleicht daher, das der Meister sich immer einen Spass daraus gemacht hat, das schwarze Loch mit etwas zu beschenken, was es dann vernichtet hat. Also mag das schwarze Loch keine Geschenke, es sieht sie im Gegenteil als Verarsche, als billigen running Gag. Dafür unterhält es sich gerne. Denn Gedanken kann es einfach verschlucken, wenn es sie vorher geteilt hat, dann sind sie noch da. Wenn du ein schwarzes Loch bist, dann würdest Du das auch als Wunder empfinden. Ausserdem haben Gedanken eine unglaubliche Kraft, jetzt streng quantenmässig betrachtet, und kaum Gewicht. Gedanken sind für das Schwarze Loch eine Art Superfood.

Nur mit Hilfe der Gedanken, dass muss man sich einmal vorstellen, ist es dem sadistischen Meister auf die Schliche gekommen. So dass das Schurke von Meister nur noch einen Ausweg hatte, wenn er das schwarze Loch weiter quälen wollte, er musste alle Spuren beseitigen, deshalb hat er sich in das Schwarze Loch gestürzt und es so aussehen lassen, als ob das Schwarze Loch ihn aus einer Mischung aus Gier und Ungeschicklichkeit selbst verschluckt hätte.

Normalerweise kann ein schwarzes Loch alles verdauen. Spinat, Labskaus, Interkontinentalraketen, raffinieren und affinieren, sogar total unschädliche Pflanzenschutzmittel, alles keine Problem. Aber mit diesem Meister war es anders. Es kann den Meister spüren, immer noch, wie ein Stein im Schuh. An ganz schlechten Tagen hat das schwarze Loch sogar das Gefühl, es könnte seinen Meister noch riechen und schmecken. Das sind ganz schlechte Tage, dann hat das schwarze Loch nicht mal Lust Gedanken auszutauschen, seine Lieblingsbeschäftigung ansonsten. Dann sagt es: Bedauere, heute geht es nicht Zacki, mir liegt mein alter Meister noch auf der Zunge.



Und es gibt noch ein anderes Spielzeug, was sich Oladron zusammen mit dem Raumschiff hat wachsen lassen, was im ganzen Universum benutzt wird, um dem Wünschen ein würdiges Ende zu setzten.

Bob Binglebein: Kann mit eigenen Körperteilen werfen, trifft immer und schockt immer, selbst, wenn man weiss, dass Bob eine Show abzieht, nichts ist ekliger, als wenn er einen mit seiner Zunge bewirft. Na gut, da fällt mir noch was ein, wenn Bob ein Lasso aus sich selbst macht, das ist noch übler. Wenn er sich einen Arm ausreisst, um ihn wie einen Bumerang zu benutzen, dann ist das schon fast nett gemeint. Nach einer Attacke gräbt er sich in vorzugsweise schwarze humusreiche Erde ein, um die Körperteile nachwachsen zu lassen. Zur Zeit des Wachstums und der Regeneration, weicht der ganze Binglebein in der Erde auf, zu einer Art PlasmaMatschePampe mit einer straffen, aber erstaunlich wenig reissfesten Haut. Dieses Kinderspielzeug wird in einigen Sonnensystemen verwendet, um die Kinder abzuhärten. In anderen ist es als Suizidspielzeug eingestuft, und wird nur an Erwachsene verkauft, was für Kinderspielzeug nur wenig Sinn ergibt. Wenn man nicht will, dass Bob Binglebein seine gruselige Show abzieht, muss man ihn sanft mit einer Pusteblume necken (Achtung nur sanftes Necken, und kein grobes Ärgern!). Notfalls kann man es auch mit einem wirklich weichen Staubwedel probieren. Aber hundertprozentig sicher ist man dann noch nicht. Er mag es nicht gehänselt zu werden, "Bingelbein du altes Schwein, passt in jede Tüte rein" und man lässt das lieber, sonst will man in keine Tüte mehr fassen. Vorher durch einen Kontrollblick zu überprüfen, ob Binglebein ein Körperteil in einer Tüte versenkt hat, hilft übrigens wenig, da Binglebeins Präsentation seiner ausgerissenen Körperteile ekeliger ist, als ein Griff in die Scheisse. Einige Opfer haben sich allein durch den Anblick von Binglebeins ausgerissenen Organen schon einen eitrigen Sehnerv geholt.

Und doch ist dieses Scheusal nicht unbeliebt, es ist anspruchslos in der Haltung, wenn man nur nicht vergisst ihn in Schach zu halten und Bob ist ausgesprochen treu. Wenn er sich einmal an jemand verschenkt hat, dann wird man ihn nicht mehr los. Aber, er ist auch immer bereit, seinen Freund zu verteidigen. Und wie er das macht, das kann sehr überraschend und auch erstaunlich erfolgreich sein. Wichtig ist nur, wenn Bob für dich kämpft: Augen, Ohren und last not least die Nase sorgfältig zu verschliessen. Aber das verstörendste an Binglebein ist nicht seine Treue, es ist seine Herkunft. Angeblich kommt er aus dem Schwarzwald, wo auch die notorischen Kuckucksuhren hergestellt werden. Für Bob Binglebein sind wir, unserer Planet, die nette kleine blaue Erde, in der ganzen Milchstrasse bekannt. Den Rattenfänger von Hameln, das könnte ich noch verstehen, oder Donald Trump, dessen Ego angeblich die Centauris mit blossem Auge in einer klaren Nacht am Himmel aufsteigen sehen können, das hätte ich auch noch verstanden, aber wer ist Bob Binglebein?





Oxana

Das Leben hatte sich für Zacharias durch seine neuen Freunde wirklich verändert. Allein der Käse forderte Zackis ungeteilte Aufmerksamkeit. Zacharias hatte das Gefühl, wenn er ihn mal etwas lieblos behandelte, dann sonderte der Käse einen eigenartigen Geruch ab, der so intensiv war, und so beissend, dass er sich in der Nase festsetzte, ja festbiss und man ihn eine ganze Woche nicht mehr los wurde. Deshalb musste Zacharias selbst bei dem scheinbar unbedeutendsten seiner neuen Freunde, immer ganz bei der Sache sein, wenn er seine empfindliche Käsehaut abrubbelte. Er musste dann die Streitereien zwischen Inge und dem Kraftfeld ausblenden, ob das Kraftfeld schon wieder alles ausgesaugt hatte etc.. Und er musste das schwarze Loch vorher mit Gedanken versorgen, auf denen es herumkauen konnte, damit es aus Langeweile nicht wieder irgendetwas verschluckte, während Zacharias mit Käsepflege beschäftigt war.

Immer wenn Zacharias die ganze Tierpflege, so wollen wir das mal nennen, zu viel wird, denkt er an die Zeit zurück, als er noch alleine war, als er auf seine Reflexe vertrauen musste und wenn es mal nicht geklappt hat, die Blicke seiner Lehrerin ertragen musste. Dann fällt es ihm wieder leicht seinen Space Zoo zu lieben. Nur einen Menschen vermisst er, ein ganz kleines bisschen jedenfalls, Oxana. Andererseits macht er sich aber auch keine Hoffnungen, weil sie ihn immer für einen Spinner gehalten hat und viel zu cool für Zacharias war, mit ihren Rollkragenpullovern und ihren brauen Augen und ihrem schimmernden Haar: Oh, Oxi Gennaro!

Aber ein bisschen ärgert er sich auch über Oxana, er hat den Verdacht, dass, wenn die wüsste, was bei ihm abgeht, dann würde sie sich bestimmt für ihn interessieren. Kurz denkt er darüber nach, ob er nicht mal ein bisschen flexen will, aber dann fällt ihm wieder ein, wie empfindlich seine neuen Freunde sind. Selbst der Käse würde anfangen zu sprechen: Sag mal, ich dachte wir sind Freunde, und jetzt benutzt du mich, um vor diesem Mädchen anzugeben?

Und wenn Zacharias dann nur ein falsches Wort sagen würde, was den Käse beleidigen könnte, wahrscheinlich ist er sehr empfindlich dafür, wenn jemand ihn überflüssig findet, oh ha, das könnte was werden.

Aber natürlich ist Oxi nicht entgangen, das sich da etwas bei dem netten Spinner getan hatte. (Eigentlich will sie von Zacharias nicht Oxi genannt werden). Als Zacki an ihr auf der anderen Seite des Gangs vorbeischleicht, während sie gerade mit dem Zahlenschloss an dem Spint beschäftigt ist, sagt sie ohne aufzusehen: Zacharias, wo gehst Du hin?

Zacharias: Ach, ich habe heute schrecklich viel zu tun.

Zacharias ist stolz auf diese Antwort, das hat sie nun davon, wir brauchen sie nicht mehr. Aber leider hat er im Abservieren nicht so viel Übung und kommt nur noch einen Schritt weiter bevor er ganz kleinlaut den für einen Aussenstehenden völlig sinnlosen Satz von sich gibt: Ich muss noch ein schwarzes Loch füttern.

Wenn Zacharias versucht haben sollte, sie so los zu werden, dann hat das schon mal so überhaupt nicht geklappt, denn Oxi wendet sich ihm mit einem Schwung zu und sagt: Prima, ich wollte auch mit meinem Neutronenstern gassi gehen.

Erst, einen kurzen Augenblick, prall gefüllt mit waaahnsinniger Freude, fühlt sich Zacharias wie erlöst. Super, sie hat auch solche Haustiere, vielleicht können wir Pflegetips und Fütterungspläne austauschen. Aber dann wird ihm klar, dass Oxi Psychologin werden will, wie ihre Mutter und ihr Vater. Die denkt, du hast ne Schacke. Du sollst ihr kleines Psycho Meerschweinchen werden. Da wird Zacharias so richtig sauer und denkt sich nur: Na warte.



Der zweite Magen

Oxana tut so, als findet sie das, was da Zacharias über sein neues Haustier sagt, ganz vernünftig: Du meinst, wenn man ein schwarzes Loch hat, muss man nicht mehr aufräumen?

Zacharias wundert sich, woher er plötzlich den Mut nimmt so aufzudrehen, aber er wendet sich ihr zu, die immer noch in der Tür seines Zimmers stehen geblieben ist, kommt ihr ganz nah und sagt betont leise: Ganz gleich was Du in das schwarze Loch hineinwirfst, es kommt nicht wieder zurück, nie wieder.

Und wenn sich sein Vater nicht so durch die Prügelanfälle diskreditiert hätte, dann würde sich Zacharias noch an seine Warnung erinnern: Erzähl es niemanden.

Oxana jedenfalls ist schwer beeindruckt: Ach ja.

Zacharias: Das macht natürlich einen gewissen minimalistischen Stil aus. Du hast nur das Nötigste, eine Matratze, eine Lampe, das reicht.

Oxana staunt nicht schlecht, denn Zacharias Zimmer ist total zugerümpelt.

Zacharias folgt ihrem Blick und sagt grossspurig: Verstehst Du nicht?

Oxana nickt: Doch, doch.

Zacharias: Du musst es nicht wirklich tun, Du kannst so weiterleben wie bisher, als ob nichts geschehen wäre, als ob nicht ein Schwarzes Loch dein bester Freund geworden wäre, es passiert hier oben (Zacharias tippt sich an die Stirn). Nur hier oben. Und Du weisst, Du kannst es jederzeit tun.

Oxana ist wirklich beeindruckt und nickt wie ein Wackeldackel.

Zacharias legt so richtig los: Es gibt die Legende über einen Sänger, der einen weissen Kreis auf dem Boden seines Zimmers hatte und alle haben sich gefragt, was dieser verdammte Kreis wohl zu bedeuten hatte, weil bei ihm alles etwas zu bedeuten hatte. Du kennst doch die Geschichte, oder? (Oxana nickt erst begeistert, dann schüttelt sie frustriert, sich eines besseren erinnernd, den Kopf. Zacharis nickt ihr aufmunternd zu, was soviel heissen soll wie: Ist nicht so wichtig.) Und als er 30 Jahre alt geworden ist, da haben sie ihn gefunden, von der Decke hängend, genau in diesem beschissenen Kreis.

Oxana haucht: Krass.

Zacharias: Und jetzt stell dir mal vor, Du hast ein schwarzes Loch, das kann so klein sein (er zeigt einen Spalt zwischen Daumen und Zeigefinger, den man gar nicht mehr sehen kann) und das ist ein bisschen verspielt, noch ganz jung, und will sich überall verstecken und stell dir nun mal vor, Du trittst da rein.

In diesem Moment schmiegt sich Oxana hilfesuchend an Zacharias an, der nun das erste mal etwas dummes sagt: Das habe ich nicht gewollt.

Oxana: Aber ich, ich habe das gewollt.

Zacharias weiss gar nicht, was er sagen soll, so viel Gutes ist auf einmal geschehen, sein Vater bei den Anonymen Alkoholikern, ein Kraftfeld als Freund, was ihn beschützt, ein verrückter Ausserirdischer, der ihm Spielzeug mitbringt, um das ihn die Supermacht des Planeten beneiden würde, und jetzt noch Oxana in seinen Armen. Das ist einfach zu viel. In diesem Moment fliegt die andere Tür zu dem Durchgangszimmer auf, und sein Vater steht vor ihm. Es ist alles so irreal, dass er sich für einen winzigen Moment nach einer sogenannten Jachtreise von seinem Vater richtig sehnt, aber was ist das, was hat sein Vater da in der Hand: Ist das ein Tablett mit Limonade und, was ist das...?

Vater: Kinder wollt ihr Pizza und Limo?

Der Vater sieht sich um, und als er keine Antwort bekommt, bis auf Oxana, die ihm scheu zu Begrüssung die Hand reicht, die er kurz ergreift und schüchtern "Hallo" sagt, ist er schon wieder verschwunden.

Auch Zacharias ist nun aufgestanden, macht sich auf zur Tür und murmelt etwas im Herausgehen wie: Bin gleich wieder da.

Dabei wirft er ein Limo Glas um, was ausläuft, worauf er aber nicht achtet, er will nur raus.

Oxana aber sieht erstaunt zu, wie die Limo in einer kleinen Akkredationsscheibe zu einem Wirbel gerührt wird und im Nichts verschwindet. Sie ruft dem flüchtenden Zacharias noch zu: Ich hab dein schwarzes Loch gefunden!

Aber Zacki ist erst mal weg, auf das Klo, nachdenken.

Zacharias braucht eine ganze Weile, bis er sich zusammennimmt, um die Idylle auszuhalten, die da in seinem Zimmer auf ihn lauert. Er hätte jetzt einiges für eine Naturkatastrophe gegeben, wenn es nur alle beide vor der Peinlichkeit gerettet hätte, die ganz bestimmt (da ist sich Zacki sicher) gleich kommen wird.

Aber es ist noch schlimmer. Als er wieder zurück kommt, steckt die Hand von seiner Freundin Oxana im Boden und statt laut zu schreien, kichert sie. Zacki kann nicht anders als sie mit einem Hechtsprung anzuspringen und ihre Hand aus dem Schwarzen Loch zu reissen.

Oxana sagt: Hui.

Zacki kommt auf ihr zu liegen und als er versucht aufzustehen hält sie ihn am Arm fest: Es hat zwei Mägen, einen kleinen äusseren, da kann man wieder heraus, und einen inneren, nur aus dem gibt es keine Wiederkehr. Hast Du das gewusst?

Zacki schüttelt den Kopf.

Oxana lässt ihn los: Dein Schwarzes Loch kennt sich wirklich voll krass mit Astrophysik aus.

Zacki nickt.

Oxana: Freunde?

Zacki nickt und krächst plötzlich ein bisschen heiser geworden: Freunde!





Gassi gehen mit einem Schwarzen Loch

Oxana will mit dem schwarzen Loch gassi gehen.

Zacharias: Was meinst Du damit?

Oxana: Na, ein Hund muss doch auch mal raus, am Laternenpfahl riechen, das Bein heben und du weisst schon.

Zacharias: Ich weiss schon?

Oxana: Nun stell dich nicht so dumm an.

Zacharias: Wie willst Du das machen? Es ist ein schwarzes Loch, das ist deshalb schwarz, weil es so schwer ist. Was meinst Du, wenn das jemand auf den Fuss fällt.

Oxana: Nun hör schon auf, ich weiss, dass es Tricks beherrscht.

Zacharias: Tricks?

Oxana: Schweben und so, du weisst schon, so Sachen, die ganz unlogisch sind, wo Du denkst, was erzählen sie uns bloss in Physik für einen Schwachsinn. Nun komm schon!

Zacharias: Und wenn wir erwischt werden?

Oxana: Gibt es etwa ein Gesetz, dass man keine Schwarzen Löcher halten darf?

Zacharias: Wenn die wüssten ...

Oxana: Aber das tun die nicht, genauso ist das mit den Drogen, da gibt es diesen Typ, der erfindet immer neue Drogen, und verkauft sie als Badesalz.

Zacharias: Und wer sich das reinzieht, der verliert seinen Verstand.

Oxana: Siehst Du, Badesalz ist auch nichts anderes als ein schwarzes Loch. Du verlierst den Verstand, er ist für immer weg.

Zacharias: Aber ein Schwarzes Loch kann nicht nur den Verstand wegschlürfen, es nimmt den ganzen GehirnSchlabber gleich mit.

Das schwarze Loch räuspert sich.

Zacharias will etwas sagen, aber Oxana legt ihm die Hand auf die Lippen und sagt: Lass doch das Schwarze Loch auch mal was sagen.

Schwarzes Loch: Wie nennt ihr diese grossen Nüsse, die so schnell hin und her fahren, und von hinten so stinken?

Zacharias: Nüsse?

Oxana: Autos!

Schwarzes Loch schlägt sich vor die Stirn (nicht wirklich, aber ihr wisst schon, was ich meine): Ja, natürlich Autos, ich kann ein Auto wegschlürfen, ohne den Typ wegzuschlürfen, der da drin sitzt.

Zacharias: Quatsch, das geht doch gar nicht.

Schwarzes Loch: Stimmt, einfach ist es nicht gewesen, aber irgendwann hat es geklappt.

Oxana ist ganz aufgeregt: Och komm schon Zachi, sag ja, das wird bestimmt super, wenn du z.B. ein Auto siehst, das in der prallen Sonne steht, und ein Hund ist darin eingeschlossen, dann kannst Du das arme Tier retten.

Zacharias sagt: Moment mal, bin gleich wieder da.

Zacharias geht in die Küche, während er weg ist zwinkert Oxana dem schwarzen Loch zu, als das zurückzwinkert sind die alten Socken von Zacharias vom Sport verschwunden. Das Schwarze Loch sagt peinlich berührt: Hoppla.

Oxana antwortet: Ach, wenn Du das mit dem Schlürfen hinbekommen hast, dann wird das mit dem Zwinkern auch noch was.

Da kommt Zacharias mit einem Ei zurück und sagt zu dem schwarzen Loch: Dann zeig mal was Du kannst.

Das Schwarze Loch sagt: Das kann ich nicht ausbrüten.

Zacharias: Das sollst Du auch gar nicht, Du sollst das Eiklar von dem Eigelb trennen.

Das Schwarze Loch stellt sich doof: Das mit dem Eiklar ist mir sehr unklar.

Zacharias: Du weisst doch genau, was ich will, hör doch mit dem Scheiss auf.

Oxana: Wieso müsst ihr Jungs immer aus allem einen Wettkampf machen, statt einfach nach draussen zu gehen und das schöne Wetter geniessen, ein Eis essen.

Sanft schiebt Oxana Zacharias nach draussen.

Zacharias: Und wie wollen wir in die Stadt kommen?

Oxana: Wir fahren mit dem Fahrrad, so bin ich auch zu Dir gekommen.

Zacharias: So, und bei wem fährt das Schwarze Loch mit.

Oxana: Natürlich bei mir, siehst Du, ich habe da so einen praktischen Korb.

Zacharias zum Schwarzen Loch: Du bekommst das hin, dich leicht zu machen? Nicht das du dich wieder erschreckst?

Schwarzes Loch: Was sollte mich schon erschrecken?

Weil Zacharias oben im Wald auf den Bergen wohnt, ist es fast so, als würden sie nicht mit einem Fahrrad, sondern mit einem kleinen Motorrad in die Stadt fahren. Zacharias hat schon Tempo fünfzig und mehr erreicht.

Auf halber Strecke flüstert Oxana dem schwarzen Loch zu: Wenn ich es dir sage, könntest Du dich ein ganz kleines bisschen schwerer machen?

Schwarze Loch: Na klar.

Oxana ruft Zacharias zu, der vor ihr fährt: Wettrennen! Wer zuerst auf dem Supermarktparkplatz ist.

Zacharias schaltet hoch, dreht sich um und ruft Oxana zu: Keine Chance.

Oxana beugt sich zum schwarzen Loch runter: Ein kleines bisschen schwerer.

Kaum hat sie das gesagt, wird ihr Haar und sogar ihre Lippen Richtung Schwarzes Loch gezogen und das Fahrrad nimmt ordentlich Beschleunigung auf. In leichter Panik ruft sie: Schweben!

Zacharias dreht sich fragend um, da zieht Oxana an ihm vorbei und brüllt: No time for Losers!

Mit Leichtigkeit zieht Oxana an ihm vorbei. Zacharias muss sich ganz schön anstrengen, um gleichzeitig mit ihr auf dem Parkplatz anzukommen, und Oxana muss sich mit ihren abgefahrenen Bremsbelägen ganz schön anstrengen, ihr Fahrrad zum Stehen zu bringen. Es quietscht mörderisch, dass es in den Ohren klingelt, als die beiden vom Fahrrad absteigen. Lässig schwebt das schwarze Loch hinter Oxana her.

Zacharias ahnt nichts gutes: Und was machen wir jetzt?

Oxana: Nun tun wir etwas für das Klima.

Zacharias: Haben wir das nicht schon eben getan, immerhin sind wir Fahrrad gefahren?

Oxana lächelt Zacharias an: Nicht so bescheiden.

Zacharias bleibt stehen und sagt resigniert: Ich glaube, ich weiss, was Du vor hast.

Während sich die Drei noch auf dem Supermarktparkplatz umsehen, steigt ein gut druchtrainierter Hundebesitzer, mit extrem verkürztem Haarschnitt aus seinem SUV. Als ein Mastiv freudig mit dem Stummelschwänzchen wedelnd ihn begleiten muss, klärt der Halter (von Auto und Hund) die Lage durch eine herrische Armbewegung: Mach Platz!

Und schon fliegt die Tür zu. Und der Typ ist hinter einem Van in der nächsten Autoreihe verschwunden.

Oxanas Aufmerksamkeit ist durch das satte Geräusch der zugeschlagenen Tür aufmerksam geworden: Sieh nur, das ist schon ein geiler Wagen, wieviel PS hat der wohl?

Zacharias: Der steht auf dem Behindertenparkplatz!

Oxana: Weil der so schön nah an der Kasse ist. Siehst Du hier irgendwo einen Berechtigungsausweis.

Zacharias: Der ist ihm bestimmt runter gefallen oder so.

Oxana: Einen Aufkleber? Hm? Eine Rampe?

Zacharias: Es gibt ganz kleine Rollstühle, echt jetzt, die kannst Du so auffalten.

Oxana: Oh, wie niedlich, so ganz winzig kleine Rollstühle, echt jetzt?

Zacharias stellt sich vor das SUV und breitet die Arme aus und sagt: Bitte nicht.

Oxana schüpft unter seinen Armen durch: Sieh nur ein Hund.

Zacharias: Das ist ein Wackeldackel.

Oxana: Um so besser, meinst Du etwa ich bin so herzlos und probiere das mit einem echten Hund aus?

Oxana steckt die Finger in den Mund und pfeift nach dem Schwarzen Loch. Das Schwarze Lock postiert sich hinter dem Auto und sagt: Soll ich, echt jetzt?

Oxana nickt nur freundlich.

Zacharias will protestieren, aber Oxana zieht ihn von dem Auto weg und schreit ihn bei dem Lärm, der nun entsteht an: Das ist gefährlich, bist Du lebensmüde?

Das verdammte SUV ist komplett verschwunden.

Zacharias ist genervt und schlägt die Arme übereinander: Toller Trick.

Oxana sagt zum schwarzen Loch, Du hast den Wackeldackel noch im ersten Magen, oder, komm spuck ihn aus.

Das Schwarze Loch würgt kurz und ein Kühlergrill mit sammt Kuhfänger fällt scheppernd auf die Strasse.

Zacharias: Der Wackeldackel ... hm.

Oxana applaudiert: Du weisst gar nicht wie schwer das ist, der Kühlergrill ist doch schon ein Anfang.

Zacharias schüttelt den Kopf.

Oxana flüstert dem schwarzes Loch zu: Sieh doch mal in deinem Vormagen nach, vielleicht findest Du da noch den Hund.

Das Erste was ihnen auffällt, wie der Kopf von dem Hund eigenartig vergrössert ist, na ja, das kann vorkommen, ist bestimmt so ein Physikalisches Phänomen. Als sich dann der Mastif aus dem Vormagen des schwarzen Lochs knurrend befreit hat, kommt er ganz langsam wie in Zeitlupe extrem boshaft knurrend auf Zacharias zu, der zeigt in Richtung des schwarzen Lochs, so als wollte er jede Schuld von sich weisen.

Oxana tadelt Zacharias: Echt jetzt, du schiebst deinen Freunden die Schuld zu?

Zacharias leise und verärgert: Wollte ich etwa dieses Spektakel.

Da geht Oxana auf den knurrenden Kampfhund zu und sagt: Wollten dich dein böses Herrchen im Auto braten?

Sie hält dem Hund die Hand hin, der daran riecht, dann kniet sie sich nieder, was eigentlich bei der Grösse des Hundes überhaupt nicht notwendig ist, und streichelt den Kampfhund.



Ein total durchtrainierter Typ kommt auf den Parkplatz: Scheisse, wo ist meine Karre. He, habt ihr gesehen wer mein Auto gestohlen hat?

Oxana springt auf das Fahrrad und pfeifft nach dem schwarzen Loch und ruft zu Zacharias: Nun komm schon, wenn Du das Muskelmann nicht erklären willst?

Zacharias schwingt sich auf sein Fahrrad und fährt hinterher. Er versucht einen lockeren Spruch zu machen: Gelehrig sah der nicht gerade aus.

Oxana sieht ihn während der Flucht noch tadelnd an und sagt gönnerisch: Ist schon O.K.

Zu dem Hund sagt sie: Na komm schon Dicker, komm mit.

Der Hund zögert keinen Augenblick um seinem Herrchen zu entkommen.

Zacharias ist noch empört über ihre gönnerische Art: O.K.? Was ist O.K.?

Oxana brüllt während der Typ immer noch hinter ihnen herrennt, sie müssen ganz schön in die Pedalen treten: Du hast gezögert.

Zacharias: Das nennst Du zögern? Ich habe nur überlegt, mein Gehirn benutzt.

Oxana: Und hat es dir etwas genützt?

Da fällt Zacharias nichts mehr ein.

Oxana: Siehst Du, und wenn Du dein Gehirn das nächste mal benutzt, dann weisst Du auch, dass du heute gelernt hast, das Zögern überhaupt nichts nützt.







Die Wunschwolke und der verschwundene Onkel

Zacharias will heute nichts besonders machen, das hat er sich fest vorgenommen. In letzter Zeit passiert immer etwas besonderes, da wünscht sich Zacharias mal nur für einen Tag, die gute alte Langeweile zurück, von einem Kind, was alleine mit seinem Vater im Wald wohnt. Die schweren dumpfen Explosionen des Steinbruchs, die oft von eine leisen Klirren der Gläser im Schrank begleitet werden, waren die einzige wirkliche Abwechslung. An solchen langweiligen Tagen hat sich Zacharias gegen abend immer zum Steinbruch geschlichen, um zu fletschern. Denn es ist immer etwas spannend in den Steinbruch zu gehen. Schon allein deshalb, weil alle Erwachsenen einen riesen Aufriss darum machen. Ihr dürft spielen was ihr wollt, aber geht niemals zum Steinbruch. Und wenn ihr eine ganz laute Tröte hört, dann rennt ganz schnell weg und versteckt euch hinter etwas ganz grossen. Und spielt auch nicht mit den schönen roten Stangen, die der Sprengmeister in die Löcher steckt. Tatsächlich hatte Zacharias, als er kleiner war, mal geplant, so eine schöne Stange Dynamit, die ansonsten echt schwierig aufzutreiben ist, abzuzweigen, wenn der Sprengmeister seinen Schutzunterstand aufsucht.

Aber auch früher ist von "Fletschern verboten" nie die Rede gewesen, und doch ist der einzig brauchbare See weit und breit im Steinbruch. Und um dahin zu kommen, muss man es wie die Wildschweine machen, denn für die hat der Förster extra eine kleine Schweineklappe im mit Stacheldraht gesicherten Zaun gelassen. Nachdem Geierscheisse verschwunden war, ist er oft hier gewesen. Aber das ist ja nun auch schon eine Weile her.

Eigentlich wollte er immer mal mit Oxana hier her kommen und ihr zeigen, wie alles angefangen hat. Aber die redet viel zu viel. Vor allem mit ihrem Onkel. "Mein Onkel ist ein Mogul", hat sie gesagt, aber verstanden hat Zacharias nur Mongole. Das Einzige was ein Mongole damit zu tun hat, das ist eine Verbindung über Star Treck (TM). Haben sie da nicht für einige Weltraumvölker die Religion und die Bräuche der Mongolen verwendet?

Aber viel mehr Sorgen als über Oxana macht er sich über das schwarze Loch und seinen verdammten Vormagen. Das nutzt es nämlich schamlos aus, dass das Wild es nicht wittern kann und fängt alles mögliche, nur weil ihm langweilig ist. Ob es der Dackel vom Förster ist, oder ein gestresster Waschbär. Zacharias hat schon Angst mal einen Kinderwagen da raus zu ziehen oder seinen betrunkenen Vater. Auch hat Zacharias das Gefühl, das sich in dem Vormagen des Schwarzen Lochs noch andere Dinge befunden haben. Früher hätte er gedacht, dass er spinnt, aber jetzt ist ihm so, als ob etwas unter seinem Bett leben würde. Greifen kann man es nicht, und doch ist es da, und als er mit der Taschenlampe unter das Bett geleuchtet hat, war da nur ... ja, wie soll ich es sagen ... eine Art Wolke. Als er dann das Fenster aufgemacht hat, um diesen Nebel abziehen zu lassen, da konnte er es spüren, dass das dem Nebel gar nicht gefiel, und so hat er das Fenster wieder geschlossen. Was er am nächsten Morgen bereut hat. Denn Zacharias hatte einen eigenartigen, gar nicht unangenehmen Traum, er wäre eine Walnuss, die total gemütlich in ihrer Nussschale steckt, während es draussen total ungemütlich ist und immer nur regnet und so.

Das Eigenartige war, als er wieder aufgewacht ist, war er noch in dem Traum gefangen. Obwohl sein Zimmer immer noch ein Zimmer war, und keine Nussschale, hatte es sich doch in die Richtung einer Nussschale entwickelt, mit kleinen Kammern für den Walnusskern. Auch eine Tür konnte er nicht mehr finden. Ausserdem war da überall diese eigenartige Wolke, kroch heimlich vor seinen Mund, um sich von ihm inhalieren zu lassen. Und mit jedem Atemzug wurde der Traum wirklicher. Und die Wolke fing an zu sprechen: Hallo, ich bin die Sylke, ich gehöre jetzt Dir, wolltest Du nicht schon immer eine Wolke haben, ich bin jetzt deine Wolke. Hab keine Angst, Du brauchst mich nicht füttern, ich bin ein harmloses Haustier, was sich sein Essen selbst sucht, hast Du das verstanden Zacharias?

Zacharias: Tu mir einen Gefallen, verschwinde von meinem Mund.

Sylke: Ich tue dir jeden Gefallen und deshalb bleibe ich ganz nah bei dir.

Zacharias: Ich sage aber, Du sollst gehen!

Sylke: Ich höre nicht auf das was Du sagst, ich höre auf das was Du fühlst.

Zacharaias: Hast Du das gefühlt? Nein, nicht? Ich habe ganz deutlich gefühlt, dass Du verschwinden sollst!

Sylke die Wolke: Das hast Du nicht, das Gegenteil ist der Fall, Du bist neugierig geworden. Das war heute morgen.

Während Zacharias auf dem Weg zum Steinbruch noch darüber nachdenkt, was es jetzt mit dieser Wolke auf sich hat, ist er endlich am See angekommen. Erst jetzt fällt ihm auf, dass man in einem Steinbruch einfach keine richtigen Steine zum Fletschern findet. Überall gibt es nur diesen feinen Split, aber zum Fletschern braucht es schöne platt geschliffene Kieselsteine. Richtig geworfen springen die so oft über das Wasser, dass man es schon gar nicht mehr zählen kann. Das einzige was Zacharias findet, ist ein altes Brett, damit klappt das Fletschern zwar auch ganz gut, wenn man sich wie ein Kugelstosser dreht und es auf das Wasser platschen lässt, ein Wunder ist es aber nicht, wenn das Brett nicht untergeht. Auf dem Rückweg aus dem Steinbruch fragt sich Zacharias, wohin Sylke eigentlich verschwunden ist. Denn er hat sie schon gestern nicht mehr unter seinem Bett gesehen. Und das Schwarze Loch hat so getan, als ob es überhaupt keine Ahnung hat, woher Silke eigentlich gekommen ist. Das ist wieder typisch, Zacharias würde darauf wetten, dass es aus dem Vormagen des schwarzen Lochs stammt. Und wo Sylke die Wolke jetzt ist, das kann sich Zacharias auch denken.



Zacharias nimmt sich vor mit Oxana zu reden, was für Potential diese Spielsachen haben, und dass wir jetzt, wo Geierscheisse Weltraumurlaub macht, beide gut auf die Spielsachen aufpassen müssen.

Als er aus dem Wald kommt, kann er schon von weitem Oxana sehen und als er näher kommt, sieht er auch Sylke, wie sie über Oxana schwebt. Zacharias zieht seine Jacke aus und wedelt damit herum, bis Sylke verschwunden ist.

Oxana sieht Zacharias erstaunt an, dann riecht sie so beiläufig, wie es irgend geht, an ihrer Achsel: Findest Du dass ich stinke?

Zacharias: Ich wollte nur die Wolke verscheuchen.

Oxama sieht Zacharias neugierig an, scheint ihn aber nicht richtig verstanden zu haben und sagt: Noch so ein Spielzeug?

Zacharias nickt und sagt: Ich wollte noch mit dir darüber sprechen, und wie wichtig es ist, dass wir das nicht so rumerzählen, mit diesen Spielsachen.

Zacharias sieht Oxana ernst an, die muss grinsen und er fragt nur: Was?

Oxama legt Zacharias die Hand auf die Schulter: Du kannst dich immer auf mich verlassen, solange du mich mit guten Stricken an den Mast gefesselt hast.

Zachi: Hä?

Oxana: Odysseus und die Sirenen, Schrägstrich Verlockungen (sie sieht Zachi fragend an)

Zachi: Ich weiss, wer das ist, ich kenne das Märchen.

Oxana: Märchen, lieber Zacki, das ist kein Märchen, Du brauchst wirklich gute Stricke, denn ich kann mich aus allem wieder rauswinden.

Zacki: Was willst Du mir damit sagen?

Oxana: Nun, wenn Du auch nur ein bisschen Menschenkenntnis hättest, dann hättest Du mich nicht so in Versuchung geführt.

Zacki: Hm?

Oxana: Du weisst doch, ich habe diesen Onkel.

Zacki: Den mit der Tankstelle?

Oxana: Nicht nur eine Tankstelle, es gehört schon mehr dazu.

Zacki zieht seine buschigen Augenbrauen hoch (Hatte ich das noch nicht erwähnt? Die buschigen Augenbrauen sind echt beeindruckend. Auch wenn sie Zacharias ein bisschen peinlich sind.)

Oxana: Ja, Du weisst doch, hast Du erst eine Tankstelle, brauchst Du noch eine Leitung ...

Zacki: Eine Pipeline?

Oxana: Genau, oder Du machst es anders, dann brauchst Du Schiffe ...

Zacki: Tanker?

Oxana: Ja genau.

Zacki: Und am besten gehört dir auch noch die Ölquelle, oder?

Oxana: Das kann nicht schaden.

Zacki: Das kann schon schaden.

Oxana senkt den Blick: Stümmt. Das musst Du mir nicht sagen, aber wenn Du eine Infinity Machine hast, die hast Du doch noch, oder? (Zacki nickt), dann brauchst Du kein CO2 mehr in die Luft blasen.

Zacki: Und da ist dein Onkel der Richtige? Weil er weiss, wie man es anstellt, dass man die Ölquelle auch behalten kann.

Oxana: Ich freue mich das Du das so siehst, aber ...

Zacki: Wer nimmt es wieder deinem Onkel ab?

Oxana: Da habe ich jetzt auch drüber nachgedacht. Manchmal bin ich etwas voreilig.

Zacki: Wenn man dich nicht angebunden hat.

Oxana: Ich finde es gut, dass Du einsiehst das die Schuld auch ein ganz kleines bisschen bei Dir liegt.

Zacki: Du meinst, wir sollten was unternehmen?

Zacharias zeigt auf seine Schnürsenkel und sieht Oxana fragend an.

Oxana: Ich glaube, wir brauchen jetzt etwas anderes.

Das scheint Wunschwolke Sylke als so einen Ruf aus dem Unterbewussten verstanden zu haben. Denn jetzt wo sie beide abgelenkt sind, schleicht sie sich heimlich an. Geschickt nutzt sie die Dämmerung aus, und dass Zacharias in seinem Zimmer noch kein Licht angemacht hat, um die Münder der beiden zu umschmeicheln.

Ein paar Atemzüge tun die beiden nichts, sehen sich nur um, bekommen das Gefühl, das irgendetwas gerade im Gange ist.

Zacki: Hörst Du auch den Hubschrauber?

Oxana greift nach dem Kraftfeld und pfeifft das schwarze Loch ran.

Oxana flüstert dem schwarzen Loch zu: Du versteckst Dich vor der Tür.

Dann schubst sie Zacki in den Sessel und sagt: Und du trinkst deinen Tee.

Zacki: Und wenn sie hier gleich durch die Fenster springen?

Oxana: Wir haben nichts getan.

Der Helicopter wird lauter.

Zacki und Oxana blicken Richtung Decke. Bange Sekunden vergehen, der Helicopter fliegt weiter.

Kurz bevor die beiden aufatmen können lässt sie das Klingeln an der Tür aufschrecken.

Zacki will das schwarze Loch wegschicken oder Oxana flüstert durch die Zähne: Du bleibst hier und rührst dich nicht vom Fleck.

Dann wendet sie sich an Zacki: Und Du machst die Tür auf, mit einem Schwung, es soll eine Überraschung sein.

Es klingelt noch mal, Oxana flüstert: Nun mach schon, sonst rammen sie dir die Tür ein.

Und dann ging es alles ganz schnell, Zacki reisst die Tür auf, Oxana reisst die Augen auf und sagt "Onkel". Der Onkel altmodisch und wirklich vertrauenerweckend mit Nadelstreifen und Gamaschen schreitet forsch über die Schwelle und ist schon verschwunden, im schwarzen Loch, was da auf ihn gelauert hat.

Oxana ist geschockt: Mein Onkel, Dein Ding hat meinen Onkel gefressen.

Zacki: Du hast es doch dort hin geschickt.

Oxana: Aber da wusste ich noch nicht, dass er es ist. Ich dachte da kommt irgendeine Bande.

Zacki: Vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Schwarzes Loch sag mal, in welchem Magen ist der Onkel?

Oxana schöpft Hoffnung und sagt zum schwarzen Loch: Hast Du ihn nicht ganz verschluckt, oh, das wäre ja super, komm, sei brav spuck ihn wieder aus.

Das schwarze Loch: Oh tut mir leid, aber ihr habt doch gesagt ...

Zacki: Hast Du auch überall in deinem ersten Magen nachgesehen, der ist doch bestimmt ganz schön gross, so kurz vor der Singularität, da kann man einen Onkel doch schnell mal übersehen.

Das schwarze Loch schüttelt den Kopf: Sorry, aber da ist nichts zu machen.

Oxana bricht in Tränen aus und muss sich von Zacki trösten lassen, da sagt das schwarze Loch: Ah, da ist noch was.

Und spuckt eine Gammasche aus.

Geschockt starrt Zacharias auf die Gamasche, dabei fällt ihm auf, wie eine kleine Wolke aus seinem Mund kommt, so als ob es Winter wäre, und sie wären draussen in der frostigen Luft. Und die Gamasche sieht plötzlich auch ganz anders aus, mehr wie ein Hemd, was er über die Stuhllehne gelegt hat. Zacharias hat sich schnell entschlossen, das Fenster aufzureissen, um die Wolke zu erschrecken. Aber es dauert eine Ewigkeit, wie in Zeitlupe, bis er am Fenster ist und es aufreissen kann. Als es ihm endlich gelingt, ist Sylke die Wolke schmollend unter seinem Bett verschwunden.

Oxana beginnt sich auch zu fangen: Was war das?

Zacharias wiederholt nur die Frage von vorhin: Hast Du deinem Onkel irgendetwas von dem Weltraumspielzeug erzählt?

Oxana fasst sich verstört in ihr verheultes Gesicht: Meinem Onkel? Nein! Was denkst Du denn?

Zacharias sieht Oxana fest an, die überlegt angestrengt, dann holt sie ihre Funke raus: Ich muss ihn mal anrufen, ich habe so das Gefühl, dass etwas passiert ist.

Zacharias hält sie sanft davon ab.

Oxana sieht ihn leicht erschüttert an: Was ist nun schon wieder?

Zacharias sieht sie nur an, als ob das ausreichen würde ihn zu verstehen.

Oxana reicht es scheinbar aus: Noch ein Weltraumspielzeug?

Zacharias zeigt unter das Bett, wo die Wolke gemütlich hin und her wabert.

Oxana sieht Zacharias an: Wer ist das? Ach das ist das Ding, was du vorhin weggewedelt hast, oder?

Zacharias: Das ist Sylke die Wunschwolke.

Oxana braucht einen Moment: Das soll ich mir gewünscht haben? Das mein Onkel in ein schwarzes Loch tritt? Das glaube ich nicht.

Zacharias sieht Sylke tadelnd an und sagt besserwisserisch: Ist wohl mehr so ein Psychoding.

Oxana ist wieder etwas gefasst: Ein Psychoding? Was? Niemals!

Oxana knufft Zacharias in die Seite und sagt: Manchmal kommst Du auf Gedanken.







Freunde?

Oxana und Zacharias schieben die Fahrräder schon eine ganze Weile den Berg hoch, was ganz schön anstrengend ist. Nur gut, dass Zacharias Haus schon in Sicht ist.

Nach einer längeren Pause des vertrauten Schweigens nimmt Zacharias seinen Mut zusammen und sagt: Oxana, willst Du mit mir gehen?

Oxana sieht Zacharias entsetzt an: Aber wir gehen doch schon miteinander.

Zacharias überspielt seine Enttäuschung: Also wir gehen schon miteinander?

Oxana: Ja, sieh nur, wie wir gehen, eben waren wir noch hier und gleich sind wir dort, weil wir miteinander gehen.

Zacharias ist verdutzt: Also gehen wir nicht richtig zusammen.

Oxana: Doch, wir gehen richtig miteinander.

Zacharias: Du weisst doch was das heisst?

Oxana: Natürlich weiss ich das. Aber?

Zacharias: Aber?

Oxana: Du bist langweilig.

Zacharias: Was? Ich bin was? Langweilig?

Oxana: Schon, das bist Du, und das ist auch in Ordnung, Du hattest deinen Stress mit deinem Vater, und willst jetzt deine Ruhe haben, das verstehe ich.

Zacharias: Und das Weltraumspielzeug?

Oxana: Das ist schon super, wirklich, aber ich soll doch nicht nur deshalb mit dir gehen, oder?

Zacharias versteht nichts mehr.

Oxana: Sieh mal, ich dachte ich treffe mal einen Jungen, der surft, oder fliegt mit so einem Fallschirm, einen der sich nicht um andere kümmert, der sich so benimmt, als ob er allein da wäre.

Zacharias: Ich bin doch alleine da.

Oxana: Ach menno, verstehst Du das nicht, oder willst Du das nicht verstehen? Wir sind mehr so was wie beste Freundinnen, verstehst Du?

Zacharias: Weil ich nicht Fallschirm fliege?

Oxana sieht Zacharias ein bisschen verzweifelt an und nickt.

Zacharias: Und was noch?

Oxana: Das kann ich schwer sagen.

Zacharias wird sauer: Probier es doch mal.

Oxana lächelt ihn an: Ja, genau so, wenn Du so bist wie jetzt, dann ist es schon besser.

Zacharias: Wie bin ich denn so?

Oxana druckst herum: Wie einer, der sein Ding macht, und keine Rücksicht nimmt, einer der gefährlich ist, wild vielleicht, ein bisschen wenigstens.

Zacharias: Du sprichst von mir!

Oxana: Ja schon, aber wieder auch nicht, es ist einfach bei dir alles so leicht.

Zacharias: Wie leicht?

Oxana: Ja, Du magst mich und so, alles super, ich muss gar nichts mehr selber machen.

Zacharias: Was willst Du denn machen?

Oxana: Ich will nicht wissen, ob ich dich kriegen kann und so.

Zacharias: Wie und so?

Oxana: Jetzt tu doch nicht so, als ob Du das nicht verstehst. Ich will dass Du dein Ding machst und keine Rücksicht auf mich nimmst.

Zacharias: Nehmen wir mal an, ich verstehe, was Du da sagst, nehmen wir das einfach mal an, was würdest Du dann tun?

Oxana: Im Ernst, soll ich das jetzt sagen, einfach so?

Zacharias gibt sein Bestes um wilder und unberechenbarer zu sein und nickt bestimmt.

Oxana zeigt auf ihn und sagt anerkennend: Du lernst schnell, wirklich.

Zacharias strengt sich an noch schneller zu lernen und sagt noch bestimmter: Was wirst Du tun?

Oxana: Ja, also ich, ich würde dann an dich denken.

Zacharias: Nun sag es endlich.

Oxana wird ärgerlich: Ja, was man so denkt: was macht er nur ... mag er mich auch ... wenn er mich so ansieht.

Zacharias: Und das gefällt dir?

Oxana: Oh ja, das tut es.

Zacharias: Und dann?

Oxana: Wie und dann?

Oxan und Zacharias sind endlich am Haus angekommen lassen ihre Räder ins hohe Gras fallen und gehen ins Haus, Oxana lässt sich erschöpft auf das Bett fallen und Zacharias sinkt in den alten Ohrensessel. Obwohl sie erschöpft sind, will Zacharias es wissen und sie reden weiter. Silke und das Schwarze Loch streiten sich kurz und stumm, wer unter das Bett von Zacharias darf, Sylke hat augenscheinlich gewonnen.

Zacharias: Bleibt es dann so und ende? Du findest nie heraus, ob ich dich mag, das ist tragisch, aber so ist das nun mal: Ende.

Oxana: Nein, natürlich nicht, ich würde versuchen herauszufinden, was Dir an mir gefällt und so.

Zacharias: Und das müsste ich dir dann schwer machen?

Oxana hebt den Kopf und ist empört: So wie du das sagst, da klingt es bescheuert, dabei machen das doch alle so, das ist ganz normal!

Zacharias: Okidoki, alles normal und dann?

Oxana: Und dann, was und dann?

Zacharias wird jetzt auch sauer: Ja, genau, was und dann?

Oxana: Ja, wenn ich Glück hätte, dann würdest Du mich irgendwann mögen.

Zacharias: Und das wäre schön?

Oxana sieht Zacharias ärgerlich an: Ja, das wäre schön.

Zacharias: Aber das ist doch schon jetzt so!

Oxana: Du hast das Ganze nicht verstanden, überhaupt nicht, das sind die Gene von Homo Sapiens. So ist das nun mal, sowas finden wir Mädchen gut, wenn es nicht so leicht ist, wenn sie ihr Stirnhirn gebrauchen müssen, um dich rum zu kriegen und so.

Zacharias: Das ist doch total bescheuert, wieso nimmst Du nicht die Abkürzung? Ich bin doch schon in dich verliebt, und du musst mich nicht mal mehr dressieren. Ich muss Dir sogar ein Geheimnis verraten, wenn Du das hörst, dann willst Du bestimmt nie wieder was mit mir zu tun haben.

Oxana: Hör jetzt auf damit.

Zacharias: Weisst Du was, ich bin sogar stubenrein!

Oxana setzt sich verärgert im Bett auf: Jetzt hör doch mal auf, das ist doch alles Quatsch, wir lassen es so, wie es ist, es ist doch super: Freunde?

Zacharias: Ne, ist nicht, du willst doch, dass ich wilder bin.

Oxana: So wie du das jetzt sagst, klingt es bescheuert, aber ja.

Zacharias: Sylke komm mal unter dem Bett hervor, kannst Du Oxi mal diesen Traum vorspielen, den ich gestern hatte, und wenn Du schon dabei bist, kannst Du mir auch gleich helfen, und ihr ein paar Erinnerungen einpflanzen, an unsere wilde Zeit.

Oxana sieht geschockt wie Silke unter dem Bett hervor wabert, und rennt zum Fenster und reisst es auf und hält sich die Hand vor den Mund und zischt hervor: Du tickst wohl nicht richtig!

Oxana stürmt raus.

Zacharias ruft ihr durch das Fenster hinterher, als ihr Fahrrad durch die steile Abfahrt schon ordentlich Schwung aufgenommen hat: War es nicht das, was Du wolltest?! Wie? Gefällt es dir etwa nicht mehr?

Und von ferne hört er noch Oxana fluchen, kann es aber nicht verstehen, da ist sie weg, ausser Reichweite.



Einen Moment ist es still im Zimmer, dann sagt Silke: Also so klug war das jetzt nicht.

Das schwarze Loch sagt: Das war wirklich hacke blöd von dir Zacki.

Und das Kraftfeld sagt: Also Alter, mich brauchst Du erst gar nicht fragen, ob ich deine Perle hier den Berg wieder hoch schubse, den Scheiss löffelst Du jetzt schön mal alleine aus.



Türknallend läuft Zacharias raus.

Das schwarze Loch schüttelt seine Akkredationsscheibe: Ist doch wahr, Mensch.

Kraftfeld: Aber so was von wahr.

Sylke: Aber eine kleine Unterstützung ...

Kraftfeld: Vergiss es, da muss er selbst durch.

Schwarze Loch: So ist es. Du kannst ihm nicht alles abnehmen, das Leben ist doch kein Wunschkonzert.



Olivia, die geheimnisvolle Bäckereifachverkäuferin

Nur wer auf einem Berg wohnt, der kennt das. Wenn einem alles zu viel wird, wenn man überhaupt nicht mehr weiss, was man tun soll, dann lässt man sich von der Schwerkraft ins Tal rollen. Das macht auch Zacharias heute so. Auch wenn er viel zu dünn angezogen ist. Das ist noch so ein Ding, wenn man auf dem Berg wohnt und die Schule im Tal geht. Man muss immer eine dicke Jacke für die Hinfahrt mitschleppen, wenn man dann Mittags, wenn es warm ist, zurück fährt, braucht man überhaupt keine Jacke mehr, besonders, wenn es wieder bergauf geht. Eigenartig ist, man glaubt jedes Mal, wenn man das tut, dass man an einen ganz neuen Ort kommt, dass es so ist, als würde man einen Stein von der alten Frankenburg, ungefähr 100 Höhenmeter über Zacharis Haus, ins Tal werfen, wo man auch nie ganz sicher sein kann, wo der Stein landet. Manchmal bleiben die Steine einfach mitten auf dem Steilhang liegen, und dann nehmen andere, die gar nicht so eine ideale Form haben, plötzlich richtig Fahrt auf, springen über den umgefallenden Baumstamm und überwinden die kleine Mulde bevor es erneut steil bergab geht. Doch wenn Zacharias das Gleiche mit dem Fahrrad ausprobiert, dann landet er doch jedes mal bei den gleiche 3 Orten im Tal, mit denen er etwas verbindet. Das ärgert ihn. Da hat man die ganze Intelligenz der Evolution, aber wenn es um den Zufall geht, dann ist man selbst einem beschissenen Stein, der ins Tal rollt, total unterlegen.

Doch diesmal will er es anders machen, diesmal will er sich den Stein als Vorbild nehmen, und auch wenn er hier oben an der Ecke auf dem Kirchplatz schon die Bäckerei riechen kann, so wie damals, als er das erste Mal in die Stadt gefahren ist, nur um sich etwas vom Bäcker zu holen, diesmal will er eine andere Richtung einschlagen, aber statt einfach weiter zu fahren, bleibt er stehen, sieht zum Himmel und wie auf Kommando öffnet sich die Wolkendecke und die Sonne kommt raus um ihn zu wärmen. Er sieht das als Zeichen, nicht in die warme Backstube gehen zu müssen, um sich nach der rasanten Talfahrt aufzuwärmen. Aber was tut er da? Setzt sich auf die Bank, setzt sich ein wenig schräg hin, damit ihm die Sonne direkt ins Gesicht scheinen kann. Ein alter Trick, wenn man die Augen schliessen will, mitten in der Stadt, um sich seinen Tagträumen hinzugeben. Er sollte jetzt dem wilden Willen des Steins folgen, und das probiert er auch mit geschlossenen Augen, er versucht rauszufinden, wo er sich von dem Gefälle hintragen lassen könnte, wenn er nur ein Stein wäre. Aber alles, was ihm dazu einfällt ist dieses eine Mal, als er zum Bäcker gegangen ist, an das er schon öfter gedacht hat.



Damals hat er versucht sich damit rauszureden, dass es nach Hefekuchen mit Pflaumen und Streuseln gerochen hat, er versuchte sich damit herauszureden, dass es mit der warmen Backstube zu tun hat, wo er sich aufwärmen kann. Und auch mit dem Geld, was er in seiner Hosentasche klimpern hört. Sein Vater hat es ihm zugesteckt. Das hat vor ein paar Monaten angefangen. Überall findet Zacharias Geld in den Hosentaschen, sogar in seiner Turnhose.

Während Zacharias noch in Gedanken bei dem Taschengeld in seiner Turnhose ist und welchen Nutzen das haben soll, betritt er die Backstube. Erst jetzt erinnert er sich daran, wie das abläuft, wie Olivia, diese verwirrende Bäckerreifachverkäuferin aus Österreich auf ihn wirkt. Als hätte er einen Heizstab verschluckt, knallrot läuft er an, wenn er nur daran denkt. Dann kühlt er sich selbst vorher runter, achtet darauf, dass er nicht überhitzt vom Fahrrad in die warme Backstube von Olivia steigt. Aber dieser kleine Schreck, der ihn überkommt, der scheint schon auszureichen. Obwohl er seinen Puls nicht weiter hochtreibt, als es ein winziger Hügel kann, mehr ein Haufen vielleicht, steht er wieder da und hat eine Bombe.

Olivia blickt etwas missmutig von ihrer Lektüre auf, weil sie wahrscheinlich einen alten Schlawiner erwartet, der sie mit Donauwellen nervt und immer etwas mit Zuckerguss kauft, diese Sau. Und dann glaubt er noch, sie merkt es nicht. Zacharias, besonders in seiner Erscheinungsform als wandelnde Erdbeere ist da ganz anders. Er ist hoch willkommen. Natürlich hat Olivia schon mal drüber nachgedacht, ob auch Zacharias mal so ein Zuckerguss Typ wird, aber da macht sich Olivia keine Sorgen, Zacharias wird es schon schaffen mit ein bisschen Hilfe.

Schon als er das erste Mal diesen Erdbeekopf bekommen hat, hat sie seine Behandlung übernommen. Erst hat sie ihn geneckt, als sie ihn mal erwischt hat, dass er ihren Namen weiss: Olivia, nein, das ist Olivia (sie zeigt auf ein Ciabata mit Oliven drin), aber ich bin doch nicht Olivia, oder doch? Was meinst du? Ausserdem weiss ich ja gar nicht, wie Du heisst.

Zacharias: Zchrias.

Olivia reicht ihm die Hand über den Tresen und sagt: Das probieren wir noch mal, Olivia, angenehm.

Zacharias: Zachrias.

Olivia lässt seine Hand nicht los, die augenblicklich schweissnass wird: Soll ich schon mal raten, oder willst Du es mir noch einmal verraten, wie Du heisst, hm?

Zacharias presst heraus: Zacki

Olivia runzelt die Stirn: Zacki?

Zacharias: Freunde sagen Zacki.

Olivia hält die Hand immer noch fest und sagt gedankenverloren: So tun sie das, die Freunde, Zacki?

Zacharias wird noch röter

Olivia wundert sich, dass sich das Rot noch steigern liess und probiert noch was aus: Ich sage aber lieber Zacharias, kann ich trotzdem dein Freundin sein?

Olivia lässt Zacharias Hand los und sieht ihn fasziniert an und Zacharias zeigt einen Mut, den nur richtige Helden kennen und sagt: Was ist?

Olivia: Ich weiss nicht, ob du das weisst, aber Du kannst ganz schön rot werden.

Zacki: Weiss ich.

Olivia: Ich habe mich gewundert, weil es eben noch stärker geworden ist, so als ob Du beleuchtet wirst von innen.

Zacki schluckt: So fühlt es sich auch an.

Olivia: Danke für das Kompliment.

Zacki: Wie?

Olivia: Du hast doch gesagt, dass ich es mitfühlen kann.

Zacki versteht nicht mehr viel, ist immer noch geschockt, wegen der Freundschaftsanfrage von Olivia.

Olivia: Sonst sagen immer alle Freunde, dass ich grausam bin.

Zacki: So.

Olivia: Dabei gehört zum grausam sein doch mitfühlen dazu, oder?

Zacki nickt.

Olivia: So, was darf es denn sein, Du bist ja nicht zum Vergnügen hier oder?

Zacki sagt artig: Nein.

Olivia: Und nun (sie zwinkert) das gleiche wie immer, ein Amerikaner?

Zacki: Nein.

Olivia: Oh, jetzt bin ich gespannt.

Zacki: Croissant.

Olivia will sich bücken, weil die Croissants unten im Rollwagen mit den noch heissen Backblechen liegen, dann überlegt sie noch, dreht sich wieder um und sagt inquisitorisch: Warum die Croissants?

Zacki: Knusprig.

Olivia: Du meinst, Du würdest auch ein Croissant nehmen, wenn es nicht da ganz unten auf dem Blech liegen würden?

Zacki geht langsam die Puste aus.

Olivia spürt das und schaltet wieder in den Pädagogik Modus, während sie sich nach dem Croissant bückt: Mein Chef packt die Bleche extra nach unten, die er schnell abverkaufen will, weisst Du, weil es gibt hier einige Kunden, die mögen es wenn ich mich bücke.

Olivia richtet sich vor Zacharias auf: Magst Du es auch, wenn ich mich bücke?

Zacharias schüttelt vehement den Kopf.

Olivia tütet das Croissant aufwändig ein und setzt das Pädagogik Programm fort: Wir bekommen schon noch gerne Komplimente, das ist dann auch kein Sexismus, nur wir bekommen nicht gerne von allen Komplimente, sie müssen schon etwas wert sein.

Zacharias nickt.

Olivia lächelt ihn an.

Zacharias legt seinen Tascheninhalt in Kleingeld auf den Tresen.

Olivia: Wenn wir lächeln, also richtig lächeln mit lächelnden Augen, dann darf man uns Komplimente machen.

Zacharias nickt.

Olivia streicht das Geld ein und gibt ihm das Rückgeld zurück, lässt aber ihre Hand auf dem Rückgeld liegen, die Zacharias beinahe angefasst hätte, Olivia sagt: Und, lächele ich mit den Augen? ... Du kannst es nur herausfinden, wenn Du mich ansiehst.

Olivia gibt Zacharias noch einen Moment Bedenkzeit und sagt dann ermunternd: Nun?

Zacharias: Muss ich nun Komplimente machen?

Olivia: Ich bestehe darauf!

Zacharias: (ich kann hier nur eine Auswahl wiedergeben) ... dann kommt das Grübchen, was sich beim Lächeln nur links zeigt ... der Haaransatz am Hals ... dieser dünne nur einen Milimeter breite Streifen, den dein T-Shirt über die Jeans rutscht, wenn Du etwas von Oben nimmst (Olivia sagt erstaunt: So, also auch von oben) ... dann die Augenlieder, die kleine Falte dadrauf,

Mittendrin sagt Zacharias: Darf ich weitermachen?

Olivia: Oh, ja, mach nur weiter!

Zacharias: Die weisse Innenseite der Arme, die kleinen Sommersprossen auf der Aussenseite der Arme, die feinen Haare auf dem Arm.

Olivia: Kann es sein, dass ich zu behaart bin, oder hast Du besonders gute Augen?

Zacharias: Perfekte Augen.

Olivia sieht sich Zacharias an: Du hast aber auch schöne Augen, da ist ein bisschen Grün in deinem linken Auge.

Zacharias wird wieder zur Erdbeere.

Olivia: Mist ich habe die Erdbeere wieder angeschaltet, tut mir leid.

Zacharias sagt stolz: Braucht dir nicht leid zu tun.

Zacharias nimmt die kleine Bäckertüte und geht Richtung Ausgang.

Olivia hat das Bedürfnis etwas zurück zu geben: Vielleicht sagst Du nur, was dir nicht gefällt.

Zacharias sieht sie völlig verständnislos an.

Olivia: Was ist nun?

Zacharias: Nichts.

Olivia: Wie Nichts?

Zacharias: Ich finde nichts, was ich nicht mag.

Olivia findet, dass dies ein paar Komplimente zu viel waren, aber das kann sie ja noch das nächste mal behandeln: "Machs Gut Zacharias", ruft sie ihm hinterher.

Zacharias verlässt die Bäckerei mit einer sehr verkehrssicheren Gesichtsfarbe.



Es ist nicht das erste Mal, dass Zacharias diese Begegnung mit Olivia durch den Kopf geht. Aber diesmal hat er das Gefühl, er braucht die Erinnerung als Gegengift für Oxana. Als ihm das klar wird, steht er von der Bank auf, schiebt sein Fahrrad kurz über den Platz und um die Ecke und geht ohne Umstände zu machen, auch ohne sein Fahrrad anzuschliessen hinein in die angenehm warme Bäckerei. Diesmal hat er nicht das Glück das es leer ist, nein, die Kunden stehen Schlange, wahrscheinlich Olivias Verehrer und damit eine Geschäftsgrundlage der Bäckerei, die auf dem Rückweg von der Arbeit noch etwas aus der Bäckerei einkaufen wollen. Zacharias steuert den Stehtisch an, als wollte er einen Kakao trinken. Er erwiedert Olivia freundliches ja fast glückliches Nicken als sie ihn sieht, während sie beschäftigt ist, wie bei einem Ausverkauf. Sie bedient noch ein zwei Kunden, und versucht sich zu beeilen, keine Chance, für zwei bediente Kunden kommen drei neue durch die Tür. Trotzdem unterbricht sie den Verkauf, kommt mit einem nassen Lappen nach vorne um den Stehtisch abzuwischen und eine leere Tasse mitzunehmen: Was darf ich dir bringen, Zacharias?

Wie Zacharias das heute hinbekommt nicht rot zu werden, erstaunt und freut Olivia gleichzeitig. Zacharias sagt mit einem kleinen Nicken: Cappuccino.

Ein älterer Herr sieht auf seine teure Uhr und sagt: Müssen die jetzt auch noch Kaufmannsladen spielen?

Olivia sieht zu Zacharias, ob er das gehört hat, und scheinbar hat er es nicht mitbekommen und sie beschliesst, den Typen mit einem Manöver abzustrafen, was bei Bäckereifachverkäuferinnen der Goldstandard gegen unangenehme Kunden ist. Die Kuchenrutsche. Dieses Manöver erfordert Übung, weil man den Kuchen so auf dem Papptablett anordnen muss, dass er gut rutscht. Als Anfänger solltest Du versuchen, ein schweres feuchtes Stück, wie einen saftigen Käsekuchen, auf ein Schweineohr zu legen. Am besten eignen sich Zuckergussschweineohren, weil die besser gleiten, als Schokolade, besonders wenn sie kurs vor dem Schmelzen ist. Im Zweifelfall kann man sagen: Ich habe da noch was, das muss weg, ich geb ihnen das mal mit, sie sind ja ein guter Kunde etc.

Die zweite vorbereitende Massnahme für eine gelungene Kuchenrutsche, ist, dass man das Papier über dem Kuchen nur auf einer Seite, fest einschlägt. Man reicht dem Kunden dann den Kuchen an, mit der lose geschlossenen Seite Richtung Kunde und mit einem kleinen Schubs, so als hätte man den Halt für den Kuchen verloren, löst sich die Kuchenlawine und trifft mitten ins Ziel.

Dann sagt man: Oh, Tschuldigung, darf ich erst weiter bedienen?

Natürlich bedient man dann weiter, und wartet ab, bis der getroffene Kunde, sich trollt. Selbst wenn er bleibt und nach 5 Minuten frischen Kuchen verlangt, kann man das Manöver als Erfolg verbuchen.

Und so vergeht die Zeit und Zacharias wird noch nicht mal rot, als ihm Olivia beim Abräumen zuflüstert: Willst Du warten, ich bin gleich fertig?



Zacharias glaubt schon, dass es nur mit Coolness das Problem gelöst hat.

Olivia fragt noch beim Abschliessen der Bäckerei Zacharias: Na was ist? Was ist los?

Olivia sieht Zacharias kurz an: Ich habe nur einen Moment Zeit.

Und dann geht alles ganz schnell, kurz und schmerzhaft: Weisst Du, du erinnerst mich an meinen kleinen Bruder.

Zacharias kämpft gegen die Röte an und denkt sich: Was hat sie da gesagt? KLEINER Bruder?

Olivia: Es war ein Gemüselaster, so ein scheiss LKW, der rechts abgebogen ist.

Zacharias: Oh, das tut mir leid.

Olivia: Das war vor drei Jahren, aber wenn ich dich sehe, dann muss ich wieder an ihn denken.

Olivia wischt sich eine Wimper oder sonst was aus dem Augenwinkel.

Zacharias: Ich wusste das nicht.

Olivia: Ist schon gut.

Zacharias wiederholt sich: Wirklich, das ist übel.

Olivia wischt nun auch an dem anderen Auge rum und Zacharias ist ein bisschen geschockt, und es ist ihm auch ganz gleichgültig, ob er jetzt rot wird oder nicht, er legt den Arm um Olivia und die sagt: Ich bin auch doof, das hätte ich Dir nicht sagen sollen.

Und dann geht alles unglaublich schnell, Zacharias hebt den Kopf, denn das Quietschen von der Fahrradbremse kennt er doch: Oxana?

Oxana sieht Zacharias genervt an und sagt aber nur: Hallo.

Zacharias ist voll überfordert und versteht nichts mehr.

Olivia blickt auf den Boden, ein kleines Lächeln spielt um ihren Mund, sie umarmt Zacharias nur mit einem Arm in dem andern hält sie immer noch das Schlüsselbund und flüstert ihm so laut zu, dass Oxana es auch hören könnte, wenn nicht gerade der verdammte klappernde Gerüstwagen um die Ecke gebogen wäre: Ich kann es schon verstehen.

Und schon ist Olivia weg.

Oxana sieht Zacharias genervt an: Wer war das?

Zacharias: Olivia.

Oxana: Olivia?

Zacharias wendet sich Oxana zu, in seinem Gesicht ist leichter Unwillen, weil er Olivias Satz nicht verstehen kann: "Ich kann es schon verstehen" was meinst sie bloss damit?

Oxana gereizt: Was ist denn?

Zacharias: Ich kann es schon verstehen.

Oxana: Hat sie das gesagt?

Zacharias: Was?

Oxana: Los komm, lass uns noch ein Eis essen gehen.

Zacharias sieht Oxana zögernd an und sie sagt: Na komm schon, die machen gleich zu.



Und tatsächlich müssen sie bis zur Tankstelle fahren, um noch ein Eis zu bekommen, die ist auf der halben Strecke in Richtung von Zacharias Wald.

Bei der Tankstelle spürt Zacharias plötzlich ein Zerren im Nacken, er ist total verspannt, reibt sich den Nacken, als Oxana mit dem Eis rauskommt. Sie ist sehr entgegenkommend, nimmt die Papierhülle ab, wirft sie in den Mülleimer.

Zacharias will sich das Eis in den Nacken halten.

Oxana lacht: He, was machst Du denn da?

Zacharias: Der Nacken, das schmerzt total.

Oxana: Und Eis hilft?

Zacharias reibt sich das Eis in den Nacken und Oxana lacht: He, hättest Du was gesagt, ich hätte die Hülle dran gelassen.

Zacharias: Ach, das mache ich immer so.

Oxana ist das Eis im Mund abgebrochen, sie hat ein riesen Stück im Mund und sagt mit vollem Mund: Wirklich?

Beide müssen lachen.

Oxana sagt immer noch mit vollem Mund: Warte ich hab eine Idee, beug dich mal ein bisschen runter.

Zacharias beugt sich ein bisschen zu Oxana runter, Oxana spielt die Ärgerliche: So und nun nimm mal dein albernes Eis aus dem Nacken.

Bevor sich Zacharias versieht küsst ihn Oxana mit einem wundervoll kalten grossen Fischmund in den schmerzenden Nacken.

Zacharias ist noch verwirrter, denn es fühlt sich verdammt gut an und Oxana nuschelt etwas, ohne ganz von seinem Nacken abzulassen.

Zacharias lässt es drauf ankommen: Was?

Oxana nimmt den Mund aus Zacharias Nacken: Reden oder Kühlen?

Zacharias sieht sie fasziniert an und Oxana legt den Kopf schräg und zieht fragend die Augenbrauen hoch, Zacharias sagt: Kühlen!

Das waren die schönsten Kühlminuten, die Zacharias bis jetzt erlebt hat. Und sie sind so schnell wieder vorbei, wie alles begonnen hat. Oxana ist wieder auf ihrem Fahrrad, dreht noch einmal eine Runde um den verwunderten Zacharias, beide mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Oxana ruft ihm noch zu: Also bis morgen.



Im Sog der Suggestion

Als Zacharias zuhause ankommt, macht ihm das Kraftfeld die Tür auf, während das Schwarze Loch ihm eine Suppe kocht.

Den beiden ist nicht entgangen, wie Zacharias zögert von der Suppe zu essen, obwohl er die jetzt wirklich gebrauchen kann. Das Schwarze Loch fragt: He, ist was mit meiner Suppe nicht in Ordung? Das ist die Originale Marokkanische Fastensuppe. Kichererbsen, Petersilienwurzeln, Zwiebeln, Kreuzkümmel, Knoblauch.

Zacharias: Es sind nicht die Zutaten...

Schwarzes Loch: Ach nein, nicht die Zutaten, was ist es denn?

Kraftfeld: Na was Du da alles in deinem zweiten Magen hast...

Schwarzes Loch: Wie jetzt, ein Hygiene Problem, echt jetzt, mein Vormagen ist nicht nur sauber, sondern physikalisch reinst.

Kraftfeld: Meinst Du dass die Erdlinge diese Wort kennen, "reinst"?

Zacharias geht dieses Gezanke auf den Nerv, er möchte nicht seine Erinnerung an Oxana UND Olivia verlieren und um seine Entschlossenheit zu demonstrieren steckt er seinen Löffel in die Suppe.

Kraftfeld: Nun iss schon endlich, Blacky ist nicht auszustehen, wenn man sein Essen nicht aufisst.

Zacharias isst einen Löffel von der Suppe und sagt: Hm, gar nicht übel.

Das Schwarze Loch ist ganz gerührt, sodass Zacharias den Tisch festhält, weil es immer problemtisch ist, wenn das schwarze Loch Gefühlsaufwallungen hat und er wiederholt artig das Kompliment: Wirklich!

Hoppla, da ist der Löffel im Schwarzen Loch verschwunden.

Das Kraftfeld katapultiert ihn mit einem Trick aus dem schwarzen Loch wieder heraus und Zacharias fängt ihn auf, dann sagt es: Schmeckt gut, diese Suppe, oder?

Und ohne eine weitere Antwort abzuwarten sagt es: Das könntest Du jetzt jeden Tag haben.

Das Schwarze Loch bemüht sich zu korrigieren: Nicht nur die Suppe, ich kann gegrillte Paprika, gefüllte Weinblätter mit Zitronensosse, gebackene Pilze, gefüllte Eier...

Kraftfeld an das Schwarze Loch gerichtet: Nun gib doch nicht so an, du störst ihn ja beim Essen.

Kraftfeld an Zacharias gerichtet: Aber es ist wahr, wir könnten alles mögliche kochen, ich meine auch Dinge, die gar nicht im Kühlschrank oder in dieser Speisekammer da sind.

Zacharias: So, noch so ein Trick.

Schwarzes Loch: Wenn Du einkaufen einen Trick nennst...

Zacharias: Wie habe ich mir das vorzustellen, wenn ihr einkaufen geht?

Kraftfeld: Jetzt komm hör schon auf, Du weisst doch wie das bei uns läuft.

Zacharias: Ja?

Schwarzes Loch will etwas sagen aber das Kraftfeld hält es davon ab in dem es eine alte Fernsehzeitschrift in Richtung seine Aggregationsscheibe schleudert, die sich in eine KonfettiWolke verwandelt.

Zacharias ist wieder genervt, dass ihn dieses vorlaute Weltraumspielzeug von seinen süssen Erinnerungen abhält: Dann macht das doch.

Kraftfeld: Das würde wir ja gerne.

Zacharias: Aber? Mensch nun sagt es, spuckt es aus ... oder lieber nicht ... sagt einfach was ihr wollt!

Schwarzes Loch: Wir möchten nur, dass Du die Grundeinstellungen in Ordnung bringst.

Zacharias wird hellhörig: So, die Grundeinstellungen, was meint ihr damit?

Schwarzes Loch: Im Moment ist alles so eingestellt, dass wir für jeden Scheiss, dich fragen müssen, das ist doch nervig.

Zacharias: Was müsst ihr denn fragen?

Kraftfeld stupst Zacharias an, der sagt: He, Sachte.

Kraftfeld: Aber verstehst Du denn nicht, wir hängen hier rum, dürfen das Haus nicht verlassen ...

Schwarzes Loch: Wir müssen sogar fragen, wenn wir auf s Klo müssen.

Zacharias: Das muss ich in der Schule auch. Und ausserdem ...

Schwarzes Loch bitter zum Kraftfeld: Hat er es gesagt?

Kraftfeld beschwichtigt das schwarze Loch: Nein, nein, das hat er nicht gesagt, beruhig dich.

Zacharias: WAS habe ich nicht gesagt?

Kraftfeld: Nun, du weisst schon, was ein Schwarzes Loch ist, oder und was eine Vakuumtoilette ist, das weisst Du auch?

Schwarzes Loch ist empört: Ich war nie eine Raumschifftoilette!

Kraftfeld: Aber die ToilettenWitze magst Du doch auch nicht.

Zacharias: Was wollt ihr von mir?

Kraftfeld: Du weisst schon, dass das ein sensibles Thema ist?

Zacharias: Was geht hier ab, spielt jetzt einer die beleidigte Leberwurst und der andere die Racheleberwurst?

Kraftfeld: Ich bin mir sicher, dass es nicht Leberwurst heisst, sondern Cops: Beleidigter Cop und RacheCop, so heisst das. Übrigens, was ist eigentlich eine Leberwurst, ich meine im kosmischen Massstab?

Zacharias steht auf.

Das Kraftfeld schwebt in seinen Weg, und Zacharias versucht einen Bogen um das Schwarze Loch zu machen und sagt: Ganz schön gefährlich, frei rumzulaufen, oder?

Schwarzes Loch: Wir wollen doch nur einkaufen.

Kraftfeld: Uns ein wenig nützlich machen.

Zacharias: Dann tut das eben.

Kraftfeld zum Schwarzen Loch: Siehst Du, du musst nicht immer alles so schwarz sehen, Blacky, Zacki versteht das.

Schwarzes Loch: So dann musst Du nur noch meinen Automatikmodus wieder einschalten.

Plötzlich schwant Zacharias etwas 'Automatikmodus, da war doch was, was hat Geierscheisse noch mal gesagt, was soll er auf keinen Fall tun?'

Zacharias: Ich muss erst auf 's Klo.

Schwarzes Loch: Ach was soll 's, warum so umständlich, nimm mich als Klo.

Das Kraftfeld flüstert Zacharias zu: Das ist eine grosse Ehre, versau es jetzt bloss nicht.

Zacharias macht einen Schritt zurück: Ich denkt doch nicht daran, dass ich mein Ding da rein halte, in ein schwarzes Loch.

Kraftfeld zum Schwarzen Loch: Beruhig' dich, bitte reg dich nicht auf, er weiss ja nicht was er da sagt, er meint es nicht so.

Zacharias: Und hört mit dem beleidigt-sein Spiel auf, denn wir haben auch einen Spruch, wir Erdlinge, wir haben auch unsere Ehre.

Kraftfeld abschätzig: So?

Zacharias: Ein Leitspruch aller Menschen lautet, wie simpel wir Erdlinge auch sein mögen: Pinkel nie in den Topf in dem du deine Suppe kochst.

Kraftfeld: Ho, ho, hört, hört. Aber Füsse waschen in der Salatschüssel, das ist O.K. was?

Zacharias: Ihr meint meinen Vater, was? Hat er das gemacht? Da war er betrunken, das ist eine Krankheit, den solltet ihr doch in Ruhe lassen.

Kraftfeld empört: Auf einmal sollen wir das, was? Und wenn er wieder in Alkohol eingelegt ist.

Zacharias zu dem Schwarzen Loch: Wenn Du bitte zur Seite gehen würdest, ich will ins Bett.

Schwarzes Loch: O.K. das verstehe ich, schliess eben noch die Grundeinstellungen ab, dann kannst Du schlafen gehen.

Zacharias: Nein, das werde ich nicht tun, Oladron hat es mir gesagt, ich soll niemals die Automatikeinstellung wählen.

Kraftfeld sagt abfällig zum Schwarzen Loch: Hätte ich nicht gedacht, dass der so folgsam ist.

Schwarzes Loch ist endgültig beleidigt: Sollen wir dir das erklären? Nein, nicht? Na dann eben nicht.

Zacharias taucht kopfschüttelnd unter dem schwarzen Loch weg. Und als er schon fast in seinem Zimmer ist, ruft das Kraftfeld: Nichts für ungut, können ja morgen noch drüber sprechen.

Und nach einem kleinen Schubs sagt das schwarze Loch: O.K. Zacki, dann schlaf mal schön.

Und als Zacki endlich im Bett ist reden die beiden noch immer über Zacki und was mit ihm nicht stimmt, dass er das mit den Grundeinstellungen nicht versteht und Zacki brüllt in Richtung Küche: Könnt ihr euch nicht in einer Sprache unterhalten, die ich nicht verstehe.

Danach kommen total nervige modemartige Töne aus der Küche, jetzt ist Zacki echt angepisst und er brüllt so laut, dass sein Vater wach wird: In einer Sprache, die nur ihr hört.

Endlich ist Ruhe, wenn da nur nicht das nervige Laserflackern von ihrer lautlosen Kommunikation an Zackis Decke wäre. Zacki drückt sich das Kissen auf den Kopf, wobei er seine Verspannung wieder spürt und allmählich kommt die Erinnerung zurück: Oxana!

Und endlich versinkt Zacharias in einen tiefen und sehr bunten Traum.



Die liebe Cousine

Jetzt wo Zacharias tief und fest schläft, trotz des Spektakels von seinen neuen Weltraumhaustieren, ist es an der Zeit, dass ich reinen Tisch mache und die ganze Wahrheit erzähle. Keine Angst, das schwarze Loch als Weltraumspielzeug, das gibt es wirklich, auch die andere aussergewöhnliche Alientechnik, aber was Zacharias anbelangt, da habe ich zwar nicht direkt gelogen, aber ich habe etwas weggelassen, um die ganze Situation ein wenig dramatischer darzustellen, ich habe es übertrieben. Besonders, als ich Zacharias so dargestellt habe, als ob er da ganz mutterseelenalleine mit seinem Säufer Vater im Wald lebt und niemand hat, der ihn vor den unberechenbaren Wutausbrüchen seines Vaters beschützt. Es gibt noch jemand, den ich vergessen habe, der vielleicht noch mal wichtig für die ganze Geschichte werden könnte.

Doch nun von Anfang an: Wenn man sich die Schulter ausgerenkt hat, dann begibt man sich am besten zu einem Arzt, oder in ein Krankenhaus. Nur wenn man wie Zacharias einen Onkel hat, der im ganzen Landkreis und darüber hinaus bekannt dafür ist, dass er Gelenke wieder einrenken kann, ohne sie richtig anzufassen, dann fährt man eben zu dem Knochenbrecher. Früher hat Hildes Vater auch noch Tiere behandelt, ja sogar ausschliesslich Tiere. Aber weil er wie sein Bruder, der Vater von Zacharias, glaubt, immer etwas zu empfindlich zu sein, behandelt er jetzt Menschen. Das macht er nicht, weil Menschen besser bezahlen, nein, es sind meist Tierschutzgründe. Aber im Grunde kann er sich gar nicht aussuchen, wen er behandeln will oder nicht, denn die Leute stehen Schlange bei ihm und lassen sich nicht mehr abweisen. Und die meisten bekommen gar nicht mit, wenn er ganz beiläufig ihre Gliedmassen wieder einrenkt. Er macht das bei der Begrüssung, oder er tut so, als würde er stolpern. Und meistens verstehen die Leute gar nicht, dass sie schon behandelt wurden. Das führt zu schrecklich langen Schlangen vor seinem Wartezimmer, vor allen Dingen, weil der Knochenbrecher neugierig ist, sich gerne Geschichten erzählen lässt, z.B. vom Eisdielenbesitzer, wie gutes Pistazieneis gemacht wird. Vom Polizisten lässt er sich erklären, wie die Polizeigriffe gehen. Von einem Kommissar hat er sogar mal Tipps für Mordermittlungen bekommen. Der Knochenbrecher ist vielfach interessiert. Und seine Tochter, die Pipi Langstrumpf nicht unähnlich sieht, und zusätzlich noch sehr grosse Vorderzähne hat, wie ein Pferd, sitzt gerne unter dem Schreibtisch ihres Vaters verborgen und hört den Geschichten zu, wenn sie sich nicht unauffällig unter das Publikum im Wartezimmer mischt. Nur an diesem Tag, da ist es anders, denn an diesem Tag hat sich der komische Cousin aus dem Steinbruch angekündigt, den sie gleich vorlassen soll, so ist die Anweisung ihres Vaters. Zacharias überlegt schon, was er dem wissensdurstigen Onkel alles erzählen kann, und ihm fällt überhaupt nichts ein. Bis er von Hilde freundlich mit einer Kopfnuss begrüsst wird: Na, was geht Klappstuhl?

In dem Moment, wo die Kopfnuss bei ihm einschlägt, weiss Zacharias auch schon, was er dem Knochenbrecher erzählen soll: Etwas über Meteoriten.

Und ich müsste jetzt ausführen, warum Hilde Zacharias Klappstuhl nennt. Aber das führt zu weit, wichtig ist nur, dass sie sich vorgenommen hat, Klappstuhl, alias Zacharias zu mögen.

Das äussert sich darin, indem sie sich vor ihm platziert und ihn konzentriert betrachtet, während sie ein dickes rosa Kaugummi bearbeitet. Das kann sich einige Zeit hinziehen. Und man würde denken, das Mädchen hätte Probleme mit komplexen Situationen, wenn man ausser Acht lassen würde, wie geschickt, sie die Nächsten zu ihrem Vater rein lässt, mal mit einem Zwinkern, dann mit einem Wink, oder einer Verbeugung, jeder weiss gleich, dass sie hier entscheidet. Dabei bestimmt sie die Reihenfolge nach Schwere des Falls. Man kann nicht sagen, dass sie bei der Triage gehässig ist, aber es ist schon besser, sie nicht zu nerven, denn sonst, muss man wirklich lange warten. Im schlimmsten Fall, noch bis Mümmel das Kaninchen, wieder richtig hüpfen kann, dann wird man noch nach den Tieren eingereiht, die immer noch sporadisch vorgestellt werden. Und der Grund ist einfach: sie hält die so Ausgewählten für böse Menschen. Und ihre Begründung: Irgendwo muss es sich doch mal nicht lohnen ein Arschloch zu sein, oder? Und wenn Du den Gedanken weiter denkst, dann wirst Du sehen, dass dies kein schlechter Ort ist, es einmal auszuprobieren, die Arschlöcher abzustrafen. Ich würde jetzt gerne sagen, dass sie zielgenau den oder die Richtige herausfinden kann, der es verdient hat mit einem ausgerenkten Glied einen Tag im Wartezimmer des Knochenbrechers zu verbringen, aber ich glaube, dass es auch mal den Falschen erwischt. Damit sich die Reichen und Mächtigen nicht irgendwelchen Illusionen hingeben, hat sie einige Bilder von den Kandidaten auf ihrer Liste aufgehängt. Unter dem Bild von Obama steht angeblich: I had a drone. Es muss aber in einer Kurzschrift oder einer anderen Geheimschrift verfasst sein, denn lesen kann man es nicht wirklich. Ja, Hilde kann ziemlich nachtragend sein. Natürlich sind das keine normalen Fotos, die hier hängen, das wäre zu einfach, denn dann wären diejenigen ja gewarnt, es sind statt dessen bunte Bilder, wie Kinder sie malen.

Wie bei vielen Dingen, die Hilde so behauptet, sperren sie sich gegen eine schlüssige Erklärung. Denn etwas stimmt mit den Bildern nicht. Jeder, der schon einmal versucht hat, so ein Kinderbild zu malen, der weiss, wie unglaublich schwierig das ist. Besonders das Bild von Obama mit den Drohnen (I had a drone / rote Feuersträusse) könnte genausogut, "meine Amöbe hat Geburtstag" heissen (und bekommt rote Chrysanthemen geschenkt).

Aber was Hilde nicht entgangen ist: Zacharias hat ihr diese Erklärung geglaubt, ja er hat sogar die Bilder abgesucht, ob er sich irgendwo darauf findet, denn irgendetwas muss hier nicht stimmen, sonst hätte ihn Hilde schon vorgelassen. Und das ist wiederum Hilde nicht entgangen, die einen Moment das Kaugummi Kauen eingestellt hat und dann zielstrebig seine Gedanken erraten hat: Ne, Du bist nicht dabei.

Dann ist sie schon auf ihn zugekommen. Zacharias hat sich gleich tiefer in seinen Stuhl gedrückt, weil wenn Hilde sich etwas vorgenommen hat...

Hilde tippt auf die gesunde Schulter: Die Schulter ist es.

Zacharias möchte am liebsten nichts sagen, aber er hat Angst dass Hilde ihm die gesunde Schulter auch noch ausrenkt: Nein die andere.

Hilde lächelt und kneift ein Auge zusammen: Weil Du ein Eispad drauf gelegt hast, soll ich glauben, dass es die andere ist.

Zacharias bekommt langsam Panik: Ich kann noch warten.

Hilde : Sch, sch, ganz ruhig, ich fasse doch nur den gesunden Arm an.

Da geht das Sprechzimmer einen Spalt weit auf und Hilde zwinkert dem Jungen mit seinem Kaninchen zu, der den beiden gebannt zugesehen hat.

Der Junge protestiert: Noch einen kleinen Moment, ich will erst sehen, wie ihm der Arm eingerenkt wird.

Hilde kaugummikauend sieht den Jungen geschmeichelt an: Soll ich dir mal zeigen wie es geht?

Währenddessen dauert das Verabschieden aus dem Sprechzimmer immer noch an, der letzte Patient lässt einfach nicht den Türgriff los.

Da brüllt Hilde unverhofft Zacharias an: Da! Pass auf!

Währendessen packt sie seinen kranken Arm und zieht daran, bis es "Krach" macht.

Der Junge stellt sein Kaninchen in der Transportbox ab, um die Hände für das Klatschen frei zu haben.

Hilde verneigt sich in alle Richtungen, auch in die wehleidige Ecke aus der man öfter leises Klagen hört.

Der Junge ruft: Nochmal!

Hilde : Aber das kann ich doch nicht machen, das Gelenk ist wieder drin.

Nun begeht Zacharias einen folgenschweren Fehler. Er reibt sich die Schulter und sagt: Wie, wieder drin? Ich will sofort zu deinem Vater.

Hilde lächelt ihn an: Aber dazu müsste doch das Gelenk wieder raus sein.

Zacharias steht auf und geht in Richtung der sich öffnenden Tür.

Hilde stellt ihm ein Bein und fängt ihn geschickt wieder auf, wobei sie ihm die Schulter wieder auskugelt.

Der Junge mit dem Kaninchen ist begeistert und applaudiert frenetisch.

Alle anderen sehen Hilde entsetzt an.

Hilde hilft Zacharias auf, wobei sie ihm wieder den Arm einrenkt und aufgeregt sagt: Ich habe es schon wieder getan.





Überraschungsbesuch

Zacharias schlägt die Augen auf, er hat einen schönen Traum gehabt, aber er weiss wirklich nicht, ob es sich um Olivia oder Oxana handelt. Vielleicht ist das auch nicht so wichtig, beginnen doch ihre Namen mit diesem schönen Selbstlaut "O". Zacharias quält ein wenig die Frage, ob er sich entscheiden muss, für eine von beiden. Gedankenverloren blickt er an die Zimmerdecke, dem Tanzen von einem Staubfaden zusehend, spielt er die Manöver der Liebe in Gedanken durch.

Es ist so als ob jemand nach Rosen duftende Nebelgranaten in Zacharias Hirn geworfen hat. Als sich der erste rosa Nebel lichtet, sieht er wie Olivia auf ihn zukommt. Er kann es noch gar nicht fassen, meint sie mich? Er sieht sich um, aber da ist niemand sonst. Olivia watet immer noch durch den Nebel, nur bekleidet mit rosa Wölkchen strebt sie auf ihn zu. Aber was ist das, was ist mit ihrem Gesicht geschehen, wer bist denn Du? Wenn Du nicht die Oxana bist. Wie wunderbar die beiden in einander verschmelzen, um sich sanft von einander zu lösen, um nun zu Zweit auf den Glücklichen zuzustreben, und versuchen mit ihren Augen seinen Blick zu fassen, während sie ihr Haar wehen lassen im dem Wind, der die rosa Wolke vorantreibt. Aber da, was geschieht nun, jemand hat den Ton in seinem Traum angeschaltet, was sagen die beiden, er kann es nicht hören, denn sie flüstern so leise und verheissungsvoll. Was ist es, ihr Lieben, was wollt ihr mir sagen? Was ist es was ihr mir zu sagen haben, so sprecht doch lauter.

Zacharias kann sein Glück nicht fassen: Ruft ihr meinen Namen?

Mit der unangenehm leicht näselnden Stimme schwebt das Schwarze Loch über Zachrias und er muss erschrocken feststellen, das es nicht von den beiden Freundinnen gerufen wird, sondern von diesem penetranten Naturphänomen: Zacharias, hallo, kannst Du mich hören?

Zacharias blickt entnervt und enttäuscht ins Nichts und das Schwarze Loch sagt: Wenn du die verdammte Wunschwolke nicht wegschliesst, dann musst Du dich nicht wundern, wenn sie sich zu dir ins Bett schleicht und an deinen Nervenströmen nuckelt.

Zacharias richtet sich auf: Was?

Das Schwarze Loch: Erholen kann man sich bei so was jedenfalls nicht. Es gibt nur einen Ort wo eine Wunschwolke keinen Schaden anrichten kann, in einer Flasche.

Zacharias: Was redest Du denn da von Träumen?

Schwarzes Loch: Ich dachte nur, weil deine Wunschwolke es so eilig hatte sich wieder unter das Bett zu verziehen ...

Zacharias schnappt sich den weiten Bademantel und geht missmutig ins Bad, doch dann heitert sich sein Gesicht auf und er geht schnell in die Küche, wo es schon so lecker nach Kaffee duftet, den das Schwarze Loch gerade in seiner Akkredationsscheibe frisch zermahlt: Du, sag mal, kann man so eine Wunschwolke auch verschenken?

Schwarzes Loch: Sag einfach Oladron Bescheid, der nimmt sie dann zurück.

Zacharias: Nein, ich meine nicht zurückgeben.

Schwarzes Loch: Auch nicht reklamieren? Beanstanden? Umtauschen?

Zacharias: Was hast Du nur gegen die Sylke?

Schwarzes Loch die Gedanken von Zacharias erratend: Das wird dir nichts nutzen, wenn Du die Wunschwolke deinen Freundinnen schenkst.

Zacharias: Welchen Freundinnen?

Das Schwarze Loch zieht ein genervtes Gesicht. Was man an der ziemlich zappeligen Gravitationswelle deutlich spüren kann, die jetzt auch das Kraftfeld aufgeweckt hat, was neugierig dem Gespräch folgt.

Zacharias: Ach diese Freundinnen meinst Du. ... Meinst Du nicht, sie würden sich über ein paar schöne Träume freuen?

Schwarzes Loch: Doch schon, bestimmt.

Zacharias: Und?

Schwarzes Loch: Wenn sie denn von Dir träumen?

Zacharias: Warum sollten sie nicht?

Schwarzes Loch: Heisst es nicht Wunschwolke?

Zacharias: Aber ich habe doch auch von ihnen geträumt!

Schwarzes Loch: Ja, denn schick doch Sylke vorbei, vielleicht träumen sie dann auch von Dir.

Zacharias: Nehmen wir mal an, es wäre mir irgendwie wichtig, dass sie auch von mir träumen, wie könnte ich das hinbekommen?

Schwarzes Loch: Schenk ihnen doch eine Tafel Schokolade, dann machen sie das bestimmt.

Zacharias: Sehr witzig.

Da schaltet sich das Kraftfeld in das Gespräch ein und kippt die Kakaodose um, damit ein ordentlicher Stoss im Schwarzen Loch landet, was sofort mitspielt: Oh Krafti, was machst Du mit mir? Woher weisst Du, dass ich auf Schokolade stehe?

Zacharias: Das ist ja widerlich?

Krafti: Du sagst es, das Paarungsverhalten von Homo Sapiens ist wirklich gewöhnungsbedürftig.

Schwarzes Loch: Es ist ja nicht nur der rasierte Affe, es ist der ganze Planet, der so verkommen ist.

Zacharias: Ach nein, und wie läuft das bei euch ab, blüht ihr euch gegenseitig an?

Krafti: Das kann schon mal vorkommen, warum nicht?

Schwarzes Loch: Wunschwolken mit einer Tafel Schokolade bewaffnen ist natürlich eine bessere Idee.

Das Schwarze Loch zwinkert Krafti zu.

Zacharias: Vor allem weil es nicht mal meine Idee war.

Schwarzes Loch: Nein, deine Idee war, meine Grundeinstellungen auf Automatik zu setzen. Weisst Du noch?

Krafti: Stimmt ja, du warst gestern nur so müde, da wollten wir dich nicht weiter nerven.

Zacharias brüllt fast: Nervt mich jetzt bitte auch nicht.

Das Schwarze Loch und Krafti verlassen beleidigt den Raum und das Schwarze Loch sagt laut: Na wie ist es, wollen wir mal ein bisschen RumBlühen?

Krafti: Aber weisst Du nicht das ich eine Pollenallergie habe?

Die beiden kichern und Zacharias ruft: Könnte ihr bitte die Tür schliessen!

Das Kraftfeld wirft die Tür krachend zu.

Einen Moment atmet Zacharias auf, da kommt Sylke unter der Türritze durchgekrochen: Hallöchen, gut geschlafen?

Zacharias: Was willst denn du schon wieder?

Sylke: Die anderen sagten, du hättest mich gerufen? Ist das etwa nicht wahr?

Krafti ruft von nebenan: Sag bloss nicht, dass wir Lügner sind.

Schwarzes Loch: Das ginge dann doch zu weit, das kann ich bei diesen Grundeinstellungen nicht verkraften.

Krafti: Im Automatikmodus wäre das allerdings kein Problem.

Zacharias brüllt schon fast: Bitte, ich brauche einfach mal einen Moment Ruhe.

Sylke: Komm her, hau wieder ab, komm rein, los wieder raus, tse. Ihr habt keine Manieren auf diesem Planeten.

Sylke verkriecht sich in Zacharias Zimmer wieder unters Bett, was Zacharias gar nicht recht ist, dass sie sich sein Bett als Schlafplatz ausgesucht hat.

Zacharias sieht eine alte Milchflasche, greift sie sich und ruft noch mal nach Sylke: Du Sylke, ich hab da noch was für Dich.

Aber als Sylke sich nicht gleich meldet, gibt Zacharias den Gedanken für eine sichere Behausung für die Wunschwolke schon wieder auf und schlendet Richtung Badezimmer zur Dusche. Als er bei dem Weg zur Dusche in dem verwinkelten, mehrfach umgebauten Haus die Haustür passiert, klingelt es. Zacharias zuckt zusammen und macht reflexartig die Tür auf. Vor ihm steht Olivia und strahlt ihn an: Ich habe Brötchen mitgebracht.

Von drüben hört man Krafti feixen: Du hast da noch Pollen im Haar.

Olivia und Zacharias greifen sich gleichzeitig ins Haar und Zacharias findet keinen Pollen, aber Olivia sagt: Das ist noch Mehl aus der Backstube, wer hat denn da Pollen gesagt?

Zacharias: Du kannst sie auch hören?

Olivia sieht Zacharias an, als ob er verrückt wäre: Natürlich kann ich sie hören.

Neugierig linst sie an Zacharias vorbei: Willst Du mich nicht mal deinem Besuch vorstellen.

Zacharias hat das Gefühl, dass er dringend eine Dusche braucht und er hat das Gefühl, das es jetzt nicht mehr übler werden kann, da kommt sein Vater um die Ecke und ignoriert, dass Zacharias die Tür schon geöffnet hat: Hörst Du nicht, es hat geklingelt Junge.

Zacharias tut so, als ob er nicht da wäre, nur eine Wachsfigur, er stellt sogar das Atmen ein, bis sein Vater im Badezimmer verschwunden ist.

Olivia ist amüsiert: Dein Vater?

In dem nächsten Moment ist das Kraftfeld übereifrig da und schirmt Zacharias gegen das Badezimmer ab, ein Surren ist in der Luft und Krafti sagt: Kein Problem Kleiner, der tut dir nichts.

Olivia lacht jetzt laut los: Kannst Du bauchreden?

Das Schwarze Loch flüstert: Sag es ihr besser nicht.

Das Kraftfeld ist enttäuscht: Och worum denn nicht?

Olivia ist irritiert: Was sollst Du mir nicht sagen?

Vielleicht liegt es an dem verlockenden Duft von den Brötchen, plötzlich macht sich der Magen von Zacharias selbständig und grummelt unglaublich laut los.

Das Schwarze Loch ist fasziniert und flüstert Krafti zu: Balzen die Erdlinge so, hört sich das so an?

Krafti bewacht immer noch den Flur und entgegnet: Keine Ahnung, Alter. Und so genau will ich es auch nicht wissen.

Aber Olivia will es wissen, sie hebt die Brötchentüte vor die Augen von Zacharias, schwenkt sie hin und her und sagt: Hunger? Brötchen!

Frühstück

Im Garten war es noch frisch. Trotzdem haben Sie den Tisch und die alten Stühle aus der Waschküche in den Garten gestellt, so wie früher, als Zacharias Mutter noch lebte. Und dabei hat Zacharias noch ein altes Pflaumenmus gefunden, was noch Zacharias Mutter eingekocht hat.

Da war die Sonne schon über den Hügel geklettert, ihre Strahlen wurden immer kräftiger, um gegen den etwas launischen Wind anzukommen, der mal hoch oben in den grossen Weissbuchen aufbrauste, und dann wieder ein paar vergessene Blätter vom letzten Herbst im Kreis tanzen liess, bevor er endlich ein Stück ungeschützte Haut erwischen konnte, um Zachrias tief in den Ärmel zu fahren. Zacharias spürte, wie er eine Gänsehaut bekam, die im nächsten Augenblick schon von der Sonnenwärme wieder glatt gestrichen wurde. Bis dann ein Blick von Olivia für einen Gänsehautnachschub sorgte.

Das schlechte Gewissen von Zacharias Vater führte dazu, dass er seinem Sohn immer wieder beweisen musste, wie umgänglich er jetzt geworden war. Er könnte jetzt, wenn er angeschäkert wäre, seiner Freundin Oliva komische Komplimente machen, was natürlich unheimlich peinlich wäre. Und da Zacharias Vater mit dem Nüchtern-bleiben und Geld verdienen so stark beschäftigt war, dass er Zacharias nichts anderes anbieten konnte, also leider kein Elektrofahrrad, obwohl er das seinem Sohn schon jahrelang versprochen hatte, nicht nur wegen der Hanglage, auch wegen des schlechten Gewissens, aus diesem Grund machte er seinem Sohn ein anderes Geschenk, das Geschenk der NichtAnwesenheit. Er tauchte immer mal wieder flüchtig auf, nur so kurz, dass die Möglichkeit einer echten Begegnung in der Luft lag, um dann mit den Worten "Wollt wohl lieber alleine sein, kann ich gut verstehen" zu verschwinden. Vorher nickte er Olivia zurückhaltend aber sehr verbindlich zu, um seine ausgesprochene Billigung, wie ein flächendeckenden Segen zu verteilen, dann war er schon wieder weg.



Wenn nicht dieser blöde Zwischenfall passiert wäre, als Zacharias das verdammte Pflaumenmusglas hoch gehoben hat und gesagt hat: Noch von meiner Mutter.

Denn im gleichen Augenblick, als er Olivia das Pflaumenmusglas rüberreichen wollte, kam eine Windböe um die Ecke geschlichen, die es direkt auf Zacharias abgesehen hatte und ihm fiel eine Träne aus dem Auge, direkt auf Olivias Hand. Und ich weiss wirklich nicht, ob es der Wind war, oder die Erinnerung.



Er konnte spüren, wie er im Fokus ihrer Aufmerksamkeit stand, aber nur einen sehr kurzen Moment, dann tat sie so, als hätte sie nichts bemerkt. Nur Zacharias bekam wieder seine Tomate. Und was typisch für den Wind war, wenn man ihn brauchte, um den überhitzten Kopf abzukühlen, dann verkroch er sich woanders.

Vielleicht dachte sich Olivia ja, dann ist es auch egal, als sie die kleine Träne mit den Lippen absaugte, so wie sie es eben auch mit einem Brotkrümel getan hatte. Zacharias schoss durch den Kopf, was er aus Bio wusste, und was sie alles zum Henker schon in so einer unschuldigen Träne gefunden hatten, aber Olivia schien das nichts auszumachen.

Und als Zacharias immer noch so rot war, dass sich Olivia fragte "Warum habe ich bloss Hunger auf Tomatenbrot?" hat sie ihm einfach sein Pflaumenmusbrötchen geschmiert.

Als er einen Moment zögerte, hat sie ihm mit einer überraschen tiefen, fast abgesackten Stimme aufgefordert: Iss!

Und als Zacharias nicht schnell genug reagierte, hat Olivia gesagt: Alles klar. Zwangsernährung.

Ganz langsam und ruhig steht sie auf, geht um den Tisch herum, um sich hinter ihn zu stellen. Dann beugt sie seinen Kopf ein kleines Stück nach hinten und steckt ihm sanft das Brötchen in den Mund.

Zacharias ist total perplex, aber Olivia kichert nur und sagt: Abbeissen.

Und als Zacharias unsicher "was" sagt, brüllt ihn Olivia schon fast an, natürlich mit ihrer tiefen untergründigen Stimme: "Abbeissen!"

Als Zacharias zu kauen beginnt, streichelt sie sanft seinen Hals, als wäre er eine kranke Gans.

Es war so grossartig, dass Zacharias gar nicht merkte dass er einen enormen Blasendruck hatte. Er musste jetzt einfach auf das Klo gehen, was er sehr bedauerte, weil er der festen Überzeugung war, wenn er wieder raus kommt, ist der Traum endgültig vorbei, und sie ist weg.

Eilig huscht er ins Bad und hat schon die Hand am Reissverschluss, da hört er jemand warnend aufschreien: Hoppla!

Zacharias hätte sich beinahe eingepinkelt: He, kannst Du nicht mal ein Absperrband verwenden oder so? Was wäre wenn ich in dich reingetreten wäre.

Das schwarze Loch sagt gelangweilt: Was wäre schon? Bis in meinen Zweiten Magen würdest Du eh nicht kommen, das macht schon meine Freund Feind Kennung klar, glaube ich.

Zacharias sieht das Schwarze Loch an, und das dreht sich irritiert etwas schneller, was einen ausgesprochen schmerzhaften Gravitationssog auf Zacharias Blase zur Folge hat: Is was?

Zacharias: Ich kann nicht pinkeln, wenn Du mir zusiehst.

Schwarzes Loch tut beleidigt: Ich guck dir schon nichts weg.

Dann trollt es sich.

Endlich kann Zacharias pinkeln, da hört er das Schwarze Loch von draussen fragen: Weisst Du was ich gerade gemacht habe?

Zacharias: Was hast du denn gerade gemacht?

Schwarzes Loch: Ich habe mich übergeben.

Zacharias: Wirklich?

Schwarzes Loch: Wirklich! Das machen wir nämlich, wenn man sich nicht um uns kümmert. Ich kenne das nämlich schon. Erst sind immer alle aus dem Häuschen. Wahnsinn, ein schwarzes Loch ganz für mich allein! Und dann wollen sie gleich das man die Schule verschluckt und so. Dann haben sie es nicht so gemeint, und dann haben sie eine Freundin! Hast Du eine Freundin?

Zacharias: Würdest Du mich bitte durchlassen?

Schwarzes Loch: Warum so eilig? Weil deine Freundin wartet? Ist sie noch da? War das da eben deine Freundin? Ist die nicht ein ganz kleines bisschen zu alt für dich? Oder ist das so ein Gender Ding, dass die Jungs jetzt jünger sein dürfen, was?

Zacharias: Du und deine Freunde, das ist das Coolste, was ich jemals hatte.

Schwarzes Loch: Dein Ernst? Du bist zufrieden mit meiner Leistung? Das freut mich sehr, du weisst gar nicht wie sehr ... ach so ... ich bin immer noch im Weg ... na ist es so besser? Du hast da noch einen Brotkrümel auf der Schulter. Warte ich mache ihn dir schnell weg. Sag mal, wen magst Du einfach lieber, sie oder mich? O.K. das war eine dumme Frage, ich ziehe die Frage zurück. Kann ich nichts dafür, das liegt in meiner Natur, schwarzes Loch, du weisst schon, kann nicht anders, als alles anzuziehen. Dann sehen wir uns später noch.



Als Zacharias draussen ist, da ist das geschehen, was er befürchtet hat, ihr Stuhl ist leer, sogar ihre Jacke ist weg. Plötzlich ist alle Energie aus Zacharias gewichen. Als ob ihm eine ganz lange finstere Weissagung gerade erfüllt worden wurde: Sie wird nicht warten!

Als er schon wieder auf dem Weg ins Haus ist, und plötzlich wirklich überhaupt keine Lust auf sein eigenartiges Weltraumspielzeug hat, angesichts dieses Verlustes, den er eben hinnehmen musste, hört er Olivias Stimme aus dem Garten hinter sich: He, ich bin noch da, wo willst Du denn hin?

Kuckuck

Richtig gut fühlt sich Krafti heute nicht, weil Inge die Infinitymachine nur zum Standbybetrieb bereit ist und das bedeutet er muss sich von Kriechstrom ernähren, wie erbärmlich. Krafti weiss gar nicht, was er tun sollte, wenn der Vater wieder auf Alkohol umsteigt und zu prügeln anfängt. Ob seine Kraft dann noch ausreicht, die Prügelimpulse zu dämpfen? Und dann ist da noch das Schwarze Loch. Krafti weiss, wie empfindlich der Stoffwechsel von schwarzen Löchern ist und wie leicht es an Stoffwechselstörungen leiden kann. Und es ist nicht leicht zu erklären, wie Fresssucht und Reizdarm sich in kosmischen Massstab auswirken können, auch wenn es sich bei diesem Schwarzen Loch nur um eine Miniaturform handelt, kann es schnell unkontrollierbar werden. Deshalb muss das schwarze Loch immer beschäftigt werden und ist somit nichts für Stubenhocker.

Krafti kennt alle Verstecke des schwarzen Lochs, und weiss auch wie es hervorgelockt werden will, denn es ist, wie bereits erwähnt, sehr zuwendungsbedürftig, Schmeichelleien, die andere leicht durchschauen würden, werden von dem Schwarzen Loch gierig und kritiklos aufgenommen. Und dieses Bedürfnis nach Zuwendung und Beschäftigung wird dadurch dass Zacharias gerade abgelenkt ist, nicht schwächer. Wer glaubt, schwarze Löcher sind Materialisten, der hat noch nie ein echtes schwarzes Loch gesehen und kennt es nur aus Formeln und Büchern. Echte Schwarze Löcher brauchen Liebe.

Das Kraftfeld hat zur Suche von seinem Kollegen extra seinen Lieblings original 50er Jahre Kraftstromsummton eingeschaltet und schwebt etwas energieschwach durch das Haus. Ein Schwarzes Loch ist gar nicht so einfach zu finden, auch wenn man die üblichen Verstecke kennt, wenn es nicht gefunden werden will. Zuerst sucht das Kraftfeld das Badezimmer auf: Ein typischer Ort, wo sich ein fast zahmes schwarzes Loch verstecken würde.

Kraftfeld: Na Lochster, hast Du dich auf dem Klo versteckt? Na komm schon raus. Hast Du nicht Lust ein bisschen Schwundball zu spielen?

Vorsichtig schiebt das Kraftfeld die Klotür auf und linst hinein, ob im Klo die von der Akredationsscheibe des schwarzen Lochs typischen helixartig verwischten Bremsstreifen zu sehen sind. Typisch, das Klo ist blitzblank, da kann man natürlich keine Spuren finden.

Mc Loch, na komm schon, ich weiss doch wie gerne Du Schwundball spielst.

"Hm", das Kraftfeld schwebt weiter durch den Flur, da fällt ihm ein bizarrer Regenschirmständer auf, der an eine Ritterrüstung erinnert. Vorsichtig, um keine böse Überraschung zu erleben, linst es in den Regenschirmständer: Nichts.

Krafti schiebt etwas unwillig die Kellertür auf und sagt: Wenn alles so einfach wäre.

Vorsichtig lugt Krafti, um die Kellertür: His Holeness, vergnügen wir uns in der Waschküche?

Leise denkt sich Krafti: Natürlich, die Waschmaschinentrommel.

Krafti: Sire jetzt habe ich euch, wieso versteckt ihr euch auch immer im Eimer?

Mit einem überraschenden Satz springt das Kraftfeld in den leeren Blecheimer, und wirft ihn um. Das macht ganz schön Lärm, so viel, dass Zacharias Vater gleich noch eine Vitamin B Tabletten einnimmt, wie ihm der Arzt das verordnet hat, damit er das Rumpeln und die eigenartigen Stimmen in seinem Kopf nicht hören muss. Das kann schon mal nicht schaden, was aber auch nicht schaden kann ist, wenn sie im Radio gerade von Bellini die Norma spielen. Mit einem siegessicheren Lächeln dreht Zacharias Vater das Radio so weit auf, um sich von Maria Callas in himmlische Sphären entführen zu lassen.



Derweil im Garten:

Draussen im Garten richtet sich Olivia auf ihren Ellenbogen auf: Du hör mal.

Zacharias kann die Arie genau hören: Ich hör nichts.

Olivia: Doch, ich höre es genau, da singt doch jemand.



Zurück in die Waschküche:

Krafti atmet einmal tief durch bevor er mit der Show beginnt, schiebt er den Eimer scheppernd über den groben Kachelboden der Waschküche und flüstert: Lochster, es ist plötzlich so dunkel hier.

Wer es noch nicht erlebt hat, wie das Lachen eines Schwarzen Lochs die Raumzeit krümmt, dem kann man es schwer erklären. Ausserdem durfte Krafti jetzt keinesfalls direkt auf die raumkrümmende Lachquelle in der Waschmaschinentrommel zueilen. Er musste jetzt noch ein Weilchen völlig verirrt über den Kellerboden rumpeln, immer wieder durch unglaubliches Missgeschick das Schwarze Loch zum Lachen bringen, bis die Gravitationswellen zu stark werden, und es sich aus freien Stücken aus seinem Versteck selbst meldet.

Schwarzes Loch: Mensch Kraftfeld, hier bin ich doch, siehst Du mich denn nicht?

Krafti wirft erstaunt den Eimer ab: Nein, Du hast dich in der Waschmaschine versteckt, wie genial ist das denn?

Schwarzes Loch: Komm hör schon auf, du Schmeichler, ich habe nur getan was nötig ist.

Krafti: Ihr habt mich wieder überrascht, Sire, Majesty of Matter.

Schwarzes Loch wabert heraus: Nun übertreib mal nicht. So raffiniert ist es doch nicht.

Krafti: Was, das soll nicht raffiniert sein? Willst Du mich beleidigen? Meinst Du dass ich zu dumm bin zu sehen, wenn etwas raffiniert ist?

Schwarzes Loch: Nein, nein, sei doch nicht gleich so eingeschnappt.

Krafti: Bin ja gar nicht eingeschnappt, dachte nur, wir können etwas für den Jungen kochen, wenn er nach Hause kommt.

Schwarzes Loch: Ich habe schon gespeist.

Krafti: Die Socken des Alten?

Schwarzes Loch (antwortet wie üblich bei schwerverdaulichen Speisen mit einer Abwandlung von Kants Imperativ): Nicht vollkommen ausgeschlossen dass ich die Socken verspeist habe, das heisst aber nicht, dass ich das Sockenmahl zur Maxime erheben kann, die ich kategorisch weiterempfelen oder gar zum Gesetz erheben kann.

Beim Aufstieg betet Krafti leise zu seinem Schöpfer, dass Zacharias gleich eintrudelt, denn sonst fällt ihm kein Trick mehr ein, wie er ein trauerschwangeres Schwarzes Loch noch beruhigen kann.

Und tatsächlich fliegt da die Haustür auf und Zacharias steht vor ihnen: Seid ihr das? Meine Freunde, ihr glaubt einfach nicht, was heute geschehen ist?

Schwarzes Loch: Du hast da noch Laub im Haar.

Krafti: Lass mich raten, Du hast 'ne eins im Aufsatz, gratuliere.

Zacharias: Aufsatz? Was erzählt ihr da, und woher wisst ihr überhaupt so viel über uns?

Schwarzes Loch: Nun die Erde ist im ganzen mir bekannten Universum sehr beliebt, was ihre Geschichten anbelangt.

Krafti: An jeder Weltraumtankstelle kannst Du diese Erdheftchen kaufen.

Zacharias: Habt ihr keine E-books oder so?

Krafti: Soll ich dir jetzt wirklich sagen, wie wir Bücher lesen, oder willst Du erst mal wissen was drin steht?

Zacharias: Beides.

Krafti: Es gibt verschiedene Zubereitungsformen für Bücher, bei uns auf Om gibt es Bücher in verschiedenen Geschmacksrichtungen.

Zacharias: Hä?

Schwarzes Loch: Du erklärst das falsch, du musst den Erdlingen alles mit Star Treck (TM) erklären, nur dann können sie es verstehen. Es gibt solche LebensmittelSynthesizer, verstehst du, aber die machen nicht nur ein und den selben Snack oder Drink.

Zacharias: Bei Star Treck (TM) auch nicht.

Krafti: Lochster, Du erklärst das nicht humangerecht. Es ist so wie ein einziger Drink, der erst mit einer kräftigen Nudelsuppe beginnt, dann kommt ein Himbeer Smoothie und dann Schnittchen und schwarzer Tee mit Milch und Zucker.

Schwarzes Loch: Alles ist nur ein Drink, und zu jeder Geschmacksrichtung gehört eine Geschichte.

Zacharias: Hä?

Krafti: Ist so ein Gentechnik Ding, die Geschichte und der Geschmack u.s.w.

Lochster: Und dann mixen manche noch so Reperatursachen dazu, so kann man das vielleicht besser erklären, ist wie mit euren Vitaminzusätzen.

Krafti: Da kann ganz schön heftig werden, die räumen so richtig in deinem Körper auf, holen die Schwermetalle raus, spülen den Extrazellularraum, beheben Krebs, verlängern die Telomere, setzen die Zelluhr wieder auf Frischling und verwarnen dein Biom.

Lochster: Ich meine, ich kann ja eigentlich nicht mitreden, aber wie die mit Karies reden.

Krafti: Die vagen es nicht mehr aus der Reihe zu tanzen. Das ist ganz schön wichtig, denn die Menschen haben früher Löcher von ihrem Biom in den Zähnen bekommen.

Lochster: Mensch Krafti, hast Du auch so gerne Zahnarztromane von der Erde gelesen?

Krafti: Wenn ich eins vermisse, dann ist es das.

Zacharias: Kein Scheiss?

Krafti: Cool was, aber das beste ist das Leben auf Probe.

Zacharias: Was ist das?

Lochster: Wenn Du jemand kennen gelernt hast, und Du willst wissen, wie es läuft, dann kannst Du erst mal alles durchspielen, auf Probe sozusagen.

Krafti: Du musst Dir das vorstellen wie eine Droge. Normalerweise entführt dich eine Droge in eine Welt, wo alles ein bisschen komisch ist.

Lochster: Ich würde das nicht verstehen, wie Du das erklärst.

Krafti: Ich war auch noch gar nicht fertig.

Zacharias: Du meinst also, wenn man jemand kennengelernt hat, dann kann man sehen mit dieser Probedroge, wie es ist mit dem anderen und so, und was er mag und so.

Krafti und Lochster tun etwas, was man für nicken halten könnte.

Zacharias: Und habt ihr noch so einen Drink übrig?

Lochster: Zachi, Du bist aber naiv, natürlich nicht, das Zeug unterliegt total den Exportbeschränkungen. Ich dürfte dir noch nicht mal sagen, dass es das überhaupt gibt.

Zachi blickt in Richtung des Surrens von Krafti und der bestätigt: Da hat Mc Loch recht.

Lochster: Es sei denn, man schaltet den Automatikmodus bei uns ein.

Krafti: Lochster, jetzt ehrlich!?

Zachi: Kann ich machen, wenn es euch hilft.

Krafti: Tu es ruhig, aber Leben auf Probe geht dann immer noch nicht, sorry.

Lochster: Man könnte aber improvisieren. Ihr seid in Universum bekannt für euer Improvisieren.

Krafti: Nun lass doch Zacharias in Frieden und hör auf ihm etwas zu versprechen, was gegen die interplanetarische Spielzeugethik ist.

Lochster: Du behandelst Zachi wie ein Kind.

Krafti: Ich bin sein Spielzeug, wie bitte soll ich ihn sonst behandeln?

Zachi: Wie kann man improvisieren?

Lochster: Du bräuchtest einen Klondrucker.

Krafti ist genervt: Wenn es mehr nicht ist...

Lochster: Wenn Du keinen Klondrucker hast, kannst Du auch eine Narzißpfütze nehmen.

Krafti: Das ist doch alles Quatsch, das ist doch nur ein Märchen.

Lochster: Ich habe es schon mal ausprobiert.

Krafti: Und welchen Drink hast Du da zu dir genommen?



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Mein Freund der Ausserirdische

von Konstantin + Dominica Schemat, Berlin © 2019

Credibility

Stellt euch mal vor, ein Ausserirdischer würde auf eurer Fensterbank landen. Wer würde euch das glauben? Aber das ganze ohne Tricks, ihr könnt nicht sein Raumschiff vorzeigen, oder seine Teleportierungspeitsche oder was er noch so in seinen Taschen mit sich herumträgt. Wenn ihr jetzt denkt, dass das hart wäre, dass euch niemand glauben würde, dann hört euch meine Geschichte an.

Die Geschichte beginnt mit einem jungen Heranwachsenden. Ist das nicht ein krasses Wort, als ob wir noch aus der Baumschule kommen. Als ob man ein Stück von uns abschneiden könnte, rein in die Erde, nicht zu feucht, dann schimmelst du glatt weg, nicht zu trocken, dann verdorrst du, rauf auf die Fensterbank, giessen nicht vergessen und voila 14 Tage später, da haben wir ‘s, ein Heranwachsender.

Wenn das Leben ein Spiel wäre, dann hätte ich eigentlich ganz gute Karten gehabt. Mein Vater ist ein renomierter Psychotherapeut, ja, ja, ich kenne die Sprüche. Psychologen Kinder, Müllers Vieh gedeihen selten oder nie. Aber mein Vater, den ich übrigens nie so nenne, ich würde nie mein Vater sagen, der ist eher ein renovierter Psychotherapeut, weil er nämlich gut 50 Jahre älter ist als meine Mutter. Und immer macht er rum, mit seinen Haaren, ja er hat noch welche, mit seiner Fitness, er trägt immer diese bunten Sachen, wo dich kein Auto umfährt, es sei denn aus Gnade, und du überhaupt nicht schwitzt und wenn doch, dann entweicht es gleich ins Weltall und du duftest, wie Schneeluft, so verdammt frisch bist Du, auch wenn Du gerade durch die beschissene Wüste Gobi gejoggt bist.

Und da bei uns Offenheit so wichtig ist, das sagt jedenfalls „mein Vater“ immer, deshalb habe ich ihm das mal gesagt, dass es für sein Alter auch andere Freuden geben würde Boule spielen z.B. oder Sitztanzgruppen. Das hätte mich beinahe mein E-Bike gekostet, soviel zu Offenheit.

Aber ich kann eigentlich nicht klagen, kurz: Ich habe die drei Ws des Erfolgs: Waldorfschule, Wohlstand und das dritte habe ich vergessen, ja manche könnten sagen: World Wide Web. Das sind ja auch drei Ws. Aber mein erstes W, nämlich Waldorfschule, das hat sich mit World Wide Web nicht so gut vertragen. Aber immerhin, ich weiss, dass es das gibt auch wenn mein Telefon nicht smart ist, denn an der Waldorfschule gibt es natürlich einen – jetzt aufgepasst – ZwischenNetzKurs. So heisst das bei uns. Ja, ja, ich habe auch von anderen Waldorfschulen gehört, wo das ganz locker sein soll, aber bei uns ist es nicht so. Woran das liegt? Nun, wir haben ja bekanntlich Lehrermangel, und da nimmt man das was man kriegen kann, das leuchtet mir ein, aber unser Informatiklehrer, der ist ein InternetExorzist. Nein, da kann man nicht anders sagen, es gibt z.B. keinen Film, wo die Maschinen die Erde übernehmen, den ich noch nicht gesehen habe, meistens unter dem Vorwand, wenn er krank ist. Und das mit dem Exorzisten ist wirklich wörtlich zu nehmen, ihr habt doch bestimmt schon mal von EMP gehört, dem elektromagnetischen Impuls. Es gibt da Atombomben, die sind nur für diesen Impuls da, und die ganze Elektronik brennt durch.

Heinrich hat mal gesagt, wundert euch nicht über diesen Namen, wenn ihr hier auf eine Waldorfschule gehen würdet, dann wüsstet ihr, dass Heinrich und Herrmann ganz normale Namen sind. Jedenfalls, der hat mal gesagt: Wenn Du den clonen würdest, oder wenn der nur (gemeint ist natürlich unser InformatikLehrer), also wenn der nur jedesmal wenn er sich einen von der Palme wedelt damit zur Samenbank rennen würde, dann würde es bald dunkel werden, die Dark Ages würden wieder anbrechen. So sieht es aus und nun kommst Du.

Das ist so typisch Heinrich, findet ihr das nicht total überzogen? Also wenn bei Heinrich ein Ausserirdischer auf der Fensterbank landen würde, ich sage dir, der würde damit durch kommen. Sogar, wenn es überhaupt nicht geschehen wäre, wenn er sich das alles nur ausgedacht hätte, dann würde ihn irgendein Idiot fragen: Und hast Du schon der CIA bescheid gesagt? Ist schon klar, dass man hier in Deutschland dem BND bescheid sagen muss, wenn ein Ausserirdischer auf der Fensterbank sitzt, aber das spielt bei Heinrich überhaupt keine Rolle. Dabei ist er nicht so ein typischer Waldörfler. Echt nicht, weil sein Vater Versicherungsverkäufer ist. Es heisst irgendwie anders, aber es kommt auf das Gleiche heraus. Ein Naturtalent, er zieht eine Schneise abgeschlossener Verträge hinter sich her, einfach so, es ist wie eine Infektion, ach quatsch es ist wie eine Droge. Ich wollte mal etwas versichern bei ihm, mein E-Bike, und er wollte das gar nicht. Er wollte von mir überredet werden, dass ich doch bitte eine Versicherung bei ihm abschliessen kann, dabei hatte ich schon die Unterschrift meiner Eltern. Aber ich bin nicht drauf reingefallen, auch wenn ich das gespürt haben, diesen Sog, dieses Gefühl in den Knien und in der Stirn, die Erde zu berühren, um ihn für umfassenden Versicherungsschutz anzubetteln.

Ich weiss jetzt gar nicht mehr warum ich das alles geschrieben habe, ich wollte nur sagen, bis auf den InternetExorzismus habe ich ein super Leben. Ich muss nicht alleine meine Geburtstagskerzen ausblasen, wenn ihr wisst was ich meine.

Aber seitdem ich Penis IQ bin. Ja, ihr habt richtig gehört, und ihr habt recht, das macht überhaupt keinen Sinn, denn wie kann jemand ein IQ sein, ganz gleich ob es der IQ von einer Möhre oder von einem Penis oder von sonst etwas ist. Aber ich muss das von Anfang an erzählen. Es gibt da nämlich eine beste Freundin, sie heisst Sophie, für die sich Heinrich angeblich überhaupt nicht interessiert hat, im Gegensatz zu mir. Natürlich hat er zugegeben, dass sie ganz gut aussieht und so, und dann diese niedliche Grübchen, wenn sie lacht, und sie lässt uns immer in Mathe abschreiben. Das stimmt jetzt wirklich, sie hat es mit Mathe echt drauf, das schreibe ich nicht nur, weil das ein Geheimcode für Brüste oder so ist. Und Heinrich, der ist so ein hinterhältiger Arsch, der sagt so: Ja, sie ist schon ganz O.K.

Und dann ist er immer ganz nett, wenn sie dabei ist. Weil sie ja so O.K. ist.

Aber wenn Du mit Heinrich alleine bist, dann ist nichts mehr O.K. das sage ich dir.

Er hat den Aggregatzuständen seines Penis nämlich verschiedene Namen gegeben, und da kann er sich stundenlang drüber unterhalten: Latte Machiato, O.K. das klingt ja noch ganz witzig und ist auch total O.K. ja, ja, und dann am Prenzlauer Berg, da bekommen sie alle eine Latte, das ist schon O.K., aber O.K. ist nicht seine Spezialität, voll eklig das ist seine Spezialität. Einen anderen Zustand bezeichnet er „con Leche“. Das kann ja noch durchgehen, wenn man das so liest, aber nicht wenn man sein Gesicht dazu gesehen hat. Wenn man das einmal gehört hat, wenn man das einmal erlebt hat, wie er das ausspricht, dann bekommt du einen bleibenden Schaden.

Und wenn Du glaubst, Du wärst damit durch, dann irrst Du dich. Wenn Leute auf eine Idee kommen, die sonst nicht so viele Ideen haben, dann kann auch mal zur Wiederholung kommen. Und als nächstes hat er den Aggregatzuständen unterschiedliche Feldherren zugeordnet: Julius Cäsar Imperator Romanum. Das ist noch so ein Ding. Und das ist noch das Harmloseste, denn für ganz besondere Zustände hat er sich bei den Philosphen bedient und bei den Dichtern. Das mit Mörike fand er besonders lustig. Das wäre der beste Namen für dieses Körperteil überhaupt, es wäre nicht so angeberisch, eher understatement.

Und dann wollte er bei Zusicherung von totaler Diskretion meine CodeWörter für Mörike hören.

Und als ich nicht sofort geantwortet habe, da hat er mich gleich angefahren: Die Frauen dürften das auch, da gäbe es Feuchtgebiete und Vagina Monologe und so weiter. Warum darf ich das nicht?

Ich hätte es ihm damals schon sagen können, warum er das nicht darf, aber genau wie sein Alter, ist er nicht zu stoppen, wenn er in Fahrt ist. Dann hat er angefangen, dass alle den Penis wegen seiner geringen Intelligenz diskriminieren würden, Du denkst ja mit dem Penis und so, aber vielleicht wäre der Penis gar nicht so blöd, wenn man mal seinen IQ messen würde. Da sind z.B. die unfreiwilligen Erektionen, die einem oft so peinlich sind, dass man lieber einen Parker trägt, um die Signatur, so will ich das mal nennen, einer Erektion zu verbergen, aber Heinrich behauptete, dass, wenn die Mädchen einen Penis hätten, dann würde es schon längst ein Buch über die Weisheit des Penis geben, und mein Penis im Vollmond oder meine kleine Penissonnenuhr usw. Das wäre total sexistisch. Ich habe natürlich nicht gesagt, dass ich mir ein Leben ohne so ein Buch vorstellen kann, dann wäre der richtig in die Luft gegangen.

Jedenfalls war er von seinem Penis IQ nicht abzubringen. Und dann hat er mir alle Situationen geschildert, die ich hier nicht wiedergeben will, nur so viel sei verraten, sie haben mit eine Putzfrau und einer Kunstlehrerin zu tun, wo es zu solchen Fingerzeigen, um nicht zu sagen Weissagungen, seines Penis gekommen sei, die ihm vielleicht glücklich gemacht hätten, wenn er sie nur befolgt hätte, wenn er auf die Penisintelligenz gehört hätte.

Das hat er wirklich gesagt und er hat mich dabei angesehen, als würde er für diese Erkenntnis sein Leben hingeben, so als hätte er einen neuen Glauben gefunden, für den es sich lohnt zu sterben.

Ich wartete nur darauf, dass er mir erzählt, wie man den Penis noch zum Ölbohren und zu allerlei Wünschelrutenkram einsetzen kann, da hat er mich rausgeworfen. Dein Mangel an Begeisterung ist beklagenswert. Das hat er gesagt, dabei geht dieses Zitat ganz anders.

Und von da an hatte er plötzlich überhaupt keine Zeit mehr. Einfach so, ohne weitere Erklärung. Er hat mir nicht gesagt dass seine Wünschelrute auf der Klassenfahrt in den Harz ausgeschlagen hat und er jetzt ein Schürflizenz erworben hätte, etc. er war einfach weg.

Na ja, wenn ihr so einen Typen schon mal begenet seid, dann wisst ihr wie das ausgegangen ist.

Ich habe mir irgendwann gesagt, wenn er nicht will, dann kann ich mich ja endlich um Sophie bemühen. Aber auch die hatte auf einmal kaum Zeit für mich. Da habe ich etwas getan, von dem ich sonst nur jedermann abraten kann, früher, als die Leute noch keine Telefone hatten, das habe ich übrigens von meinem Informatikleher dem InternetExorzisten gehört, da ist man einfach bei den anderen vorbei gegangen.

Und diesen Fehler habe ich auch gemacht, und bin einfach bei Sophie vorbeigekommen.

Halloooo? Sagt ihre Sprechanlage.

Und ich sag dann ganz locker: Ich bin‘s der Herrmann.

Habe ich einen Termin vergessen? Kommst Du mit Mathe nicht klar?

Ich wollte nur mal so vorbeikommen.

Danach war erst mal nichts zu hören. Dann drückt jemand den Knopf der Sprechanlage und man hört etwas, wie ein Lachen, aber nur kurz, dann ist es wieder still. Dann wäre ich beinahe wieder weg gegangen, hätte mir gleich klar sein sollen, dass ein Rat vom Exorzisten nicht allgemeingültig ist, da geht die Sprechanalage wieder an und ich höre eine total freundliche Sophie: Komm doch hoch Herrmann.

Und wie ich die Treppen raufsteige, da habe ich einen Verdacht, was ist, wenn sich Heinrich schon an Sophie rangemacht hat, so wie ich ihn kenne hat er bestimmt verbrannte Erde hinterlassen, er hat bestimmt dafür gesorgt, dass ich bei Sophi keine Chance mehr habe. So wie sein Vater, bei dem die Versicherungen auch immer alternativlos sind. Ich wäre dann auch das Produkt eines Mitbewerbers gewesen. Auf dieser Erde scheint es kein grausameres Schicksal zu geben als das Produkt eines Mitbewerbers zu sein.

Und als ich oben war, da war mir klar, ich musste Sophie aufklären, es ging hier nicht nur um meine Gefühle, sondern auch ihr Glück stand auf dem Spiel, ich musste die Aktion Con Leche verhindern.

Ich will das jetzt ganz kurz machen. Und ich will das peinliche Gespräch nicht noch mal wiederholen müssen, mir hätte klar sein sollen, was hier abgeht, als Sophie immer wieder ganz mitfühlend nachgefragt hat: Ach ehrlich, das ist ja voll übel.

Dann als ich bei con Leche angekommen war, sprang Heinrich hinter der Sofalehne hervor und beide lachten schallend los: Mensch Mörike, Respekt vor deinem Penis IQ

Und dann kam es heraus, Sophie sagte: Heinrich hat mir schon von deiner Idee mit dem Intelligenz IQ erzählt.

Wieder schüttelt sie sich aus vor lachen.

Nein, echt, finde ich gut.

Und dann sagt Heinrich: Immerhin müssen wir dir dankbar sein.

Sophie kuschelt sich an Heinrich an: Denn wegen deiner verrückten Geschichte sind wir zusammen gekommen.

Ihr ahnt es, dass das erst der Anfang meiner Leiden war. Es scheint an der ganzen beschissenen Waldorf Schule keinen Einzigen zu geben, der nicht von dem mörderischen Penis IQ meines (!) Mörike gehört hätte.

Und wenn ich jetzt erzählen würde, dass ein Ausserirdischer auf meiner Fensterbank gelandet ist, wer würde mir das noch glauben. Mal im Ernst, würdest Du mir nach der Vorgeschichte das glauben?

Jedenfalls eins habe ich von dem Scheiss mitgenommen, den festen Willen dieses Buch zu schreiben: Die verborgene Intelligenz deines Penis.

Und ich werde reich damit werden, und wenn er dann ankommt, das wäre seine Idee gewesen usw. dann werde ich meinen Mörike fragen: Sag mal Mörike kannst Du dich daran erinnern schon mal jemals so etwas in der Art von unserem Freund Heinrich gehört zu haben?

Und dann wird Mörike bauchredend antworten: Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht erinnern Sir. Wünschen sie sonst noch etwas von mir?

Und ich werde gönnerisch antworten: Nein Mörike, vielen Dank, nehmen sie sich den Abend frei.

Das Universum ein Atmendes Arschloch

Das ist natürlich alles Quatsch. Ich habe nie und ich werde nie ein Buch über den IQ des Penis schreiben. Was ich dann getan habe, das ist so unglaublich uncool, dass ich mir vorkomme, als würde ich aus einem Beichtstuhl zu Dir sprechen: Vater vergib mir, denn ich habe gebüffelt! Ich benutzte mal diesen Ausdruck aus dem tiefen Mittelalter der Schulgeschichte, „gebüffelt“, den ich übrigens auch vom Exorzisten habe, um mich langsam an mein Geständnis heranzurobben, denn was ich eigentlich sagen will: es ist wahr, ich habe jetzt mehr für die Schule getan. Ich hätte es mir einfach machen können, hätte sagen können, dass mich Sophie nicht mehr abschreiben liess in Mathe, eine Notsituation sozusagen, aber nein, ich will reinen Tisch machen, ich stand auf Schule. Das darf man jetzt nicht falsch verstehen, ich hatte nicht meinen rechten Arm in Dauererektion mit forsch ausgestrecktem Zeigefinger, ich habe auch niemand verpetzt, ich habe nicht mal den Müll von anderen aufgesammelt, aber ich fand den Unterricht plötzlich irgendwie interessant. Das mag auch an den Serien liegen, die jetzt nicht mehr so interessant waren und wo es schwieriger war, sozial meine ich, eine Serie zu schwänzen als einen Tag nicht zur Schule zu gehen.

Entlastend will ich hier noch anführen, dass ich mich relativ schnell für die Themen interessierte, über die man spekulieren kann, ohne sich ständig mit neuem Wissen vollstopfen zu müssen: Kosmologie z.B. Und da habe ich mich nicht mit den vielen Details aufgehalten, sondern bin gleich zu der Frage gekommen, was am Ende ist. Dehnt sich das Universum unendlich aus, oder fällt es wieder in sich zusammen? Und damit zusammenhängend, wie ist eigentlich das Haltbarkeitsdatum von Protonen. Das klingt jetzt alles sehr großspurig, aber jeder, der schon mal den Weg der Kosmologie eingeschlagen hat, wird es bestätigen, es ist relativ wenig Wissen, und viel Spekulation. Die Kosmologie ist die Religion der Wissenschaften und ich war ihr neuer Prophet. Und so haben ich mir eine Theorie ausgedacht, wo alles Sinn macht. Und die geht so: Erst dehnt sich alles aus, dann stürzt es wieder in sich zusammen, dann knallt es, dann fängt alles von Vorne an. Es ist wie Atmen. Aber es ist auch nicht sehr nett, das Universum, denn man kann sich anstrengen, wie man will, am Ende wird man so lange zusammengepresst bis es knallt. Ich kam mir vor, das das eine super Idee ist, bis ich von einem Typ erfahren haben, der zu Einsteins Zeiten lebte, und in Vergessenheit geraten war, weil man angeblich nicht wusste wie man seinen Namen schreiben sollte, hiess er jetzt Alexander oder Aleksandr? Ja kein Witz, und der Typ hat das schon 100 Jahre vor mir behauptet und sein Kollege der AllBert Ainstain fand das auch schon damals nicht so abwegig: Mist!

Ich verbrachte ein paar Tage in der Leere, dem perfekten Vakuum, was nur derjenige kennt, der jemals nach Höherem gestrebt hat, und dann auf die Schnauze gefallen ist. Und dabei lag der Frühling in der Luft: Mit dem Kichern der Verliebten, den Jungs und ihren Gaspedalen und den frisch gewichsten Hippsterbärten. Mir wurde langsam klar: Ich musste hier raus. Und ich lief und lief. Von der Innenstadt, in die Vorstadt, von der Vorstadt in die Felder, von den Feldern in die Wälder, von den Tälern auf die Hügel. Da kam ich an eine Lichtung, wo ich durch ein weites Tal auf die andere Seite blicken konnte, und siehe da, weit in der Ferne war auch eine Lichtung. Natürlich weiss ich, wie diese Landschaft heisst, und am Wochenende kommen Ausflügler und man macht mit kleinen Taschenspiegeln Signale, die man auf der anderen Seite sehen soll, was irgendwie nie richtig klappt, hat wohl mit der kleinlichen Optik zu tun, jedenfalls hatte ich mir diesen Tag vorgenommen, nichts mehr wiederzuerkennen und deshalb betrat ich diese Landschaft das erste Mal. Und da noch nicht Wochenende war, konnte ich meine Illusion auch leichter aufrecht erhalten. Sind wir ehrlich, Träumer werden nie belohnt, die Träumer treten in die Hundescheisse. Nicht dass die Realisten nicht in die Hundescheisse treten, aber sie werden nicht aus so angenehmen Träumen geweckt. Und so erging es auch mir, deinem Helden (so hoffe ich doch). Ich sah auf der anderen Seite einen kleinen Jungen mit einem überdimensionierten Bumerang. Ich hatte natürlich ein Fernglas mit, sonst macht das ja überhaupt keinen Sinn. Und dann sah ich, wie der Junge tüchtig Anlauf nahm, mit vollem Kindergallopp den Hang hinunter und ziemlich beeindruckend den Bumerang abwarf. Nun geschah das Eigenartige, ich weiss nicht ob es an einer Luftströmung lag, an einem Hangwind, oder einer Thermikblase, der Bumerang wollte einfach nicht aufhören zu fliegen und auch an zurückkommen schien er nicht zu denken, er flog und flog in Richtung auf meine Seite des Tals. Das ist das letzte an was ich mich erinnern kann. Viel später, aber noch am gleichen Tag, bin ich mit Kopfschmerzen aufgewacht, die mir mehr Lust auf Koma gemacht haben. Ja, das ist undankbar ich weiss, aber ich konnte mich an kaum etwas erinnern. Aber als der Arzt, der mich nach der Unfallursache fragte, sagte „Ansonsten alles tippi toppi dort oben“ da traute ich mich zu fragen: Hat man einen Bumerang gefunden? Und da war für ihn schon alles klar: Einen Bumerang also. Und weg war er.

Dann musste ich später sagen, wer den Bumerang geworfen hat, ob es in der Freizeit geschehen ist, oder während der Arbeitszeit usw. Das wurde mir langsam zu bunt. Und ich sagte ich bin gegen einen Baum gelaufen. Und war das ihr Baum oder stand der Baum auf einem öffentlichen oder privaten Gelände. Führten sie ein Fahrzeug, als sie mit dem Baum kollidierten? Mir reichts langsam. Ich wollte mich nicht mehr mit dem Unfall beschäftigen, antwortete nicht mehr auf die Fragen nach Bäumen und Bumerangs, ein Sabberfaden den ich aus dem rechten Mundwinkel laufen liess war dabei sehr hilfreich. Langsam schaltete sich mein Gehirn wieder ein, und ich nahm den Faden wieder auf, den ich verloren hatte: Das oszillierende Universum, O.K. ein Punkt für dich Aleksandr Friedman (bzw. Alexander Friedmann, Alexis Friedmohn etc.)

Also musste ich mir etwas neues ausdenken, einen Trick. Ich finde ja, dass die Wissenschaft viel von den Illusionisten lernen könnte. Und da gab es doch den Einen, der für einen Trick im Fass einen Wasserfall runter ist. Ich weiss jetzt leider nicht mehr wie das ausgegangen ist, das ist auch nicht mehr wichtig, denn wie wäre es, wenn man Wasserfall durch Urknall austauscht und Tonne durch Raumschiff, wie wäre es, wenn man ein Raumschiff bauen könnte, was den Urknall übersteht? Nun kommen gleich wieder die Physiker und wollen dir erklären, das das überhaupt nicht funktioniert. Gerade die Physiker, denn die haben ein Wort erfunden, um das sie jeder Illusionist beneiden würde: Singularität. Wenn sie etwas nicht mehr erklären können, dann ist das eine Singularität. Gemeint ist damit, dass z.B. die Relativitätstheorie eigentlich superdufte ist, aber da gibt es diese winzig kleine Detail, diese eine Sache, diese Singularität, die sie nicht erklären kann. Und wenn ein Physiker etwas verschwinden lassen will, was sich tapfer dagegen sträubt von ihm erklärt zu werden, dann muss er einfach nur „Singularität“ sagen. Und dann hatte ich es: Ein Singularitäts Raumschiff, mit spezial nicht zusammenpressbarer Singularitätshülle.

Natürlich musst Du nicht lange suchen, bis Du einen findest, der findet, dass das alles Quatsch ist. Aber schlimmer noch, es gibt auch Kollegen, die versucht haben, sich aus anderem Weg aus der Schlinge zu ziehen, und damit klar zu kommen, was so langsam meine Vorstellung von dem Universum ist, das Weltall ist ein Arschloch.

Und einer dieser Forscher, sorry ich habe es nicht so mit Namen, der hat gesagt: Wenn doch alles irgendwann in die Brüche geht, dann ist es nicht so schlimm, weil die Intelligenz total steigt, und wir dann sozusagen noch eine GedankenEwigkeit vor uns haben, bis die Protonen zerfallen. Findet ihr nicht auch, dass das die übelste und traurigste Theorie des Universums ist. Stellt euch mal vor, Du weisst, es ist irgendwann alles total aus, und Du kannst dir das von einem Augenblick auf den Anderen immer besser vorstellen, was für ein toller Trost.

Aber der Typ, vielleicht ist es besser, dass ich mich nicht an seinen Namen erinnere, der schreibt, jetzt nicht wörtlich, glaube ich, aber sinngemäss, dass die Ewigkeit (die ja eigentlich gar keine ist, sondern das Gegenteil davon, nämlich endlich) nichts für Leute ist, die nicht wissen was sie an einem verregneten Sonntag Nachmittag machen sollen.

Ist das nicht irre, wie kann man einen verregneten Sonntag Nachmittag damit vergleichen, endlose Milliarden Jahre in der Wartehalle zu verbringen. Und dann soll es gut sein, dass wir dann den Tod überwunden haben, jedenfalls diesen menschlichen Tot diesen 100jährigen Kompostzyklus. Sag mal, wie irre ist das denn? Da scheint mir ja das Singularitäts Raumschiff wesentlich widerspruchsfreier. Dabei geht es nur darum, dass wir irgendeine Information durch den Urknall schicken. Ich meine, nach dem Urknall verteilt sich doch auch nicht alles gleich, es entstehen, wenn es 100.000 Jahre abgekühlt ist, kleine Klumpen von Wasserstoffgas, aber wie kommen die zusammen? Durch Zufall? Wirklich? Und woraus wurde der Zufall geboren? Aus dem Urknall? Das wohl eher nicht. Viel wahrscheinlicher ist es doch, dass der Zufall durch das Arschloch des Urknalls gereist ist. Stellen wir uns das Ende des Universums wie ein riesen schwarzes Loch, oder einen riesen Müllschlucker vor, und die Wolke aus Wasserstoffgas, die irgendwann nach dem Rumms entsteht, als die Wolke, die aus einer Müllverbrennungsanlage aufsteigt. Ist es da nicht möglich, indem man etwas von dem Müll festhält, und erst zum Schluss reinwirft, dass man dadurch die Rauchwolke beeinflussen kann. (Ja, ja, ich weiss, dass in heutigen Müllverbrennungsanlagen alles gefiltert wird, für diese Analogie brauchst Du eine alte Müllverbrennung, eine richtige Dreckschleuder.)

Der Klapperstorch

Als ich noch ein Geschwister haben wollte gab es die endlosen total vernünftigen Erwachsenen Erklärungen, dass ich das nicht zu entscheiden habe, usw. weil ich keinen Uterus habe und noch zu jung bin, so wäre das nun mal usw. Nur meine Oma hatte eine vernünftige Erklärung: Sie strich über mein Haar und sagte: Leg einfach einen Zuckerwürfel auf die Fensterbank, dann klappt das schon.

Vergessen wir das jetzt mit den Geschwistern, ich glaube wir wissen alle, wie das funktioniert, kommen wir zu dem Wesentlichen, wie lockt man ein Alien an. Nun Homo Sapiens dachte, auch vor 40 Jahren, vielleicht wäre es eine gute Idee, ein Raumschiff loszuschicken, mit einer goldenen Scheibe drin, wo drauf steht, wo man uns finden kann.

Dieses Raumschiff ist wirklich grossartig, erst vor kurzem konnten sie die Düsen noch einmal aufwecken, aber die Idee hinter der Mission, darüber hätte man doch noch mal nachdenken müssen, oder?

Haben uns die Sioux etwa eine Flaschenpost geschickt? Na gut, die wohnten nicht am Wasser und hatten keine Flaschen, aber die Einwohner von Manhatten hätten uns doch eine Flaschenpost schicken können, vielleicht in Tonkrügen mit Bienenwachs versiegelt, wo drin steht, wo sie zu finden sind. Die Wahrheit ist, so blöd sind die nicht gewesen. Genutzt hat es ihnen leider auch nichts, wie die Wikinger und Columbus gezeigt haben. Aber wer macht denn freiwillig auf sich aufmerksam, um von einer wahrscheinlich höheren Kultur gefunden zu werden. Ich meine die Wildschwein kommen ja auch nicht freiwillig zum Jäger, die Ameisen kriechen dem Ameisenbär auch nicht in den Rüssel, oder? Wir sollten uns vielleicht einmal selbst betrachten, was wir mit den Sachen anstellen, die wir entdeckt haben, und dann sollten wir uns fragen, ob es wirklich so gut ist, entdeckt zu werden.

Und was ist nun die Antwort? Ich will es kurz machen, die Antwort ist: Die finden uns schon.

Jay Ronto

Was würdest Du von einem Ausserirdischen erwarten? Nun Hollywood scheint es genau zu wissen: Baller Bumm Tschattka. Sie machen uns platt, in den allermeisten Fällen. Wie kommen die Drehbuchschreiber und Futurologen eigentlich darauf? Weiss denn niemand mehr wie man so was professionell als Eroberer durchzieht? Sie bringen einem Glasperlen mit und hauen mit dem Gold ab und ganz nebenbei lassen sie noch ein bisschen Kinderlähmung und Ziegenpeter zurück. Also die bewährte Mischung aus Freihandel, psychologischer Kriegsführung und bestens bewährten B-Waffen. Und meistens glauben die mit Glasperlen beschenkten, sie haben den Deal ihres Lebens gemacht. Aber ich bin natürlich nicht so naiv. Mir war gleich klar, was sie von mir wollten, meine Pläne für das Singularitätsraumschiff.

Aber Jay Ronto hatte statt dessen meine DVD Sammlung entdeckt (das ist mir jetzt zu blöd, wenn einer nicht mehr weiss, was das ist, eine DVD, dann soll er doch bei Wikipedia nachsehen). Und deshalb sass er da auf meiner Fensterbank, wie diese kleinen Teufel der gothischen Kathedralen. Dann verwandelte er sich in Quasimodo, bevor er als Tarzan mit einer Liane, die aus ihm heraus wuchs, über mein Bett schwebte und mir „Alta Vista Baby“ zurief. Ich überlegte schon, was wohl als nächstes kommt, und freute mich schon auf die nächste DVD im Regal, über Ingrid Bergmann, die den Stromboli hoch robbt, da war er wieder weg.

He, was soll das? Und wo bleiben die Glasperlen?

Da rief die Frau von der Unfallversicherung an: Ich habe da noch eine Frage.

Ich wollte gerade antworten, da stellte sich mein Handy als eine Ratte heraus, die ich mir da ans Ohr gehalten hatte.

He, ich bin da kitzelig, nicht so drücken“ sagte die Ratte.

Na ja, ihr wisst sicherlich, worauf das heraus lief. Der Spuk hörte plötzlich auf, ich war zuerst wirklich froh, dass es vorbei war, dann wurde es wieder langweilig, wie das Leben nun mals so ist, dann fing der Spuk wieder an, usw. Und langsam wurde mir klar, was der Ausserirdische von mir wollte: O.K., O.K. ich habe verstanden, Du willst dass dich jemand bittet, dass ich dich anflehe, oh, bitte bleib doch noch ein Weilchen, wer bist Du eigentlich, woher kommst Du?

Und dann verwandelte er sich in einen allgemein bekanntes Monster und fragte mich, ob es denn so schwer sei, das Zauberwort zu sagen?

Na ja, was erwarte ich auch schon, heutzutage, da bearbeiten dich ja alle so lange, sogar die letzen Plagen tun das so, bis Du anfängst zu betteln, oh, bitte, bitte tu es, sei mein Präsident, mein Kanzler, mein neues Telefon etc. Ohne Betteln verkaufen die Dir nichts mehr. Du musst es nicht nur bezahlen können, heute, Du musst es zudem auch noch wirklich wollen.

Und ich war jetzt so weit, ich wollte den Ausserirdischen, der, wie sich später herausstellte, sich Jay Ronto nannte, ich wollte ihn kennenlernen. Und zwar ganz ohne Glasperlen, und den anderen Schnickschnack.

Liebe zu den Ausserirdischen

Am Anfang konnte ich überhaupt kein Muster erkennen, keine Persönlichkeit. Vielleicht gibt es so etwas nicht mehr in der Zukunft. Wahrscheinlich wird Persönlichkeit zu so etwas wie Kleidung. Ich meine, wenn man erst mal relativ unsterblich ist, ich meine bis alles zur Quarksuppe wird. Heute ziehe ich mal den Nero an, oder doch lieber den Walter von der Vogelweide, ach ich kann mich gar nicht entscheiden, was sagst denn Du dazu mein Schatz?

Aber bald konnte ich feststellen, dass Jay Ronto ein wiederkehrendes Muster hatte, er liess sich einen Rollator wachsen, und einen Infusionsständer einschliesslich eine bunten Mischung von Chemotherapeutika. Dass es ihm nicht ganz ernst mit der Sache war, dass konnte man schon an der Reihenfolge sehen, in der er sich das wachsen liess, erst zum Schluss wuchs eine alte gebrechliche Frau die den Rollator schob.

Ich sagte ihm, dass wir den Krebs noch nicht besiegt hätten, ganz zu schweigen von dem Alter und das wir so etwas nicht schätzen würden, wenn wir, von welcher Zivilisation auch immer, gerade damit verarscht würden.

Das hatte mächtig Eindruck auf ihn gemacht, er überlegte ca. 10 Millisekunden. Wow, seitdem ich ihn kannte hatte er noch nie so lange nachgedacht, dann schob er kommentarlos mit seinem Rollator los und liess sich über eine Hauptverkehrsstrasse bringen. Wobei er die Ampeln vermied. Offensichtlich kannte er sich mit den StrassenverkehrsRegeln aus, dass man die Strasse überqueren darf, wenn die nächste Ampel so und so weit entfernt ist. Und wie durch Zufall waren auch die Absperrungen an den Stellen, wo Jay Ronto gedachte die Strasse zu überqueren, komplett entfernt.

Ich weiss nicht warum er das tat, aber er fand immer wieder Menschen, die ihm halfen die Strasse zu überqueren. Er war nicht wählerisch, kleine Kinder, die man selbst an die Hand nehmen sollte, hatten Mitleid mit der Omi und brachten sie auf die andere Strassenseite. Das war schon sehr verdächtig.

Ich habe ihn dann zur Rede gestellt, ob er sich die Helfer hat wachsen lassen?

Nein.

Ob er den Helfern in das Gehirn gekrochen sei. Das hat er mir nämlich erklärt, er könne sich, was immer das ist, so dünn machen, dass er an den einzelnen Nervensträngen vorbeikriechen könne, sogar wenn sie Markscheiden haben.

Aber er antwortet wie eine billige Pornodarstellerin: Nahein.

Ich fragte ihn: Du wolltest das Gefühl „Ich bin beleidigt“ darstellen?

Nahein… und wie geht das Süsser?

Da machte ich es ihm vor und betonierte meine Gesichtszüge ein und sagte eisern: Nein.

Das machte er auch gleich nach: Nein.

Das verstehe ich an dir nicht, warum weisst Du einerseits so viel, und andererseits weisst Du überhaupt nichts.

Das ist so ein Naturschutzding.

Verstehe ich nicht.

Na, wenn ich alles wüsste, dann bräuchte ich euch ja nicht besuchen kommen.

Aber warum hast Du nicht alles aufgezeichnet und bist dann mit der Erde auf deinem USB Stick abgezogen.

Nahein.



Das ist so typisch bei ihm, man wird nicht schlau aus ihm. Was hat das jetzt schon wieder zu bedeuten? Er schafft es immer wieder einen zu verwirren und vergessen zu lassen, was ich ihn eigentlich mal gefragt habe, jetzt fällt es mir wieder ein: Warum machst Du dieses geschmacklose tote Grossmütterchen Spiel?

Ich kann es mir auch nicht erklären.

Natürlich kannst Du das!

Aber dann würde es doch keinen Spass mehr machen.

Wie kriegst Du das hin?

HSV

Was?

Hedonistische SelbstVerdummung, das kannst Du bei uns ganz bequem dazu buchen, im Reisebüro. Es ist ganz schön teuer, aber es lohnt sich total.



Warum kannst Du nicht mal was für mich machen?

Er verwandelte sich in einen Flaschengeist: Was darf es sein?

Unsterblichkeit.

Er verwandelte sich in einen Parkranger.

Ich wusste doch, dass das nicht läuft, ja, ja, sag es nicht, Naturschutzgründe. Was kannst Du denn überhaupt für mich tun?

Ich sag mal: Girls. Er verwandeltete sich … na ja, das könnt ihr euch schon denken.

Meinst Du etwa, das ich mit Dir?

Nicht? Och schade. Aber ich kann bei deinen Freundinnen vielleicht ein gutes Wort für dich einlegen.

Und dann kam eine kleine Show von jeder Frau, die ich mal angesehen hatte, nicht nur einige Mädchen aus der Parallelklasse, Bäckerreiverkäuferinnen, Lehrerinnen, Erzieherinnen, sogar Babysitterinnen waren dabei.

Nein, nein, nein, ich will es selbst schaffen.

Natürlich verwandelte er sich da in einen Stepper, es war klar, ich sollte trainieren.

Aber ich wollte einfach nur, dass er mit dem Quatsch aufhörte, und einen immer mit dieser Naturschutzverarsche kam, wenn er auch nur die kleinste Kleinigkeit für einen tun musste. Also stieg ich auf den Stepper.

Als er fertig war, verwandelte er sich in eine Guitarre und ein Karaokegerät.

Und auch da machte ich einfach mit, als wäre es das normalste aus der Welt.

Manche Spassvögel, die bekommt man nur in den Griff, wenn man so tut, als würde man sie ernst nehmen.

Und um es mal vorwegzunehmen, es hat überhaupt nichts geklappt. Und habt ihr gewusst, dass Bäckerein von Sicherheitsdiensten überwacht werden.

Auf dem Nachhauseweg verwandelte er sich in Heinrich, aber ich verstand jetzt wirklich keinen Spass mehr: Halt einfach die Schnauze.

Und das tat er auch.

Aber als wir dann zuhause waren, wollte er mich wieder trösten, und wurde zu so einer Art: SexMonsterMeinerSchmutzigstenTräume und bekam einen Schmollmund: Kann ich wirklich nichts für dich tun?

Vergiss es.

Warum, denn Süsser?

Ich habe gesehen, wie Du übernachtest.

Was meinst Du denn, ach das Plasma, ja im Plasmazustand kann ich mich so richtig gut entspannen. Weisst Du das ist richtiges Schlafen, kein Bewusstsein mehr, da schreiben sogar die ganzen irdischen Dichter drüber, tiefer traumloser Schlaf. Das fühlt sich echt gut an. So wie ProbeTot. Ach Mist, davon wollte ich ja nicht mehr reden, ihr Sterblichen aus dem Naturschutzgebiet seid da ja ein bisschen empfindlich.

Ich glaube ich habe das gebrüllt: ICH DENKE GAR NICHT DARAN, MEINEN WACKELPETER ZU FICKEN! VERSTEHST DU DAS?

Der Wackelpeter hat verstanden, ich selbst würde mich übringens als Götterspeise bezeichnen, obwohl, erinnerst Du dich noch was du an diesem frustrierenden 23 Dezember 2018 um 23.42 gemacht hast?

HALT ENDLICH DEINE SCHNAUZE!

Ich habe zwar keine Schnauze, aber ich glaube ich verstehe was Du meinst.

UND KRIECH NICHT MEHR IN MEINEM KOPF RUM!

O.K. wird gemacht, hatte ich nur vergessen, nicht im Kopf der Erdlinge rumkriechen, weisst Du, hier sind eine ganze Menge Dinge verboten… da muss man sich erst mal eingewöhnen.

WAS WILLST DU ÜBERHAUPT HIER?

Ich habe einen Erholungsurlaub gebucht, von der Front, weil wir darum kämpfen, wer mit dem Singularitätsraumschiff zuerst durch den Urknall reisen darf. Es gibt da noch ein paar Unstimmigkeiten, was die Reihenfolge anbelangt, die wir gerade ausdiskutieren. Kennst Du ja, wie das läuft, so ähnlich wie auf der Erde auch, also bei dem Kriegsding, da hat sich nicht so viel geändert, bedauerlich nicht?

Warum sagst Du mir das? Sind das wieder Naturschutzgründe?

Tut mir leid, darauf darf ich nicht antworten.

Aus Naturschutzgründen?

Darauf darf ich auch nicht antworten.

Darauf habe ich dem Putzeimer, der gerade in der Nähe stand einen Tritt in seine Richtung gegeben: Heute Nacht schläfst Du da drin.

No Problemo!

Und dann hat er sich in dem Putzeimer ausgebreitet, und noch einmal lasziv gestöhnt: Ah, wie geil ist das? Süsser, woher wusstest Du, dass ich es richtig dreckig mag, bist Du auch ein bisschen in meinem Kopf herum geklettert?

Mein Fuss tut mir immer noch von dem Tritt auf seinen dreckigen Eimer weh, denn er ist, wenn er komplett als Plasma eingeeimert ist, ganz schön schwer und bewegt sich kein Stück von der Stelle.

Jay Ronto die gute Seele macht noch mehrere Versuche mir in Sachen Mädchen zu helfen und ihr könnt euch denken, wie die ausgehen. Was dann kommt ist ja klar, er stellt sich selbst ganz gönnerhaft zur Verfügung und behauptet, dass das in Ausserirdischen ganz üblich sei, das habe sogar ein französischer Philosoph erfunden.

Du meinst Frankreich, Erde, Sonnensystem, 3. Spiralarm aussen, Milchstrasse.

Genau dieses Fronkreich und Fourier ist sein Name.

Der mit den Wellen?

Aber nein, der mit den Trieben.

Nun komm schon, ich lass auch Svenja aus deiner Klasse in mich reinschlüpfen.

Was? Ich steh nicht auf Svenja, das habe ich ihr schon tausendmal gesagt.

Aber das weiss ich doch Süsser, aber niemand liebt dich so wie sie, in dem Körper deiner Wunschfrau natürlich. Das kann man einfach nicht nachmachen, das ist viel stärker als wenn ich mir das jetzt ausdenken müsste, jemand, der dich so richtig mag.

Naturschutzgründe?

Vielleicht, ein bisschen.

Das ist doch alles eine Verarsche.

Nein, großes IndianerEhrenwort, ich schneide nichts mit, ich schalte meinen Stimmenrecorder und all das ab, ich bin innen ganz Svenja, na ja, Svenja ohne jedes Gedächtnis und aussen bin ich dein Wunschmonster, so wie Du es magst. Na wie klingt das?

Das kling ganz schön sexistisch, wenn diese Kategorie bei Jay Rondo überhaupt noch Sinn macht. Aber er zeigt mir, was ich mir darunter vorzustellen hatte, und es war schon irgendwie überzeugend.

Keine Verarsche, Du hast alles vergessen?

Ich schwöre, das machen wir bei uns auf dem Planeten ständig so, es ist eine Kumpelsache. Wir haben überhaupt anders keinen Sex mehr, es ist wie Fussball anschauen bei euch, echt jetzt, los vertrau mir.

Wenn Dich das, was ich bisher geschrieben habe, auch total gelangweilt hat, oder sonstwie genervt, glaub mir, Du wirst mir noch mal dankbar sein für diesen einen Tipp, ganz gleich wie verführerisch es ist, habe niemals, hörst Du niemals, auch nicht einmal zum Ausprobieren, Sex mit einem Wesen, dass als Wackelpeter oder meinetwegen auch als Götterspeise in deinem Putzeimer übernachten kann.

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